Betreff
Strom-Energiebericht Entwässerung 2018/2019
Vorlage
163/21
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Betriebsausschuss der TBR nimmt den Energiebericht zum Fachbereich Entwässerung 2018/2019 zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Grundsätzliches

In der Sitzung des Bau- und Mobilitätsausschusses vom 17.12.2020 wurde der Energiebericht der Stadt Rheine 2018/2019 (Vorlage 400/20) zur Kenntnis gegeben. Der Energiebericht der Stadt Rheine ist eine Zusammenstellung mehrerer energieintensiver Bereiche der Stadt Rheine und der TBR. In dieser Vorlage soll insbesondere der Energiebericht des Fachbereichs Entwässerung 2018/2019 vorgestellt werden.

 

 

1.     Anzahl der Entwässerungsbauwerke mit Strombedarf

 

In der Stadtentwässerung Rheine wurden in den Jahren 2018/2019 106 Sonderbauwerke (Regenüberlaufbecken, Regenrückhaltebecken, Regenklärbecken, Pumpstationen etc.) mit Strom versorgt (siehe nachfolgendes Diagramm). Die Anzahl ist gegenüber dem letzten Energiebericht um 1 Bauwerk gestiegen. Die Kläranlage Rheine-Nord ist bei den Entwässerungseinrichtungen unverändert der Betrieb mit dem größten Strombedarf.

 

 

2.      Strompreisentwicklung

 

In den Jahren 2005, 2009, 2012 und 2015 wurden die bestehenden Stromlieferungsverträge von den EWR gekündigt und neu verhandelt. Der bestehende Stromliefervertrag hatte eine Laufzeit bis Ende 2019. Der reine Arbeitspreis für die Energie wurde stetig günstiger, jedoch wird der positive Effekt durch die höheren Netzentgelte und durch jährlich angepasste höhere Steuern und Abgaben (EEG, KWGK, etc.) aufgezehrt.

 

In 2011 stieg der Preis ggü. dem Jahr 2010 um 15 %, in 2012 um ca. 2 %, in 2013 um 6 %, in 2014 um weitere 7 %. Im Jahr 2015 blieb der Strompreis ggü. dem Vorjahr nahezu unverändert. Die Steigerung der Jahre 2005 (2004 Novellierung des EEG) bis 2019 beträgt rd. 241 %. Seit 1998 stiegen die Kosten je kWh bis zum Jahr 2017 um ca. 372 % (siehe nachfolgendes Diagramm ´Kosten je kWh in der Entwässerung Rheine´).

 

 

 

Die Energiewende hat den Strom für die Endkunden verteuert, was vor allem an der stetig steigenden EEG-Umlage liegt. Die Preise an der Strombörse ´European Energy Exchange (EEX)´ in Leipzig sinken dagegen, aufgrund der geringen Entstehungskosten der erneuerbaren Energien. Das spiegelt sich auch in den Stromlieferungsverträgen der TBR wieder. Zeitweise konnte die elektrische Energie zu sehr günstigen Marktkonditionen beschafft werden. Der Stromlieferungsvertrag lief Ende 2019 aus, das führte ab 2019 zu höheren Beschaffungspreisen bei steigender Tendenz.


Da das Stromangebot zeitweise zu groß ist, kann es zu der Situation kommen, dass der Beschaffungspreis an der Strombörse stark sinkt, der Endpreis aber höher ist, weil mehr eingespeister Ökostrom auch mehr Einspeisevergütung bedeutet, die wiederum gesetzlich garantiert ist. Kosten daraus werden auf den Endkunden umgelegt.

 

3.     Strombedarf und Vergleich

 

Der Strombedarf in der gesamten Stadtentwässerung wurde von 3 Begebenheiten geprägt:

 

2002: Außerbetriebnahme der alten Kläranlage Gertrudenweg, Übernahme und Reinigung des gesamten Abwassers auf der Kläranlage Nord.

