Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Bauausschuss stimmt der Entfristung der unten
beschriebenen Regelung der erweiterten Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer
zu.
Begründung:
Größere
Bereiche der Fußgängerzone sind seit September 2017 für Radfahrer freigegeben
(vgl. Vorlage 227/17). Die Regelung, den östlichen Teil der Emsstraße in
Rheine, die Fußgängerbrücke sowie die Milch- und Rosenstraße für den
Fahrradverkehr zu öffnen, wurde zunächst auf ein Jahr befriste, um
Erfahrungen zu sammeln. Diese Probephase wurde in 2018 um ein weiteres Jahr
verlängert. Flankierend sollten in der verlängerten Probephase weitere
Untersuchungen und Erhebungen sowie Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit
durchgeführt werden (vgl. Vorlage 394/18).
Öffentlichkeitswirksame
Kampagne
Die
verlängerte Probephase wurde durch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne
begleitet, die zum Ziel hatte, die gegenseitige Rücksichtnahme zu fördern und
das Gefährdungspotenzial zu senken. Die Kampagne stellte heraus, dass:
- Fußgänger Vorrang haben und nicht behindert
oder gefährdet werden dürfen
- Radfahrer zu Gast in der Fußgängerzone sind
und sich rücksichtsvoll verhalten müssen
- in der Fußgängerzone Schrittgeschwindigkeit
gilt und Radfahrer im Zweifel absteigen müssen.
Diese
Verhaltensregeln wurden auf Banner gedruckt, an Absperrgittern befestigt und im
Sommer 2019 über einen Zeitraum von 4
Monaten an 12 Punkten des Eingangsbereiches der Fußgängerzone positioniert.
Darüber hinaus wurde die Kampagne unterstützt durch das Verteilen und die
Auslage von Flyern.
Die
Durchführung der Kampagne fand ein geteiltes Echo in der Stadtgesellschaft und
regte eine (Leserbrief-) Diskussion an. Die Aktion wurde vor allem von
Fußgängern überwiegend positiv aufgenommen und auch als wirksam angesehen.
Teilweise bemängelt wurde, dass die Schilder zu klein sind und an falschen
Stellen postiert wurden. Im Gegenzug bemängelten einige Radfahrer die
einseitige Ausrichtung der Kampagne, die den Radfahrer als „Sündenbock“
hinstellt. Aufgrund der Resonanz kann festgehalten werden, dass die Kampagne
das Thema „Rücksicht und Respekt“
erfolgreich im öffentlichen Bewusstsein verankert hat.
Abbildung 1
Kampagnenmotiv Rücksicht und Respekt
Monitoring
Flankierend
zur öffentlichkeitswirksamen Kampagne wurde ein Monitoring im Bereich der
erweiterten Öffnungsregelung der Emsstraße zwischen Nepomukbrücke und Hues Ecke
durchgeführt.
An acht Tagen, vom 27.08.2019 bis
05.09.2019, wurden in der Fußgängerzone in dem für Fahrradfahrer probeweise
freigegebenen Bereich Fahrradfahrer gezählt und deren Fahrweise bewertet. Dabei
wurde unterschieden zwischen angemessener und unangemessener Fahrweise, oder ob
das Fahrrad geschoben wurde. Insgesamt wurden im Beobachtungszeitraum 1033
Fahrradfahrer gezählt. Die Zählungen wurden an je vier Tagen vor C&A und
Hues Ecke durchgeführt. Es wurde darauf geachtet, zu unterschiedlichen Zeiten
vor Ort zu sein, um möglichst repräsentative Daten zu erhalten.
Ergebnisse: Im Bereich Hues Ecke konnte beobachtet werden, dass der Großteil der registrierten Radfahrer den Bereich mit angemessener Geschwindigkeit quert. Ein weiterer großer Teil der Radfahrer, nahezu 30 Prozent, schiebt das Rad und 5 % fahren unangemessen.
Abbildung 2: Zählung der
Fahrradfahrer, Höhe Hues Ecke,
27.08.2019 - 05.09.2019
Das Verhalten der Radfahrer unterscheidet sich an den beiden genannten Standorten grundsätzlich nicht. Der Beobachtungspunkt vor C&A wird jedoch von deutlich mehr Fußgängern frequentiert. Die Radfahrer reagieren auf diesen Umstand, steigen ab und der Anteil der Radfahrer, die ihr Rad schieben, steigt auf fast 40%. Dieses Verhalten lässt den Rückschluss zu, dass der weit überwiegende Teil der Radfahrer verinnerlicht hat, dass Fußgänger Vorrang haben und nicht behindert oder gefährdet werden dürfen. Leider finden sich auch in diesem Bereich 5% unbelehrbare Radfahrer, die in diesem Bereich mit unangemessener Geschwindigkeit fahren. Negativ aufgefallen sind hier vor allem Schüler, die durch eine provokante Fahrweise und durch die Bedienung von Handys die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer gefährden.
