Betreff
Prüfantrag der SPD-Fraktion zum Theater- und Konzertprogramm für die Spielzeit 2022/2023
Vorlage
536/21
Aktenzeichen
BdB-dy
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Die SPD-Fraktion beantragt, die Verwaltung möge

 

1.      Überprüfen, welche Theater (Schauspiel, Komödie etc.) und auch Konzertangebote es zu den Themen Migration und Behinderung von Menschen gibt, die in das Theaterprogramm aufgenommen werden könnten.

2.      In einem weiteren Schritt überprüfen, inwiefern die Handlungsempfehlungen der Projektarbeit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung aus dem Jahr 2017 aufgenommen und umgesetzt werden konnten.

 

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

 

1.      Der Kulturausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis und stimmt den Vorschlägen zur Spielplangestaltung und den geplanten Maßnahmen zur (Rück-)Gewinnung von Publikum zu.

 

 


Begründung:

Auf den Prüfauftrag der SPD Fraktion wird verwiesen. Die Verwaltung ist der Ansicht, dass die im Fraktionsantrag genannten Aspekte bereits im erforderlichen Maß beachtet und umgesetzt werden, wie aus den nachstehenden Informationen deutlich wird:

 

Zu 1

Die Auseinandersetzung mit zeitaktuellen und grundsätzlichen Themen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft gehört zu den elementaren Aufgaben des Theaters. Das Theater spiegelt die Gesellschaft wieder und hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Und so gehören Themen wie Migration, Behinderung, aber auch Rassismus, Intoleranz und Gleichberechtigung regelmäßig auf den Spielplan. Exemplarisch seien aus den vergangenen Jahren die folgenden Aufführungen genannt:

 

 

Aufführung

Thema/Inhalt

23.02.2016

Schmerzliche Heimat

NSU-Morde

20.02.2018

Unterwerfung

Extremismus, Radikalismus

20.03. 2018

Ziemlich beste Freunde

Behinderung

27.09.2018

Homohalal

Flucht, Asyl, Integration

04.10.2018

Monsieur Claude und seine Töchter

Kolonialismus, Religion, Intoleranz

19.02.2019

Der Tatortreiniger – Özgür

Vorurteile, Rassismus

04.02.2020

Adams Äpfel

Religion, Radikalismus, Toleranz

28.10.2021

Marie Curie

Gleichberechtigung

10.02.2022

Nathan der Weise

Religion, Intoleranz, Fremdenhass

01.03.2022

Die Niere

Organspende

 

Diese Auflistung ist nicht abschließend, sondern nur ein Auszug aus 5 Jahren Theatergastspielen in Rheine, zeigt aber, dass der Kulturservice Wert auf diese, durchaus auch gesellschaftsrelevanten Themen, legt. Diese Haltung gehört auch zum grundsätzlichen Anspruch bei der Suche und Planung der Theatervorstellungen für die kommenden Jahre.

 

Nicht verschwiegen werden darf aber auch die Notwendigkeit, dass Theater Publikum gewinnen, Einnahmen erzielen und Menschen unterhalten soll. Dieser Spagat ist nach Auffassung der Verwaltung ebenfalls in den letzten Jahren gelungen und wird auch zukünftig ein Erfordernis bei allen Planungen sein.

 

Um eine Übersicht über die aktuell verfügbaren Inszenierungen zu erhalten, besuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig den INTHEGA-Theatermarkt im Oktober jeden Jahres. Der Theatermarkt ist die Leitmesse für deutschsprachiges Tourneetheater und bietet den Ausstellerinnen und Ausstellern aus den Bereichen Schauspiel, Musiktheater, Crossover, Kinder- und Jugendtheater, Kabarett, Shows und Konzerte die Möglichkeit, ihre Angebote für die nächsten Spielzeiten (aktuell die Spielzeit 2022/23) dem Fachpublikum zu präsentieren. In diesem Jahr waren mehr als 100 Ausstellerinnen und Aussteller auf dem Theatermarkt in Bielefeld vertreten. Neben der Angebotssichtung dient der Markt auch als Treffpunkt der Theaterveranstalter, hier besteht die Möglichkeit in Fachrunden und im kollegialem Austausch Aufführungen zu besprechen und zu bewerten. Auch in diesem Jahr wurde der Theatermarkt von einem Team des Kulturservice besucht, um eine Übersicht über das Angebot und Ideen für einen Theaterspielplan zu bekommen.

