Betreff
Extensive und intensive Gründächer auf städtischen Gebäuden
Vorlage
001/22
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

Der Bau- und Mobilitätsausschuss nimmt die Informationen zum Thema „Extensive und intensive Gründächer auf städtischen Gebäuden“ zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

 

Gründächer

 

Begrünte Dächer bringen eine Reihe Vorteile mit sich. Angefangen bei der Lebensraum- und Artenerweiterung der Tier- und Pflanzenwelt über die Filterung und Bindung von Schadstoffen aus der Luft bis hin zur Ersparnis von Kosten in Form der Reduzierung von Abwassergebühren bei „gesplitteter“ Abwassersatzung. Angenehmer Nebeneffekt all dieser positiven Gesichtspunkte ist die Wirkung als natürliche Klimaanlage auf die Umgebung. Ein mit Dachbegrünung ausgestattetes Dach nimmt einen Teil des anfallenden Niederschlagswassers auf und hält es zurück. Ein anderer Teil verdunstet. Die Aufheizung der Dachfläche wird abgeschwächt. Zudem erhöhen begrünte Dächer die gestalterische Qualität.

 

 

Rahmenbedingungen

 

Sowohl bei der Anlage einer extensiven als auch einer intensiven Dachbegrünung ist darauf zu achten, dass die ausgewählte Vegetation für heimische Tiere und Insekten geeignet ist. Fremdländische Pflanzen werden häufig von Insekten und Vögeln gemieden und tragen somit nicht zum Erhalt der ansässigen Arten bei.

 

Vor Anlage sowohl eines extensiven als auch eines intensiven Gründaches muss das Dach auf verschiedene Kriterien überprüft werden. Die Neigung des Daches ist von großer Wichtigkeit. Generell ist eine Begrünung auf Dächern mit einer Neigung von bis zu 45° möglich. Bei Flachdächern bis 5° Neigung müssen präventive Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Pfützenbildungen getroffen werden. Übersteigt die Dachneigung 15°, müssen Maßnahmen gegen das Abrutschen des gesamten Aufbaus ergriffen werden. Als wichtigste Fachregelwerke sind hier die FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.): Richtlinie zur Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen, die DIN (Deutsche Institut für Normung e. V.) 18531: Abdichtungen von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen und die ZVDH (Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks e.V.): Fachregeln für Dächer mit Abdichtungen zu nennen. Werden Pflege und Wartung der Flächen regelmäßig vorgenommen, kann das begrünte Dach 40-60 Jahre halten.

 

 

Auswirkungen auf den Klimaschutz

 

Intensiv und extensiv begrünte Dächer haben positive Auswirkungen auf die Niederschlagsrückhaltung und das Mikroklima. Durch die Anlage zusätzlicher unversiegelter Freiräume kann ein wesentlicher Beitrag zur Schaffung von neuem, städtischem Grün geleistet werden. Zu nennen sind in erster Linie folgende Aspekte:

 

Positiver Effekt auf die Albedo (lateinisch: „Weißheit“, Maß für die Helligkeit einer Fläche): Die Albedo von Pflanzflächen ist höher als die bebauter Flächen. Je heller der Bereich, desto höher das Rückstrahlvermögen und desto kühler der umgebende Raum. Begrünte Flächen reflektieren einen Großteil der Sonneneinstrahlung. Die Sonneneinstrahlung wird nicht in Form von Wärme zurück gehalten, wie es auf versiegelten Flächen der Fall ist. Eine niedrige Umgebungstemperatur erhält man auf Dachflächen, die möglichst Pflanzen mit einer hohen Blattmasse und wenig bis keine befestigten begeh- oder befahrbaren Bereiche besitzen.

 

Wasserspeicher: Die jeweiligen Drainage,- Vegetations- und Boden- bzw. Substratschichten besitzen Aufnahmekapazitäten für anfallendes Niederschlagswasser. Einen Teil davon benötigen die Pflanzen zum Leben. Mit jedem höheren Zentimeter Drainage,- Vegetations- und Boden- bzw. Substratschicht erhöht sich die Rückstaukapazität der Fläche. Jedoch erhöht sich bei mehr Rückstaumöglichkeit die Zusatzlast pro m² Dachfläche.

