Betreff
Qualitätsdialog Schulbetreuung im Primarbereich
Vorlage
202/22
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1.      Der Schulausschuss nimmt das Konzept des Qualitätsdialoges „Schulbetreuung im Primarbereich“ zur Kenntnis.

 

2.      Der Schulausschuss beauftragt die Verwaltung, den eingeschlagenen Weg des Qualitätsdialoges zu systematisieren und im Rahmen des beschriebenen Qualitätsentwicklungsprozesses zur Weiterentwicklung der Schulbetreuung zu begleiten.

 


Begründung:

Konzept des Qualitätsdialoges „Schulbetreuung im Primarbereich“ in Rheine

 

Auf der Grundlage des Erlasses des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder wurde die

offene Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen mit Beginn des Schuljahrs 2003/2004

eingeführt. Seither entwickelte sich der Ausbau der Ganztagsschulen in Deutschland schnell

und dynamisch. Das Land NRW explizierte seine Rechtsauffassung, nach der für die

öffentliche Jugendhilfe eine Verpflichtung besteht, gemeinsam mit allen Akteuren vor Ort, an

der Qualitätsentwicklung für die offene Ganztagsschule im Primarbereich mitzuwirken. Die

Qualitätsentwicklung in Organisationen ist jedoch kein Selbstläufer. „Damit Qualitätsentwicklung in einer angemessenen Organisationskultur entstehen und als kontinuierlich und kompetent gestaltetes methodisches Instrument zur fachlichen und organisationsbezogenen Reflexion genutzt werden kann, bedarf es gut durchdachter Impulse, mit denen die Qualitätsfrage in die Einrichtung eingebracht und laufend aktuell gehalten werden kann und mit denen die Organisationsmitglieder zur Auseinandersetzung mit Qualitätsfragen motiviert werden können. Hierzu ist eine Kommunikationsstruktur notwendig, die in Form eines Qualitätsdialoges umgesetzt werden kann“[1]. Die folgende Konzeption soll den möglichen Prozess zur Qualitätsentwicklung der Schulbetreuung in Rheine beschreiben und eine Zeitperspektive von 5 Jahren einnehmen.

 

 

Ausgangslage

 

Seit 2012 ist die Qualitätsentwicklung nach § 79a SBG VIII Aufgabe des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Sie soll die Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität

weiterentwickeln, anwenden und regelmäßig überprüfen.

Eine erste Orientierung zur internen und integrierten Qualitätsentwicklung bietet „QUAST“

(„Qualität für Schulkinder in Tageseinrichtungen). QUAST wurde in einer nationalen

Qualitätsinitiative von den Ländern Bremen, Sachen und NRW gemeinsam entwickelt. Auf

dieser Basis wurde sodann QUIGS („Qualität in Ganztagsgrundschulen) entwickelt. QUIGS

kombiniert in und außerhalb der Schule erprobte Ansätze in einem Instrument und stärkt die

Eigenverantwortlichkeit der Schulen und ihrer Partner. Es fördert die eigenverantwortliche

Qualitätsentwicklung in den Schulen und beruht auf Erfahrungen der offenen Ganztagsschule

im Primarbereich.


 

 

 

In Rheine wurde Qualitätssicherung bisher in Form eines intensiven Vergabeverfahrens für die Betreuungen an den Grundschulen durchgeführt. Die Ausschreibungen werden mithilfe einer umfangreichen Wertungsmatrix primär nach pädagogischen Kriterien ausgewertet. Um den Erfahrungsaustausch zu Betreuungsangeboten zu fördern, finden regelmäßig interkommunale Austauschgespräche zwischen den Schulträgern und dem Kreis Steinfurt statt. Außerdem kooperieren die Schulen und die Betreuungsträger in regelmäßigen Austauschrunden vor Ort miteinander, um insbesondere die Verzahnung zwischen dem unterrichtlichen und dem außerunterrichtlichen Bereich zu optimieren. Des Weiteren existiert bereits ein Qualitätszirkel in Rheine, welcher durch den Jugend- und Familiendienst initiiert worden ist. Dieser dient primär als Austauschplattform zwischen den Schul- und Betreuungsleitungen. 

