Betreff
Entwicklung eines Konzeptes zur Integrationshilfe/Schulbegleitung in Rheine – Antrag Bündnis 90 Die Grünen vom 27.07.2020
Vorlage
593/21
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Antrag Bündnis 90 Die Grünen:

 

1.      Die Verwaltung wird beauftragt, ein innovatives Konzept zur Neuorganisation der Integrationshilfe und Schulbegleitung in Rheine zu erstellen, das sozialverträglich allen Beteiligten Sicherheit und Verlässlichkeit bietet. Die „neue Integrationshilfe“ für Rheine soll in enger Abstimmung mit allen Beteiligten und den politischen Gremien entwickelt werden.

 

2.      Die Verwaltung hebt ihren Beschluss zur Kürzung der Mittel im Bereich der Integrationshilfe auf, bis der Rat über das neue Konzept entschieden hat. Das gilt ganz besonders bei der Mittelkürzung im Bereich „Autismus, sowie emotionale und soziale Entwicklung“.

 

3.      Der Schulausschuss und der Beirat für Menschen mit Behinderung sind zu beteiligen.

 

 

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

 

1.      Der Schulausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die seinerzeit in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90 Die Grünen bezeichneten Mittelkürzungen im Leistungsbereich der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII kurzfristig nach der Antragstellung ausgesetzt worden waren und die individuellen Leistungen der Eingliederungshilfe im III. Quartal 2020 im Rahmen der gesetzlich normierten Hilfeplanfortschreibung bedarfsorientiert weitergeführt wurden.

 

2.      Der Schulausschuss beauftragt die Verwaltung in Kooperation mit dem Caritasverband Rheine, die konzeptionelle Entwicklung eines neuen Angebotes der Schulassistenz als strukturelles, einzelfallunabhängiges Setting an Schulen des gemeinsamen Lernens unter dem Arbeitstitel „Lernen in Gemeinschaft“ (zunächst als Pilotprojekt für die Sek I) auszuarbeiten. Diese konzeptionelle Ausarbeitung soll im Anschluss dem Schulausschuss zur Beratung und Entscheidung vorgelegt werden.

 

 

 


Begründung:

 

Der der Beschlussvorlage zugrundeliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90 Die Grünen war vor dem Hintergrund einer zum Teil pandemiebedingten Verunsicherung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgt. Zum einen war es im Frühjahr zu Schulschließungen und der Einrichtung von Homeschooling gekommen. Das hatte u. a. dazu geführt, dass bislang praktizierte Angebote der Integrationshilfe oder Schulbegleitung einzelner leistungsberechtigter Schülerinnen und Schüler (SuS) nach § 35a SGB VIII als individueller Eingliederungshilfeanspruch in „geschlossenen“ Schulen faktisch nicht umgesetzt werden konnten. In der Praxis und als Alternative fanden aber in mehreren Fällen Angebote der Begleitung in den Haushalten der SuS statt. Mehrere Integrationshelfer, die in anderen Fällen aufgrund der Schulschließungen keine Begleitung umsetzen konnten, wurden im Rahmen der Angebote der Notbetreuung eingesetzt.

 

Seinerzeit bestehende Kontaktbeschränkungen und Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Funktionstüchtigkeit des Jugendamtes hatten dann auch dazu geführt, dass für das II. Quartal 2020 geplante Gespräche zur Fortschreibung der Hilfeplanung ausgesetzt, verschoben oder lediglich nur fernmündlich organisiert worden waren. Mit der Zielsetzung den beteiligten Trägern von Leistungen der Integrationshilfe eine Planungsgrundlage für das sich anschließende Schuljahr 2020/21 geben zu können, waren dann nach Auswertung zur Verfügung stehender Informationen zu den Einzelfällen nach fachlichen Einschätzungen zu den individuellen Bedarfen Fortschreibungsentscheidungen getroffen worden, ohne die ansonsten üblichen Hilfeplanungskonferenzen, quasi am „grünen Tisch“. Diese Entscheidungen hatten zu keiner Zeit das Ziel grundsätzlich Aufwendungen einzusparen oder Mittel zu kürzen. Nach vereinzelt kritischen Rückmeldungen zu den neuen Begleitungsbedarfen in den Eingliederungshilfen war diese Verfahrensweise auf Unverständnis gestoßen.