Diese Erkenntnisse hat die Verwaltung dazu bewogen Kontakt zur Polizei aufzunehmen und um Kontrollen zu ersuchen.
Abbildung 3: Zählung der
Fahrradfahrer vor C&A, 27.08.2019 - 31.08.2019
Unfallstatistik
der Kreispolizeibehörde
Die Auswertung
der Unfallstatistik der Kreispolizeibehörde ergab, dass sich im Bereich der
Emsstraße in den vergangenen zwei Jahren keine meldepflichtigen Unfälle
ereigneten. Auch Bagatellunfälle unter Fahrradbeteiligung konnten nicht
verzeichnet werden.
Stellungnahme
des AK-Verkehr / Verkehrsbehörde zur abgelaufenen Erprobungsphase:
Nach
Abwägung unter den AK-Mitgliedern wird der Empfehlung der Fachstelle für
Umwelt- und Klimaschutz, die aktuelle Regelung zu entfristen, entsprochen.
Ausschlaggebend
für diese Entscheidung ist, dass sich laut Auskunft der Polizei seit
Inkrafttreten der Regelung vor zwei Jahren keine Unfälle zwischen Radfahrern
und Fußgängern im Bereich der Fußgängerzone ereignet haben.
Die
Regelung wird von Seiten der Verkehrsbehörde weiterhin mit beobachtet, da uns
immer wieder Beschwerden über unangemessene Geschwindigkeit von Radfahrern
erreichen. Die Regelungen und Verhaltensregeln der erweiterten Öffnung der
Fußgängerzone sollten daher weiterhin in angemessener Form den Bürgerinnen und
Bürgern vermittelt werden, um die gegenseitige Rücksichtnahme zu fördern und
das bestehende Gefährdungspotenzial zu senken.
Weiterführende
Hinweise
Die Öffnung von Fußgängerzonen für den Radverkehr ist nie völlig unproblematisch, da sie die freie und ungestörte Bewegungsfreiheit zu Fuß gehender einschränkt und zu Konflikten zwischen beiden Verkehrsteilnehmergruppen führen kann. Auf der anderen Seite stehen die Förderung des Radverkehrs und die Belebung der Innenstadt. Die Last der Abwägung zwischen den verkehrlichen Bedürfnissen lässt sich nicht vollkommen auflösen.
Eine eindeutige
und vor allem sichtbare Kennzeichnung der Fußgängerzone und der für Radfahrer
freigegebenen Bereiche stellt jedoch die Grundlage für ein weitgehend
konfliktfreies Miteinander von Fußgängern und Radfahrern dar.
Der
Innenstadtverein hat sich für eine komplette Schließung der Emsstraße von
Hungeling bis zur Emsgalerie ausgesprochen. Grund dafür ist aus Sicht des
Vereins, dass viele Radfahrer aufgrund der Beschilderung nicht so schnell
erkennen können, dass das „Fahrrad frei“ sich nur auf den Abend und
Nachzeitraum bezieht.
Aus diesem Grund
wird die Stadtverwaltung die Beschilderung verbessern.
Nachfolgend werden
Beispiele aus anderen Kommunen angeführt, die optisch besser erkennbar
sind (hier geht es nicht um die Inhalte
sondern um die Darstellungsart).
Abbildung 4: Quelle: Planungsleitfaden "Öffnung von Fußgängerzonen für den
Radverkehr"
Auswirkungen auf den kommunalen Klimaschutz
Die erweiterte
Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer stellt eine Förderung des Radverkehrs
dar und unterstützt somit die Klimaschutzziele der Stadt Rheine.
Fazit
Für den
Fußgänger als schwächstes Glied im Straßenverkehr bedeutet die erweiterte
Öffnung der Fußgängerzone in Rheine vor allem Komfortverlust. Es sprechen
jedoch keine objektiv zwingenden sicherheitsrelevanten Gründe dafür, die
erweiterte Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer zurückzunehmen:
- Verkehrsunfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern wurden im
zweijährigen Pro bezeitraum nicht
verzeichnet
- 95 % der Radfahrer in der Fußgängerzone verhalten sich
verkehrsgerecht und
die Dimension des Straßenraums in der Emsstraße lässt ein gefahrfreies
Nebeneinander von Radfahrern und Fußgängern zu.
Die Verwaltung
schlägt daher vor, die bestehende Regelung der erweiterten Öffnung der
Fußgängerzone für Radfahrer zu entfristen. Eine Beobachtung wird weiterhin
stattfinden und die angestrebten Kontrollen der Polizei sowie eine Wiederholung
der Plakatkampagne und eine deutlichere Beschilderung sollen zu einer
dauerhaften Akzeptanz der Regelung beitragen.