Betreff
Änderung der Erschließungsbeitragssatzung - Antrag der Fraktionen DIE LINKE, UWG Rheine und BfR vom 17.05.2021
Verfahrensvorschlag
Vorlage
364/21
Aktenzeichen
5.80 - stu
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

I.                    Antrag der Fraktionen Die Linke, UWG Rheine und BfR:

 

1. Erfolgt die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage (Straße, Gehweg,

Radweg, Entwässerung, ...) erst Jahrzehnte nach Erstellung der Bebauung, so ist für

jedes Jahrzehnt eine Reduzierung des Anliegeranteils vorzunehmen. Die Verwaltung

wird beauftragt, eine Beschlussvorlage zu erstellen mit dem Ziel, die

Erschließungssatzung in diesem Sinne zu ändern.

2. Bei Gebühren für Erschließungsmaßnahmen ist eine Ratenzahlung, analog zu den

Gebühren für Straßenausbaumaßnahmen, vorzusehen.

 

II.                  Alternativer Beschlussvorschlag der Verwaltung:

 

 

Der Bau- und Mobilitätsausschuss nimmt die Stellungnahme der Verwaltung zur Kenntnis und stimmt dem nachfolgenden Verfahrensvorschlag der Verwaltung zu.

 

1.      Die unter I. beantragte Änderung der Erschließungsbeitragssatzung wird abgelehnt, da die geltende Rechtslage und Rechtsprechung hierfür keine Möglichkeit eröffnet.

2.      Die Verwaltung weist auf die Möglichkeiten zur Stundung und Ratenzahlung gemäß § 135 Abs. 2 Baugesetzbuch im Schriftverkehr mit den Beitragspflichtigen (Information, Anhörung, Bescheide) hin.

 

 


Begründung:

 

I.   Auf die Begründung des gemeinsamen Antrags der Fraktionen DIE LINKE, UWG Rheine und BfR vom 17.5.2021 (Anlage 1) auf Änderung der Erschließungsbeitragssatzung wird verwiesen.

 

 

II.  Die in dem Antrag aufgeführten Punkte wurden von der Bauverwaltung und der städtischen Rechtsberatung und –vertretung mit folgendem Ergebnis geprüft:

 

Die in dem Antrag beschriebene Konstellation stellt darauf ab, dass Anlieger einer Straße (Beitragspflichtige) in Abhängigkeit zum Zeitpunkt der Bebauung ihrer Grundstücke einen verminderten Beitrag zahlen müssen. Hier soll die Erschließungsbeitragssatzung vorsehen, dass der Beitragssatz gestaffelt nach Jahrzehnten reduziert wird, wenn die erstmalige Herstellung (Ersterschließung) der Straße Jahrzehnte nach der Bebauung der Grundstücke erfolgt.

 

Aus rechtlicher Sicht gibt es für diese Konstellation keine Möglichkeiten, die Erschließungsbeiträge aufgrund einer „erstmaligen Herstellung einer Erschließungsanlage erst Jahrzehnte nach Erstellung der Bebauung“ zu reduzieren. Das Gesetz macht an dieser Stelle keinen Unterschied hinsichtlich des Zeitpunktes der erstmaligen Herstellung für die Höhe des Beitrages. Eine Reduzierung würde bedeuten, dass das Prinzip „Beiträge vor Steuern“ nicht beachtet würde. Eine Senkung führte dazu, dass die Stadt Rheine die Mindereinnahmen durch erhöhte Steuern kompensieren müsste, was bereits generell unzulässig wäre.

 

Auch wenn durch § 132 BauGB den Kommunen die Möglichkeit gegeben ist, die konkreten Beträge über die Satzung zu regeln, kann das im Antrag Gewollte nicht geregelt werden. „Der Gesetzgeber hat die Regelung der Satzung zugewiesen, weil auf diese Weise die gleichmäßige Anwendung der Vorschriften sichergestellt werden kann. Auch die Begründung der Beitragspflicht ist für den Eigentümer dadurch transparent und wird für ihn, soweit überhaupt möglich, im Voraus übersehbar. Daraus ergibt sich dann, dass entsprechend dem Charakter der Satzung als Ortsrecht eine generelle Regelung für nach Art und Umfang bestimmte Typen von Erschließungsanlagen erfolgen soll, nicht aber eine individuelle für jede konkrete einzelne Erschließungsanlage. Die letztgenannte Regelung würde dem Sinn der Beitragssatzung widersprechen (BVerwG, Urt. v. 06.09.1968 – IV C 96/66; […].)