 

Diese vor der Sommerpause getroffenen Bedarfsentscheidungen wurden nach der Kritik und einigen Gesprächen mit Beteiligung des Beigeordneten ausgesetzt und die Wiederaufnahme der regulären Hilfeplanfortschreibung für nach der Sommerpause zur Klärung der individuellen Bedarfe angekündigt. In der Folge fanden nach der Sommerpause unter Wahrung des Infektionsschutzes in den Einzelfällen Hilfeplanfortschreibungsgespräche statt. Entsprechend der Grundsystematik individueller Leistungsansprüche wurden vor dem Hintergrund der Zielsetzungen und bisherigen Entwicklungen die Bedarfslagen geprüft und eingeschätzt. In mehreren Fällen konnte der von den Fachkräften des Spezialdienstes des Jugendamtes vorher eingeschätzte Begleitungsbedarf bestätigt und formal neu festgesetzt werden, in anderen Fällen wurde der Bedarf aus dem Schuljahr 2020/21 beibehalten.

 

In Fortschreibungsprozessen von Hilfeplanungen ist es Standard, dass auch weitere Beteiligte in den Prozess eingebunden werden. Es ist aber aus terminlichen und logistischen Gründen nicht immer möglich alle gleichzeitig zu einem Gespräch an einen Tisch zu holen. Ferner stellt der Hilfeplanungsprozess oder die in diesem Zusammenhang durchgeführten Gespräche kein Gremium dar, in dem mehrheitlich über den zukünftigen Bedarf quasi abgestimmt wird. Die fachliche Einschätzung des zukünftigen Bedarfs und damit auch die Festlegung der weiter eingesetzten Begleitungszeiten ist nach Einbeziehung und Würdigung der Stellungnahmen der Beteiligten die Aufgabe der Fachkräfte des Jugendamtes. Bereits vor einigen Jahren hatte das Jugendamt Rheine die Entscheidung getroffen diesen Aufgabenbereich zu spezialisieren und die Fachkräfte entsprechend zu qualifizieren. In der Mehrheit der Eingliederungshilfen finden einvernehmliche Bewertungen vor Entscheidungen statt. In einigen Fällen gehen einer Entscheidung aber auch kontroverse Positionen voraus.

 

Gerade in dem Bereich der Integrationshilfe und Schulbegleitung gilt es für die Fachkräfte die schwierige Entscheidung zwischen legitimen Wünschen der Eltern nach fortgesetztem Schutz ihrer Kinder und der damit verbundenen Verlustaversion, den Vorstellungen der beteiligten Schulen nach Unterstützung im Unterrichtsgeschehen und den individuellen Fortschritten nach den Hilfeplanzielen und der Zielsetzung von Inklusion auszutarieren und zu treffen. 

 

In dem Antrag Bündnis 90 Die Grünen ist ferner die Sorge formuliert um eine nicht ausreichende und zielführende Umsetzung der Leitgedanken der Inklusion im schulischen Kontext und für die Zielgruppe der SuS des gemeinsamen Lernens.

 

In den vergangenen Monaten sind unterschiedliche Entwicklungen im Zusammenhang mit der Verbesserung der schulischen Inklusion in die Überlegungen der Verwaltung eingeflossen und müssen in Rahmen des Antrages der Fraktion mitbetrachtet werden.