 

Perspektivisch wird die Nachfrage nach Betreuungsplätzen im Offenen Ganztag in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen und erfährt somit immer größerer Relevanz. Die Regierung hat diesen Bedarf bereits registriert und reagiert darauf mit der geplanten Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Ab August 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch darauf haben, ganztägig gefördert zu werden. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung[2].

 

Nach Analyse der gegenwärtigen Situation lässt sich feststellen, dass eine Qualitätskontrolle der Schulbetreuung in der Stadt Rheine derzeit bereits auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Nicht zuletzt mit Blick auf die Herausforderungen des anstehenden Rechtsanspruches besteht jedoch die Notwendigkeit, einen ganzheitlichen Qualitätsdialog anzustoßen, der alle beteiligten Akteure zusammenbringt und alle Kräfte auf ein gemeinsames Ziel ausrichtet.

 

 

Ziel des Qualitätsdialoges

 

Als richtungsweisendes Ziel wird ein Fernziel gewählt, dass durch die Formulierungen von Nahzielen konkretisiert wird. Für die Qualitätsentwicklung der offenen Ganztagsschulen in Rheine lautet das Fernziel:

 


Die Qualität der Betreuungsangebote aller Grundschulen in Rheine wird in den nächsten fünf Jahren durch einen systematischen und kontinuierlichen Entwicklungsprozess zwischen der Stadt Rheine, den Rheiner Grundschulen, den freien Trägern der Jugendhilfe sowie den Caterern überprüft und weiterentwickelt.

 

Weitere Nahziele, die sich daraus ergeben lauten:

·         An den regelmäßig stattfindenden Treffen nehmen Schulleitungen, freie Träger der Jugendhilfe, die Schulsprecherin der Grundschulen, die Stadtschulpflegschaft, die Schulverwaltung und die Fachberatung der Stadt Rheine sowie anlassbezogen Caterer teil.

·         Die grundlegenden Qualitätskriterien werden entsprechend der örtlichen Gegebenheiten weiterentwickelt, sodass die Struktur-, Prozess- und

Ergebnisqualität für ausgewählte Kriterien überprüft werden kann.

·           Der Qualitätsentwicklungsprozess regt die beteiligten Akteure zur Reflexion ihrer

eigenen Arbeit an.

·           Die Qualitätskriterien sind in jedem Fall im Einklang mit den Rechten und dem Schutz der Kinder zu fördern weiter zu entwickeln.

 

Damit der Prozess systematisch erfolgen kann, werden alle weiteren Unterziele entsprechend der SMART-Kriterien (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) festgelegt, um die Zielerreichung zu fördern sowie eine sich anschließende Evaluation der Zielerreichung zu ermöglichen.

 

 

Struktur des Qualitätsdialoges

 

Die Struktur des Qualitätsdialoges sollte so aufgebaut sein, dass einerseits alle betroffenen Personengruppen repräsentiert sind und andererseits ein handlungsfähiges, zielorientiertes Gremium geschaffen wird, welches innerhalb eines begrenzten Zeitraums konkrete Lösungen erarbeiten kann.

 

Als Kernstück des Qualitätsdialoges soll daher eine AG OGS eingerichtet werden, in welche Vertreter/-innen der einzelnen Interessensgruppen entsandt werden.  So soll hier jeweils eine Vertretung jedes freien Trägers der Jugendhilfe, der Stadtschulpflegschaft, der Schulverwaltung sowie der Fachberatung teilnehmen. Seitens der Grundschulen wird pro Betreuungsträger eine Grundschulleitung in das Gremium entsandt. Für die mit dem TV Mesum, dem TV Jahn sowie dem JFD kooperierenden Schulen werden daher also insgesamt drei Schulleitungen entsandt. Hinzu kommt die Sprecherin der Grundschulen.

