Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz nimmt die Ausführungen zum Thema der überackerten Wegerandstreifen zur Kenntnis und stimmt dem Vorgehen zu, die Nutzung städtischer Wegeseitenflächen durch die Landwirte ausschließlich zu Naturschutzzwecken zu tolerieren.

 


Begründung:

 

Im Frühjahr 2017 wurde der Stadt Rheine von Seiten des Kreises Steinfurt eine umfangreiche Datensammlung zur Verfügung gestellt, welche die Überackerung von Wegeseitenflächen durch Landwirte aufzeigt. Die Analyse des Kreises weist 180 Einzelflächen aus, die in der Summe 10 ha Ackerland sowie 2 ha Grünland ergeben. Der Kreis regt an, dass diese Flächen in einen höheren ökologischen Zustand versetzt werden und damit dem städtischen Ökokonto gutgeschrieben werden könnten. Die Anerkennung als vorgezogene Kompensationsmaßnahme setzt voraus, dass diese Kompensationsflächen dauerhaft erhalten bleiben.

 

 

Sachstand zur bisherigen Maßnahmenumsetzung

 

Von der Stadt Rheine wurde eine Überprüfung der vom Kreis zur Verfügung gestellten Informationen auf Flächen > 750 m² vorgenommen, da erst diese Flächengröße eine dauerhafte Anlage und die Generierung von Ökopunkten für die Stadt Rheine sinnvollerweise ermöglicht. Insgesamt wurden 33 Flächen > 750 m² ermittelt. Die Liste mit diesen Flächen wurde dem Grundstücksmanagement der Stadt Rheine zur Abgleichung mit spezifischen Flächenvorhaltungen, bestehenden Pachtverträgen, bestehenden Kompensationsregelungen und städtischen Entwicklungsplanungen zur Verfügung gestellt. Die aus liegenschaftlicher Sicht zur ökologischen Aufwertung geeigneten Flächen, mussten jedoch nach Abwägung mit den oben genannten Vorbehalten auf neun Flächen reduziert werden.

 

Mit den benachbarten Eigentümern dieser neun überackerten Wegerandstreifen wurden von Seiten des Grundstücksmanagements sukzessive Gespräche aufgenommen, um bei diesen Flächen eine Rückumwandlung z. B. in Blühflächen zu erreichen und in Abstimmung mit der UNB des Kreis Steinfurt die Aufnahme in das städtische Ökokonto zu erwirken oder eine Vereinbarung mit den Landwirten zu erzielen, mit der diese im Gegenzug für die Einsaat und Pflege der Flächen Greeningpunkte generieren können.

 

Das Verfahren der Rückumwandlung und die Aufnahme in das städtische Ökokonto konnte mittlerweile bei drei Flächen (Fläche 1, 2 und 3) abgeschlossen werden. Bei einer weiteren Fläche  steht die Liegenschaftsverwaltung derzeit in engen Verhandlungen mit dem Pächter der Fläche (Fläche 4).

 

Die restlichen fünf Flächen (Fläche 5, 6, 7, 8 und 9) wurden einer Plausibilitätsprüfung unterzogen, die jedoch differenzierte Ergebnisse in Bezug auf eine mögliche Rückumwandlung und ökologische Aufwertung ergaben.

 

Fläche 1

Fläche Rheine l.d. Ems, Flur 18, Flurstück 73, Im Mersch, Grundstückgröße 971 m² (siehe Anlage 1, Karte 1)

Die Fläche wurde im Jahr 2018 durch die Technischen Betriebe Rheine fachgerecht umgebrochen, mit regionalem Saatgut eingesät und in einen Blühstreifen umgewandelt. Eine jährliche Mahd der Fläche durch die Technischen Betriebe wurde vereinbart und die dauerhafte Maßnahme wurde dem Ökokonto der Stadt gutgeschrieben. Die Fläche hat eine Mindestbreite von 2,5 m und hat einen Kompensationswert von 2.823 Wertpunkten erreicht.

Auf Drängen des Fördervereins Waldhügel soll der Blühstreifen dort nicht mehr unterhalten werden, da nach Angaben des Fördervereins dort seltene Ackerwildkräuter siedeln. Die Fläche wird seit dem Jahr 2019 deshalb nicht mehr von den Technischen Betrieben unterhalten, sondern durch den Förderverein Waldhügel gepflegt. Dieser veranlasst, dass die Fläche jährlich einmal „gegrubbert“ wird, was dem Wachstum der seltenen Ackerwildkräuter zuträglich ist.

