Strategieentscheidung im Rahmen der "Graue-Flecken-Förderung"
Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Haupt-,
Digital- und Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine, folgende
Beschlüsse zu fassen:
1.
Der Rat
der Stadt Rheine beauftragt, auf der Grundlage des Berichts zum
Betreibermodell, den Gesellschaftervertreter der Stadt Rheine in der
Gesellschafterversammlung der Stadtwerke Rheine GmbH (SWR); Herrn Dr. Peter
Lüttmann, nachfolgenden Beschluss zu fassen:
Die
Gesellschafterversammlung der SWR weist die Geschäftsführerin der SWR, Frau
Dorothee Heckhuis, an, nachfolgenden Beschluss in der Gesellschafterversammlung
der Energie- und Wasserversorgung Rheine GmbH (EWR) zu fassen:
Die
Gesellschafterversammlung der EWR weist den Geschäftsführer der EWR, Herrn
Dieter Woltring an, alle im Rahmen der „Graue-Flecken-Förderung“ förderfähigen
Adressen im Wege des Betreibermodells mit Glasfaser zu erschließen und die
hierfür notwendige vollständige Fördermittelbewirtschaftung (von der
Beantragung bis zur Schlussverwendung) zu übernehmen.
2.
Der
Beschluss steht unter dem Vorbehalt der Bestätigung der atene KOM GmbH, dass
keine förderrechtlichen Bedenken gegen die Aufgabenübertragung an die EWR
bestehen.
Begründung:
In der Sitzung des Haupt-, Digital- und Finanzausschusses am 21.12.2021 (Vorlage 656/21) wurden die Grundzüge des Breitbandausbaus im Zuge des sog. Graue-Flecken-Programms vorgestellt und die Bereitstellung des Eigenanteils für den Breitbandausbau im Haushaltsplan 2022 beschlossen, für die Jahre 2023, 2024 und 2025 im Ergebnisplan jeweils als Aufwand 2.000.000 €.
Zwischenzeitlich wurde von den Stadtwerken Rheine eingehend geprüft, ob das bisher im laufenden Ausbau zur Erschließung der Weißen Flecken angewandte Wirtschaftlichkeitslückenmodell oder das sog. Betreibermodell für den Betrieb und die Förderung zum Tragen kommen soll. Nachfolgend die wesentlichen Aspekte aus der Prüfung:
1. Aktueller
Sachstand:
Die Stadt Rheine hat sich Mitte des Jahres 2021 im Zuge der grauen
Fleckenförderung des Bundes und des Landes NRW an dem Markterkundungsverfahren
(MEV) des Kreises Steinfurt beteiligt. Die Aufgreifschwelle lag im weißen
Fleckenprogramm noch bei < 30 Mbit/s im Download. Bei dem grauen
Fleckenprogramm liegt die Aufgreifschwelle bei zu garantierenden 100 Mbit/s im
Download. In dem MEV sollten die Wettbewerber den beabsichtigten
Glasfaserausbau in den nächsten drei Jahren und die jetzige Breitbandversorgung
adressscharf melden. Beteiligt am MEV haben sich die Telekom, EWE Tel, Vodafone
und die EWR.
Einen beabsichtigten eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau hat kein
Unternehmen gemeldet. Jedes Telekommunikationsunternehmen hat trotz einer
Nichtmeldung weiterhin die Möglichkeit jederzeit eigenwirtschaftlich einen Glasfaserausbau
in Rheine vorzunehmen. Ermittelt wurden im MEV 7.929 förderfähige Adressen von
insgesamt 24.179 Adressen in Rheine.
1.1.Versorgungslage in Rheine lt.
MEV 2021:
Versorgung
Rheine |
Adressen |
Bandbreiten |
HFC
(Kabelnetz) |
13.071 |
bis
zu 1.000 Mbit/s |
FTTC
Super-Vectoring |
850 |
bis
zu 250 Mbit/s |
FTTC
Vectoring - Förderfähig |
7.929 |
bis
zu 100 Mbit/s |
FTTH
bereits versorgt |
2.329 |
mind.
1.000 Mbit/s |
Summe
Adressen |
24.179 |
1.2.Förderfähige Adresslage in
Rheine lt. MEV 2021
Förderfähig |
Adressen |
Mesum |
2.600 |
Hauenhorst |
1.300 |
Elte |
600 |
Summe |
4.500 |
Altenrheine |
500 |
Gellendorf |
170 |
Rodde |
60 |
Außenbereich |
700 |
Kernstadtbereich |
2.000 |
Förderfähig |
7.930 |
Bei den 7.930 förderfähigen Adressen können 100 Mbit/s im Download nicht
garantiert werden.
