Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Die SPD-Fraktion
beantragt, die Verwaltung möge
1.
Überprüfen, welche Theater (Schauspiel, Komödie
etc.) und auch Konzertangebote es zu den Themen Migration und Behinderung von
Menschen gibt, die in das Theaterprogramm aufgenommen werden könnten.
2. In einem weiteren Schritt überprüfen, inwiefern die Handlungsempfehlungen der Projektarbeit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung aus dem Jahr 2017 aufgenommen und umgesetzt werden konnten.
Beschlussvorschlag
der Verwaltung:
1. Der Kulturausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis und stimmt den Vorschlägen zur Spielplangestaltung und den geplanten Maßnahmen zur (Rück-)Gewinnung von Publikum zu.
Begründung:
Auf den Prüfauftrag der SPD Fraktion wird verwiesen. Die Verwaltung ist der Ansicht, dass die im Fraktionsantrag genannten Aspekte bereits im erforderlichen Maß beachtet und umgesetzt werden, wie aus den nachstehenden Informationen deutlich wird:
Zu 1
Die Auseinandersetzung mit zeitaktuellen und grundsätzlichen Themen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft gehört zu den elementaren Aufgaben des Theaters. Das Theater spiegelt die Gesellschaft wieder und hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Und so gehören Themen wie Migration, Behinderung, aber auch Rassismus, Intoleranz und Gleichberechtigung regelmäßig auf den Spielplan. Exemplarisch seien aus den vergangenen Jahren die folgenden Aufführungen genannt:
|
Aufführung |
Thema/Inhalt |
23.02.2016 |
Schmerzliche Heimat |
NSU-Morde |
20.02.2018 |
Unterwerfung |
Extremismus, Radikalismus |
20.03. 2018 |
Ziemlich beste Freunde |
Behinderung |
27.09.2018 |
Homohalal |
Flucht, Asyl, Integration |
04.10.2018 |
Monsieur Claude und seine Töchter |
Kolonialismus, Religion, Intoleranz |
19.02.2019 |
Der Tatortreiniger – Özgür |
Vorurteile, Rassismus |
04.02.2020 |
Adams Äpfel |
Religion, Radikalismus, Toleranz |
28.10.2021 |
Marie Curie |
Gleichberechtigung |
10.02.2022 |
Nathan der Weise |
Religion, Intoleranz, Fremdenhass |
01.03.2022 |
Die Niere |
Organspende |
Diese Auflistung ist nicht abschließend, sondern nur ein Auszug aus 5 Jahren Theatergastspielen in Rheine, zeigt aber, dass der Kulturservice Wert auf diese, durchaus auch gesellschaftsrelevanten Themen, legt. Diese Haltung gehört auch zum grundsätzlichen Anspruch bei der Suche und Planung der Theatervorstellungen für die kommenden Jahre.
Nicht verschwiegen werden darf aber auch die Notwendigkeit, dass Theater Publikum gewinnen, Einnahmen erzielen und Menschen unterhalten soll. Dieser Spagat ist nach Auffassung der Verwaltung ebenfalls in den letzten Jahren gelungen und wird auch zukünftig ein Erfordernis bei allen Planungen sein.
Um eine Übersicht über die aktuell
verfügbaren Inszenierungen zu erhalten, besuchen die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter regelmäßig den INTHEGA-Theatermarkt im Oktober jeden Jahres. Der
Theatermarkt ist die Leitmesse für
deutschsprachiges Tourneetheater und bietet den Ausstellerinnen und Ausstellern
aus den Bereichen Schauspiel, Musiktheater, Crossover, Kinder- und
Jugendtheater, Kabarett, Shows und Konzerte die Möglichkeit, ihre Angebote für
die nächsten Spielzeiten (aktuell die Spielzeit 2022/23) dem Fachpublikum zu
präsentieren. In diesem Jahr waren mehr als 100 Ausstellerinnen und Aussteller
auf dem Theatermarkt in Bielefeld vertreten. Neben der Angebotssichtung dient
der Markt auch als Treffpunkt der Theaterveranstalter, hier besteht die
Möglichkeit in Fachrunden und im kollegialem Austausch Aufführungen zu
besprechen und zu bewerten. Auch in diesem Jahr wurde der Theatermarkt von
einem Team des Kulturservice besucht, um eine Übersicht über das Angebot und
Ideen für einen Theaterspielplan zu bekommen.
