Betreff
Entwicklung der Grundwasserqualität in den Gewinnungsgebieten der Energie- und Wasserversorgung Rheine GmbH
Vorlage
204/21
Aktenzeichen
III-4203-löc
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Haupt-, Digital und Finanzausschuss der Stadt Rheine nimmt den Bericht zur Entwicklung der Grundwasserqualität in den Gewinnungsgebieten der Energie- und Wasserversorgung Rheine GmbH (EWR) im Rahmen der Delegierung zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Das Jahr 2020 war insbesondere in den Sommermonaten aus wasserwirtschaftlicher Sicht geprägt durch starke Trockenheit und teils extremer Hitze. Auf der Kundenseite der EWR führte dies zu extrem hohen täglichen Wasserbedarfen insbesondere auch in den Abendstunden. Diese Bedarfe wurden durch hohe Entnahmen in den Wassergewinnungsgebieten der EWR gedeckt. Die natürliche Vegetation und die landwirtschaftlichen Früchte standen unter einem Trockenstress, der zu einem verminderten Pflanzenwachstum und damit zu einem geringeren Nähstoff- bzw. Nitratentzug aus dem Boden führte. Dieser Effekt betrifft nicht nur Ackerflächen, sondern auch die Grünlandnutzung und private Gärten und hat Einfluss auf die Grundwasserqualität in den einzelnen Wassergewinnungsgebieten der EWR.

 

Die Wassergewinnungsanlagen der EWR befinden sich in einem Raum, der sehr intensiv landwirtschaftlich genutzt wird. Vor allem im Bereich des Münsterländer Kiessandzuges, in dem sich die Wassergewinnungsgebiete Neuenkirchen, St. Arnold und Haddorf befinden, können bereits  Düngegaben, die der guten landwirtschaftlichen Praxis entsprechen, auf Grund des geringen Schutz- und Rückhaltevermögens der hier vertretenen Böden zu einer Nitratbelastung führen, die bei nachlassender Nitratabbaufähigkeit des Grundwasserleiters zu einem Überschreiten des Grenzwertes der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) von 50 mg/l im geförderten Rohwasser führt.

 

In 2020 lag in allen Gewinnungsgebieten der EWR die Nitratkonzentration im Rohwasser der Förderbrunnen weiterhin unverändert unterhalb des Grenzwertes der Trinkwasserverordnung. In der folgenden Tabelle sind die Nitratwerte der einzelnen Gewinnungsgebiete als Spannbreite der Einzelbrunnen und im Rohmischwasser zusammenfassend zusammengestellt:

 

 

St. Arnold I

St. Arnold II

Neuen-
kirchen

Haddorf

Hemelter Bach I

Hemelter Bach II

Einzel-
Brunnen

5-18 mg/l

10-30 mg/l

10-30 mg/l

< 10 mg/l

10-25 mg/l

< 10 mg/l

Rohmisch-wasser

< 10 mg/l

< 20 mg/l

15-25 mg/l

< 10 mg/l

< 20 mg/l

< 10mg/l

Vorfeld-messstellen

5-30 mg/l

5-84 mg/l

5-122 mg/l

5-133 mg/l

5-114 mg/l

Tabelle: Nitratwerte der Einzelbrunnen, des Rohmischwassers und der Vorfeldmessstellen 2020

 

Wie der vorstehenden Tabelle zu entnehmen ist, sind in den Wassereinzugsgebieten der EWR weiterhin Nitratbelastungsschwerpunkte vorhanden, in denen der Grenzwert der Trinkwasserverordnung für Nitrat in Höhe von 50 mg/l, gemessen in Grundwassermessstellen (Vorfeldmessstellen), teils deutlich überschritten wird.

 

Im Jahr 2020 hat sich die Nitratsituation in den Gewinnungsgebieten der EWR trotz der bereits eingeleiteten präventiven Maßnahmenpakete, insbesondere der Extensivierung von ehemaligen Ackerflächen, gegenüber den Vorjahren in einigen Bereichen der Wassergewinnungsgebiete St. Arnold II, Haddorf und Neuenkirchen verschlechtert. Dies dürfte vor allem auf die Effekte durch die aufgetretenen Trockenjahre zurückzuführen sein. Unter dem Trockenstress und dem damit einhergehenden verminderten Pflanzenwachstum wurde dem Boden weniger Nitrat entzogen. Die Düngegaben erfolgten jedoch unter der Annahme normaler Entzugsleistungen. In der Folge blieb zum Ende der Wachstumsperiode deutlich mehr Nitrat im Boden zurück, das dann im Winterhalbjahr aus dem Boden ausgewaschen wurde. Die Grundwasserneubildung im Winterhalbjahr 2019/2020 war weitgehend durchschnittlich, so dass das gesamte zum Ende der Wachstumsperiode noch im Boden verbliebene Nitrat, einschließlich der Reste des Überschusses aus dem Vorjahr, aus dem Boden ausgewaschen wurde. Dieser Effekt betrifft nicht nur Ackerflächen, sondern auch die Grünlandnutzung und private Gärten. So sind entgegen dem Trend der letzten Jahre in den WGG Neuenkirchen und St. Arnold die Nitratkonzentrationen auch im Abstrom von Siedlungsflächen relativ hoch. Ein an die extremen Witterungsverhältnisse unangepasstes Düngeverhalten in den Privatgärten könnte hierfür zumindest mitverantwortlich sein.

