Betreff
Steuerung der Innenentwicklung in Rheiner Wohnquartieren – Zwischenstandsbericht zur Vorgehensweise
Vorlage
186/20
Aktenzeichen
hue / thu
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz nimmt den Zwischenstandsbericht zur Vorgehensweise der Stadtplanung zur Steuerung der Innenentwicklung in Rheiner Wohnquartieren zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

A.   Steuerung der Innenentwicklung in Rheine

Seit einigen Jahren wird vermehrt der Bau von Mehrfamilienhäusern in bestehenden, meist homogen gewachsenen Einfamilienhausgebieten beantragt und umgesetzt. Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz (StUK) hat im am 31.01.2018 vom Grundsatz her beraten, dass Bebauungspläne aufgestellt werden sollen, die die Zahl der zulässigen Wohneinheiten begrenzen, um dadurch die Nachverdichtung bzw. Innenentwicklung in den Wohnquartieren verträglich zu steuern (s. Vorlage 043/18). Dafür wurde der Produktbereich Stadtplanung personell aufgestockt, sodass Bebauungspläne zu dieser Thematik konsequent aufgestellt werden können und eine systematische Vorgehensweise erarbeitet werden kann.

 

Der StUK hat in seiner Sitzung am 13.03.2019 den Sachstandsbericht zur Vorgehensweise der Stadtplanung und eine „Kriterienliste“ zur Beurteilung der Wohngebiete in Rheine zur Kenntnis genommen (s. Vorlage 125/19). Die Stadtplanung wurde entsprechend beauftragt, die Wohnquartiere hinsichtlich der aufgestellten Kriterien (s. Anlage 1) zu analysieren, inwieweit Mehrfamilienhäuser in den Quartieren planungsrechtlich zulässig sind und ob sie sich hinsichtlich der bestehenden Strukturen einfügen.

 

In der Ausschusssitzung vom 27.11.2019 hat der StUK die Grundzüge der städtischen Innenentwicklung dahingehend gestrafft, dass eine geringere Innenentwicklung hauptsächlich in Randgebieten mit überwiegend Ein- und Zweifamilienhausstruktur zum Tragen kommen soll, während in zentralen innerstädtischen Quartieren eine intensivere Innenentwicklung grundsätzlich möglich sein soll (s. Vorlage 481/19). Gleichzeitig wurde die Stadtplanung beauftragt, Nachverdichtungspotenziale in innenstadtnahen Quartieren ausfindig zu machen.

 

Im Zeitraum von 2016 – 2020 wurden insgesamt 13 informelle Anträge auf Bauleitplanung mit dem Inhalt einer Wohneinheitenregulierung an die Stadtplanung gestellt. 11 von ihnen wurden vom StUK positiv beraten und führten zu einem Bauleitplanverfahren, zwei wurden negativ beschieden. Entsprechend wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt 10 Bebauungspläne mit dem Inhalt einer „reinen“ Wohneinheitenregulierung rechtskräftig, zwei weitere befinden sich aktuell in Aufstellung und für ein Wohnquartier wird derzeit ein qualifizierter Bebauungsplan aufgestellt (Nr. 118, Kennwort: „Gartenstraße“). (s. Anlage 2 und 3)

 

 

A)   Bisherige Vorgehensweise

Die Stadtplanung hat entsprechend des Arbeitsauftrages vom 13.03.2019 die Wohnquartiere im Rheiner Stadtgebiet aufgenommen und die Grundlagen für eine Bewertung gelegt. Die Aufnahme der Wohnquartiere auf Grundlage eines Bebauungsplanes ist bereits abgeschlossen (insg. 217), für die Quartiere nach § 34 BauGB dauert die Aufnahme zurzeit noch an.

 

Die ersten Erkenntnisse zeigen, dass der Prozess der Aufnahme zeitaufwändig ist und eine Einordnung in die gebildeten Kategorien aus verschiedenen Gründen nicht immer funktioniert bzw. zielführend ist. Ein einfacher Bebauungsplan mit einer „reinen“ Wohneinheitenregulierung kann in vielen Fällen das richtige Instrument sein, um eine bestehende Gebietsstruktur nachhaltig zu sichern. Ausschlaggebend hierfür ist jedoch oftmals die Bestandssituation des Wohnquartieres selbst und das zugrundeliegende Planungsrecht (Festsetzungen im Bebauungsplan bzw. Vorprägung nach § 34 BauGB). In einigen Fällen bzw. Wohnquartieren ist allerdings schnell ersichtlich, dass ein einfacher Bebauungsplan nicht das richtige Instrument sein kann und andere Werkzeuge des Baugesetzbuches für eine geordnete städtebauliche Entwicklung zum Zuge kommen müssten.