Es muss noch geprüft werden, ob der Kreis Steinfurt diese Art der Unterhaltung mitträgt und die Fläche weiterhin im Ökokonto der Stadt verbleiben kann.

 

Fläche 2

Fläche: Rheine r.d. Ems, Flur 1, Flurstück 145, Grundstücksgröße 819 m² (siehe Anlage 1, Karte 2).

Diese Fläche wurde nicht in das städtische Kompensationskataster überführt, da der Landwirt sich bereiterklärt hat, die Einsaat und langfristige Pflege der Fläche zu übernehmen.

 

Fläche 3

Fläche: Rheine l.d.Ems,  Flur 17, Flurstück 176, Grundstücksgröße 818 m² (siehe Anlage 1, Karte 3).

Auch für diese Fläche konnte eine Vereinbarung mit dem Landwirt erzielt werden, der im Gegenzug für die Einsaat und Pflege der Flächen Greeningpunkte generieren kann. Auf der Fläche sollen zu einem späteren Zeitpunkt Tiere gehalten werden, die die Beweidung übernehmen. Derzeit werden Verhandlungen geführt, die Fläche einzuzäunen.

 

Fläche 4

Fläche: Rheine l.d.E. Flur 10, Flurstück 145, Grundstücksgröße 1.702 m², Karweg (siehe Anlage 1,  Karte 4)

Bei der bezeichneten Fläche handelt es sich um einen Streifen entlang des Karweges, bei dem Grundstücksbelange mehrerer Eigentümern bzw. Pächter tangiert werden. Abstimmungs- und Verhandlungsgespräche gestalten sich dementsprechend schwierig. Graben- und Trassenverläufe lassen eine exakte Bestimmung der Grundstücksgrenzen nur bedingt zu. Eine exakte Festlegung der Grundstücksgrenzen läßt sich nur durch eine Vermessung bestimmen.

 

Fläche 5

Fläche: Rheine l.d.E., Flur 24, Flurstück 107, Grundstücksgröße 24.924 m², Herzogstannenweg (siehe Anlage 1, Karte 5)

Bei der bezeichneten Fläche handelt es sich um einen Streifen, der beidseits entlang des Herzogstannenweges Grundstücksbelange mehrerer Eigentümern bzw. Pächter tangiert. Abstimmungs- und Verhandlungsgespräche gestalten sich dementsprechend schwierig. In der Regel waren  hier Breiten von bis zu 1,5 m feststellbar, auf denen möglicherweise eine Überackerung stattfindet. Genau lässt sich dieser Nachweis jedoch erst durch eine Vermessung erbringen.

 

Fläche 6

Fläche: Rheine l.d.E., Flur 33, Flurstück 87, 1.095 m², Große-Mark-Weg (siehe Anlage 1, Karte 6)

Auch bei dieser Fläche handelt es sich um einen Streifen, bei dem Grundstücksbelange mehrerer Eigentümern bzw. Pächter tangiert werden. Ebenfalls lassen hier Graben- und Trassenverläufe eine exakte Bestimmung der Grundstücksgrenzen nur bedingt zu. Die Inaugenscheinnahme der Flächen spiegelt ein anderes Bild wieder, als es die Luftbildaufnahmen der vom Kreis zur Verfügung gestellten Daten vermuten lassen. Eine exakte Festlegung der Grundstücksgrenzen lässt sich auch hier nur durch eine Vermessung bestimmen.

 

Fläche 7

Fläche: Rheine l.d.E., Flur 27, Flurstück 75, 3.168 m², Am Lehmstich (siehe Anlage 1, Karte 7)

Wie bei den vorangestellten Beispielen, handelt es sich bei der Fläche „Am Lehmstich“ ebenfalls um einen Streifen, der beiderseits Grundstücksbelange mehrerer Eigentümern bzw. Pächter tangiert. Die Überprüfung vor Ort ergab, dass hier in einer Breite von max. 1,5 m möglicherweise eine Überackerung stattfindet. Aufgefundene Grenzsteine, sowie auf den Luftbildkarten nicht erkennbare Grabenverläufe erschweren auch hier die exakte Feststellung der Grundstücksgrenzen.