Laut Bundesverband für GebäudeGrün e. V. (BuGG) können im Jahresmittel je nach Aufbau durch extensive Substrate 75-90 % des Jahresniederschlages zurückgehalten werden. Ebenfalls je nach Aufbaustärke beträgt die Fähigkeit des Wasserspeicherns bei intensiver Dachbegrünung 60-99 %. In der Vegetationsphase der Pflanzen liegt der Niederschlagsspeicher jeweils höher. Jede in der Grünfläche verbleibende Wassermenge entlastet die städtische Kanalisation.

 

Wasserverdunstung und Umwandlung von Sonneneinstrahlung: Neben der existenziellen Eigennutzung von Wasser besitzen Pflanzen die Fähigkeit, aufgenommenes Wasser zu verdunsten und in die Umgebungsluft abzugeben. Dafür verwenden sie den Teil der eingestrahlten Sonnenenergie, den ihre Albedo nicht zurückstrahlt. Pflanzen verdunsten Wasser über Spaltöffnungen in der Blattunterfläche. Auftreffende Strahlung wird in sogenannte „latente (verborgene) Wärme“ umgewandelt. Im Gegensatz zur „sensiblen (fühlbaren) Wärme“ ist die latente Wärme nicht mit dem Thermometer messbar. Die latente Wärme ist die Energie, die bei der Verdunstung von Wasser gebunden wird. Sie ist im Wasserdampf „gespeichert“. Der latente Wärmestrom sorgt für eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit und schützt gleichzeitig die Umgebung vor sensibler, fühlbarer Erwärmung. Auch der Effekt der latenten Wärme kann am besten auf Dächern, die eine Pflanzung mit möglichst viel Blattmasse und möglichst wenig Aufenthaltsbereich besitzen, ausgenutzt werden.

 

Entgegenwirken des Treibhauseffektes: Das Gründach wirkt als natürliche Klimaanlage. Pflanzen binden Kohlendioxid (CO²), da sie es für die Photosynthese benötigen, und geben Sauerstoff (O²) ab. Je mehr Pflanzen mit Blattmasse auf dem Dach pro m² enthalten sind, desto positiver fällt die Sauerstoffproduktion aus.

 

Dämmfunktion: Die jeweilige Substrat- oder Bodenschicht verringert den Wärmedurchgang durch das Dach. Dieser Dämmeffekt sorgt dafür, dass im Winter weniger geheizt werden muss, da die Wärme im Gebäude gehalten wird. Im Sommer muss weniger gekühlt werden, denn von außen anfallende Hitze wird durch die Schichten des Gründaches abgeschwächt. Resultate sind sowohl Ressourcen- als auch Kostenschonung. Die größtmögliche Energieeinsparung ist weniger davon abhängig, ob die intensive oder die extensive Variante zum Tragen kommt, hier ist vielmehr die Art der Vegetation sowie die Tiefe der Boden-/Substratschicht entscheidend. Bei beiden Varianten gilt jedoch weiterhin: je höher der Aufbau, je schwerer und stärker die Pflanzen, desto kostenintensiver wird die Investition.

 

 

 

 

Zusammenfassung: Unterschiede zwischen extensiver und intensiver Dachbegrünung

 

EXTENSIV

INTENSIV

 

·         Pflegeextensiv (ca. 2 Gänge im Jahr)

·         Pflegeintensiv (mehrfache Gänge im Jahr, ähnlich einem Garten)

·         Moderate Anforderung an Dachstatik

·         Hohe Anforderung an Dachstatik

·         Einfache Anlage (Vegetationsmatten, Sprossen, Saatgut etc.)

·         Aufwendigere Anlage (ähnlich bodengebundenen Freiräumen)

·         Naturnahe Anlage

·         Anlage mit Park-/Gartencharakter

·         Geringe/keine Nutzung zum Aufenthalt durch Menschen

·         Nutzung als zusätzlichen „Wohnraum“ durch Menschen

·         Anspruchslose Pflanzen, weitgehend sich selbst überlassen

·         Einsatz von Bäumen, Sträuchern, Stauden, Gräsern, Rasen

·         Dachneigung bis 45 ° möglich

·         Dachneigung von 0-5° möglich

·         Kontrolle Dachabdichtung auf Durchwurzelungsschäden, Entfernung Fremdbewuchs, Prüfung Entwässerungseinrichtungen

·         Kontrolle Dachabdichtung auf Durchwurzelungsschäden, Entfernung Fremdbewuchs, Prüfung Entwässerungseinrichtungen

