Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Betriebsausschuss beschließt, für die Umsetzung der
Wasserrahmenrichtlinie im Fachbereich Entwässerung eine zusätzliche
Ingenieur/innenstelle einzurichten.
Begründung:
1.
Antrag von Bündnis 90/Die Grünen
Es wird Bezug genommen auf die Anträge der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Haushalt 2022 vom 16.12.2021. Die Fraktion
beantragt u. a. die Einrichtung einer zusätzlichen Stelle für die Umsetzung der
Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im Stadtgebiet Rheine (s. Anlage 1: Auszug aus
dem Antrag).
2.
Grundsätzliches zur
WRRL
Die WRRL (Richtlinie 2000/60/EG) der
Europäischen Union wurde am 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für
Maßnahmen der europäischen Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik
ratifiziert. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, bis 2015 und in
Ausnahmefällen bis 2027 alle berichtspflichtigen Gewässer in einen „guten
ökologischen“ und „guten chemischen Zustand“ zu bringen. „Ökologischer Zustand“
meint die Gewässerqualität in Bezug auf die Struktur und Funktionsfähigkeit des
aquatischen Ökosystems. Die Bewertung der Oberflächengewässer erfolgt in fünf
Stufen: Von 1 „Sehr gut“ bis 5 „Schlecht“.
Unterhaltungspflichtige,
Kläranlagenbetreiber, Landwirtschaft, Industrie usw. sind verpflichtet, den
ökologischen und chemischen Zustand von Oberflächengewässern zu erhalten oder
entsprechend zu verbessern. Der Bewirtschaftungsplan ist dabei das zentrale
Element zur Umsetzung der WRRL. Wiederkehrend werden vom Ministerium für
Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV)
Gewässerbewirtschaftungspläne aufgestellt, letztmalig am 22.12.2020. Er enthält
u. a. eine fortgeschriebene Bestandsaufnahme der Gewässerqualität und
behördenverbindliche Maßnahmenprogramme.
Alle
Gewässer, die zugehörigen Planungseinheitensteckbriefe und Wasserkörpertabellen
sind zu finden unter:
Bis heute erfüllt in Deutschland keines der
sechzehn Bundeländer die Anforderungen an die WRRL. Notwendige Arbeiten sind
sehr umfangreich, der
Fortschritt ist schleppend, auch in NRW bzw. im Kreis Steinfurt und in Rheine.
Die Gründe sind vielfältig. Fehlendes Geld wird zum Teil durch eine ca. 70%ige
Maßnahmenförderung ausgeglichen, jedoch sind die vorbereitenden Arbeiten sehr
zeitintensiv. Maßnahmen sind zu evaluieren, die Umsetzbarkeit muss geprüft
werden. Dabei müssen insbesondere die Eigentumsverhältnisse beachtet werden.
Ggf. sind Grundstücksankäufe notwendig. Es müssen Förderanträge gestellt und
Verwendungsnachweise geführt werden. Die Maßnahmenplanung und deren Umsetzung
sind auszuschreiben, der Bau muss betreut werden. Förderwürdig sind nur Kosten
von Einzelmaßnahmen und deren zugehörigen Personalkosten bei der Planung.
Koordinationsaufgaben usw. sind nicht förderfähig.
3.
WRRL in Rheine
Die Unterhaltung und
demnach die Umsetzung der WRRL bei den Fließgewässern obliegt gem. § 94 LWG bei
den Gewässern 1. Ordnung i. d. R. dem Land. Bei Gewässern 2. Ordnung obliegt
die Unterhaltung i. d. R. Anliegergemeinden. Die Gemeinde kann ihre Pflichten
per Satzung auf Wasser- und Bodenverbände übertragen.
In Rheine besteht die Ems als Gewässer 1.
