Beschlussvorschlag:
Der Schulausschuss nimmt den Jahresbericht der Bibliothek zur Kenntnis.
Begründung:
Jahresbericht der Stadtbibliothek für das Jahr 2020 und
Ausblick auf das Jahr 2021
Das Jahr 2020 ist unvergleichlich!
Dieser Jahresbericht fällt anders aus als Jahresberichte zuvor. Das Jahr 2020 ist unvergleichlich, es wurde bestimmt durch die Corona-Pandemie, die sämtliche Bereiche unseres Lebens bestimmte - auch die der Bibliothek. Vergleiche mit Leistungszahlen der Vorjahre haben nur eine geringe Bedeutung.
Corona-Chronologie:
Ab 12. KW 16.03.2020: Lockdown, Bibliothek geschlossen bis zum 2. Mai
Ab 14. KW 30.03.2020: Lieferservice der Bibliothek bis zum 18. April
Ab 17. KW 20.04.2020: Abholbibliothek bis zum 2. Mai
Ab 19. KW 04.05.2020: Ausleihbibliothek – keine Aufenthaltsmöglichkeit in der Bibliothek über das Ende des Jahres hinaus
Ab 23. KW 02.06.2020: Arbeitsplätze und Einzel-Digital-Sprechstunde können gebucht werden – bis zu 31. Oktober
Ab 32. KW 07.08.2020: Veranstaltungsreihen, Bibliotheksführungen sind wieder möglich – bis zum 31. Oktober
Ab 45. KW 02.11.2020: keine Veranstaltungen mehr möglich
Ab 51. KW 14.12.2020: Lockdown, die Bibliothek bleibt über das Jahresende hinaus geschlossen
Das bedeutet:
· 11 Wochen regulärer Bibliotheksbetrieb zu Anfang des Jahres
· 32 Wochen eingeschränkte Bibliotheksnutzung nach telefonischer Anmeldung
· 5 Wochen Notversorgung durch Lieferung oder Abholmöglichkeit
· 5 Wochen nur digitale Bibliotheksangebote
Eine Mitarbeiterin hat einen Jahresrückblick in Versen verfasst. Dieses Gedicht möchte ich voranstellen; es zeigt deutlich, wie „dynamisch“ die Lage im gesamten Jahr war und wie sich die Bibliothek mit Kreativität und Energie den Herausforderungen gestellt hat.
Wo fang ich an in diesem Jahr,
das kompliziert und spannend war.
Ja, anders war es, so wie nie,
mit der Corona-Pandemie.
Und wer hätte im März gedacht,
was dieses Virus mit uns macht?
Masken nähen, Abstand halten,
Hände waschen, App verwalten …
Corona ließ uns keine Ruh,
ab 16.03. waren wir zu!
Alles komisch, keine Frage,
ungewiss und ernst die Lage.
Bald arbeiteten wir in Schichten,
konnten per Mail uns was berichten.
Bitte zu festen Zeiten geh’n,
damit wir uns dabei nicht seh’n!
Umgesetzt wurde das streng,
denn die Büros sind viel zu eng,
für eine Virus-Pandemie,
wir brauchten Platz – so viel wie nie.
Geschlossen dann in Woche drei,
ging’s los mit ganz viel Fahrerei!
Wir machten aus der Bibliothek
uns zu den Kunden auf den Weg.
Bald folgten neue Möglichkeiten,
unsere Medien zu verbreiten:
Statt Flohmarkt starteten wir „Nimm’s mit“,
geschenkte Bücher war‘n der Hit!
Später reichten wir Bücher über Tische raus,
doch keiner durfte rein ins Haus!
„Abholbibliothek“ nennt sich das,
wir hatten einfach großen Spaß!
Dann kam der Mai. Corona, Woche acht:
Da wurden Türen aufgemacht!
„Nur mit Termin“ und nicht zu lange,
mit Abstand in jeder Warteschlange.
Eine stark begrenzte Besucherzahl,
das Virus ließ uns keine Wahl.
Wir haben genossen und freuten uns sehr,
es klappte und bald durften wir mehr.
Sternstündchen auf Abstand mit Kamishibai,
die Vorleser war’n sofort dabei!
Auch Viertelstündchen fanden wieder statt,
das Sitzen zu Hause hatten alle satt.
Doch bald kam die kalte Jahreszeit,
und jetzt im Dezember war’s wieder so weit:
Viel zu viele infiziert,
ein harter Lockdown wurde anvisiert.
Jetzt sind wir geschlossen in Woche zwei,
wir hoffen, das ist bald vorbei.
Egal was kommt, wir kennen kein Tief,
wir werden lieber kreativ!
Mit GoToMeeting von der Stadt,
findet Beratung trotzdem statt.
Von eBook über Facharbeit,
mit Kompetenz steh’n wir bereit!
Auch unser Blog lohnt einen Blick,
dort gibt’s Erklärungen – ganz schick!
Wenn danach noch wer Fragen hat ...
… steht das auf einem and’ren Blatt.
(gedichtet von Kirsten
Deters)
Anhören kann man sich das Gedicht: youtube Stadtbibliothek Rheine.