·         Rückschnitt mittelhoher Pflanzen

·         Sicherheitskontrolle und Rückschnitt Bäume und Sträucher, Rückschnitt Stauden und Gräser, Rasenmahd, Düngung 

·         Bewässerung nur nach der Neuanlage

·         Bewässerung nach der Neuanlage und dauerhaft nötig (Installation Wasseranschluss)

·         Geeignetes Substrat: 6-15 cm

·         Regulärer Bodenaufbau: mind. 30-100 cm (eher mehr)

·         Geringer Anspruch an Schichtaufbau

·         Hoher Anspruch an Schichtaufbau

·         Wasserrückhaltung in Drainage- und Substratschicht

·         Bodenaufbau wie auf ebenerdiger Fläche, daher i. d. R. mehr Wasserrückhaltung  möglich als in extensiven Flächen

·         Pflanzenbewuchs dementsprechend niedrig

·         Pflanzenbewuchs hoch

·         Kühleffekt auf Gebäude geringer

·         Kühleffekt auf Gebäude höher

·         Gewicht von 60-180 kg/m² (bestenfalls mind. 100 kg/m²) berücksichtigen

·         Gewicht von 320-1.200 kg/m² berücksichtigen

·         Anlagekosten ca. 20-40 €/m²

·         Anlagekosten ab ca. 60 €/m²

 

 

Kombinierbarkeit mit Photovoltaikanlagen

 

Eine Dachbegrünung im Zusammenspiel mit einer PV-Anlage ist möglich und sinnvoll. Die Leistung eine Photovoltaikanlagen ist von der Umgebungstemperatur abhängig. Sie wird gesteigert, wenn diese Temperatur moderat gehalten wird. Dachbegrünungen haben durch ihre Kühlwirkung („latente Wärme“) hierauf einen positiven Einfluss.

 

Beispiel: städtisches Gebäude „Tanzsaal“, Begegnungszentrum Neue Mitte Dorenkamp, 3. Bauabschnitt

 

Nachfolgend wird exemplarisch die statisch erforderliche Dachkonstruktion bei Ansatz einer extensiven sowie einer intensiven Dachbegrünung verglichen.

 

Für beide Dachbegrünungsarten wird von einem wassergesättigten Zustand ausgegangen. Die extensive Variante wird mit einem Gewicht von 90 kg/m², die intensive Dachbegrünung mit 350 kg/m² angesetzt.

 

Bei dem oben genannten Dachtragwerk handelt es sich um eine Holzbalkendecke mit einer lichten Spannweite von rd. 10 m. Für eine bessere Vergleichbarkeit wird bei beiden Dachbegrünungen ein Brettschichtholzbinder (BSH-Binder) b/d = 20/44 cm als tragender Balken angesetzt.

 

Die Berechnung beider Varianten ergibt einen Abstand der BSH-Binder von:

 

e = 0,545 m                Intensiv begrünt

e = 1,525 m                extensiv begrünt

 

Die Verwendung eines „leichten“ intensiven Gründachs führt annähernd zu einer Verdreifachung der erforderlichen Bindermenge. Zudem werden die lastabtragenden Bauteile massiver ausfallen. Diese beispielhafte Berechnung veranschaulicht, dass für die Umsetzung der intensiv begrünten Variante ein erheblicher materieller Mehraufwand anfallen würde. Zudem befindet sich der gewählte Lastansatz von 350 kg/m² im unteren Bereich des Möglichen.

 

 

Fazit

 

Allen voran setzt die Statik des zu begrünenden Gebäudedaches der Ausgestaltung Grenzen. Die Frage, ob eine intensive oder extensive Bauweise umgesetzt werden kann, muss bereits in einer frühen Planungsphase geklärt sein.