Ordnung. Die Unterhaltung und demnach WRRL-Umsetzung obliegen dem Land. Zudem
bestehen nachfolgende berichtspflichtigen Gewässer 2. Ordnung im Stadtgebiet
Rheine:
Gewässername |
Länge [km] |
Randelbach |
5,86 |
Wambach/Frischebach |
5,40 |
Frischhofsbach |
10,14 |
Altenrheiner Bruchgraben |
5,03 |
Hemelter Bach |
10,23 |
Elter Mühlenbach |
7,00 |
Gesamt |
43,66 |
Die Unterhaltung dieser Gewässer in Rheine
wurde per Satzung auf die örtlichen Wasser- und Bodenverbände übertragen.
Diesen obliegt daher auch die Umsetzung der WRRL. Sie sind demzufolge als
Maßnahmenträger in den Bewirtschaftungsplänen aufgeführt.
Der Kreis Steinfurt, die
Naturschutzstiftung und der Landwirtschaftliche Kreisverband WLV haben
gemeinsam bereits in 2014 ein Fließgewässerentwicklungsprogramm, das sogenannte
„Steinfurter Modell", aufgestellt mit dem Ziel, Kompensationsmaßnahmen an
die Gewässer zu bringen und damit die Umsetzung der WRRL voranzutreiben. Strukturverbessernde
Maßnahmen an Fließgewässern sollen einen aktiven Beitrag zur Flächenschonung
gewährleisten und gleichzeitig die Umsetzung der WRRL der Wasser- und
Bodenverbände unterstützten. Demnach besteht ein gutes Konzept zur Umsetzung
der WRRL. Mögliche Einzelmaßnahmen am Gewässer werden beschrieben.
Der WLV
hat zudem über deren Verbandsbeiträge eine Personalstelle zur Beratung der Landwirte eingerichtet. Der
dortige Mitarbeiter berät kreisweit Landwirte und hiesige Wasser- und
Bodenverbände zu Fragen der WRRL. Einzelne WRRL-Maßnahmen werden vom WLV
initiiert und abgewickelt. Weil die eigentlichen Wasser- und Bodenverbände
ehrenamtlich tätig sind, sind sie mit der Umsetzung der WRRL oftmals
überfordert. Notwendige Maßnahmen laufen daher nicht an, müssten aber bis Ende
2027 erledigt sein. Über Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene muss
regelmäßig an die EU berichtet werden.
Nachfolgend ist der Zyklus der WRRL und
der Ablauf der Bewirtschaftungszeiträume bis 2027 aufgezeigt.
4.
WRRL bei der TBR
Die Abwasserbeseitigung
in Rheine obliegt dem Fachbereich Entwässerung. An vielen Stellen bestehen
Gewässereinleitungen. Für jede Einleitung ist eine Einleitungserlaubnis
erforderlich. Diese sind zeitlich befristet und müssen wiederkehrend neu
beantragt werden. Die Einleitungen müssen nach dem Stand der Technik ausgebaut
werden. Dazu gehört immer auch die Behandlung des Einleitungswassers, z. B. in
Form eines Regenrückhalte- und/oder Regenklärbeckens. Diese Reinigung in Form
von technischen Bauwerken ist jedoch nicht immer alleine zielführend.
Ersatzweise oder in Ergänzung konnten in der Vergangenheit mit der Unteren
Wasserbehörde Kreis Steinfurt (UWB) als Erlaubnisbehörde „strukturverbessernde
Maßnahmen“ des betroffenen Gewässers abgestimmt werden. Beispiel: Im Zuge der
Erlaubnisverlängerung der Einleitung an der Surenburger Straße in den Hemelter
Bach wäre eine Regenwasserbehandlung erforderlich. Für dessen Bau war dort
jedoch nicht ausreichen Platz vorhanden. Alternativ wurden in Abstimmung mit
der UWB in den Jahren 2012/13 drei vorhandene Stauanlagen im Hemelter Bach zur
Wiederherstellung der Fischdurchgängigkeit zu Fischaufstiegsanlagen umgebaut.
Die Finanzierung erfolgte durch die Niederschlagswassergebühr. Auch die
Stadtwerke Rheine bauten im Zuge einer Erlaubnisverlängerung für die
Wasserentnahme aus dem Hemelter Bach eine Staustufe zu einer
Fischaufstiegsanlage um.