 

Fläche 8

Fläche: Rheine l.d.E., Flur 17, Flurstück 21 und Flur18, Flurstück 98, Arnoldweg (siehe Anlage 1, Karte 8)

Bei der vorgestellten Liegenschaft handelt es sich um eine Ackerfläche, bei der städtische Flächen gleich an mehreren Stellen z.T. eindeutig überackert und möglicherweise fremd genutzt werden. Mit dem Landwirt finden derzeit Gespräche statt, die zum Ziel haben, die rechtliche Situation der Landnutzung kurzfristig zu lösen und zu einer langfristig für beide Seiten tragbaren Lösung zu kommen. Im Wirtschaftsjahr 2020 werden bei dieser Liegenschaft jedoch noch keine Veränderungen umgesetzt, da die Fläche bei Aufnahme der Verhandlungen bereits bestellt war.

 

Die Sachverhalte bei dieser Liegenschaft sollen genutzt werden, um die Möglichkeiten, aber auch die Anforderungen der Stadt bei der Rückumwandlung überackerter städtischer Wegerandstreifen exemplarisch zu erläutern. Hierzu wurden Aufwand und Kosten sich bietender Möglichkeiten zur Herbeiführung rechtlich bindender Verhältnisse, durch Flächentausch oder Flächenübertragung, untersucht.

 

Fläche 9

Fläche: Rheine r.d.E., Flur 45, Flurstück 9, Grundstücksgröße 3.320 m², Franz-Bernhard-Straße / Haar (siehe Anlage 1, Karte 9)

Wie bei anderen vorangestellten Beispielen, handelt es sich auch bei dieser städtischen Fläche um einen Wegestreifen, der von benachbarten Flächen mehrere Eigentümer bzw. Pächter tangiert wird. Die Überprüfung vor Ort ergab, dass hier in einer Breite von ca. 2,5 m möglicherweise eine Überackerung stattfindet. Ein eindeutiger Grenzverlauf ist anhand des Luftbildes nicht belegbar.

 

Fazit

 

Die durchgeführten Ortstermine bei den potenziell geeigneten Flächen werfen ein ernüchterndes Bild in Bezug auf die Möglichkeit der Rückumwandlung überackerter städtischer Wegerandstreifen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass sich die Landwirte an die Grenzfestlegungen halten und die Abstände zu den, häufig nicht mit der Liegenschaftskarte übereinstimmenden Verläufen von Wegerändern, eingehalten werden.

 

Bei den in Augenschein genommenen Flächen konnten in keinem Fall Flächenbreiten von mehr als 2,5 m festgestellt werden, die durch den Landwirt überackert werden. In der Regel waren es Breiten von bis zu 1,5 m auf denen möglicherweise eine Überackerung stattfindet. Genau lässt sich dieser Nachweis jedoch erst durch eine Vermessung erbringen. Da die Wege und Grenzen, wie oben beschrieben, in der Regel nicht mit dem zur Verfügung stehenden Kartenmaterial übereinstimmen, sich die Wege seitlich verschieben, Gräben auf den Karten nicht zu erkennen sind und Gehölzsäume und Bruchkanten sich auch oftmals nicht „an Grenzen halten“, muss konstatiert werden, dass die vom Kreis Steinfurt zur Verfügung gestellte Datensammlung in der Praxis nicht bzw. nur sehr eingeschränkt anwendbar ist. Es wird darauf verwiesen, dass die in Rede stehenden 10 -12 ha übernutzten Wegeseitenflächen nur mit sehr großem finanziellen und personellen Aufwand durch die Stadt Rheine in einen höheren ökologischen Zustand versetzt werden können. Die Technischen Betriebe hätten künftig einen sehr viel größeren Pflegeaufwand zu betreiben. Der Gewinn an Ökopunkten fällt hingegen vergleichsweise gering aus.

 

Kleine und kleinste Flächen wurden bei der Ermittlung von potenziellen Überackerungsflächen, wie oben geschildert, erst gar nicht berücksichtigt, da Einsaat und Pflege von alternativen Blühflächen von der Stadt Rheine bzw. den Technischen Betrieben nicht bewerkstelligt werden können. Auch die wenigen Flächen von bis zu 1,5 m Breite rechtfertigen es nicht, die derzeitige Pflegeleistung der bestehenden Randstreifen, die überwiegend von den Landwirten durchgeführt wird, durch Forderungen auf Rückumwandlung zu gefährden. Das Themenfeld der Rückumwandlung sollte daher auf ein sachliches und  handlungsorientieres Niveau zurückgeführt werden.

