Verfahrensvorschlag
Beschlussvorschlag/Empfehlung:
I.
Antrag
der Fraktionen Die Linke, UWG Rheine und BfR:
1. Erfolgt die erstmalige Herstellung einer
Erschließungsanlage (Straße, Gehweg,
Radweg, Entwässerung, ...) erst Jahrzehnte
nach Erstellung der Bebauung, so ist für
jedes Jahrzehnt eine Reduzierung des
Anliegeranteils vorzunehmen. Die Verwaltung
wird beauftragt, eine Beschlussvorlage zu
erstellen mit dem Ziel, die
Erschließungssatzung in diesem Sinne zu
ändern.
2. Bei Gebühren für Erschließungsmaßnahmen
ist eine Ratenzahlung, analog zu den
Gebühren für
Straßenausbaumaßnahmen, vorzusehen.
II.
Alternativer
Beschlussvorschlag der Verwaltung:
Der Bau- und
Mobilitätsausschuss nimmt die Stellungnahme der Verwaltung zur Kenntnis und
stimmt dem nachfolgenden Verfahrensvorschlag der Verwaltung zu.
1.
Die
unter I. beantragte Änderung der Erschließungsbeitragssatzung wird abgelehnt,
da die geltende Rechtslage und Rechtsprechung hierfür keine Möglichkeit
eröffnet.
2.
Die
Verwaltung weist auf die Möglichkeiten zur Stundung und Ratenzahlung gemäß §
135 Abs. 2 Baugesetzbuch im Schriftverkehr mit den Beitragspflichtigen
(Information, Anhörung, Bescheide) hin.
Begründung:
I. Auf die Begründung des gemeinsamen Antrags
der Fraktionen DIE LINKE, UWG Rheine und BfR vom 17.5.2021 (Anlage 1) auf
Änderung der Erschließungsbeitragssatzung wird verwiesen.
II. Die in dem Antrag aufgeführten Punkte wurden
von der Bauverwaltung und der städtischen Rechtsberatung und –vertretung mit
folgendem Ergebnis geprüft:
Die in dem Antrag
beschriebene Konstellation stellt darauf ab, dass Anlieger einer Straße (Beitragspflichtige)
in Abhängigkeit zum Zeitpunkt der Bebauung ihrer Grundstücke einen verminderten
Beitrag zahlen müssen. Hier soll die Erschließungsbeitragssatzung vorsehen,
dass der Beitragssatz gestaffelt nach Jahrzehnten reduziert wird, wenn die
erstmalige Herstellung (Ersterschließung) der Straße Jahrzehnte nach der
Bebauung der Grundstücke erfolgt.
Aus rechtlicher
Sicht gibt es für diese Konstellation keine Möglichkeiten, die Erschließungsbeiträge
aufgrund einer „erstmaligen Herstellung einer Erschließungsanlage erst
Jahrzehnte nach Erstellung der Bebauung“ zu reduzieren. Das Gesetz macht an
dieser Stelle keinen Unterschied hinsichtlich des Zeitpunktes der erstmaligen
Herstellung für die Höhe des Beitrages. Eine Reduzierung würde bedeuten, dass
das Prinzip „Beiträge vor Steuern“ nicht beachtet würde. Eine Senkung führte
dazu, dass die Stadt Rheine die Mindereinnahmen durch erhöhte Steuern kompensieren
müsste, was bereits generell unzulässig wäre.
Auch wenn durch §
132 BauGB den Kommunen die Möglichkeit gegeben ist, die konkreten Beträge über
die Satzung zu regeln, kann das im Antrag Gewollte nicht geregelt werden. „Der
Gesetzgeber hat die Regelung der Satzung zugewiesen, weil auf diese Weise die
gleichmäßige Anwendung der Vorschriften sichergestellt werden kann. Auch die
Begründung der Beitragspflicht ist für den Eigentümer dadurch transparent und
wird für ihn, soweit überhaupt möglich, im Voraus übersehbar. Daraus ergibt
sich dann, dass entsprechend dem Charakter der Satzung als Ortsrecht eine
generelle Regelung für nach Art und Umfang bestimmte Typen von Erschließungsanlagen
erfolgen soll, nicht aber eine individuelle für jede konkrete einzelne
Erschließungsanlage. Die letztgenannte Regelung würde dem Sinn der
Beitragssatzung widersprechen (BVerwG, Urt. v. 06.09.1968 – IV C 96/66; […].)
