Betreff
"Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen 2020": Zentrenkonzept
Vorlage
477/21
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt- und Klimaschutz nimmt das vorgelegte Zentrenkonzept zur Abgrenzung der Einzelhandelslagen in der Innenstadt von Rheine als Fördergegenstand des „Sofortprogramms zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen 2020“ zur Kenntnis. Das Zentrenkonzept bildet die Grundlage für die (inner-) städtische Entwicklung und die Fortschreibung des Rahmenplans Innenstadt.

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt- und Klimaschutz beschließt die Abgrenzung der Kerngebiete als Grundlage für die Änderungen der Kerngebietsfestsetzungen zugunsten von Wohnnutzung in der Innenstadt.

 


Begründung:

 

A     Hintergrund „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen“

 

Die Innenstadt als Zentrum des städtischen Gefüges steht heute mehr denn je im Fokus gesellschaftlicher Veränderungen und Ansprüchen und den daraus erwachsenden Aufgaben für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung und -gestaltung. Ein verändertes Einkaufsverhalten und ein wachsender Online-Handel haben auch in Rheine massive Auswirkungen auf die Handelslandschaft. Ziel der Stadt Rheine und der EWG – Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Rheine mbH ist es, den stationären Einzelhandel in der Rheiner Innenstadt qualitativ und quantitativ zu erhalten und zu optimieren.

 

Gemeinsam mit vielen weiteren Partnern arbeitet die Stadt Rheine daran, unsere Innenstadt für die Zukunft noch besser zu positionieren. Wichtige Bausteine dabei sind zzt. der Masterplan Einzelhandel als gesamtstädtisches Einzelhandelsentwicklungskonzept und die Umsetzung des Rahmenplanes Innenstadt als integriertes Entwicklungs- und Handlungskonzept, für welches momentan eine Fortschreibung vorbereitet wird. Der Rahmenplan Innenstadt eröffnet zudem die Möglichkeit einer Unterstützung mit Fördermitteln.

 

Zusätzlich zu den o. g. Entwicklungen und insbesondere den einzelhandelsbezogenen Auswirkungen, mussten viele lokale Händler aufgrund des Covid-19-Lockdowns und der temporären Schließung des (Einzel-)Handels erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Die bereits bestehende Leerstandsproblematik verschärft(e) sich.

 

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat sich daher entschlossen, diesen Entwicklungen aktiv entgegenzuwirken. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen hat im Juli 2020 das „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen“ gestartet. Dabei werden Landesmittel in Höhe von 70 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um Städte und Gemeinden, die besonders vom Leerstand und Schließungen von Handel und Gastronomie betroffen sind, zu unterstützen. Bei einem Fördersatz von 90% beläuft sich der kommunale Eigenanteil auf 10%.

 

Das „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen“ zielt darauf ab, die Kommunen und deren Innenstädte und Stadtteilzentren zu stärken, um lebenswerte, attraktive Zentren zu erhalten, damit weiterhin Stadtentwicklungspolitik stattfinden kann und die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Städte erhalten bleibt. Um die Abwärtsspirale zu vermeiden, sollen durch das Sofortprogramm kurzfristige Interventionen etabliert werden.

 

B       Fördergegenstand ‚Zentrenkonzept‘

 

Ein für die Stadt Rheine nutzbarer Fördergegenstand des Sofortprogramms ist die Entwicklung eines Zentrenmanagements, welches die Konzentration von Handelslagen im jetzigen zentralen Versorgungsbereich vorsieht. Aufgrund der Anzahl der Leerstände in der Innenstadt, die sich vor allem auf Bereiche abseits der Haupteinkaufsstraßen Emsstraße und Münsterstraße verteilen, sollte der Konzentrationsbereich der Handelslagen überprüft werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, leerstehende Ladenlokale einer neuen Nutzung zuzuführen und die Innenstadt wieder zu beleben.

 

Eine kompaktere, funktional zukunftsfähige Innenstadt kann perspektivisch dazu führen, dass die jetzigen „2b-Lagen“ (nach Bewertung der Handelslagen der EWG, 2019) in Zukunft nicht mehr als klassische Innenstadtbereiche fungieren, sondern dort z. B. eine Wohnnutzung auch in den Erdgeschossen möglich sein kann. Gerade diesbezüglich liegen der Verwaltung bereits verschiedene Anfragen zu einer Umwandlung von Geschäftslagen vor. Diese Bereiche sind u.a. aufgrund fehlender Laufkundschaft mittlerweile kaum mehr nachhaltig an Händler zu vermieten.