2009: Ca. 1,5 Mio. kWh Eigennutzung von Strom der Leasing-Blockheizkraftwerke auf der Kläranlage Nord

2016: Neubau der Klärgasnutzung und Ausbau der bestehenden Klärgasbewirtschaftung auf der Kläranlage. U. a. größerer Gasbehälter, neue eigene Blockheizkraftwerke und damit einhergehend eine größere Eigenstromquote.

 

Daraus ergeben sich folgende Veränderungen im Stromverbrauch und dessen Kosten:

 

 

Der Stromverbrauch korreliert nicht mit dessen Kosten. Ohne die umgesetzten Maßnahmen zur besseren Klärgasnutzung wären die Stromkosten weitaus höher gewesen!

 

Die Stromverbräuche korrelieren ebenso nicht mit den Abwassermengen: Wohingegen der Stromverbrauch im Betrachtungszeitraum trotz gestiegener gesetzlicher Abwasserreinigungsanforderungen mit im Mittel rd. 5,5 Mio. kWh in der gleichen Größenordnung lag, betrugen die zu behandelnde Jahresabwassermenge auf der Kläranlage rd. 6,95 Mio. m3 im Jahr 2009 und in den Jahren von 2015 bis 2019 zwischen 11,99 Mio. und 10,84 Mio. m3. Normalerweise sind die Regenereignisse maßgeblich für den Strombedarf der Pumpwerke im Stadtgebiet und der Kläranlage. Jedoch: Die vor langer Zeit getroffene Entscheidung zum Einsatz hocheffizienter Pumpen und die Einführung neuer Techniken zeigen Wirkung. Der Abwasserreinigungsprozess auf der Kläranlage wird durch Fuzzy-Logik-Regelungen den Gegebenheiten im Zulauf (Abwasserverschmutzungsgrad und -menge) angepasst. Das Anfang 2015 abgeschlossene 3. Fuzzy-Projekt „Einführung einer Fuzzy-gestützten Abwassersystembewirtschaftung“ wirkt sich positiv aus: Die Kläranlagenzulaufmenge wird durch Fuzzyregelungen der Becken und Pumpwerke im Stadtgebiet vergleichmäßigt. Das bedingt einen geringeren Energiebedarf.

 

Bis zum Jahr 2009 stiegen die Stromkosten eklatant. Mit der Nutzung des Eigenstroms der Blockheizkraftwerke auf der Kläranlage ab 2009 wurde die stetige Kostensteigerung gebremst (siehe Kap. 4). Bei lediglich 1 % Mehrverbrauch in den Jahren 2016-2017 ggü. den Vorjahren konnten die Stromkosten um 33 % reduziert werden. In den darauffolgenden Jahre 2018-2020 war der Stromverbrauch rd. 2 % geringer, die Kosten stiegen jedoch um 16 %. Der Grund: Vor allem höhere Stromkosten durch höhere Steuern und Abgaben (EEG, KWGK).

 

Im nachfolgenden Diagramm sind die Gesamtstromverbräuche und deren Kosten für die Jahr 1998 bis 2019 dargestellt.

 

 

Auch in der nachfolgenden Grafik der Stromverbräuche und deren Kosten nur für die Kläranlage sind die Maßnahmen in den Jahren 2002, 2009 und 2016 erkennbar: Die Kläranlage ist mit 3,94 Mio. kWh pro Jahr (Jahr 2019) der größte Stromverbraucher, jedoch mit 2,85 Mio. kWh auch ein großer Stromerzeuger. Mit der rd. 70 %-igen BHKW-Eigenstromproduktion wird der Aufwärtstrend der Energiekosten gebremst.

 

 

 

Im Diagramm oben sind die tatsächlichen und die fiktiven Stromkosten dargestellt. Die fiktiven Kosten sind die Kosten, welche angefallen wären, wenn die Entwässerung den via Blockheizkraftwerke selbst erzeugten Eigenstrom bei den Stadtwerken hätte kaufen müssen. In 2019 wurden so über 400 T € eingespart.

