Betreff
Bericht zur Entwicklung des dezentralen Unterbringungskonzeptes
Vorlage
104/21
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den Bericht zur Entwicklung des dezentralen Unterbringungskonzeptes im Flüchtlingsbereich zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Unterbringung von Aussiedlern und Flüchtlingen in Rheine

Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW (FlüAG NRW) sind die Gemeinden verpflichtet ausländische Geflüchtete im Sinne von § 2 FlüAG aufzunehmen und unterzubringen. Im Wesentlichen sind dies asylsuchende Personen und Geflüchtete, die bereits einen Asylantrag gestellt haben sowie Asylfolgeantragsteller, die nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes zu wohnen. Unabhängig vom FlüAG NRW erfolgt die Unterbringung von Personen, die der Stadt Rheine im Rahmen einer Wohnsitzauflage zugewiesen wurden (§ 12 a Aufenthaltsgesetz), sowie in Einzelfällen die Unterbringung von Personen mit minderjährigen Kindern, wenn eine Unterbringung rechtlich durch das Ordnungsamt erfolgen müsste und diesem keine adäquaten Unterkünfte zur Verfügung stehen (aktuell 3 Wohnungen).

Die Stadt Rheine hält für die dargestellten Unterbringungsfälle eine ausreichende Anzahl an Wohnunterkünften vor. Die besondere Bedeutung der Unterbringungssituation von zugewiesenen Personengruppen wurde in der Stadt Rheine bereits früh erkannt und mit besonderem Augenmerk betrachtet. So wurde erstmalig im Jahr 2001 ein „Konzept zur Unterbringung von Aussiedlern und Flüchtlingen“ vorgelegt, beschlossen und kontinuierlich weiterentwickelt. Grundlage des dezentralen Unterbringungskonzeptes ist aktuell das vom Rat der Stadt Rheine am 23.05.2017 beschlossene Migrations- und Integrationskonzept, Handlungsfeld 4 „Wohnen und dezentrales Unterbringungskonzept“ (Vorlage 152/17).

Die Belegung der Unterkünfte erfolgt unter Berücksichtigung verschiedenster Kriterien (z.B. Familienverbünde, Nationalitäten, Religionen, Geschlecht etc.). Flankiert wird das Unterbringungskonzept durch dezentrale, sozialraumorientierte Beratungs- und Begleitungsangebote des städtischen Teams „Beratung und Begleitung für Zugewanderte“. D.h. die sozialarbeiterischen Fachkräfte sind feste Ansprechpartner*innen für die in städtischen Unterkünften untergebrachten Personen (aufsuchende Sozialarbeit in den Phasen Unterbringung, Orientierung, soziale und gesellschaftliche Integration). Darüber hinaus stehen die dezentralen Stadtteilbüros u.a. diesem Personenkreis offen.

 

 

Aktuelle Wohnraumsituation

Die Unterbringung der Personen erfolgt in Wohnungen unterschiedlicher Größe, die sich im Besitz der Stadt Rheine befinden sowie in auf dem privaten Wohnungsmarkt angemieteten Wohnungen. Zusätzlich wurden in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 4 mobile Wohneinheiten (Dille 55, Unlandstr. 2, Jägerstr. 111 und Dionysiusstr. 10-12) errichtet, in denen jeweils 7 bzw. 11 abgeschlossene Wohnungen mit ca. 50 qm Wohnfläche sowie jeweils ein Beratungsbüro zur Verfügung stehen. Insgesamt sind Unterbringungskapazitäten für 518 Personen vorhanden.

Stand Februar 2021 sind in den Wohnungen 358 Personen mit 34 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten untergebracht.

Das folgende Schaubild gibt einen Überblick über die zahlenmäßig am stärksten vertretenen Nationalitäten in den Unterkünften:

 

 

Abbau von Kapazitäten

16 Wohnungen sind aktuell nicht belegt. Insgesamt besteht derzeit eine freie Aufnahmekapazität für 106 Personen. Mit der Vorlage 184/18 wurde durch den Sozialausschuss beschlossen, freie Unterkünfte in einer wirtschaftlich vertretbaren Größenordnung von 15 % (somit ca. 55 Personen) der in den Wohnungen untergebrachten Personen vorzuhalten, um jederzeit auf Schwankungen bei den Zuweisungszahlen oder andere außerplanmäßige Veränderungen (z.B. Eigenkündigungen von Vermietern) reagieren zu können.