Ein weiteres Beispiel für
die Umsetzung einer WRRL-Maßnahme ist die Sekündäraue an der Meisenstraße/Ecke
Engernstraße, die derzeit geplant wird. Sie ist das Ergebnis einer dort
auslaufenden Einleitungserlaubnis in den Hemelter Bach, einhergehend mit einer
naheliegendem Wohnbaulandentwicklung. Die Finanzierung erfolgt über
Fördermittel bzw. der Eigenanteil aus der Niederschlagswassergebühr.
O. g. Maßnahme und
weitere sieben wurden von TBR oder EWR im Zuge wasserrechtlicher
Genehmigungsverfahren im Stadtgebiet Rheine bisher umgesetzt. Im genannten Gewässerbewirtschaftungsplan
im Stadtgebiet Rheine stehen jedoch insgesamt weitere 79 Maßnahmen zur
Umsetzung. Darin enthalten sind auch so große Projekte wie der Rückbau der
letzten Stauanlage im Hemelter Bach an der Mühle Cordesmeyer. Die örtlichen
ehrenamtlich tätigen Wasser- und Bodenverbände, auf denen die Unterhaltung
übertragen wurde, sind mit dieser Aufgabe oftmals überfordert. Neben fehlenden
fachlichen Voraussetzungen fehlt es den Wasser- und Bodenverbänden insbesondere
an der Möglichkeit, die Maßnahmen liegenschaftlich sowie genehmigungs- und
fördertechnisch zu steuern.
Die Stadt Rheine wird
über die TBR oder EWR bei der Umsetzung der WRRL i. d. R. immer erst dann
tätig, wenn im Rahmen von wasserrechtlichen Genehmigungen Maßnahmen der WRRL
sinnvoll unter Ausnutzungen von Synergien (mit)umgesetzt werden können
(Pflichtaufgabe). Eine Ausnahme ist die WRRL-Maßnahme am Randelbach. Der
Randelbach wurde in 2019 von der Ems aufwärts für rd. 450 T€ renaturiert. Die
Maßnahme wurde zu 80 % gefördert. Eine der größten Herausforderungen waren zum
Teil massive Vorbehalte von Betroffenen, die in personal- und zeitaufwändigen
Gesprächen verhandelt und überwunden werden mussten. Diese Pilotmaßnahme zur
Umsetzung der WRRL ohne den Anlass eines Genehmigungsverfahren zeigte deutlich,
dass zur Steuerung und Abwicklung - vor allem im Vorfeld zur eigentlichen Baumaßnahmen
- zusätzliche Personalkapazitäten erforderlich sind, wenn die Stadt Rheine bei
der Umsetzung der WRRL die Wasser- und Bodenverbände unterstützen will.
Im Fachbereich Entwässerung bestehen heute
bereits vielfältige Fachaufgaben hinsichtlich der Fließgewässer. Das ist
einerseits die Funktion des Gewässerschutzbeauftragten, andererseits die Arbeit
des technischen Betreuers der Unterhaltungsverbände. Zudem bestehen etliche
Erfahrungen mit der Umsetzung von WRRL-Maßnahmen.
Bei der Schaffung von Personalkapazitäten
(eine Vollzeit-Ingenieurstelle) für die Umsetzung der WRRL können
Synergieeffekte zur Entwässerungsplanung genutzt werden. Innerhalb der Stadt
Rheine können Gewässeraufgaben gebündelt und mit anderen Fachstellen
koordiniert abgewickelt werden.
Die Finanzierung der Personalstelle
erfolgt in 2022 aus dem Fachbereich Entwässerung und wird sich entsprechend
mindernd auf das Jahresergebnis auswirken. Ab 2023 soll die Stelle in die
Amtshilfevereinbarung mit der Stadt Rheine aufgenommen werden.
Die Finanzierung der jeweiligen
WRRL-Maßnahme erfolgt unter Nutzung der Landesförderungen aus dem städtischen
Haushalt. Die Mittel sind im laufenden Haushalt bereits im FB 5 im
Umweltbereich veranschlagt.
Anlage 1: Auszug Antrag B90/Die Grünen vom 16.01.2021