 

Der Schulausschuss hatte bspw. mit der Vorlage 320/21 „Stärkung der Schulen des gemeinsamen Lernens durch Ausbau der Schulsozialarbeit in Kooperation mit der Jugendsozialarbeit“ im Juni 2021 die Verwaltung bereits beauftragt ein Konzept „Schulsozialarbeit an den weiterführenden Schulen des gemeinsamen Lernens“ zu entwickeln. Aktuell wird im Schulausschuss auch die Vorlage 569/21 „Stärkung der Schulen des gemeinsamen Lernens durch Ausbau der Schulsozialarbeit“ beraten.

 

Die Verwaltung steht zudem mit dem Kreis Steinfurt im Kontakt, der aktuell die Entscheidung zur Umsetzung der Veränderung der Schulsozialarbeit nach dem Bildungs- und Teilhabe-paket vorbereitet. Dazu fand am 21.10.2021 ein Informationsgespräch mit Vertretern der Kommunen im Kreis statt. Diese Neuausrichtung beinhaltet neue Richtlinien des Landes NRW mit der Zielrichtung der Veränderung der BuT-Lotsenarbeit in eine Schulsozialarbeit und eine Verlagerung der Zuständigkeit vom MAGS in das MSB. Damit verbunden ist gleichzeitig eine Erhöhung der bislang zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Der Kreis Steinfurt beabsichtigt, dem Schulausschuss des Kreises am 11.11.2021 die Verwendung der Mittel an die Kommunen weiterzuleiten, um nur an den weiterführenden Schulen des gemeinsamen Lernens zusätzliche Stellen der Schulsozialarbeit einzurichten. Diese Änderungen sollen zum 01.01.2022 umgesetzt werden. Weitere Ausführungen dazu können in der Sitzung mündlich erfolgen. Zu den Details kann im Schulausschuss berichtet werden.

 

Die Verwaltung schlägt mit Blick auf diese unterschiedlichen Aktivitäten und positiven Veränderungen und unter Einbeziehung der von der Fraktion Bündnis 90 Die Grünen beantragten Gesamtkonzeption einen weiteren konzeptionellen Baustein „Lernen in Gemeinschaft“ zur Umsetzung der schulischen Inklusion vor. Mit diesem Baustein „Lernen in Gemeinschaft“ soll in Ergänzung zu den bereits bestehenden Einzelfallhilfen nach § 35a SGB VIII, also der Arbeit der Integrationshelfer, und den beiden o. g. Entwicklungen in der Schulsozialarbeit eine strukturelle Unterstützung der Integrationshilfe an den Rheiner Schulen des gemeinsamen Lernens auf den Weg gebracht und eingeführt werden.

Eine differenzierte konzeptionelle Ausarbeitung soll mit dem Träger Caritasverband Rheine e. V. und auch in Abstimmung mit den beteiligten Schulen umgesetzt werden. Der Beirat für Menschen mit Behinderung soll ebenso einzubeziehen. Der Träger CV Rheine verantwortet derzeit den größten Teil der Integrationshilfen nach § 35 a und beschäftigt eine große Anzahl an Integrationshelferinnen und -helfern.

 

In dem vorliegenden Antrag der Fraktion war auch eine sozialverträgliche Beschäftigung gefordert worden.  Grundsätzlich ist die Sicherung von Beschäftigungen im Rahmen von Einzelfallhilfen nach § 35a kein Kriterium zur Beurteilung von notwendigen und geeigneten Hilfen für leistungsberechtigte SuS und damit auch nicht für eine Fixierung von Begleitungsumfängen. Bestehende Erfahrungswerte von Fallentwicklungen und Fallmengen auf der Basis der bestehenden, etablierten Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Träger bieten aber dennoch eine gute Grundlage für eine Einschätzung zum prospektiven Personalbedarf des Trägers. Eine solche Einschätzung kann dann von dem Träger zu einem Prozentsatz zu Entscheidungen über die Dauer von Beschäftigungsverhältnissen in der Einzelfallhilfe führen.

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Antrag Bündnis90 Die Grünen - Integrationshilfe