Neben dieser Veranstaltung gibt es noch weitere, kleinere Angebote, wie die Spielplanpräsentation der Landestheater NRW und der Arbeitskreis Theater des Kultursekretariates NRW Gütersloh, in denen Aufführungen gezeigt, besprochen und beurteilt werden.

 

Auf der Basis der vorgenannten Erkenntnisse erarbeitet der Kulturservice dann einen Spielplan, der die aktuellen Angebote, gesellschaftlichen Themen, Publikumswünsche und schulischen Ansprüche berücksichtigt. Hierbei spielt natürlich auch die tatsächliche Verfügbarkeit der Produktionen eine Rolle, denn auch Aufführungszeiträume, Reiserouten und die tatsächliche Verfügbarkeit der Spielstätten haben Auswirkungen auf den Spielplan.

 

Zu 2

Die Verwaltung setzt bereits jetzt eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen aus der Projektarbeit um. So gibt es bereits seit mehreren Jahren das Angebot einer Freikarte für jeden neu geworbenen Abonnenten bzw. Abonnentin. Des Weiteren wurden in den vergangenen Jahren bereits Schnupper- bzw. Geschenkabos angeboten. Auch die seit 2 Jahren angebotene KIP-Card ist ein Element der Kundenbindung und –gewinnung, denn die KIP-Card bietet Ihren Besitzerinnen und Besitzern Vorteile in Form von Rabatten und bevorzugten Bestellmöglichkeiten. Diese Vorteile können am Besten im direkten Kundengespräch erläutert werden, denn dann können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Kundenwünsche am besten erkennen, die beste Lösung finden und hohe Kundenzufriedenheit erzeugen, die wiederum die beste Mund-zu-Mund-Werbung ist. Allerdings muss bedacht werden, dass dieser Vertriebsweg deutlich zeit- und damit auch personalintensiver ist, als z.B. ein reiner Onlinevertrieb. Hier ist der Kulturservice im Rahmen seiner Möglichkeiten gut aufgestellt.

 

Im Bereich der Nicht-Nutzer ist es deutlich schwieriger. In den Handlungsempfehlungen wird angeregt, in den Spielplan Stücke aufzunehmen, die auch ein jüngeres Publikum ansprechen und in der Werbung Medien und Kommunikationswege zu nutzen, die das jüngere Publikum erreichen. Daneben soll die Pressearbeit über Printmedien verbessert werden.

 

Zu jeder Aufführung werden vom Kulturservice bzw. Ehrenamtlichen Pressetexte verfasst und über den Presseverteiler der Stadt Rheine und persönliche Kontakte in die Pressehäuser versandt. Dies ist auch zukünftig so geplant. Wünschenswert wäre natürlich, wenn es jemanden gäbe, der sich ausschließlich um die Kommunikation und Außendarstellung des Kulturprogramms auf allen verfügbaren Medienkanälen (Printmedien, Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat o.ä.) kümmert und auch theaterpädagogische Angebote (Stückeinführungen, Nachbesprechungen, Theater als außerschulischer Lernort o.ä) organisiert. Dies ist vor dem Hintergrund, dass der Kulturservice für die Aufgabenbereiche Kulturveranstaltungen, Kulturförderung, Heimatpflege, Kulturrucksack und Stadthalle mit einer Personaldecke von 2,5 Stellen + 1 Ausbildungsstelle verantwortlich ist, nicht vollumfänglich leistbar. Zu bedenken ist ebenfalls, dass städtische Kultur- und Veranstaltungsarbeit immer wieder neue Projekte (z.B. Tage der Amateurmusik 2021, Parkleuchten 2021) realisiert, die aufgrund ihrer individuellen Planungen erhebliche Personalressourcen binden.

