Betreff
Entfristung der erweiterten Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer
Vorlage
420/19
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der  Bauausschuss stimmt der Entfristung der unten beschriebenen Regelung der erweiterten Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer zu.

 


Begründung:

 

Größere Bereiche der Fußgängerzone sind seit September 2017 für Radfahrer freigegeben (vgl. Vorlage 227/17). Die Regelung, den östlichen Teil der Emsstraße in Rheine, die Fußgängerbrücke sowie die Milch- und Rosenstraße für den Fahrradverkehr zu öffnen,  wurde zunächst auf ein Jahr befriste, um Erfahrungen zu sammeln. Diese Probephase wurde in 2018 um ein weiteres Jahr verlängert. Flankierend sollten in der verlängerten Probephase weitere Untersuchungen und Erhebungen sowie Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden (vgl. Vorlage 394/18).

 

 

Öffentlichkeitswirksame Kampagne

 

Die verlängerte Probephase wurde durch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne begleitet, die zum Ziel hatte, die gegenseitige Rücksichtnahme zu fördern und das Gefährdungspotenzial zu senken. Die Kampagne stellte heraus, dass:

 - Fußgänger Vorrang haben und nicht behindert oder gefährdet werden dürfen

-  Radfahrer zu Gast in der Fußgängerzone sind und sich rücksichtsvoll verhalten müssen

-  in der Fußgängerzone Schrittgeschwindigkeit gilt und Radfahrer im Zweifel absteigen müssen.

Diese Verhaltensregeln wurden auf Banner gedruckt, an Absperrgittern befestigt und im Sommer 2019  über einen Zeitraum von 4 Monaten an 12 Punkten des Eingangsbereiches der Fußgängerzone positioniert. Darüber hinaus wurde die Kampagne unterstützt durch das Verteilen und die Auslage von Flyern.

 

Die Durchführung der Kampagne fand ein geteiltes Echo in der Stadtgesellschaft und regte eine (Leserbrief-) Diskussion an. Die Aktion wurde vor allem von Fußgängern überwiegend positiv aufgenommen und auch als wirksam angesehen. Teilweise bemängelt wurde, dass die Schilder zu klein sind und an falschen Stellen postiert wurden. Im Gegenzug bemängelten einige Radfahrer die einseitige Ausrichtung der Kampagne, die den Radfahrer als „Sündenbock“ hinstellt. Aufgrund der Resonanz kann festgehalten werden, dass die Kampagne das Thema „Rücksicht und Respekt“  erfolgreich im öffentlichen Bewusstsein verankert hat.

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Abbildung 1

Kampagnenmotiv Rücksicht und Respekt

 

Monitoring

 

Flankierend zur öffentlichkeitswirksamen Kampagne wurde ein Monitoring im Bereich der erweiterten Öffnungsregelung der Emsstraße zwischen Nepomukbrücke und Hues Ecke durchgeführt.

 

An acht Tagen, vom 27.08.2019 bis 05.09.2019, wurden in der Fußgängerzone in dem für Fahrradfahrer probeweise freigegebenen Bereich Fahrradfahrer gezählt und deren Fahrweise bewertet. Dabei wurde unterschieden zwischen angemessener und unangemessener Fahrweise, oder ob das Fahrrad geschoben wurde. Insgesamt wurden im Beobachtungszeitraum 1033 Fahrradfahrer gezählt. Die Zählungen wurden an je vier Tagen vor C&A und Hues Ecke durchgeführt. Es wurde darauf geachtet, zu unterschiedlichen Zeiten vor Ort zu sein, um möglichst repräsentative Daten zu erhalten.

 

Ergebnisse: Im Bereich Hues Ecke konnte beobachtet werden, dass der Großteil der registrierten Radfahrer den Bereich mit angemessener Geschwindigkeit quert. Ein weiterer großer Teil der Radfahrer, nahezu 30 Prozent, schiebt das Rad und 5 % fahren unangemessen.

 

 

Abbildung 2: Zählung der Fahrradfahrer, Höhe Hues Ecke,  27.08.2019 - 05.09.2019

 

 

Das Verhalten der Radfahrer unterscheidet sich an den beiden genannten Standorten grundsätzlich nicht. Der Beobachtungspunkt vor C&A wird jedoch von deutlich mehr Fußgängern frequentiert. Die Radfahrer reagieren auf diesen Umstand, steigen ab und der Anteil der Radfahrer, die ihr Rad schieben, steigt auf fast 40%. Dieses Verhalten lässt den Rückschluss zu, dass der weit überwiegende Teil der Radfahrer verinnerlicht hat, dass Fußgänger Vorrang haben und nicht behindert oder gefährdet werden dürfen. Leider finden sich auch in diesem Bereich 5% unbelehrbare Radfahrer, die in diesem Bereich mit unangemessener Geschwindigkeit fahren. Negativ aufgefallen sind hier vor allem Schüler, die durch eine provokante Fahrweise und durch die Bedienung von Handys die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer gefährden.       