 

Im Bereich der Extensivierungsflächen hat sich in den letzten Jahren vor allem im Wassergewinnungsgebiet Neuenkirchen bereits deren sehr gute Wirksamkeit zur Reduzierung von Nitrateinträgen gezeigt. Unter den extremen klimatischen Bedingungen der letzten beiden Jahre haben sich die Nitratwerte jedoch im Abstrom der Extensivierungsflächen wieder erhöht. Im Abstrom von Flächen, die bereits seit mehreren Jahren extensiviert bewirtschaftet werden, konnte der Nitratgrenzwert der TrinkwV weiterhin eingehalten werden. Im Abstrom von Flächen, die erst kürzlich extensiviert wurden, sind die Nitratwerte häufig wieder über 50 mg/l angestiegen. Durch die jahrzehntelange ackerbauliche Nutzung mit dem hierfür gewünschten Humusaufbau kann auf diesen Flächen derzeit noch viel Nitrat mineralisiert und ausgewaschen werden. Da bei Trockenwetterbedingungen auch im Abstrom von Extensivierungsflächen erhöhte Nitratkonzentrationen im Sickerwasser festgestellt werden, reicht der „Verdünnungseffekt“ dieser Flächen unter ungünstigen klimatischen Bedingungen zur Entlastung der hohen Nitratkonzentrationen aus den im Gewinnungsgebiet noch vorhandenen Nitratbelastungsschwerpunkten noch nicht aus. In einigen Randbereichen besteht darüber hinaus weiterer Bedarf, Flächen zu extensivieren, um einen ausreichenden Verdünnungseffekt zu erzielen, wenn das Nitratabbauvermögen im Grundwasser zum Erliegen gekommen ist.

 

Im Wassergewinnungsgebiet Haddorf konnten in den Jahren 2019 und 2020 insbesondere in dem besonders kritischen östlich der Brunnen gelegenen Belastungsschwerpunkt durch die EWR mehrere ehemalige ackerbaulich genutzte Flächen einer Extensivierung zugeführt werden. Die Aushagerung der Böden und die Entwicklungen in den Grundwasserschichten sind langsame Prozesse, die sich erst nach einigen Jahren zeigen. Der von diesen Flächen ausgehende positive Effekt wird daher erst in den kommenden Jahren sichtbar werden.

 

Ein ausreichendes Nitratabbaupotential ist derzeit in allen Gewinnungsgebieten der EWR noch vorhanden. Die Analyse der Sekundärparameter des Nitratabbaus zeigt jedoch, dass in einigen Gebieten die autolitotrophe Denitrifikation, bei der im Boden gebundene Eisendisulfide (Pyrit, FeS2) mit Nitrat reagieren, bereits herabgesetzt ist und der Nitratabbau nun vorwiegend nur noch vom heterotrophen Nitratabbau auf Basis von organischem Kohlenstoff getragen wird. Da diese Nitratabbauprozesse irreversibel im Boden ablaufen, ist nach dem Aufbrauchen dieser Stoffe im Boden von einem Anstieg der Nitratkonzentration im Grundwasser auszugehen. Zum Erhalt des Denitrifikationspotentials sind daher weiterhin Maßnahmen zur Reduzierung der Nitratauswaschung ins Grundwasser erforderlich.

 

Aufgrund des Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Union hat die Bundesregierung die seit dem 02.06.2017 in Kraft getretene aktuelle Düngeverordnung überarbeitet. Die novellierte Düngeverordnung ist zum 01.05.2020 mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft getreten. Diese sieht u. a. die Festlegung bundesweit einheitlicher Maßnahmen in nitratbelasteten Gebieten sowie den Auftrag an die Bundesländer, entsprechend den Vorgaben einer Bundesverwaltungsvorschrift belastete Gebiete nach einheitlichen Kriterien auszuweisen, vor. Die NRW-Landesregierung hat ihrerseits eine Anpassung der Landesdüngeverordnung verabschiedet, die die hierfür notwendige Binnendifferenzierung innerhalb der roten Grundwasserkörper vorsieht.