Die Regelung muss jedoch nicht jeweils für die einzelnen Gruppen der Erschließungsanlagen im Gemeindegebiet einheitlich sein, wenn Unterschiede sachgerecht sind, also etwa durch die topographischen Verhältnisse oder durch den besonderen Charakter der Gemeindeteile gerechtfertigt sind.“

vgl. Grziwotz in: Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, BauGB Kommentar, 134. Lfg, August 2019, § 132 Rdnr. 11.

 

Beim Vorliegen sachgerechter Unterschiede ist eine uneinheitliche Behandlung der Erschließungsanlagen also möglich. Es kann aber nicht zulässig sein, dass Beiträge für Erschließungsanlagen in Abhängigkeit von der Entstehungszeit der anliegenden Bebauung bemessen werden, weil das in keiner generellen Regelung bestimmt werden könnte. Es ist an einer Straße bspw. möglich, dass viele Grundstücke bereits seit vielen Jahren bebaut sind, aber einzelne Grundstücke noch unbebaut bzw. erst vor kurzer Zeit bebaut wurden. Für diesen  Fall kann faktisch keine generelle Regelung getroffen werden. Zudem würde dieses in der Konsequenz bedeuten, dass die Beiträge der Anlieger für dieselbe Erschließungsanlage unterschiedlich berechnet werden müssten, was wiederum bedeuten würde, dass sich die Anlieger auf unterschiedliche Weise an derselben Erschließungsanlage beteiligen und unterschiedlich hohe Beiträge zahlen müssten. Dieses ist rechtlich unzulässig.

 

Der Beschluss des Rates über die Änderung der Erschließungsbeitragssatzung im Sinne des Antrags zu I. wäre aus den genannten Gründen rechtswidrig und müsste vom Bürgermeister beanstandet werden.

 

Davon abzugrenzen:

 

Eine Erschließungsanlage wurde technisch hergestellt, aber erst Jahre später abgerechnet, weil andere Voraussetzungen, wie z. B. die Widmung der Straße, fehlten. Zu dieser Konstellation gab es zuletzt 2017 ein Urteil vom OVG NRW (15 A 1812/16), welches die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach Ablauf von 30 Jahren nach der technischen Fertigstellung für unzulässig erklärte. Eine Reduzierung der Beiträge während des zulässigen Zeitraums bleibt allerdings unzulässig.

 

Die Bauverwaltung prüft bei allen auszubauenden Anlagen, in denen offensichtlich in der Vergangenheit bereits bauliche Maßnahmen erfolgt sind, ob der Zustand bezogen auf die Teileinrichtungen (Fahrbahn, Gehwege, Radwege, Parkflächen, Beleuchtung, Entwässerung) bereits die Merkmale der erstmaligen Herstellung erfüllt. Wenn dieses zutrifft, erfolgt unter Berücksichtigung des o.g. Urteils die Beitragserhebung für die erstmalige Herstellung der betroffenen Teileinrichtung(en) nur, sofern die Kosten für die erstmalige Herstellung („alten“ Kosten) vorliegen. Wenn die erstmalige Herstellung mehr als 30 Jahre zurückliegt oder die Kosten für die erstmalige Herstellung nicht vorliegen, werden für die Erneuerung der betroffenen Teileinrichtung(en) Straßenbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben, sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen (Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Erneuerung oder Verbesserung im Sinne des KAG).

 

 

2.) Die Fraktionen Die Linke, UWG Rheine und BfR beantragen, bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen analog zu den Beiträgen für Straßenausbaumaßnahmen eine Ratenzahlung vorzusehen.

 

Die Möglichkeit zur Ratenzahlung bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen wird in § 135 Abs. 2 BauGB geregelt. Es ist bereits seit Bestand dieser Regelung (seit Jahrzehnten) gängige Praxis, auf Antrag die Ratenzahlung gemäß § 135 Abs. 2 BauGB  zu gewähren.

 

Die Bauverwaltung hat jetzt analog zu den Straßenbaubeiträgen einen entsprechenden Hinweis auf diese Möglichkeit in die Informationsschreiben und Bescheide aufgenommen.

 

 

 

Anlage 1: Antrag der Fraktionen Die Linke, UWG Rheine und BfR vom 17.5.2021 auf Änderung der Beitragsbemessung für Erschließungsmaßnahmen