 

Der Energieverbrauch für die Kläranlage Nord konnte gut vergleichmäßigt bzw. deren Kosten sehr gut gesenkt werden. Folgendes trägt bis heute dazu bei:

 

  • Ein gut funktionierendes Stromlastmanagement.
  • Eine auf Energieoptimierung ausgelegte Verfahrensweise der Kläranlage.
  • Der Einsatz neuer energieeffizienterer Maschinen.
  • Die permanente Optimierung der hochmodernen und über den Stand der Technik hinausgehenden Fuzzy-Regelung auf der Kläranlage und auf den Außenstationen.
  • Der Neubau eines größeren Faulgasbehälters, ein verbessertes Faulgasmanagement und der Betrieb eigener Blockheizkraftwerke.
  • Fachlich sehr gutes und hochmotiviertes Personal.

 

4.      Stromproduktion via Blockheizkraftwerke BHKW

 

Die nachfolgende Tabelle zeigt die produzierte Strommenge seit BHKW-Inbetriebnahme im Jahr 2003, die Einnahmen nach EEG durch die Netzeinspeisung, die Betriebskosten der TBR (Mietkosten oder Kosten durch Aufwand und AFA eigener BHKW) und den erzielten Ertrag der TBR. Der Ertrag ab dem Jahr 2009 berechnet sich aus dem fiktiven Wert für die eingesparten Kosten des Strombezuges von der EWR, abzüglich aller Betriebskosten für die BHKW.

 

 

Im Jahr 2008 wurde der in den Miet-BHKW auf der Kläranlage Nord erzeugte Strom noch ins öffentliche Netz eingespeist und laut EEG vergütet. Zum 01.01.2009 wurde die Einspeisung gestoppt: Der selbst produzierte Strom war günstiger als der Strom aus dem öffentlichen Netz. Ein weiterer Meilenstein war die Entscheidung zum Kauf eigener Blockheizkraftwerke: Der bestehende BHKW-Mietvertrag lief Ende 2015 aus. Bereits im Jahr 2013 wurde im Zuge einer Bachelorarbeit die Frage beantwortet, dass die Errichtung eigener BHKW sinnvoll und wirtschaftlich ist. In 2014 wurde eine tiefgreifendere Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zur kompletten Faulgasverwertung (BHKW, Faulgaswäsche, -lagerung und -bewirtschaftung) extern beauftragt und intern durch das Stadtwerke-Controlling begleitet. Das Ergebnis: Die Investition in eigene Blockheizkraftwerke (2 x 250 kWh = 500 kWh elektrisch) mit vorgeschalteter Faulgaswäsche und größerem Speicherbehälter (vorher 300 m3, heute 1.000 m3 Volumen) ist mit Gesamtkosten von rd. 1,85 Mio. € wirtschaftlich. Prognose: 48 % Eigenstromversorgungsgrad.

 

Die Vorteile für TBR zeigen sich bei den Energiekosten, bzw. beim Ertrag durch die BHKW. Das Jahr 2013 ist noch durch höhere Miet-BHKW-Ausfallzeiten geprägt (minus 25 % Strom ggü. 2012). In den Folgejahren 2014 ff. wurde mit rd. 1,4 Mio. kWh wieder mehr Strom produziert. Der Ertrag in 2015 beläuft sich wieder auf ca. 250 T €. Mit Inbetriebnahme der eigenen BHKW im Jahr 2016 wurden rd. 2,1 Mio. kWh Strom produziert, in 2017 rd. 2,8 Mio. kWh. Die Steigerungsrate ggü. dem Jahr 2015 beträgt 52 %, bzw. 103 % (Verdopplung!) in 2017. Im Betrachtungsjahr 2019 wurden 2,85 Mio. kWh Strom produziert. Damit wurde über 70 % des Gesamtstrombedarfs der Kläranlage (rd. 3,94 Mio. kWh) mit den BHKW abgedeckt! Die Prognose im Zuge der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (48 %) wurde bei weitem übertroffen.