 

Am Beispiel der Fläche Rheine l.d.E., Flur 17, Flurstück 21 und Flur18, Flurstück 98, Arnoldweg (siehe Anlage 1, Karte 8), wurde exemplarisch ermittelt, welcher Aufwand und welche Kosten bei einer Grenzanzeige bzw. bei einer hoheitlichen Vermessung und exakten Ermittlung der Grenzverläufe entstehen. Die Bauverwaltung kommt hier zu dem Schluss, dass bei gleichzeitiger Vermessung der drei betroffenen Teilflächen Kosten in Höhe von 10.027 Euro anzusetzen sind.

 

Das Verhältnis, in dem die Verfahrenskosten zu dem Nutzen, relativ kleine Flächen durch Rückumwandlung in einen ökologisch höherwertigen Zustand zu versetzen stehen, ist somit bedenklich.

 

 

Weiteres Vorgehen / Änderung der Bewirtschaftungsregelung

 

Aus pragmatischen Gründen wird vorgeschlagen, durch einvernehmliche Regelungen und Gespräche mit der Landwirtschaft eine naturnähere Inanspruchnahme städtischer Flächen durch Landwirte zu erreichen.

 

Bei den regelmäßigen Gesprächen des Bürgermeisters mit den Ortslandwirten wird  auf die Verpflichtung der Landwirte hingeweisen, die Grenzabstände einzuhalten, d.h. die Wegeseitenflächen nicht weiter zu bewirtschaften. Eindeutige Grenzverletzungen und Überackerungen in größerem Ausmaß werden nicht geduldet und sind in Gesprächen zwischen der Landwirtschaft und dem Liegenschaftsamt auszuräumen und abzustellen.

 

Alternativ duldet die Stadt Rheine auf schmalen Flächen bis zu 2,50 m Breite, die Nutzung der Wegeseitenflächen durch die Landwirte ausschließlich zu Naturschutzzwecken. Unter anderem könnten die Landwirte die Wegeseitenflächen als sogenannte ökologische Vorrangflächen nutzen. Für landwirtschaftliche Betriebe, die EU-Direktzahlungen erhalten und mehr als 15 ha Ackerfläche bewirtschaften, besteht die Verpflichtung, 5% ihrer Ackerflächen als ökologische Vorrangfläche (ÖVF) vorzuhalten und entsprechend den Vorgaben zu bewirtschaften (Greeningvorgabe). Für die Umsetzung der ÖVF stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Neben der Brache (Stilllegung) sind auch die Zwischenfrucht, die Ackerbrache als Bienenweide (Brache mit Honigpflanzen) sowie der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen als ökologische Vorrangfläche anrechenbar. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf ÖVF ist generell untersagt. Aufgrund der geringen Flächentiefe wird realistischer Weise überwiegend die Brache und die Ackerbrache als Bienenweide bei den Seitenstreifen Anwendung finden. Da diese Maßnahmen verpflichtend sind und darüber hinaus auch gefördert werden, besteht von Seiten der Landwirtschaft ein Interesse daran, bestimmte dafür geeignete Flächen ökologisch aufzuwerten. Die ökologische Aufwertung von Wegeseitenrändern hätte einen Imagegewinn der Landwirtschaft zur Folge. Die Landwirte sollten daher aus Eigeninteresse daran interessiert sein, Verbesserungen zu erreichen. Auf der anderen Seite profitiert die Stadt von den Pflegeleistungen der Landwirte und gesteht ihnen zu, die Pflegeflächen in deren Greeningmaßnahmen aufzunehmen.

 

Die Fortschritte bei der Flächenumwandlung könnten bei dem regelmäßigen jährlichen Austausch zwischen Ortslandwirten und Bürgermeister zum Tagesordnungspunkt erklärt werden.

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Darstellung von potenziellen Flächen für Wegerandstreifen, Karten 1 – 9

Anlage 2: Vermerk FB 5.71 vom 06. April 2020, Rückumwandlung überackerter Wegeseitenflächen