 

Problematisch ist der Bereich der Werbebriefe und E-Mailaktionen, diese setzen zum einen auf Grund der DSGVO das Einverständnis der Kunden voraus, zum anderen sind die notwendigen Datenbestände zu erzeugen und zu pflegen. Dies ist eine Aufgabe, die im Rahmen des Tagesgeschäftes mit erledigt wird, aber auf Grund der Tatsache, dass es immer nur Momentaufnahmen sind, entsprechend lange Vorlaufzeiten haben, wenn man wirklich eine herausragende aktuelle Datenbank für Onlinewerbung haben möchte.

 

Zusammenarbeit mit Schulen

Eine ständige und dauerhafte Kontaktpflege mit den Schulen findet auf Grund der personellen Möglichkeiten des Kulturservice nicht statt. Jedoch stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kulturservice unmittelbar mit Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Schulen in Rheine und auch in der Umgebung im Kontakt, weil diese entweder selber regelmäßig die Aufführungen besuchen bzw. an Aufführungen für ihren Unterricht interessiert sind. Zusätzlich werden die Unterrichtsvorgaben aus den Lehrplänen der Abschlussklassen und Oberstufen berücksichtigt. Diese Aufführungen finden sich regelmäßig in den Spielplänen wieder. Auch hier seien beispielhaft Aufführungen der letzten Jahre genannt, die auch Teil der Lehrpläne der Schulen waren:

 

Datum

Stück

13.11.2014

Die Verwandlung

02.02.2016

Der Prozess

05.04.2016

Tschick

15.12.2016

„Faust – Der Tragödie erster Teil“(Abiturrelevant 2016 – 2018)

29.11.2018

Mutter Courage und ihre Kinder

29.01.2019

Die Känguru-Chroniken

10.02.2022

„Nathan, der Weise“ (Abiturrelevant 2019 – 2023)

 

Bei der Planung der kommenden Jahre werden insbesondere die folgenden Inhalte aus den Lehrplänen der Schulen Berücksichtigung finden:

Abitur-Jahrgang

Stück

2023

„Der Trafikant“ und „Unter der Drachenwand“

2024

„Woyzeck“, „Der Trafikant“, „Unter der Drachenwand“

 

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie hatte massive Auswirkungen auf Kulturveranstaltungen. Mit dem ersten Lockdown im März 2020 wurde die Durchführung von Kulturveranstaltungen bis auf wenige Unterbrechungszeiträume im Sommer bundesweit eingestellt. Dies hatte auch zur Folge, dass Abonnements und Einzelkarten nicht mehr erworben wurden. Jetzt ist eine Aufnahme des Spielbetriebs im Theater seit wenigen Wochen wieder möglich, allerdings musste festgestellt werden, dass das Publikum noch eine extreme Zurückhaltung beim Besuch von Veranstaltungen zeigt. Ursache hierfür scheinen die Sorge vor möglichen Infektionen, die Pflicht zum Tragen einer Maske, wenn man keinen festen Platz eingenommen hat und auch der grundsätzliche Verzicht auf Theaterangebote zu sein.

 

Aus Gesprächen mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten kann inzwischen das Fazit gezogen werden, dass diese Zurückhaltung kein spezifisches Problem in Rheine ist, sondern tatsächlich bundesweit zu spüren ist. Während große Unterhaltungsevents und Festveranstaltungen inzwischen wieder deutlich steigende Besucherzahlen verzeichnen, kämpfen die klassischen Gastspielaufführungen mit Besucherzurückhaltung, obwohl Sie Teil der kulturellen Grundversorgung einer Stadt oder einer Region sind.

 

Der Kulturservice sieht es deshalb als seine vorrangige Aufgabe an, die bisherigen Kunden, nach der „Coronapause“, wieder zum Besuch von Theater- und Konzertveranstaltungen zu motivieren. Dies mit der Botschaft, ein Theaterbesuch ist möglich und sicher. Dabei muss allen klar sein, dass diese Botschaft nicht von heute auf morgen greift, sondern den Beginn eines längeren Weges beschreibt.

 

 


Anlagen: Prüfantrag der SPD-Fraktion