Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Ausschuss nimmt die Ausführungen zum Befall des Borkenkäfers in den Wäldern der Stadt Rheine zur Kenntnis.
Begründung:
Die
Fraktion im Rat der Stadt Rheine ‚Bündnis 90 Die Grünen‘ hat den als Anlage 2
beigefügten Antrag bei der Stadt Rheine eingereicht. Im Folgenden werden die
darin enthaltenen Fragestellungen zur Situation des Borkenkäferbefalls
beantwortet, soweit Daten hierzu erhältlich waren.
Der Sommer 2018 führte in den
Fichtenbeständen in NRW zu den größten Borkenkäferschäden seit 1947. Ausgelöst
wurde die „Großkalamität“ durch Orkan „Friederike“ und die danach anhaltende
Trockenheit, die dem Schädling optimale Lebensbedingungen und
Massenvermehrungen ermöglicht haben.
Experten und Waldbesitzer fürchten, dass die
Trockenheit und das Ausbreiten des Schädlings auch zu einem Absterben von
Laubbäumen wie Buche und Eiche führen könnte.
Insbesondere die beiden Borkenkäferarten Buchdrucker
und Kupferstecher stellen den Waldbesitzer vor große Herausforderungen.
Wie kommt es zum
Borkenkäferbefall?
Die Käfer reagieren auf Duftsignale
geschädigter Bäume. Ein Pionierkäfer bohrt sich in die Rinde und sendet danach
Pheromone zur Anlockung weiterer Artgenossen aus. Zur
Eiablage bohren die Käfer Gänge in die Rinde, worin die Weibchen ihre Eier
legen. Nach Larvenfraß
und Verpuppung schlüpfen die Jungtiere. Dieser Zyklus kann zwischen 7-10 Wochen
dauern, was in der Regel 2-3 Generationen pro Jahr ermöglicht. In NRW sind im
Extremjahr 2018 bis zu 4 Generationen beobachtet worden. Geschätzt folgen aus der Brut eines Weibchens im Laufe der
Vegetationsperiode zwischen 100.000 und 250.000 Nachkommen. Eine Hochrechnung in NRW aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass aus der
Borkenkäferpopulation eines einzigen Baumes eine potenzielle Nachkommenschaft
von 1,5 Mrd. Käfer im Folgejahr entstehen kann.
Warum sterben Bäume
bei starkem Borkenkäferbefall ab?
Larven und Jungkäfer fressen sich
zwischen Borke und Splintholz durch den sogenannten Bast und durchtrennen die
Leitungsbahnen, die die Baumwurzeln mit lebenswichtiger, in den Nadeln
gebildeter Nahrung versorgen. Bei starkem Befall wird auch der Wassertransport
in die Kronen so stark gestört, dass der Baum abstirbt.
Finanzielle Folgen:
Die Preise für Fichtenstammholz liegen
(trotz robuster Nachfrage aus dem Bausektor) aktuell derzeit rund 40 Prozent
unter dem Niveau von Anfang 2018. Viele heimische Sägewerke nehmen gar kein Holz
mehr an. Der Landesbetrieb Wald und Holz empfiehlt den Waldbesitzern nun
ausdrücklich, „Frischholzeinschlag im Nadelholz“ zu unterlassen. Vorrang habe
der Einschlag in geschädigte Fichtenbestände.
Obwohl Borkenkäfer große wirtschaftliche Schäden anrichten können, gehören sie in jedes Waldökosystem und spielen bei der Rückführung von geschwächten und toten Bäumen in den Nährstoffkreislauf eine wichtige Rolle.
Borkenkäferbekämpfung
– was ist wirksam, sinnvoll, erlaubt?
In den 1980-ziger Jahren hofften die
Forstleute noch, dass man explosionsartige Borkenkäfermassenvermehrungen durch
den Einsatz der damals weit verbreiteten schwarzen Borkenkäferfallen Herr
werden könnte. Diese Fallen wurden im Inneren mit Pheromonen (Sexuallockstoffe)
bestückt. Die angelockten Käfer wurden in einem Trichter aufgefangen und
gezielt abgeschöpft. Über die Jahre hat sich jedoch wissenschaftlich erwiesen,
dass diese in unseren Wäldern weit verbreitete Fangmethode nicht geeignet ist,
um Massenvermehrungen zu verhindern. Oft entstanden an den Fallenstandorten
sogar neue Befallschwerpunkte.