Die Regelung
muss jedoch nicht jeweils für die einzelnen Gruppen der Erschließungsanlagen im
Gemeindegebiet einheitlich sein, wenn Unterschiede sachgerecht sind, also etwa
durch die topographischen Verhältnisse oder durch den besonderen Charakter der
Gemeindeteile gerechtfertigt sind.“
vgl. Grziwotz in:
Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, BauGB Kommentar, 134. Lfg, August 2019, § 132 Rdnr.
11.
Beim Vorliegen
sachgerechter Unterschiede ist eine uneinheitliche Behandlung der Erschließungsanlagen
also möglich. Es kann aber nicht zulässig sein, dass Beiträge für
Erschließungsanlagen in Abhängigkeit von der Entstehungszeit der anliegenden
Bebauung bemessen werden, weil das in keiner generellen Regelung bestimmt
werden könnte. Es ist an einer Straße bspw. möglich, dass viele Grundstücke
bereits seit vielen Jahren bebaut sind, aber einzelne Grundstücke noch unbebaut
bzw. erst vor kurzer Zeit bebaut wurden. Für diesen Fall kann faktisch keine generelle Regelung
getroffen werden. Zudem würde dieses in der Konsequenz bedeuten, dass die
Beiträge der Anlieger für dieselbe Erschließungsanlage unterschiedlich
berechnet werden müssten, was wiederum bedeuten würde, dass sich die Anlieger
auf unterschiedliche Weise an derselben Erschließungsanlage beteiligen und
unterschiedlich hohe Beiträge zahlen müssten. Dieses ist rechtlich unzulässig.
Der Beschluss des
Rates über die Änderung der Erschließungsbeitragssatzung im Sinne des Antrags
zu I. wäre aus den genannten Gründen rechtswidrig und müsste vom Bürgermeister
beanstandet werden.
Davon
abzugrenzen:
Eine
Erschließungsanlage wurde technisch hergestellt, aber erst Jahre später
abgerechnet, weil andere Voraussetzungen, wie z. B. die Widmung der Straße,
fehlten. Zu dieser Konstellation gab es zuletzt 2017 ein Urteil vom OVG NRW (15
A 1812/16), welches die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach Ablauf von 30
Jahren nach der technischen Fertigstellung für unzulässig erklärte. Eine
Reduzierung der Beiträge während des zulässigen Zeitraums bleibt allerdings unzulässig.
Die Bauverwaltung
prüft bei allen auszubauenden Anlagen, in denen offensichtlich in der Vergangenheit
bereits bauliche Maßnahmen erfolgt sind, ob der Zustand bezogen auf die
Teileinrichtungen (Fahrbahn, Gehwege, Radwege, Parkflächen, Beleuchtung, Entwässerung)
bereits die Merkmale der erstmaligen Herstellung erfüllt. Wenn dieses zutrifft,
erfolgt unter Berücksichtigung des o.g. Urteils die Beitragserhebung für die
erstmalige Herstellung der betroffenen Teileinrichtung(en) nur, sofern die
Kosten für die erstmalige Herstellung („alten“ Kosten) vorliegen. Wenn die
erstmalige Herstellung mehr als 30 Jahre zurückliegt oder die Kosten für die
erstmalige Herstellung nicht vorliegen, werden für die Erneuerung der
betroffenen Teileinrichtung(en) Straßenbaubeiträge nach dem
Kommunalabgabengesetz erhoben, sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen
(Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Erneuerung oder Verbesserung im Sinne des
KAG).
2.) Die Fraktionen
Die Linke, UWG Rheine und BfR beantragen, bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen
analog zu den Beiträgen für Straßenausbaumaßnahmen eine Ratenzahlung vorzusehen.
Die Möglichkeit
zur Ratenzahlung bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen wird in § 135 Abs.
2 BauGB geregelt. Es ist bereits seit Bestand dieser Regelung (seit
Jahrzehnten) gängige Praxis, auf Antrag die Ratenzahlung gemäß § 135 Abs. 2
BauGB zu gewähren.
Die Bauverwaltung
hat jetzt analog zu den Straßenbaubeiträgen einen entsprechenden Hinweis auf
diese Möglichkeit in die Informationsschreiben und Bescheide aufgenommen.
Anlage 1: Antrag der
Fraktionen Die Linke, UWG Rheine und BfR vom 17.5.2021 auf Änderung der
Beitragsbemessung für Erschließungsmaßnahmen