Neben
dieser Veranstaltung gibt es noch weitere, kleinere Angebote, wie die
Spielplanpräsentation der Landestheater NRW und der Arbeitskreis Theater des
Kultursekretariates NRW Gütersloh, in denen Aufführungen gezeigt, besprochen
und beurteilt werden.
Auf der Basis der vorgenannten Erkenntnisse erarbeitet der Kulturservice dann einen Spielplan, der die aktuellen Angebote, gesellschaftlichen Themen, Publikumswünsche und schulischen Ansprüche berücksichtigt. Hierbei spielt natürlich auch die tatsächliche Verfügbarkeit der Produktionen eine Rolle, denn auch Aufführungszeiträume, Reiserouten und die tatsächliche Verfügbarkeit der Spielstätten haben Auswirkungen auf den Spielplan.
Zu 2
Die Verwaltung setzt bereits jetzt eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen aus der Projektarbeit um. So gibt es bereits seit mehreren Jahren das Angebot einer Freikarte für jeden neu geworbenen Abonnenten bzw. Abonnentin. Des Weiteren wurden in den vergangenen Jahren bereits Schnupper- bzw. Geschenkabos angeboten. Auch die seit 2 Jahren angebotene KIP-Card ist ein Element der Kundenbindung und –gewinnung, denn die KIP-Card bietet Ihren Besitzerinnen und Besitzern Vorteile in Form von Rabatten und bevorzugten Bestellmöglichkeiten. Diese Vorteile können am Besten im direkten Kundengespräch erläutert werden, denn dann können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Kundenwünsche am besten erkennen, die beste Lösung finden und hohe Kundenzufriedenheit erzeugen, die wiederum die beste Mund-zu-Mund-Werbung ist. Allerdings muss bedacht werden, dass dieser Vertriebsweg deutlich zeit- und damit auch personalintensiver ist, als z.B. ein reiner Onlinevertrieb. Hier ist der Kulturservice im Rahmen seiner Möglichkeiten gut aufgestellt.
Im Bereich der Nicht-Nutzer ist es deutlich schwieriger. In den Handlungsempfehlungen wird angeregt, in den Spielplan Stücke aufzunehmen, die auch ein jüngeres Publikum ansprechen und in der Werbung Medien und Kommunikationswege zu nutzen, die das jüngere Publikum erreichen. Daneben soll die Pressearbeit über Printmedien verbessert werden.
Zu jeder Aufführung werden vom Kulturservice bzw. Ehrenamtlichen Pressetexte verfasst und über den Presseverteiler der Stadt Rheine und persönliche Kontakte in die Pressehäuser versandt. Dies ist auch zukünftig so geplant. Wünschenswert wäre natürlich, wenn es jemanden gäbe, der sich ausschließlich um die Kommunikation und Außendarstellung des Kulturprogramms auf allen verfügbaren Medienkanälen (Printmedien, Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat o.ä.) kümmert und auch theaterpädagogische Angebote (Stückeinführungen, Nachbesprechungen, Theater als außerschulischer Lernort o.ä) organisiert. Dies ist vor dem Hintergrund, dass der Kulturservice für die Aufgabenbereiche Kulturveranstaltungen, Kulturförderung, Heimatpflege, Kulturrucksack und Stadthalle mit einer Personaldecke von 2,5 Stellen + 1 Ausbildungsstelle verantwortlich ist, nicht vollumfänglich leistbar. Zu bedenken ist ebenfalls, dass städtische Kultur- und Veranstaltungsarbeit immer wieder neue Projekte (z.B. Tage der Amateurmusik 2021, Parkleuchten 2021) realisiert, die aufgrund ihrer individuellen Planungen erhebliche Personalressourcen binden.