Herausforderungen und Lösungen
Die Sicherheit aller stand 2020 im Vordergrund, Hygienevorschriften wurden umgesetzt, Abstände eingehalten, Besucher- und Anmeldelisten geführt. Die Bedeutung der Dienstleistungen für die Bürger(innen) wurde in dieser Zeit besonders deutlich. Schüler(innen) und Studierende benötigen Informationen, Material und Beratung. Kinder benötigen Zuwendung und Geschichten – zum Selbstlesen, aber auch zum Anhören. Erwachsene benötigen Literatur, die hilft, durch die Zeit der Isolierung zu kommen und zumindest im Gedanken in andere Welten reisen zu können.
Mit Beginn des Lockdown im März wurden in Abstimmung mit dem Krisenstab und unter Berücksichtigung der Vorgaben von Bund und Land pragmatische Lösungen gesucht, gefunden und umgesetzt, um ein Mindestmaß an bibliothekarischer Versorgung sicherzustellen.
Zunächst wurden die digitalen Angebote über
Social-Media-Kanäle vorgestellt und mittels
Tutorials im Blog der Bibliothek genauer erklärt. Das Projekt E-Payment konnte
in Zusammenarbeit mit der Stadtkasse schnell abgeschlossen werden, sodass die
Nutzung digitaler Angebote auch für Neukunden kontaktlos sichergestellt werden
konnte. In den ersten Wochen des Lockdowns, als niemand die Bibliothek betreten
durfte, wurden Medien von Bibliotheksmitarbeiterinnen ausgeliefert. Auch hier
war die Technik hilfreich; über den Onlinekatalog der Bibliothek konnten
Interessierte Wunschtitel vormerken.
Erste Lockerungen ermöglichten es, vorbestellte Medien in der Bibliothek abzuholen. Die Sicherheit stand an erster Stelle; für die Ausgabe von Medien wurden Zeitfenster vereinbart. Schlangenbildung konnte so auch vor der Bibliothek vermieden werden.
Ab Mai durften Menschen die Bibliothek wieder betreten, um Medien selbst auszusuchen. Arbeitsplätze durften nicht angeboten werden. Nun galten die Registrierungspflicht und weiter die Terminvereinbarung für den Besuch.
Im Sommer konnten unter besonderen Hygienemaßnahmen auch kleine Veranstaltungen stattfinden, Sternstündchen und Viertelstündchen fanden statt – unsere ehrenamtlichen Vorleser(innen) waren sofort wieder dabei. Der Sommerleseclub musste zum Teil ins Digitale verlegt werden und bot den Schüler(inne)n in den Ferien immerhin auch einen Anlaufpunkt in der Stadt, der besucht werden konnte, um an Lesestoff zu kommen.
Der erneute Lockdown im Herbst zwang wieder, die Türen für Besucher(innen) zu schließen; es durften keine Medien ausgegeben werden. Glücklicherweise wurde aber nach 14 Tagen die Abholung vorbestellter Medien wieder freigegeben.
Die Facharbeiten für die Schüler der Sekundarstufe fielen in die Zeit des Herbstlockdowns. Das beliebte Facharbeitstraining der Bibliothek konnte nicht in der gewohnten Form angeboten werden. Mittels eines Programms für Digitalkonferenzen (GoToMeeting) wurde dieses Angebot ins Digitale verlegt. Dies und Einzelberatungen am Telefon werden seither zu allen Fragen rund um die vielfältigen digitalen Angebote der Bibliothek angeboten und genutzt.
Förderer und Kooperationspartner der Bibliothek
Gerade in herausfordernden Situationen ist die Unterstützung durch Förderer besonders wichtig. Dank der Unterstützung durch das Kultursekretariat NRW, die Volksbank Rheine, den Kulturservice und das Jugendamt der Stadt konnte die digitalen Veranstaltungsformate realisiert werden. Die stärkere Einbindung von digitalen Angeboten für Jugendliche wurde durch die Unterstützung vom Rotary-Club angestoßen und soll 2021 mit Vor-Ort-Angeboten ausgebaut werden.
Das gemeinsame Angebot der E-Medien-Ausleihe www.muensterload.de wurde im Corona-Jahr besonders intensiv genutzt. Die 14 beteiligten Bibliotheken im Münsterland haben den Bestand 2020 deutlich stärker ausgebaut als in den Jahren zuvor.
Die vereinbarten Rechercheschulungen für Studierende der EUFH konnten in diesem Jahr nicht in den Räumen der Bibliothek durchgeführt werden. Einzelberatungen am Telefon oder digital waren eine Ausweichlösung. Medienbereitstellung, auch per Fernleihe, konnte durchgeführt werden.
In der kurzen Zeitspanne der Lockerungen im Sommer konnte ein Jahrgang der Krankenpflegeschule des Mathias-Spitals die Bibliothek besuchen und den ausgebauten Bestand medizinischer Literatur erkunden. Die Zusammenarbeit mit den Schulen und Kindergärten war Corona bedingt kaum möglich. Um Schüler(inne)n gezieltes Recherchieren von digitalen Informationen zu erleichtern und Unterlagen für das Selbststudium bereitzustellen, wurde die Brockhaus Enzyklopädie online und das Schülertraining des Hauses Brockhaus lizensiert.