 

Die Wasserwirtschaft hat an diese strengeren Regelungen die Erwartung geknüpft, dass die Verschärfungen auch für die Wasserschutz- und Wassereinzugsgebiete zu Verbesserungen im Schutz der Grund- und Oberflächengewässer führen würden. Wenngleich die Anpassung der Bundes-Düngeverordnung sicherlich dazu führt, dass allgemein die Ausbringung von Düngemitteln (Wirtschaftsdünger und Mineraldünger) herabgesetzt wird und damit das Grundwasser geschützt wird, werden durch die vom Land NRW praktizierte Binnendifferenzierung die vom Bund vorgesehenen möglichen Verschärfungen für „rote Gebiete“ wieder entschärft. Die Ausweisung von „roten“ Feldblöcken, die einen schlechten chemischen Zustand hinsichtlich Nitrat oder einen steigenden Nitrattrend aufweisen und in denen somit zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers seitens der Landwirtschaft durchzuführen sind, ist wasserwirtschaftlich zu begrüßen. Das Ergebnis der ausgewiesenen Feldblöcke ist in weiten Teilen für die EWR jedoch nicht nachzuvollziehen und nicht plausibel. Die durch das Land NRW durchgeführte Binnendifferenzierung führt zu einer massiven Verringerung der „roten Gebiete“ und der dort durchzuführenden zusätzlichen Gewässerschutzmaßnahmen. Von der ehemals 515.000 ha großen „roten“ Grundwasserkörperfläche in NRW sind nun noch 165.000 ha übrig geblieben, die als Nitrat belastet gelten. Die jahrelangen Erfahrungen und Messwerte der Wasserversorgungsunternehmen werden nicht ausreichend berücksichtigt. Somit werden die von der EWR ermittelten Nitratbelastungsschwerpunkte nicht in allen Gewinnungsgebieten der EWR durch die vom Land NRW theoretisch ermittelten „roten“ Feldblöcke bestätigt. Die Ausweisung nitratbelasteter Flächen ist deutlich zu klein. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht bedarf die Modellierung durch das Land NRW einer Überarbeitung. Wasserversorger müssen somit weiterhin auf Basis ihrer eigenen Analysedaten geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Grundwasser nachhaltig zu schützen. Das Verursacherprinzip greift weiterhin nicht.

 

In und außerhalb der „roten“ Feldblöcke in den Gewinnungsgebieten müssen die Grundwasserschutzmaßnahmen der EWR somit weiterhin fortgesetzt werden. Über die Kooperation Landwirtschaft/Wasserwirtschaft wird u. a. durch die Fördermaßnahme Zwischenfruchtanbau und Maisuntersaaten erreicht, dass ein Teil der im Boden vorhandenen Nährstoffe über den regenreichen Winterzeitraum in der Zwischenfrucht gebunden werden und somit nicht ins Grundwasser ausgewaschen werden. Wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, reichen in extremen Jahren - wie im Jahr 2020 - auch diese Maßnahme allein nicht aus, um die gesamten im Boden befindlichen Nährstoffe zu binden. Am wirkungsvollsten hat sich immer noch die Extensivierung von ackerbaulich genutzten Flächen in den Nitratbelastungsschwerpunkten gezeigt.

 

Pflanzenschutzmittel (PSM) wurden im Rohwasser der Brunnen – mit Ausnahme der bereits seit Jahren bekannten Brunnen EB 05 bis EB 07 im Wassergewinnungsgebiet St. Arnold I, dessen Wasser separat mit Aktivkohle aufbereitet wird – nicht nachgewiesen. Im Rohwasser wurden jedoch einige so genannte nicht relevante Metabolite (nrM) nachgewiesen. Dieses sind Abbauprodukte von PSM im Boden. Für diese existiert in der Trinkwasserverordnung kein eigener Grenzwert, daher wird hier derzeit der Gesundheitliche Orientierungswert (GOW) zur Beurteilung zugrunde gelegt. Dieser liegt je nach Stoff bei 1 bzw. 3 µg/l. Für zahlreiche nrM erfolgt kein einziger Nachweis oder sie lagen deutlich unter ihrem jeweiligen GOW. Da die Nachweisgrenze durch eine verbesserte Analytik in den letzten Jahren herabgesetzt wurde, werden gegenüber den Vorjahren nun mehr Metabolite nachgewiesen, deren Konzentrationen aber nur im Bereich der Bestimmungsgrenze liegen. Ausnahmen bilden die Metabolite des Wirkstoffes S-Metolachlor. Dieses Herbizid wird vorwiegend im Maisanbau angewendet. Im Rohwasser der Gewinnungsgebiete St. Arnold I, St. Arnold II, Neuenkirchen und Hemelter Bach werden vergleichsweise hohe Werte erreicht, die jedoch noch unter dem jeweiligen GOW liegen. Die Entwicklung wird weiter beobachtet und im Rahmen der Kooperation Landwirtschaft/Wasserwirtschaft wird verstärkt auf einen möglichst geringen Einsatz von PSM hingewirkt.

 

Als Anlage ist ein ausführlicher Bericht über die Entwicklung der Grundwasserqualität in den einzelnen Gewinnungsgebieten der EWR beigefügt.

 


Anlage:

 

Bericht zur Entwicklung der Grundwasserqualität in den Gewinnungsgebieten der Energie- und Wasserversorgung Rheine GmbH