 

Weitere wesentliche zu berücksichtigende Kriterien bei der Wahl zwischen intensiver und extensiver Dachbegrünung sind:

 

·         Wirtschaftliche Mittel zur Anlage

·         Zugänglichkeit des Daches

·         Gewünschte Tiefe der Substratschicht

·         Gewünschte Pflanzenarten

·         Möglichkeiten der Instandhaltung bzw. Pflegeintensität

 

Dachbegrünung intensiv

Die intensive Dachbegrünung dient als zusätzliche Nutzfläche für den Menschen. Dort wo es einen Mangel an ebenerdigen grünen Naherholungsbereichen gibt, eignet sich die intensive Dachbegrünung hervorragend, um Aufenthaltsräume im Grünen zu schaffen. Gestaltungen mit Terrassen und Wegen oder sogar befahrbare Beläge sind möglich. Unweigerlich unterliegt die Begrünung daher hohen Anforderungen an die Bau- und Vegetationstechnik. Damit Pflanzen wie Bäume auf dem Dach gedeihen können, bedarf es zum einen eines starken Dachaufbaus, zum anderen muss die Finanzierbarkeit der dauerhaften Pflege gewährleistet sein. Die Regelmäßigkeit der Pflegegänge ist denen eines ebenerdigen Gartens/Parks gleichzusetzen (je nach Ausgestaltung muss wöchentlich der Rasen gemäht, zweiwöchentlich Wildkraut entfernt werden). Die Investition in eine Beregnungsanlage und somit die Verlegung von Wasserleitungen ist empfehlenswert, um in trockenen Jahren den Fortbestand der aufwendigen Stauden- und Gehölzpflanzung zu gewährleisten. Die Biodiversität einer intensiven Dachbegrünung relativiert sich, je mehr versiegelte begeh- und befahrbaren Flächen sowie gemähten Rasenflächen sie besitzt.

 

Die Ausgangslast der Dachfläche muss bei der Planung stärker angedacht werden als bei einer extensiv zu begrünenden Fläche. Auf Bestandsgebäuden, deren Statik darauf ausgelegt ist, große Zusatzlasten aufzunehmen (z. B. Tiefgaragen), in Bereichen, in denen größere finanzielle Investitionen möglich sind und in Stadteilen, in denen grüne Aufenthaltsräume fehlen, empfiehlt sich die intensive Dachbegrünung.

 

 

Beispiel für intensive Dachbegrünung (Quelle: BuGG 2021)

 

 

Dachbegrünung extensiv

Im Unterschied zur intensiven Dachbegrünung ist die extensive Dachbegrünung die pflegeleichtere Variante. Zwei leichte Pflegegänge mit Sichtkontrolle im Jahr sind in der Regel normal. Eine Bewässerung ist nur in der Anwachsphase nötig.

 

Die extensive Begrünung kommt in Betracht für Gebäude mit geringerer Ausgangslast, deren Statik keine immens schwere Zusatzlast ermöglicht und auf denen wenige Wartungsintervalle gewünscht sind. Mit geringem finanziellem Aufwand kann die extensiv begrünte Dachfläche beispielsweise um Wasserlinsen, Totholzhaufen und Hummelkästen ergänzt werden. Auf einer in dieser Weise ausgestalteten extensiven Dachbegrünung mit großer Naturnähe kann sich eine Vielzahl an Organismen ansiedeln. Sie bietet somit in jedem Fall ein hohes Maß Biodiversität.

 

Beispiel für extensive Dachbegrünung (Quelle: BuGG 2021)

 

 

Bezug zu städtischen Gebäude

 

Auf den meisten städtischen Bestandsgebäuden ist es nicht möglich, eine schwere Zusatzlast aufzubringen. Darüber hinaus sind die personellen Kapazitäten der städtischen Grünflächenunterhaltung bei der TBR angespannt. Die reibungslose Unterhaltung von intensiv angelegten Dachbegrünungen ist daher weder auf bestehenden noch auf neu zu errichtenden Gebäuden gewährleistet.

 

Sowohl aus statischer, aus ökologischer und auch aus Kosten-Nutzen-Sicht ist für die Dächer der Gebäude der Stadt Rheine die extensive Variante der intensiven vorzuziehen. Anders ist dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis zu betrachten, wenn aufgrund von Flächenknappheit die Dächer auch als Freifläche genutzt werden sollen und darum eine intensive Dachbegrünung sinnvoll ist.

 

Welche städtischen Gebäude für eine Begrünung in Betracht kommen, wird durch die Verwaltung geprüft. Unstrittig ist, dass mit der Anlage von Dachbegrünung auf versiegelter Fläche offene Flächen „aufgesetzt“ werden. Diese Chance sollte nicht ungenutzt bleiben.

 

Quellen: BuGG 2021

 


Anlage:

 

Aufbauschema intensive und extensive Dachbegrünung