850 Super Vectoring Adressen sind zurzeit nicht förderfähig. Diese
werden vorbehaltlich der Entscheidung der neuen Bundesregierung vermutlich in
der 2. Phase der grauen Fleckenförderung ab 2023 mit einem neuen Schwellwert
von 200 Mbit/s im Down- und Upload förderfähig.
Um einen Förderantrag stellen zu können ist der Nachweis, dass der städtische Eigenanteil erbracht werden kann,
notwendig. Diese Mittel wurden im Haushaltsplan 2022 der Stadt Rheine für die Jahre
2023, 2024 und 2025 mit jeweils 2 Mio. € eingestellt (siehe 1. Absatz der
Begründung).
2.
Fördermodell:
Wirtschaftlichkeitslückenmodell vs. Betreibermodell
Laut der Richtlinie
zur „Förderung zur Unterstützung des Gigabitausbaus der Telekommunikationsnetze
in der Bundesrepublik Deutschland“ vom 26.04.2021 kommt neben dem bereits für
die Erschließung der „Weißen Flecken“ angewendeten
Wirtschaftlichkeitslückenmodell auch das sog. Betreibermodell in Frage. Im Betreibermodell
übt die Stadt selbst die Rolle des Netzeigentümers aus oder sie beauftragt per
Ratsbeschluss eine 100% kommunale Tochtergesellschaft damit, als zukünftiger
Netzeigentümer die Netzerrichtung durchzuführen und den Netzbetrieb inklusive
der Providerleistungen auszuschreiben.
Die EWR hat die zwei möglichen Fördermodelle
(Wirtschaftlichkeitslückenmodell und
Betreibermodell) mit dem Beraterunternehmen Rödl & Partner aus Sicht der
EWR und der Stadt Rheine analysiert und bewertet. Aus Sicht der EWR und der
Stadt Rheine wird eine Umsetzung des geförderten Breitbandausbaus im
Betreibermodell präferiert.
Das
Betreibermodell hat folgende Vorteile:
Für
die Stadt Rheine
·
Entlastung
der Verwaltung der Stadt Rheine durch Aufgabenübertragung an die EWR
·
Bereitschaft
der EWR auch den Kernstadtbereich mit seinen 2.000 zum Teil in kleineren
Clustern und zum Teil vereinzelten Adressen zu erschließen
·
Kommunales
Eigentum an Glasfaserinfrastruktur wird gesichert
·
Langfristiger
kommunaler Einfluss auf die lokale Glasfaserinfrastruktur
Für
die EWR
·
Netzeigentum
sicher bei der EWR
Ø Keine Ausschreibung notwendig, um sich das
Netzeigentum zu sichern
Ø kein Wettbewerbsrisiko wie im
Wirtschaftlichkeitslückenmodell
·
Das
graue Flecken Förderprogramm bietet die Möglichkeiten, geförderte
Reservekapazitäten für eine eigenwirtschaftliche Nachverdichtung
vorzuhalten
·
Verfahrensherrschaft
bei der EWR
Ø Steuerung des gesamten Verfahrens (inkl.
Zeitplänen) liegt bei EWR
·
Entzerrung
des Verfahrens
Ø Partnersuche (Netzpächter, Planungsbüro,
Tiefbauunternehmen) und „Vorarbeiten“ erfolgen im Rahmen des Förderverfahrens
und nicht vorgelagert wie im Wirtschaftlichkeitslückenmodell
·
Nutzung
der Glasfaserinfrastruktur für energiewirtschaftliche Zwecke wird vereinfacht
Finanzwirtschaftliche
Betrachtung
Im Betreiber- und
Wirtschaftlichkeitslückenmodell sind die zuwendungsfähigen Kosten, die zur
Ermittlung der Förderhöhe beitragen, vergleichbar. Im Betreibermodell sind
Eigenleistungen nur bedingt förderfähig. Die Kosten der aktiven Technik und die
Aufwendungen des Netzbetriebes sind nicht förderfähig und obliegen dem
obsiegenden Telekommunikationsnetzbetreiber (Pächter des passiven Netzes) im
Ausschreibungsverfahren der EWR. Der Betrieb des passiven Netzes kann durch den
Netzeigentümer (EWR) übernommen werden, der Betrieb des aktiven Netzes und das
Dienste Angebot (Providertätigkeit) verbleibt beim Pächter. Dieses
Netzbetreiberkonstrukt ist seitens der EWR geplant. Die zusätzlichen
Aufwendungen für den passiven Netzbetrieb der EWR werden kompensiert durch
höhere Pachteinnahmen.