Trotz vieler Versuchsansätze, neue
Bekämpfungsstrategien zu entwickeln, sind die Maßnahmen einer „sauberen
Waldwirtschaft“ am effektivsten[i]:
1. Idealfall:
Unmittelbare Abfuhr nach Einschlag von Stammholz und Industrieholz zum Käufer.
2. Keine
unmittelbare Abfuhr möglich: Lagerung entrindeter Fichten im Wald bzw. in Rinde
außerhalb des Waldes.
3. Häckseln sowie
Abdecken von Industrieholz mit schwarzer Folie.
4. Sind diese Maßnahmen nicht
durchführbar, kommt eine Polterlagerung (Lagerung von entrindetem Holz) inkl. Pflanzenschutzmitteln in Frage.
Städtische Waldflächen
Schadensumfang
Die Flächengröße der
städtischen Wälder beträgt 357 ha. Aktuell beträgt der Anteil der
Fichtenbestände 4,79 ha (1,3 % der städtischen Waldfläche). Auf Grundlage der
Forsteinrichtung (Waldinventur) des Landesbetriebes Wald und Holz von 2015 sind
aktuell die in Anlage 1 dargestellten Flächen mit Fichte bestockt.
In 2018 ist ein massiver
Borkenkäferbefall im städtischen Waldbestand nicht aufgetreten. Daten aufgrund
einer konkreten Schadensermittlung liegen nicht vor.
Vorbeugung und Bekämpfung
Die größeren Bestände
werden in diesem Frühjahr vom zuständigen Produktbereich Grundstücksmanagement
regelmäßig überprüft. Nach dem Sturmereignis Frederieke ist zur
Befallsminimierung das Sturmholz entfernt worden. Nach Rücksprache mit dem
zuständigen Förster werden die Fichtenbestände im Revier weiter beobachtet und
je nach örtlicher Lage und Befallsituation unterschiedliche Maßnahmen
eingeleitet. Der Einsatz von Insektiziden ist seitens der Stadt Rheine und dem
Landesbetrieb ausgeschlossen. In den kleineren Beständen, insbesondere in den
Naturschutzgebieten Waldhügel und Bentlage, werden die befallenen Fichten als
stehendes Totholz im Wald verbleiben. Die Stadt Rheine hat jedoch die
Verkehrssicherungspflicht und Schutzverpflichtung der angrenzenden Waldnachbarn
zu prüfen und bei Bedarf Maßnahmen zu ergreifen.
Die Stadt Rheine wird
weiter gemäß dem Leitprojekt 23 des IEHK (Qualifizierung von Waldflächen) die
Entwicklung und Sicherung eines vielfältigen, mehrstufigen und
standortgerechten Mischwaldes umsetzen. So
werden seit
ca. 15 Jahren reine Nadelwaldbestände kontinuierlich in Laubwald umgewandelt.
Dieser hat gegenüber der Monokultur eine geringere Anfälligkeit gegen
Schädlinge. Der Fichtenanteil im Stadtwald konnte seit 1980 von 15 ha auf 4,79
ha reduziert werden.
Die weitere Entwicklung
des Klimawandels und die Folgen für den Wald sind nicht vorhersehbar. Die im
Leitprojekt 23 festgelegten Ziele fördern die Widerstandsfähigkeit des Waldes
gegenüber Störungen wie Borkenkäfer und die Anpassungsfähigkeit gegenüber
klimatischen Veränderungen. Trotz aller Unsicherheit bestehen gute Aussichten,
mit den festgelegten Entwicklungszielen die zukünftigen Risiken zu mindern.
Finanzieller Schaden
Ein finanzieller Schaden kann nicht beziffert
werden, da der aktuelle Befall nicht bekannt ist.
Bei einem prozentualen Fichtenanteil von 1,3
% ist nicht von einem gravierenden
finanziellen Schaden für die Stadt Rheine auszugehen.