 

Durch die übersichtliche Anzahl der beteiligten Sachverständigen, wird eine effektive Arbeitsweise der AG OGS sichergestellt.

 

Eine Vertretung der StadtschülerInnenvertretung ist nicht als fester Bestandteil der Arbeitsgruppe vorgesehen. Grund dafür ist die fehlende Repräsentation der Grundschulkinder in diesem SchülerInnen-Gremium. Derzeit wird geprüft, wie Schülerinnen und Schüler der Grundschulen zu einem späteren Zeitpunkt des Qualitätsentwicklungsprozesses beteiligt werden können, beispielsweise in Kooperation mit dem Kinderbeirat.

 

Die AG OGS wird die im Rahmen des Qualitätsdialoges zu bearbeitenden Qualitätsfelder festlegen und hier Entscheidungen vorbereiten. Der Prozess der Festlegung von Qualitätsfeldern wird im nächsten Unterpunkt weiter ausgeführt.

 

Die von der AG OGS vorbereiteten Prozesse sollen dann mit einem erweiterten Personenkreis in einer Großgruppe abgestimmt werden. An dieser Großgruppe nehmen alle Träger der freien Jugendhilfe, alle Grundschulleitungen sowie bei Bedarf auch die Caterer teil. Weiterhin wurde bei der Besetzung darauf geachtet, dass hier die Akteurinnen und Akteure, welche den Schulalltag vor Ort erleben, miteinbezogen werden und ihre Perspektive in die Entscheidungsfindung miteinfließt. Daher wird pro Träger der freien Jugendhilfe neben der Gesamtleitung auch eine Standortleitung beteiligt. Ebenfalls wird neben den Schulleitungen auch jeweils eine Lehrkraft pro Schule an den Sitzungen der Großgruppe teilnehmen. Themenbezogen kann weiterhin eine Repräsentantin oder ein Repräsentant des bereits bestehenden und in Rheine ansässigen, interkommunalen Qualitätszirkels an den Sitzungen der Großgruppe teilnehmen, um sinnvolle Schnittstellen zu der etablierten Struktur zu schaffen.


 

Umsetzung und Zeitplanung der Qualitätsentwicklung

 

Die folgenden Konzepte zur Umsetzung und Zeitplanung sind als Empfehlungen anzusehen, die den möglichen Verlauf skizzieren sollen. Sie sollten stetig weiterentwickelt und intensiviert werden.

 

Zunächst ist festzulegen, auf welcher Grundlage eine Definition von Qualitätsfeldern erfolgen kann. Hierbei soll sich durch die AG OGS zunächst an der Wertungsmatrix für die Vergabe von Schulbetreuungsleistungen orientiert werden. In dieser Matrix erfolgt eine Gewichtung pädagogischer Kriterien, die vom Schulausschuss beschlossen wurde. Folgende Oberpunkte werden dort als besonders wichtig hervorgehoben:

 

·         Partizipation und Beteiligung von Kindern und Eltern, Beschwerdemöglichkeiten

·         Pädagogische Konzeption

·         Planung / Steuerung von Ressourcen

·         Gesundheitsförderung

·         Sprachbildung und Sprachförderung

·         Schulinterne Kooperation

·         Förderung von Kommunikations- und Konfliktfähigkeit

·         Sozialraumorientierung

·         Elternarbeit

·         Inklusion und Teilhabe

·         Interkulturalität

·         Kinderschutz

·         Qualitätsentwicklung

·         Mittagsverpflegung

 

Die Oberpunkte der Wertungsmatrix werden jeweils mit Unterkriterien konkretisiert. Diese Kriterien könnten als Ausgangspunkte für eine Definition von Qualitätsfeldern für den Qualitätsdialog dienen.  Hier sind beispielsweise mit einer Gewichtung von 3 Punkten die Bereiche „gesonderte Sprachförderangebote“,

„individuelles Förderkonzept für das Kind in Zusammenarbeit mit der Schule“, „Angebote des

sozialen Lernens und zur Konfliktbewältigung“ sowie eine „konzeptionelle Grundlage für