Zuwendungsfähige
Kosten im Wirtschaftlichkeitslückenmodell
Die Zuwendung soll eine
Wirtschaftlichkeitslücke bei privatwirtschaftlichen Betreibern von
Breitbandinfrastrukturen schließen. Diese Lücke ist als die Differenz zwischen
dem Barwert aller Erlöse und dem Barwert aller Kosten des Netzaufbaus und
-betriebs für einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren definiert. Unter
Kosten im Sinne von Nr. 3.1 der Gigabit-Richtlinie sind folgende Positionen zu
verstehen:
·
Investitionen
für die erstmalige Errichtung des erforderlichen Netzes einschließlich der
hierfür erforderlichen aktivierten Eigenleistungen
·
Planungsleistungen
für die Realisierung des Förderprojekts
·
entstehende
Aufwendungen für den Netzbetrieb während des Projektzeitraums
·
Der
Betrachtungszeitraum beträgt dabei mindestens 7 Jahre (Zweckbindungsfrist)
Zuwendungsfähige
Ausgaben im Betreibermodell
Im Rahmen des Betreibermodells sind folgende
Ausgaben förderfähig:
·
Tiefbauleistungen,
mit oder ohne Verlegung von Leerrohren
·
Die
Ausstattung von Leerrohren mit unbeschalteten Glasfaserkabeln
·
Planungskosten,
soweit sie für die Herstellung des Netzes erforderlich sind
·
Personalkosten
von Mitarbeitern, sofern diese ausschließlich für das spezifische Förderprojekt
beschäftigt werden oder wenn die Aufgaben der eigentlichen Haupttätigkeit von
den betroffenen Personen nicht mehr erfüllt und an jemanden anderen übertragen
werden oder die Tätigkeit im spezifischen Förderprojekt das zeitliche Maß der
Haupttätigkeit der betroffenen Person überschreitet
·
Der
Betrachtungszeitraum beträgt dabei mindestens 7 Jahre (Zweckbindungsfrist)
Business
Case Betrachtungen im Betreibermodell
Grundsätzlich ist die Erschließung mit
Fördermitteln im Betreibermodell und Wirtschaftlichkeitslückenmodell so
ausgelegt, dass innerhalb der Zweckbindungsfrist von 7 Jahren die
Wirtschaftlichkeitslücke durch Fördergelder ausgeglichen wird. Die Zweckbindungsfrist beginnt nach
Inbetriebnahme des Netzes. Typischerweise
werden Telekommunikationsnetze 30 Jahre finanzwirtschaftlich betrachtet.
Im vorliegenden Fall konnte bislang durch
fehlende Angaben der Einzeladressen noch keine Grobplanung erfolgen, um die
Investitionskosten im ersten Ansatz zu ermitteln. Die Investitionskosten wurden
daraufhin pro erschließbare Adresse anhand von Erfahrungen aus dem „Weiße
Flecken“ Förderprogramm und Erfahrungen der WESt mbH als Koordinator im
geförderten Breitbandausbau grob ermittelt, mit einem Risikoaufschlag versehen
und auf rd. 7.560 € je Anschlussadresse veranschlagt. Unter Zugrundelegung von
weiteren Annahmen (u. a. Pachteinnahmen, Kundenhochlaufkurve,
Gesamtbetrachtungszeitraum von 30 Jahre) wurde dann das Betreibermodell
finanziell im Business Case betrachtet. Bei einem konservativen Ansatz ergeben
sich ab dem sechsten Jahr positive Jahresüberschüsse und eine
Eigenkapitalrendite von 8,78 % bei einem Betrachtungszeitraum von 30 Jahren.
Valide Werte zur Berechnung der
Wirtschaftlichkeitslücke im Betreibermodell und der anschließenden Berechnung
der erwarteten Rendite liegen erst vor, wenn die Ergebnisse der erforderlichen
Ausschreibungen der EWR für den Tiefbau, der Planung und dem Netzbetreiber bezuschlagt
sind. Erst dann kann der Förderantrag für den endgültigen Zuwendungsbescheid in
die Wege geleitet werden.
Möglicher
zeitlicher Ablauf im Betreibermodell
Geplant ist vorbehaltlich der Annahme des
Beschlussvorschlages, eine Beauftragung der EWR durch Ratsbeschluss der Stadt
Rheine in der Sitzung am 29.03.2022. Parallel dazu soll ein Projektplan bei der
EWR aufgesetzt werden, um die Beantragung der Infrastrukturförderung im
Betreibermodell einzuleiten und die erforderlichen Ausschreibungen
vorzubereiten.
3. Umfang
der Förderadressen im Förderantrag
Förderfähige Adressen lt.