 

Dieser Wert wird zurzeit noch überschritten, da aus Anlass der aktuellen Coronapandemie aufgrund von Unwägbarkeiten (z.B. familiäre Probleme, Gewalttätigkeiten in Familien, eventuelle Quarantänefälle etc.) zunächst zurückhaltend mit dem Abbau von freien Kapazitäten umgegangen wurde. Zudem erhöht der Auszug von z. B. einer Person aus einer Wohngemeinschaft zwar auf die Anzahl der freien Wohnplätze, ermöglicht jedoch nicht unmittelbar die Reduzierung des Wohnungsbestandes insgesamt.

 

Neben der Unterbringungssituation von Geflüchteten muss der städtische Wohnungsbestand zunehmend im Zusammenhang mit dem Thema Wohnungsnotfälle gesehen werden. Aufgrund der Pandemie kann die Entwicklung von weiteren Wohnungsnotfällen (unbewohnbare Wohnungen, Räumungsklagen) kann derzeit schwer vorhergesagt werden. Wie oben bereits dargestellt sind im städtischen Bestand aktuell 2 Familien mit minderjährigen Kindern sowie ein Ehepaar aufgrund von Räumungsklagen bzw. aufgrund eines Wohnungsbrandes untergebracht, insbesondere weil die Gemeinschaftseinrichtung der Ordnungsverwaltung ausschließlich erwachsene Personen aufnehmen kann. Im SGB II gilt auch im Jahr 2021 zunächst noch das Sozialschutzpaket, das den Verzicht auf Abmahnungen und Kürzungen bei Mieten beinhaltet, die über der Angemessenheitsgrenze liegen. Aktuell sind davon rund 30 Fälle in Rheine betroffen. Stand Februar 2021 liegt die Anzahl der Räumungsklagen zudem noch unter Vorjahresniveau. Eine städtisch angemietete Immobilie aus dem Flüchtlingsbestand musste zudem als Ergänzung für das Kremerhaus als Notübernachtungsstelle während der Wintermonate umgewidmet werden, da die Plätze im Kremerhaus coronabedingt reduziert werden mussten.

 

Priorität: Umwandlung in private Mietverhältnisse

Bei der Rückgabe von Wohnungen hat Priorität, zunächst von privaten Vermietern angemietete Wohnungen wieder verfügbar zu machen. Mit Unterstützung der betreuenden Sozialarbeiter wird in Verhandlungen mit den Vermietern geprüft, die bestehenden Mietverhältnisse in private Mietverhältnisse mit schon anerkannten Personen umzuwandeln.

 

In der folgenden Tabelle wird die Entwicklung des Wohnungsbestandes seit 2017 dargestellt.

 

 

Übersicht:

01.01.2017

30.04.2018

31.05.2019

31.05.20

28.02.21

Wohneinheiten gesamt

194

170

160

139

127

priv. angemietete Unterkünfte

104

70

62

42

32

städtische Unterkünfte (incl. Wohnungsgesellschaft Rheine)

90

100

98

97

95

untergebrachte Personen

700

554

511

411

358

davon anerkannte Personen

-(nicht erfasst)

239

285

226

218

 

 

Die Anzahl der vorgehaltenen Wohnungen konnte seit Anfang 2017 um insgesamt 67 reduziert werden. Es zeigt sich, dass die sich die Anzahl der unterzubringenden Personen sukzessive reduziert. Jedoch bleibt der Anteil der Personen, die bereits mit Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft in städtischen Wohnungen wohnen, relativ konstant. Die Personen sind häufig Einzelpersonen und finden nicht unmittelbar eine geeignete und bezahlbare Wohnung, dieser Prozess dauert zum Teil mehr als ein Jahr. Hier hat die Möglichkeit der übergangsweise weiteren Nutzung einer städtischen Wohnung eine wichtige Funktion für den Integrationsprozess. Mit der Erlangung eines Aufenthaltstitels (= Anerkennung) erfolgt auch die Abrechnung der Nutzungsentschädigung für die städtischen Unterkünfte entsprechend der geltenden Benutzungs- und Gebührenordnung.