Zahlen, Daten und Fakten
Trotz Schließzeiten und Zugangsbeschränkungen durch die Pandemie konnten unter Einhaltung strengster Sicherheitsvorkehrungen 45 % der üblichen Besucherzahlen registriert werden. Veranstaltungen waren nur eingeschränkt möglich, dennoch konnten 54% der Vorjahrswerte erreicht werden – wenn diese zum Teil auch nur digital angeboten wurden. Die digitalen Medienangebote wurden 2020 besonders stark genutzt und deshalb auch erweitert. Die Datenbanken des Brockhaus-Verlages wurden lizensiert und über die Homepage nutzbar gemacht. Trotz der großen Einschränkungen konnten 818 Neukunden gewonnen werden; die Zahl der Bibliothekskunden blieb somit nahezu konstant.
|
2019 |
2020 |
Veränderung in % |
Öffnungsstunden |
1.915 |
1.636 |
- 15 % |
Besuche |
164.758 |
73.630 |
- 55 % |
Neuanmeldungen |
1.666 |
818 |
- 51 % |
Nutzer |
11.312 |
10.912 |
- 3 % |
Veranstaltungen |
181 |
98 |
- 46 % |
Ausleihen gesamt |
386.558 |
296.497 |
- 23 % |
davon E-Books |
41.513 |
50.544 |
+ 22 % |
davon physische Medien |
345.045 |
245.953 |
-29 % |
externe Datenbanken |
8 |
9 |
+ 13 % |
Medienbestand |
130.996 |
132.578* |
+ 1 % |
*Zuwachs
E-Medien = 17 %; physischer Bestand = -6 %
Einen überregionalen Leistungsvergleich der Bibliotheken ermöglicht der Bibliotheksmonitor. Die Deutsche Bibliotheksstatistik bietet aktuell die Auswertung für das Berichtsjahr 2019. Abzulesen ist, dass die Stadtbibliothek Rheine sich mit ihren Kennzahlen meist im Mittelfeld bewegt (14mal) aber auch neunmal positiv in der Werteskala zu finden ist. In den Kategorien „Anteil Ausgaben für virtuelle Medien“ und „laufende Ausgaben pro Besuch“ findet sich die Bibliothek Rheine bei den niedrigen Werten.
Ausblick auf 2021
Die Corona-Pandemie beschäftigt uns immer noch und wird sicher das gesamte Jahr prägen. Aktuell gilt der Lockdown noch bis zum 7. März 2021. Die Bibliothek wird soweit wie möglich ihre Dienstleistungen für die Bürger(innen) erbringen. Gerade in dieser Zeit sind sachlich-fachlich korrekte Informationen, Bildungsmaterialien und Unterhaltungsmedien für Alle wichtiger denn je. Sobald es wieder möglich sein wird, die Bibliothek als Begegnungsort zu öffnen, werden wieder die verschiedenen Veranstaltungsreihen angeboten. Nach der langen Zeit der Isolation ist ein kommerzfreier öffentlicher Raum für Begegnung und Austausch wichtiger denn je.
Der Umbau des Rathauszentrums ist ein wichtiges Thema, das die Bibliothek 2021 herausfordern wird. Ab Sommer 2021 könnte mit Baumaßnahmen am und im Rathauszentrum begonnen werden. Es wird geprüft, ob die Bibliothek für die Zeit des Umbaus in ein Ausweichquartier ausgelagert wird. Die Bibliothek bereitet sich darauf vor und wird alle nötigen Schritte unternehmen, damit den Bürger(inne)n auch an einem Zwischenstandort die wichtigsten bibliothekarischen Dienstleistungen geboten werden können: Ort, Ambiente, Führungen, Schulungen, Veranstaltungen, Bestand, Beratung. Die Einrichtungsplanung für eine Zwischenlösung und die Planungen für die erneuerte Bibliothek im Rathauszentrum entsprechend dem „Konzept 2030“ werden zusammen mit den Architekten erfolgen und werden das Arbeitsprogramm des Jahres bestimmen.
Bei den anstehenden Planungen für die erneuerte Bibliothek im Rathauszentrum müssen gesellschaftlichen Veränderungen berücksichtigt werden. Ranga Yogeshwar hat diese Veränderungen im Dezember 2020 so beschrieben:
“Die Rolle der
Bibliotheken verändert sich: Inmitten von ökonomisch angetriebenen
personalisierten digitalen Inselwelten entwickeln sich Bibliotheken zu
gemeinschaftlichen Orten einer unabhängigen Orientierungshilfe. Sie ermöglichen
wahrhafte Teilhabe für alle sozialen Schichten und entwickeln sich zu
Begegnungsstätten und zu außerschulischen Lernorten. Die gesellschaftliche
Bedeutung der Bibliotheken war wohl nie wichtiger als heute.“
Ranga Yogeshwar, Dezember 2020