Markterkundungsverfahren (MEV) von August 2021
Nach der Auswertung des MEV des Kreises
Steinfurt durch die WESt mbH, der darauffolgenden Vorstellung des
MEV-Ergebnisses in Rheine und weiterer Beratung durch die WESt verfolgte die
Verwaltung den Ansatz, auf jeden Fall die 5.000 unmittelbar förderfähigen
Adressen in den 4 verdichteten Ortsteilen (Mesum, Hauenhorst, Elte und
Altenrheine) und die 700 Adressen im Außenbereich über Fördermittel
auszuschreiben. Inwieweit der Kernstadtbereich mit seinen 2.000 zum Teil in
kleineren Clustern und zum Teil vereinzelten Adressen ausgeschrieben werden
sollte, war noch offen. Mittelfristig wird von der Stadt Rheine grundsätzlich
der vollständige FTTH Ausbau, also ein Ausbau auch dort, wo aktuell keine
Förderung möglich ist, angestrebt.
Die EWR hat in den anschließenden Gesprächen
mit der Stadt Rheine die Bereitschaft signalisiert, alle förderfähigen Adressen
zu erschließen, wenn das Betreibermodell gewählt wird. Um letztendlich Klarheit
zu haben, ob alle förderfähigen Adressen berücksichtigt werden müssen, wie es
in den Förderrichtlinien vorgesehen ist, hat das Beratungsunternehmen Rödl
& Partner eine offizielle Anfrage an den Fördergeber gestellt. Die atene
KOM GmbH hat Ende Januar 2022 klargestellt, dass die Formulierung in der
Förderrichtlinie keine andere Interpretation zulässt, als das alle
festgestellten förderfähigen Adressen im MEV im Förderantrag zu melden sind.
Geschieht dies nicht, würde die atene KOM spätestens bei der Prüfung des MEV
bemerken, dass Adressen fehlen und eine Nachforderung zum Förderantrag stellen.
Gefördert werden laut Förderrichtlinie und
Materialkonzept auch zusätzliche Reserven in den Fördertrassen, um diese im
Nachgang für den eigenwirtschaftlichen Ausbau nutzbar zu machen. Dieses ist von
besonderer Bedeutung bei der Erschließung von zersiedelten Einzeladressen im
Kernstadtbereich von Rheine.
4. Fazit:
Aus den o.g. Gründen soll der Breitbandausbau der unterversorgten
Adressen im Rahmen der Graue-Fleckenförderung im Betreibermodell erfolgen. Ein
eigenwirtschaftlicher Ausbau eines Dritten mit einem sich überschneidenden
Adressbereich ist trotz des Markterkundungsverfahrens jedoch nicht
auszuschließen. Bis zum Antrag des endgültigen Förderbescheids müssten
überschneidende Adressen aus dem Förderantrag gestrichen werden. Nach Erhalt
des endgültigen Zuwendungsbescheids werden alle gemeldeten Adressen gefördert,
unabhängig von einem parallelen eigenwirtschaftlichen Ausbau eines Dritten.
Die Absicht der EWR ist es, nach Beauftragung durch die Stadt Rheine das
Betreibermodell förderrechtlich umzusetzen.
Auf der Grundlage der dargestellten Aspekte zum
Wirtschaftlichkeitslücken- und Betreibermodell hat der Aufsichtsrat der Stadtwerke Rheine GmbH am
15.2.2022 einen einstimmigen Empfehlungsbeschluss an den Rat der Stadt Rheine
zur Umsetzung des Betreibermodells gefasst.
Die Verwaltung stimmt
der vorgeschlagenen Vorgehensweise zu, dass die EWR beauftragt wird, alle im Rahmen der „Graue-Flecken-Förderung“
förderfähigen Adressen im Wege des Betreibermodells mit Glasfaser zu
erschließen und die hierfür notwendige vollständige Fördermittelbewirtschaftung
(von der Beantragung bis zur Schlussverwendung) zu übernehmen. Die
Fördermittelbewirtschaftung erfolgt ggf. alternativ durch die SWR, falls
seitens der atene KOM GmbH förderrechtliche Bedenken gegen die EWR als
Antragstellerin und Zuwendungsempfängerin bestehen.
Zu 2.
Die atene KOM GmbH wurde
in einem Schreiben der Stadt vom 27.1.2022 um eine rechtliche Stellungnahme
gebeten, ob es aus förderrechtlicher Sicht Bedenken gibt, die SWR bzw. die EWR
als Enkelgesellschaft der Stadt Rheine unter Berücksichtigung der Ziffer 4.1
des Leitfadens zur Umsetzung der Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des
Gigabitausbaus der Telekommunikationsnetzt in der Bundesrepublik Deutschland“
in der Fassung vom 5.10.2021 qua Ratsbeschluss mit der Fördermittelbeantragung
und -abwicklung zu beauftragen und die EWR mit der Erschließung der
förderfähigen Adressen im sog. Betreibermodell zu beauftragen. In einem
Gespräch bestanden hierzu keine Bedenken, die schriftliche Bestätigung steht
noch aus.