 

Im Handlungsfeld E „Wohnen in der Innenstadt“ des Rahmenplans Innenstadt wurden mehrere Maßnahmen erarbeitet, die das Wohnen im zentralen Innenstadtbereich fördern sollen. Im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz (Vorlage 229/20) wurde hierzu bereits der Beschluss gefasst, dass durch die Verwaltung geprüft werden soll, in welchen Bereichen heute bzw. perspektivisch die Kerngebietsfestsetzung insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss von Wohnnutzungen v. a. auch im Erdgeschoss nicht (mehr) zielführend ist. Es wurden bereits konkrete Teilbereiche genannt, die für eine bauleitplanerische Änderung in Frage kommen.

 

Die Verwaltung hat nach dem Beschluss des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt- und Klimaschutz im September 2020 (Beschlussvorlage 340/20) das Büro Stadt + Handel aus Dortmund beauftragt, ein Zentrenkonzept für die Rheiner Innenstadt zu erstellen.

 

 

C       Zentrenkonzept zur Abgrenzung der Einzelhandelslagen in der Innenstadt von Rheine

 

Bestandsaufnahme und Analyse

Nachdem das Büro Stadt + Handel eine Bestandsaufnahme durchgeführt hat, fand ein Innenstadt-Spaziergang mit Innenstadt-Akteuren (u. a. Vertreter des Handelsvereins, des Innenstadt-Vereins, der Interessensgemeinschaften, RTV, EWG) statt. Hierbei wurden die Einschätzungen lokaler Händlerinnen und Händler sowie Expertinnen und Experten durch das Büro abgefragt. Die Ergebnisse des Innenstadt-Spaziergangs wurden in die Bestandsaufnahme für das Zentrenkonzept aufgenommen. Im weiteren Verlauf der Erstellung des Zentrenkonzeptes wurde der Arbeitskreis erneut zur Diskussion eingeladen.

 

Das Zentrenkonzept untersucht die Innenstadt hinsichtlich ihrer Bestands- und Ankernutzungen und welche zentrenergänzenden Funktionen und Nutzungen vorhanden sind. Dies wird unter anderem in einem Marken- und Angebotsportfolio dargestellt. Die Innenstadt von Rheine verfügt über die wichtigsten Betriebstypen für den kurz-, mittel- und langfristigen Bedarf. Das Büro gibt darüber hinaus Ansiedlungsempfehlungen für noch nicht vorhandene Sortimente, Strukturen oder Marken. Für die Nutzungs- und Immobilienqualität werden im Zentrenkonzept Handlungsempfehlungen dargelegt, die in Teilen schon durch den Rahmenplan Innenstadt oder den Verfügungsfonds Anmietung im Sofortprogramm umgesetzt werden.

 

Der Chancen-Mängel-Plan weist eine deutliche Konzentration des Einzelhandels und der gastronomischen Angebote im Bereich links der Ems auf. Der oft als „ Barriere“ empfundene Verlauf der Ems durch die Innenstadt verstärkt diesen Tatbestand.

 

Das räumlich-funktionale Leitbild zur zukünftigen Entwicklung der Innenstadt von Rheine sieht entsprechend eine klare Fokussierung der Einzelhandelslage auf den Bereich rund um die westliche Emsstraße und die Emsgalerie vor. Die angrenzenden Lagen weisen perspektivisch eine deutlich höhere Nutzungsdurchmischung und Fokussierung auf handelsferne Nutzungen auf. Die westlichen Lagen der Innenstadt sollen auch zukünftig primär durch einen klaren Fokus auf zentrenergänzende Funktionen geprägt sein. Der Marktplatz wird bereits heute durch Gastronomie geprägt und sollte auch in Zukunft als Hauptlage für gastronomische Nutzungen qualifiziert werden. Die östlich der Ems gelegenen Bereiche sowie der Bereich An der Stadtkirche bieten Anknüpfungspunkte für Kultur- und Freizeitangeboten. Innerstädtisches Wohnen sollte in den Bereichen außerhalb der Einzelhandelslage zugelassen werden, um auch hier einen Beitrag zur Belebung der Innenstadt zu leisten.

 

Entwicklungsvarianten

Das Büro Stadt + Handel hat auf dieser Grundlage vier Entwicklungsvarianten für die Struktur der Innenstadt dargestellt (siehe S. 135-138 der Anlage 1). Aus fachgutachtlicher Sicht führt die Entwicklungsvariante 4 (Rundlauf westliche der Ems) am ehesten zu einer funktionalen, langfristigen Belebung der Innenstadt. Bei dieser Variante werden nicht nur die Haupteinzelhandelslagen, sondern auch die Münsterstraße und der Marktplatz als zugeordnete Bereiche an den Konzentrationsbereich angeschlossen. Durch die Etablierung eines solchen Rundgangs wird die Konzentration der derzeit sehr weitläufigen Einzelhandelslagen angestrebt, um hieraus eine Verdichtung der Innenstadt, der Passantenfrequenzen und Aufenthaltsbereiche zu erzeugen. Durch eine Konzentration der Nutzungen im Bereich zwischen Emsgalerie und Marktplatz profitieren langfristig auch die Durchgangsbereiche, wie z. B. die Münsterstraße. 