Sonstige Waldflächen
Stadtgebiet
Rheine: Nach den
statistischen Angaben der Landesdatenbank mit Stand vom 31.12.2015 beträgt die
Waldfläche 2015 im Stadtgebiet von Rheine 2.767 ha. Über den Anteil der
Fichtenbestände liegen keine Angaben vor.
Forstbetriebsgemeinschaft Rheine-Hörstel : Den Fichtenanteil der Waldflächen der
Forstbetriebsgemeinschaft Rheine-Hörstel wird durch den Landesbetrieb Wald und
Holz mit 2,5 % eingeschätzt. (Bei der Forstbetriebsgemeinschaft handelt
es sich um einen forstwirtschaftlichen privatrechtlichen Zusammenschluss von
Waldbesitzern. Die Stadt Rheine ist Mitglied der Forstbetriebsgemeinschaft
Rheine-Hörstel und profitiert von den ökonomischen Vorteilen dieser
Organisationsform.) Hierzu schreibt
der Landesbetrieb Wald und Holz.nrw (01.04.2019):
„Bei diesem geringen Anteil ist nur von einem geringen Schadausmaß
auszugehen. Die befallenen Bereiche sind im letzten Jahr fast vollständig
bearbeitet worden und noch mit einem kleinen Gewinn für die Waldbesitzer
abgeschlossen worden. Kleinere, neue Befallsnester werden vermutlich noch in
diesem Jahr nachgearbeitet. Diese Maßnahmen werden aber maximal noch plus minus
Null ausgehen. Die Kiefer kommt als genügsame Baumart mit der Situation sehr
gut zurecht. Schäden durch Borkenkäfer und Schmetterlingsraupen sind nahezu
nicht feststellbar. Bei der Eiche und Buche hängt es wesentlich vom Wetter des
diesjährigen Jahres ab. Mögliche Schäden zeichnen sich dann eventuell ab
Sommer/Herbst 2019 ab.“
Nordrhein-Westfalen: verzeichnet für das Jahr 2018 einen Kalamitätsholzanfall (Sturm- und Käferholz) über alle Waldbesitz- und Holzarten in Höhe von 4,5 Mio. Festmeter. Zum Vergleich: Der gesamte Jahreseinschlag 2017 in NRW betrug 3,017 Mio. Festmeter. Davon entfielen 2,0 Mio. fm Einschlag auf die Fichte, die mit 30 Prozent Anteil die dominante Baumart in NRW ist.
Vorhandene Statistiken
dokumentieren allenfalls den Holzanfall aufgrund von Kalamitäten nicht aber das
Ausmaß des Befalls. Grundsätzlich liegen
weder auf kommunaler, noch auf Landes- oder Bundesebene verlässliche Zahlen
über das tatsächliche Schadensausmaß in unseren Wäldern durch Trockenheit,
Insektenbefall und anderer Ursachen vor. Der Gemeinsame Forstausschuss der
Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände „Deutscher Kommunalwald“ hat
deshalb an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft appelliert
(BMEL), nunmehr zeitnah ein bundesweites Monitoringsystem zur Schadensermittlung
über alle Waldbesitzarten einzurichten.
Fazit: Die Borkenkäfersituation mag landes- und deutschlandweit ein sehr großes Problem darstellen. Aufgrund des geringen Anteils reiner Fichtenbestände im Stadtgebiet von Rheine sind gravierende Schäden durch den Befall von Borkenkäfer nicht zu erwarten. Die Stadt Rheine wird zusammen mit dem Landesbetrieb Wald und Holz. NRW die Situation beobachten.
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Quellen:
Mitteilung des
Produktbereiches 4.1 Grundstücksmanagement vom 09.04.2019
Schreiben des Landesbetriebes Wald und
Holz.NRW an die Stadt Rheine vom 01.04.2019 und 11.04.2019
Pressemitteilung anlässlich
der Bundestagung des Gemeinsamen Forstausschusses der Bundesvereinigung der
kommunalen Spitzenverbände „Deutscher Kommunalwald“ in Schmallenberg am
01.04.2019