 

Im Gegensatz zu anderen Kommunen werden in Rheine derzeit keine Gemeinschaftsunterkünfte vorgehalten. Lediglich in der Hochphase der Flüchtlingszuwanderung in 2016/2017 mit einer Zuweisung von bis zu 100 Personen pro Woche erfolgte die Unterbringung von Flüchtlingen auch in Gemeinschaftsunterkünften. In Betrieb waren damals zwei Sporthallen (Josef-Winckler Schule, Emsland Stadion) sowie die ehemalige Polizeistation an der Gartenstraße. Weitere Unterkünfte waren in Vorbereitung, eine Inbetriebnahme erfolgte jedoch aufgrund nachlassender Flüchtlingszahlen nicht mehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Verteilung der Wohnungen im Stadtgebiet sowie die Lage der Beratungsbüros kann der folgenden Übersicht entnommen werden.

 

 

 

(blau=Wohnungen; orange=Beratungsbüros; rot = ZUE BezReg; gelb=Hausmeisterdienste)

 

 

 

 

Prognose

Die Stadt Rheine erfüllt mit Stand 31.01.21 bei der Aufnahme von anerkannten

Flüchtlingen mit einer Wohnsitzauflage die entsprechende Quote lediglich in Höhe von

57,35 % (-374 Personen). Hier ist mit Zuweisungen zu rechnen, wobei aus der Erfahrung der

Vergangenheit die Anzahl nur schwer vorhersehbar ist. Grundsätzlich ist die Kommune zur Unterbringung von nach der Wohnsitzauflage zugewiesenen, anerkannten Flüchtlingen nicht verpflichtet. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Personen im Regelfall direkt aus einer ZUE des Landes zugewiesen werden. Insofern besteht keine Chance, auf dem Wohnungsmarkt privat eine Wohnung zu akquirieren, so dass der FB 8 diese Personen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und zur Anbindung an das Soziale Betreuungssystem zunächst in städtischen Wohnunterkünften unterbringt. Trotz der niedrigen Erfüllungsquote  ist nicht mit einem sprunghaften Anstieg der Zuweisungen zu rechnen, da hier ggf. mit der Bezirksregierung Zielvereinbarungen über Zeitpunkt und Umfang der Aufnahmen geschlossen werden können.

 

Die Aufnahmequote von Flüchtlingen im Asylverfahren wird mit Stand vom 31.01.2021 zu 124,09 % (+49 Personen) erfüllt. Mit einer nennenswerten Zuweisung entsprechender Flüchtlinge ist hier derzeit nicht zu rechnen. Aufgrund nationaler und internationaler politischer Entwicklungen kann es hier jederzeit zu erheblichen Abweichungen kommen, die eine Anpassung dieses Konzeptes erforderlich machen.

 

Fazit:

Trotz der dargestellten Unwägbarkeiten soll das Ziel verfolgt worden, im weiteren Verlauf des Jahres den Anteil des freien Wohnungsbestandes unter Abwägung der Entwicklung der Corona-Pandemie, der Entwicklung von Wohnungsnotfällen sowie der Entwicklung des Zuwanderungsgeschehens auf den politisch beschlossenen Stand von 15% zurückzufahren.

Neben den wirtschaftlichen Effekten ist die Rückgabe von Wohnungen mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt erforderlich.

 

 

Exkurs

Auf dem Gelände der ehemaligen Damloup-Kaserne, Mittelstr. 7, betreibt die Bezirksregierung Münster eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE). Die Einrichtung hat eine Kapazität von 500 Personen. Von diesen Plätzen werden der Stadt Rheine 250 auf die Anzahl der nach dem FlüAG NRW aufzunehmenden Flüchtlinge angerechnet. Der Betrieb der Einrichtung ist bis zum 31.12.2022 vorgesehen. Der Lebensunterhaltes sowie weitere Leistungen des täglichen Bedarfes werden durch die Bezirksregierung sichergestellt.

Das Gebäude 5 der Damloup-Kaserne, welches ursprünglich zur Unterbringung von der Stadt Rheine zugewiesenen Flüchtlingen geplant war, wurde ab dem 01.05.2019 der Bezirksregierung im Rahmen eines Untermietvertrages zur Erweiterung der bestehenden ZUE überlassen. 

 

 

Dem Sozialausschuss wird zum Sommer 2022 ein erneuter Bericht vorgelegt.