 

Zur nachfolgenden Tabelle: Der kWh-Preis für Strom aus dem öffentlichen Netz beträgt für die Kläranlage 25,24 Cent. Der BHKW-Strom kostet 11,0 Cent/kWh. Bezieht man den 70 %-Anteil des günstigeren BHKW-Stroms mit ein, verringern sich die Energiekosten für die Kläranlage auf lediglich 15 Cent/kWh. Daraus entsteht eine Energiekostenersparnis von über 400 T € im Jahr 2019.

 

 


5.     Ausblick

 

Bis auf die Ausnahme im Jahr 2016 steigt der Strompreis seit 1998. Durch viele Stromsparmaßnahmen und Verfahrensänderungen im Abwassertransport und -reinigung wurden Mehrkosten in Teilen aufgefangen. Der Strombedarf der gesamten Entwässerung ist seit 2009 bis heute trotz höherer Anforderungen zum Beispiel an die Abwasserreinigung mit ca. 5,5 Mio. kWh recht konstant. Die Kosten steigen, vor allem aufgrund der EEG-Umlage.  Selbst für NICHT ins öffentliche Netz eingespeisten BHKW-Strom, müssen seit 2017 jährlich rd. 75 T€ EEG-Umlage entrichtet werden.

 

Die in 2015 getätigten Investitionen zur Faulgasverwertung (1,85 Mio. €) auf der Kläranlage amortisieren sich bereits nach rd. 4,5 Jahren. Der prognostizierte Wert der Eigenstromversorgung (48%) wird mit 72% deutlich überschritten.

 

Das nächste Ziel: Ausbau der Eigenstromversorgung auf der Kläranlage durch die Projektierung einer Photovoltaikanlage. Eine rd. 2.700 m2 große Dachfläche der Flotationshalle steht zur Verfügung. Schon heute werden durch den BHKW-Betrieb rd. 1.700 to CO2-Emission pro Jahr vermieden. Ziel ist eine 100 % Netzautarkie durch regenerative Energie und dadurch Vermeidung von insgesamt rd. 2.400 to CO2 pro Jahr!

 

Das 3. Euregio-Förderprojekt „Einführung einer Fuzzy-gestützten Abwassersystembewirtschaftung“ wurde in 2015 abgeschlossen: Mischwasserabschläge ins Gewässer werden durch die ganzheitliche fuzzygeregelte Abwassersystembewirtschaftung reduziert, Gewässer werden entlastet. Die Fuzzy-Regelung wird fortwährend feinjustiert, mit dem Ziel einer möglichst gleichmäßigen Kläranlagenbelastung und damit auch eines geringeren und relativ gleichmäßigen Strombedarfs.

 

Nach den sehr guten Erfolgen der vergangenen Fuzzy-Projekte wird derzeit gemeinsam mit dem niederländischen Projektpartner, Waterschap Vechtstromen, an einem neuen 4. Euregio-Förderprojekt gearbeitet: „Energieneutrale Mikroschadstoffelimination“. Eine weitere Steuerungskomponente soll in die integrale Kanalnetz-/Kläranlagensteuerung implementiert werden: Die Mikroschadstoffelimination. Analysen zu relevanten Mikroschadstoffemittenten in der Kanalisation sind abgeschlossen und ausgewertet, ein Konzept zur Steuerung der belastetet Stoffströme wurde erstellt. Erkenntnisse fließen künftig bei ggf. erforderlichen Maßnahmen zur Verminderung der Mikroschadstoffemissionen ein. Das wirkt sich kostenmindernd auch auf die Energiekosten in der Entwässerung aus. Eine im Jahr 2017 von der TBR beauftragte Studie für Rheine zeigt: Wird künftig der Bau einer 4. Reinigungsstufe zur Reduzierung der Mikroschadstoffe im Kläranlagenablauf vom Gesetzgeber vorgeschrieben, dann steigt der Strombedarf um rd. 210.000 kWh. Damit würden auch die Stromkosten um jährlich rd. 52 T€ steigen.