Diese Erkenntnisse hat die Verwaltung dazu bewogen Kontakt zur Polizei aufzunehmen und um Kontrollen zu ersuchen.

Abbildung 3: Zählung der Fahrradfahrer vor C&A, 27.08.2019 - 31.08.2019

 

 

Unfallstatistik der Kreispolizeibehörde

 

Die Auswertung der Unfallstatistik der Kreispolizeibehörde ergab, dass sich im Bereich der Emsstraße in den vergangenen zwei Jahren keine meldepflichtigen Unfälle ereigneten. Auch Bagatellunfälle unter Fahrradbeteiligung konnten nicht verzeichnet werden. 

 

 

Stellungnahme des AK-Verkehr / Verkehrsbehörde zur abgelaufenen Erprobungsphase:

 

Nach Abwägung unter den AK-Mitgliedern wird der Empfehlung der Fachstelle für Umwelt- und Klimaschutz, die aktuelle Regelung zu entfristen, entsprochen.

 

Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist, dass sich laut Auskunft der Polizei seit Inkrafttreten der Regelung vor zwei Jahren keine Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern im Bereich der Fußgängerzone ereignet haben.

Die Regelung wird von Seiten der Verkehrsbehörde weiterhin mit beobachtet, da uns immer wieder Beschwerden über unangemessene Geschwindigkeit von Radfahrern erreichen. Die Regelungen und Verhaltensregeln der erweiterten Öffnung der Fußgängerzone sollten daher weiterhin in angemessener Form den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt werden, um die gegenseitige Rücksichtnahme zu fördern und das bestehende Gefährdungspotenzial zu senken.

 

 

Weiterführende Hinweise

 

Die Öffnung von Fußgängerzonen für den Radverkehr ist nie völlig unproblematisch, da sie die freie und ungestörte Bewegungsfreiheit zu Fuß gehender einschränkt und zu Konflikten zwischen beiden Verkehrsteilnehmergruppen führen kann. Auf der anderen Seite stehen die Förderung des Radverkehrs und die Belebung der Innenstadt. Die Last der Abwägung zwischen den verkehrlichen Bedürfnissen lässt sich nicht vollkommen auflösen.

 

Eine eindeutige und vor allem sichtbare Kennzeichnung der Fußgängerzone und der für Radfahrer freigegebenen Bereiche stellt jedoch die Grundlage für ein weitgehend konfliktfreies Miteinander von Fußgängern und Radfahrern dar.

 

Der Innenstadtverein hat sich für eine komplette Schließung der Emsstraße von Hungeling bis zur Emsgalerie ausgesprochen. Grund dafür ist aus Sicht des Vereins, dass viele Radfahrer aufgrund der Beschilderung nicht so schnell erkennen können, dass das „Fahrrad frei“ sich nur auf den Abend und Nachzeitraum bezieht.

Aus diesem Grund wird die Stadtverwaltung die Beschilderung verbessern.

 

Nachfolgend werden Beispiele aus anderen Kommunen angeführt, die optisch besser erkennbar sind  (hier geht es nicht um die Inhalte sondern um die Darstellungsart).

 

 

Abbildung 4: Quelle: Planungsleitfaden "Öffnung von Fußgängerzonen für den Radverkehr" © Fachhochschule Erfurt (fh-erfurt.de)  

 

 

Auswirkungen auf den kommunalen Klimaschutz

 

Die erweiterte Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer stellt eine Förderung des Radverkehrs dar und unterstützt somit die Klimaschutzziele der Stadt Rheine.

 

 

Fazit

 

Für den Fußgänger als schwächstes Glied im Straßenverkehr bedeutet die erweiterte Öffnung der Fußgängerzone in Rheine vor allem Komfortverlust. Es sprechen jedoch keine objektiv zwingenden sicherheitsrelevanten Gründe dafür, die erweiterte Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer zurückzunehmen:

 

- Verkehrsunfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern wurden im zweijährigen Pro    bezeitraum nicht verzeichnet

 

- 95 % der Radfahrer in der Fußgängerzone verhalten sich verkehrsgerecht und

die Dimension des Straßenraums in der Emsstraße lässt ein gefahrfreies Nebeneinander von Radfahrern und Fußgängern zu.

 

Die Verwaltung schlägt daher vor, die bestehende Regelung der erweiterten Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer zu entfristen. Eine Beobachtung wird weiterhin stattfinden und die angestrebten Kontrollen der Polizei sowie eine Wiederholung der Plakatkampagne und eine deutlichere Beschilderung sollen zu einer dauerhaften Akzeptanz der Regelung beitragen.