Migration und Integration“ abgebildet. Auf diese Bereiche wird innerhalb der Qualitätsentwicklung und –sicherung besonders geschaut. Grundlegend soll jedoch eine Überprüfung und

Weiterentwicklung aller Qualitätsfelder angestrebt werden, um Qualitätsunterschiede

unterhalb der Betreuungsangebote auszugleichen und allen Kindern der Kommune gleiche

Bildungschancen zu ermöglichen sowie soziale Unterschiede und damit Bildungsbenachteiligungen auszugleichen.

 

Nachdem durch die AG OGS entsprechende Qualitätsfelder definiert wurden, soll jeweils eines dieser Qualitätsfelder im Laufe eines Jahres ganzheitlich durch die AG OGS sowie die Großgruppe bearbeitet werden.

Im Kernprozess der Qualitätsentwicklung sollen Kriterien zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität aufgestellt werden, um den angestrebten Soll-Zustand hinsichtlich des zu bearbeitenden Oberthemas abzubilden. Daran anschließend würden die Indikatoren erarbeitet werden, die diese Kriterien messbar machen. Darüber hinaus sind Instrumente zu entwickeln, mit denen die Erfüllung der Kriterien überprüft werden können. Im Anschluss an die Durchführung wird dann die Ergebnisauswertung erfolgen. Abschließend werden die Veränderungsmöglichkeiten bzw. Handlungsstrategien besprochen, sodass sie praxistauglich angewendet werden können.

 

Um den gesamten Prozess der Qualitätsentwicklung anschaulicher darzustellen wurde ein Ablauf erarbeitet, der zum einen als Zeitplan dient und zum anderen den organisatorischen Rahmen und die Kernprozesse in Schlagwörtern zusammenfasst:

 

 

Termin

Gremium

Inhalt

 

Juni

2022

Schulausschuss

·         Grundsatzbeschluss Qualitätsdialog

Herbst

2022

 

AG OGS

·         Festlegung von zu bearbeitenden Qualitätsfeldern

Jahresende

2022

 

Großgruppe

·         Auftaktveranstaltung

·         Vorstellung der Struktur des Qualitätsdialoges

·         Transparenzschaffung

·         Skizzierung des weiteren Vorgehens

1. Quartal 2023

2. Treffen AG OGS

·         Zum jeweiligen Qualitätsbereich die aktuellen konkreten Themen sammeln

·         Themen inhaltlich vorbereiten

·         Maßnahmen und Handlungen planen

2. Quartal

2023

Großgruppe

·         Diskussion, wie die Umsetzung der Themen in der Praxis aussehen kann

·         Anregungen sammeln

Sommer 2023

2. Treffen der AG OGS

·         Einarbeitung der Rückmeldungen (aus dem Dialogforum)

·         Erarbeitung der konkreten Maßnahmen, Vereinbarungen etc.

Herbst 2023

Großgruppe

·         Präsentation der Ergebnisse

·         Transparenz des Prozesses herstellen

Jahresende

2023

Schulausschuss

·         Bericht der Verwaltung über Abschluss und Ergebnisse des ersten Qualitätszirkels

 

 

 

Evaluation

 

Die Überprüfung der eingangs gesetzten Ziele ist zwingend erforderlich, um den Prozess und das eigene Handeln ergebnisorientiert auszuwerten. In diesem Kontext sollten die Zwischenberichte sowie der Endbericht an den Schulausschuss zur Ergebnissicherung beitragen.

 

Die Verwaltung empfiehlt anhand dieser Konzeption die Qualitätsentwicklung in der Schulbetreuung in Rheine in den nächsten fünf Jahren durchzuführen.

 

 



[1] Merchel, Joachim (2014): Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit. Weinheim und Basel: Beltz Juventa

[2] https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/pressemitteilungen/de/bundesregierung-bringt-gesetze-rgrundschulkinder-auf-den-weg.html