Problematisch ist der Bereich der Werbebriefe und E-Mailaktionen, diese setzen zum einen auf Grund der DSGVO das Einverständnis der Kunden voraus, zum anderen sind die notwendigen Datenbestände zu erzeugen und zu pflegen. Dies ist eine Aufgabe, die im Rahmen des Tagesgeschäftes mit erledigt wird, aber auf Grund der Tatsache, dass es immer nur Momentaufnahmen sind, entsprechend lange Vorlaufzeiten haben, wenn man wirklich eine herausragende aktuelle Datenbank für Onlinewerbung haben möchte.
Zusammenarbeit mit Schulen
Eine ständige und dauerhafte Kontaktpflege mit den Schulen findet auf Grund der personellen Möglichkeiten des Kulturservice nicht statt. Jedoch stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kulturservice unmittelbar mit Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Schulen in Rheine und auch in der Umgebung im Kontakt, weil diese entweder selber regelmäßig die Aufführungen besuchen bzw. an Aufführungen für ihren Unterricht interessiert sind. Zusätzlich werden die Unterrichtsvorgaben aus den Lehrplänen der Abschlussklassen und Oberstufen berücksichtigt. Diese Aufführungen finden sich regelmäßig in den Spielplänen wieder. Auch hier seien beispielhaft Aufführungen der letzten Jahre genannt, die auch Teil der Lehrpläne der Schulen waren:
Datum |
Stück |
13.11.2014 |
Die Verwandlung |
02.02.2016 |
Der Prozess |
05.04.2016 |
Tschick |
15.12.2016 |
„Faust – Der Tragödie erster
Teil“(Abiturrelevant 2016 – 2018) |
29.11.2018 |
Mutter Courage und ihre Kinder |
29.01.2019 |
Die Känguru-Chroniken |
10.02.2022 |
„Nathan, der Weise“ (Abiturrelevant
2019 – 2023) |
Bei der Planung der kommenden Jahre werden insbesondere die folgenden Inhalte aus den Lehrplänen der Schulen Berücksichtigung finden:
Abitur-Jahrgang |
Stück |
2023 |
„Der Trafikant“ und „Unter der
Drachenwand“ |
2024 |
„Woyzeck“, „Der Trafikant“, „Unter
der Drachenwand“ |
Auswirkungen der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie hatte massive Auswirkungen auf Kulturveranstaltungen. Mit dem ersten Lockdown im März 2020 wurde die Durchführung von Kulturveranstaltungen bis auf wenige Unterbrechungszeiträume im Sommer bundesweit eingestellt. Dies hatte auch zur Folge, dass Abonnements und Einzelkarten nicht mehr erworben wurden. Jetzt ist eine Aufnahme des Spielbetriebs im Theater seit wenigen Wochen wieder möglich, allerdings musste festgestellt werden, dass das Publikum noch eine extreme Zurückhaltung beim Besuch von Veranstaltungen zeigt. Ursache hierfür scheinen die Sorge vor möglichen Infektionen, die Pflicht zum Tragen einer Maske, wenn man keinen festen Platz eingenommen hat und auch der grundsätzliche Verzicht auf Theaterangebote zu sein.
Aus Gesprächen mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten kann inzwischen das Fazit gezogen werden, dass diese Zurückhaltung kein spezifisches Problem in Rheine ist, sondern tatsächlich bundesweit zu spüren ist. Während große Unterhaltungsevents und Festveranstaltungen inzwischen wieder deutlich steigende Besucherzahlen verzeichnen, kämpfen die klassischen Gastspielaufführungen mit Besucherzurückhaltung, obwohl Sie Teil der kulturellen Grundversorgung einer Stadt oder einer Region sind.
Der Kulturservice sieht es deshalb als seine vorrangige Aufgabe an, die bisherigen Kunden, nach der „Coronapause“, wieder zum Besuch von Theater- und Konzertveranstaltungen zu motivieren. Dies mit der Botschaft, ein Theaterbesuch ist möglich und sicher. Dabei muss allen klar sein, dass diese Botschaft nicht von heute auf morgen greift, sondern den Beginn eines längeren Weges beschreibt.
Anlagen: Prüfantrag der SPD-Fraktion