Für die Entwicklung einer funktionsfähigen, attraktiven und belebten Innenstadt ist der Erhalt des überdimensionierten Innenstadtbereiches nicht mehr zielführend. Eine derartige Entwicklung birgt allerdings auch Risiken. Bei einer Konzentration der Handelslagen kommt es zu einer langfristigen Funktionsverschiebung innerhalb der anderen Quartiere. Um einen Funktionsverlust der angrenzenden Lagen außerhalb des Rundgangs zu verhindern, werden in der Quartiersprofilierung Empfehlungen für die zukünftige Entwicklung gegeben. Hier sollte langfristig ein Nutzungsmix aus zentrenergänzenden Funktionen und Wohnen etabliert werden.

 

Abgrenzung des Fokusbereiches der Handelslagen

Der Fokusbereich der Handelslagen in der Innenstadt von Rheine wird zukünftig den Bereich der westlichen Emsstraße und die in nördlicher Richtung anschließenden Straßen Münsterstraße, Herrenschreiberstraße und Klosterstraße umfassen. Darüber hinaus werden auch die Emsgalerie und die östliche Emsstraße bis zum Trakaiplatz Teil des Konzentrationsbereiches sein. Der Bereich der Handelslagen dient als Fokusraum für Einzelhandelsnutzungen. Es wird empfohlen, diesen Bereich als Kerngebiet planungsrechtlich festzusetzen.

In den angrenzenden Lagen übernimmt der Einzelhandel bereits heute eine untergeordnete Rolle, sodass hier andere Nutzungen in den Fokus rücken. Ziel sollte es sein, in den angrenzenden Quartieren einen Nutzungsmix und handelsferne Nutzungen anzusiedeln. In ebenjenen Bereichen sollte daher auch das innerstädtische Wohnen planungsrechtlich zugelassen werden.

Die sich dadurch ergebenen neuen Entwicklungsmöglichkeiten können langfristig zu einer Reduktion von Leerständen und einer Attraktivitätssteigerung der Gesamtstadt beitragen. Die Etablierung von Handelsnutzungen außerhalb des Konzentrationsbereiches wird dabei nicht ausgeschlossen, es gilt jedoch, langfristig Neuansiedlungen und Standortverlagerungen im Konzentrationsbereich zu priorisieren.

 

Abgrenzung des Kerngebietes Innenstadt

Als planungsrechtlich festzusetzendes Kerngebiet der Stadt Rheine wird eine Abgrenzung empfohlen, welche den Konzentrationsbereich der Handelslagen und seine angrenzenden Bereiche umfasst. Dies sind die Bereiche am Staelschen Hof, Borneplatz und Marktplatz. In ebenjenen Lagen liegt der Fokus auf dem Erleben der Innenstadt sowohl durch den Handel als auch durch handelsferne Nutzungen wie Gastronomie, öffentlichen Einrichtungen und weitere Dienstleistungsnutzungen.

Für die sonstigen innerstädtischen Lagen sollte planungsrechtlich ein Urbanes Gebiet festgesetzt werden. Urbane Gebiete dienen vor allem der Nutzungsmischung und ermöglichen innerstädtisches Wohnen auch in Erdgeschosslagen. Die räumliche Verknüpfung von Wohnen, Arbeiten, Versorgen und Freizeitgestaltung tragen zu einer lebendigen Innenstadtentwicklung bei. Ziel für diese Lagen ist, die Schaffung von durchmischten, aber insgesamt gewerblich geprägten vitalen Quartieren.

Die sich insgesamt durch die verschiedenen Fokusbereiche ergebenden neuen Entwicklungsmöglichkeiten können langfristig zu einer Reduktion von Leerständen und einer Attraktivitätssteigerung der Gesamtstadt beitragen.

 

D       Weiteres Vorgehen

 

Durch eine Abgrenzung der Innenstadt und des Konzentrationsbereiches der Einzelhandelslagen wird der Verwaltung ermöglicht, eine Abgrenzung der Kerngebiete und eine planungsrechtliche Änderung der Innenstadtstrukturen durchzuführen. Die vom Büro Stadt + Handel erarbeiteten Ergebnisse dienen hierbei als Grundlagen für eine planungsrechtliche Festsetzung von Kerngebieten und Urbanen Gebieten in der Innenstadt, um in einzelnen Bereichen der Nachfrage nach einer Wohnnutzung in den Erdgeschosslagen nachzukommen.

 

E       Auswirkungen auf den kommunalen Klimaschutz

 

Der Klimaschutz ist im Zuge der Erstellung des Zentrenkonzeptes nur indirekt betroffen.

 


Anlagen:

 

Anlagen 1 bis 2: Zentrenkonzept zur Abgrenzung der Einzelhandelslagen (Teil 1 bis 2)