 

 

B)   Zukünftige Vorgehensweise

Die Steuerung der Innenentwicklung in Rheine hat sich aus stadtplanerischer Sicht als Prozess gezeigt, der einen kontinuierlichen Erkenntnisgewinn liefert und dessen Bearbeitungsmethodik stetig angepasst werden muss. Darüber hinaus ist zwischen der Einordnung der Wohngebiete in die Kriterienliste und deren erste Ergebnisauswertung und der konkreten Einzelfallprüfung zu unterscheiden: Beispielsweise zeigen einige Wohnquartiere in der Kriterienanalyse zunächst den Bedarf einer Wohneinheitenregulierung, in der konkreten Einzelfallprüfung stellt sich jedoch heraus, dass ein einfacher Bebauungsplan mit „reiner“ Wohneinheitenregulierung nicht zielführend ist.

 

Die zukünftige Vorgehensweise soll sich an den in der Kriterienliste analysierten Wohnquartieren orientieren und zusätzlich verstärkt den Fokus auf die konkrete Einzelfallprüfung der Wohngebiete legen. Folgende Steuerungsvarianten der Innenentwicklung sind möglich:

 

1.    Erkenntnis: Das aktuelle Planungsrecht ist ausreichend

Die Einzelfallprüfung kann ergeben, dass das bestehende Planungsrecht – die Festsetzungen eines Bebauungsplanes bzw. das „Einfügen“ nach § 34 BauGB – als Grundlage für eine weitere Quartiersentwicklung ausreichend ist. Eine Anpassung bzw. Änderung des Planungsrechts würde keinen Mehrwert für das Quartier bieten. Faktoren für diese Einschätzung können sein:

·      Lage im Stadtgebiet (z. B. Zentralität)

·      Festsetzungen im bestehenden Bebauungsplan (z. B.: Geschossigkeit, Festsetzung von Gebäudehöhen, Festsetzungen der Anzahl der Wohneinheiten pro Wohngebäude, GRZ, …)

·      Vorprägung der Bestandsstrukturen in Gebieten nach § 34 BauGB (z. B. Geschossigkeit und Höhen, überbaubare Grundstücksflächen, …)

·      Mehrfamilienhäuser sind bereits im Quartier vorhanden und weitere Mehrfamilienhäuser würden sich in die bestehenden Strukturen einfügen.

 

 

2.    Einfacher Bebauungsplan

Die Einzelfallprüfung kann ergeben, dass das bestehende Planungsrecht optimierbar ist und eine Anpassung erfolgen sollte, um die Innenentwicklung im Wohnquartier nachhaltig zu steuern. Für einen einfachen Bebauungsplan können folgende Festsetzungen zum Tragen kommen:

·      Festsetzung einer maximalen Anzahl an Wohneinheit pro Wohngebäude („maximal 6 Wohneinheiten pro Wohngebäude“),

·      Flächenbezogene Festsetzungen (z. B.: „je 150 m² Grundstücksfläche ist maximal eine Wohneinheit zulässig“),

·      Flächenbezogene Festsetzung mit Festsetzung einer maximalen Anzahl an Wohneinheiten pro Wohngebäude (z. B.: „je 150 m² Grundstücksfläche ist eine Wohneinheit zulässig, jedoch maximal 6 pro Gebäude“),

·      Anpassung an die Baunutzungsverordnung (BauNVO) von 1990,

·      Insbesondere in Gebieten nach § 34 BauGB: Festsetzung von Trauf- und Firsthöhen sowie Geschossigkeit,

·      Insbesondere in Gebieten nach § 34 BauGB: Festsetzung einer GRZ.

 

Dieser Festsetzungskatalog ist nicht abschließend, wird fortlaufend angepasst und ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Ausschlaggebend werden die vorhandene Gebietsstruktur bzw. die bestehenden Festsetzungen des Bebauungsplanes sein. Das Vorgehen soll laufend evaluiert werden.

 

Einige der o. g. Festsetzungen wurden bereits in vergangenen Bauleitplanverfahren zur Steuerung der Innenentwicklung in Rheine eingesetzt.

 

3.    Qualifizierter Bebauungsplan

Das Prüfungsergebnis kann ergeben, dass das bestehende Planungsrecht nicht mehr zielführend ist und ein qualifizierter Bebauungsplan aufgestellt bzw. geändert werden sollte, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung im jeweiligen Wohnquartier sicherzustellen. Zwei Szenarien sind hierbei vorstellbar:

·      Entwicklungspotenziale aufdecken:

Der Arbeitsauftrag an die Stadtverwaltung beinhaltet zusätzlich die Prüfung von Nachverdichtungspotenzialen in zentrums- und innenstadtnahen Lagen (s. Vorlage 481/19). Quartiere werden entsprechend ihres Entwicklungs- und Nachverdichtungspotenzials analysiert und begutachtet, was prinzipiell in horizontaler (bspw. Erhöhung der festgesetzten Geschossigkeit) und vertikaler Dimension (Erweiterung oder Neuausweisung von Baufeldern, Mobilisierung von bisher un- / untergenutzten Flächen) erfolgen kann. Darüber hinaus könnte auch die Ausnutzbarkeit der Grundstücke ein Nachverdichtungspotenzial bieten. Oberste Prämisse bleibt weiterhin, dass die Maßnahmen umsetzbar sind und einen Mehrwert für das Wohnquartier und die stadtentwicklungspolitischen Ziele Rheines darstellen. Von einer Zwangsumlegung oder Enteignung wird vorerst abgesehen.

·      Städtebauliche Ordnung schaffen:

Das Prüfergebnis kann ergeben, dass das aktuell geltende Planungsrecht für ein Wohnquartier zu viel „Spielraum“ für Entwicklungen lässt und ein „Einfügen“ eines neuen Baukörpers nicht konfliktfrei möglich ist. Die Schaffung einer städtebaulichen Ordnung wäre nur über Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplanes mit maßgebenden Festsetzungen zu gewährleisten. Aktuelles Beispiel hierfür ist der Bebauungsplan Nr. 118, Kennwort: „Gartenstraße“. 

 

 

C)   Ausblick

Die vorgestellten Steuerungsvarianten sind hinsichtlich des konkreten städtebaulichen Erfordernisses, der vorhandenen baulichen Strukturen, des aktuell geltenden Planungsrechts und dem möglichen Entwicklungsperspektiven des jeweiligen Quartiers zu prüfen. Die bisher in der Kriterienliste aufgenommenen Wohnquartiere sollen entsprechend hinsichtlich des Handlungsbedarfes analysiert werden. Die Ergebnisse werden intern dokumentiert. Die Wohnquartiere, bei denen der Handlungsbedarf eine Wohneinheitenregulierung empfiehlt, werden bevorzugt abgearbeitet bzw. einer Bauleitplanung zugeführt. Eingehende Anträge auf entsprechende Bauleitplanung können vorgezogen werden. Eine Ergebnispräsentation bzw. ein weiterer Zwischenstand kann zu gegebener Zeit vorgestellt werden.

 

Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik im Sinne einer ausgeglichenen Innenwicklung sollte es sein, Wohnquartiere zwar in ihrem Charakter zu schützen, jedoch einen angemessenen, umfeldadäquaten Entwicklungsspielraum zu geben, um die Nachfrage bzw. den Bedarf an Wohnraum in Rheine nachhaltig zu befriedigen.

 

 

D)   Auswirkungen auf den Klimaschutz

Durch die Wohneinheitenregulierung in Rheiner Wohngebieten wird nicht das volle Innenentwicklungspotenzial ausgeschöpft. Das wirkt sich jedoch positiv auf den Freiflächenanteil und die Freiflächenqualität in den Wohngebieten aus. Darüber hinaus wird eine übermäßige Versiegelung der Grundstücke vermieden und somit ein positives Mikroklima im Quartier gewahrt. Langfristig führt eine strikte Regulierung jedoch zu einer Expansion der Stadtgrenzen, da die Wohnungsraumnachfrage nur über die Ausweisung von neuem Bauland befriedigt werden kann. Als Folge wird weiterer wertvoller Boden zu Wohnzwecken genutzt. Im Ergebnis muss mit erhöhter Versieglung, mehr Verkehrsbewegungen und einem höheren Ausstoß klimaschädlicher Gase (bspw. CO2) gerechnet werden.

 

Durch eine Mobilisierung von Innenentwicklungspotenzialen im (Innen-)Stadtbereich werden andererseits Baumaßnahmen ermöglicht, die zwangsläufig auch eine Erhöhung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase durch eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens (neue Ziel- und Quellverkehre) und die Herstellung und den Transport von Baustoffen hervorrufen. Maßnahmen der Nachverdichtung nutzen jedoch weitgehend vorhandene Infrastrukturen und leisten einen Beitrag zur Schonung des Freiraums. Zu beachten ist, dass die Nachverdichtungen standort- und umfeldadäquat erfolgen, der Anteil unversiegelter Flächen ausreichend beachtet wird (GRZ I und II) und Maßnahmen eingebunden werden,  die sich positiv auf die klimatischen Verhältnisse vor Ort auswirken (z. B. Dachbegrünungen oder Baumpflanzungen).

 

 


Anlagen:

 

Anlage 1:        Kategorien Kriterienliste WE-Regulierung

Anlage 2:        Bisherige Anträge auf Bauleitplanung mit WE-Regulierung

Anlage 3:        Verortung der Anträge auf Bauleitplanung mit WE-Regulierung