Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt Rheine beschließt, dass sich die Stadt Rheine nicht der RAL-Gütegemeinschaft „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ anschließt.

 

Der Rat der Stadt Rheine stimmt dem vorgeschlagenen Vorgehen zu.

 


Begründung:

 

Auf den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP vom 20. Oktober 2021 wird verwiesen. Der Rat hat in seiner Sitzung am 16. November 2021 beschlossen, dass die Verwaltung beauftragt wird zu prüfen, unter welchen Bedingungen und mit welchem Ressourceneinsatz eine Zertifizierung nach dem RAL-Gütezeichen „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ vorgenommen werden kann. Ferner wurde die Verwaltung beauftragt, alternative Vorgehensweisen zu erarbeiten.

 

Folgende Gründe sprechen gegen eine Zertifizierung mit dem RAL-Gütezeichen:

 

1.    Inhaltliche Gründe

Das RAL-Gütezeichen wurde 2006 mit insgesamt zwölf Kommunen gegründet. Im Jahr 2011 waren insgesamt 48 Kommunen bundesweit in der Gütergemeinschaft organisiert; hiervon 34 aus NRW. Aktuell sind nur noch 28 Kommunen (16 Kreise, 12 Städte / Gemeinden) vertreten; davon 11 Kommunen aus NRW (6 Kreise, 5 Städte / Gemeinden).

 

Der Kreis Steinfurt, als ein Gründungsmitglied, hat zum Jahresende 2016 die Mitgliedschaft in der Gütegemeinschaft gekündigt. Weitere Gründungsmitglieder (Hamm, Dortmund, Hückeswagen, Kreis Unna) sind bereits Jahre vorher ausgetreten.

Der Kreis Steinfurt hat u.a. hervorgehoben, dass sich im Rahmen mehrerer Kundenzufriedenheitsabfragen gezeigt habe, dass die Zertifizierung des Kreises als „mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ für unternehmerische Entscheidungen keine wesentliche Rolle spiele. Diese Erkenntnis und der hohe finanzielle und administrative Aufwand für die Eigenüberwachung und die externen Zertifizierungen haben beim Kreis Steinfurt zu der Entscheidung geführt, die Mitgliedschaft zum Jahresende 2016 zu beenden.

 

Weiterhin sind aus unserer Sicht die Vorgaben, die für die Zertifizierung nach RAL eingehalten werden müssen, sehr starr und enthalten Regelungen, die z. T. bereits gesetzlich vorgesehen sind:


Beispiel:

Gütekriterium „Bearbeitungszeiten von Baugenehmigungen“

Bearbeitungszeit für gewerbliche Bauvorhaben – max. 40 Arbeitstage

Die Bauordnung NRW 2018 sieht in § 71 Abs. 6 (Behandlung des Bauantrags) bereits klare Fristen vor, bis wann eine Baugenehmigung erteilt werden muss. Im normalen Baugenehmigungsverfahren beträgt diese Frist drei Monate, sobald die Bauvorlagen vollständig sind.

 

Der aktuelle GPA-Bericht hat bestätigt, dass die gesetzlich vorgegebenen Fristen seitens der Stadt Rheine eingehalten werden. Eine Verkürzung der gesetzlichen Frist auf vierzig Arbeitstage ist nicht zielführend, sondern würde einen noch höheren Personalbedarf auslösen.

 

2.    Organisatorischer Mehraufwand / Personalbedarf

Im Dezember 2021 erfolgte eine Abfrage in allen Fachbereichen, welche der 14 RAL-Service-Gütekriterien bereits erfüllt werden, unter welchen Bedingungen diese erfüllt werden können bzw. mit welchem Ressourceneinsatz dieses ermöglicht werden könnte.

Die Rückmeldungen aus den Fachbereichen haben ergeben, dass notwendige Daten, die diese belegen könnten, nicht (flächendeckend) erfasst werden bzw. mit den aktuellen (technischen) Möglichkeiten nicht ohne zusätzlichen erheblichen Aufwand ausgewertet werden können.

Beispiel:
Gütekriterium „Eingangsbestätigung und Nennung eines Ansprechpartners“
Hierunter wird eine Eingangsbestätigung auf Anfragen und Anträge, die keinen Verwaltungsakt zur Folge haben, verstanden. Diese sind von der Kommune an die Unternehmung innerhalb von drei Arbeitstagen zu senden. Mit der Eingangsbestätigung erfolgt die Nennung des Ansprechpartners, der entsprechenden Kommunikationsdaten und der Zeiten der Erreichbarkeit.

Zu Beginn eines Prozesses ist nicht immer absehbar, ob eine Anfrage einen Verwaltungsakt zur Folge hat. Ebenfalls ist nicht in jedem Fall erkennbar, ob eine Anfrage von einem mittelständischen Unternehmen eingeht oder es sich um einen Kleinunternehmer / größeres Unternehmen handelt. Im täglichen Arbeitsalltag wäre somit ein Filtern der gesamten eingehenden Korrespondenz erforderlich.

Zum späteren Zeitpunkt der Zertifizierung müssten die erfassten Daten dahingehend geclustert und ausgewertet werden, welche Anfragen/Anträge von mittelständischen Unternehmen erfolgt sind. Diese Abgrenzung und Differenzierung wird von der Fremdüberwachung gefordert, um den Zielerreichungsgrad des jeweiligen Gütekriteriums zu prüfen. Auch wenn während der Bearbeitung keine Priorisierung zwischen Kleinst-, mittelständischen und Großunternehmern gemacht werden soll, ist eine entsprechende Selektierung für die Zertifizierung erforderlich.

Die Erfassung und Dokumentation dieser Eingänge würde dauerhaft zusätzlichen Mehraufwand bei verschiedenen Mitarbeiter(inne)n der Verwaltung bedeuten.

Ein Beitritt in die RAL-Gütegemeinschaft würde somit erheblichen Mehraufwand innerhalb der Verwaltung sowohl bei der technischen Umsetzung, vor allem aber auch bei den personellen Ressourcen bedeuten.

So hat beispielsweise die Stadt Dinslaken, die 2018 aus der Gütegemeinschaft ausgetreten ist, den jährlichen Dokumentationsaufwand mit 437 Stunden beziffert, was einem Stellenanteil von ¼ Stelle entspricht.

 

3.    Kosten

 

Der Jahres-Mitgliedsbeitrag in der RAL-Gütegemeinschaft bemisst sich nach der Einwohnerzahl. Für eine Stadt wie Rheine mit ca. 80.000 Einwohnern beträgt der jährliche Mitgliedsbeitrag ab dem dritten Jahr 2.000 €; im ersten Jahr ist die Mitgliedschaft kostenlos, im zweiten Jahr fällt der hälftige Mitgliedsbeitrag (1.000 €) an.

 

Die Einhaltung der 14 Gütekriterien wird durch ein unabhängiges Prüfinstitut durchgeführt. Neue Mitglieder werden das erste Mal nach einem Zeitraum von drei Monaten geprüft. Die nächste Prüfung erfolgt nach 24 Monaten. Kommt es zu keiner Abweichung, die zu einer Nachprüfung führt, wird danach jeweils in einem Turnus von 36 Monaten eine Prüfung vorgenommen.

Die Kosten je Prüfung belaufen sich auf ca. 5.000 € zzgl. Reisekosten.

 

Im Ergebnis spricht sich die Verwaltung gegen den Beitritt zur RAL-Gütegemeinschaft aus.

 

Eine Auswertung der Berührungspunkte mittelstandsrelevanter Themen ist nur durch intensiven Personaleinsatz valide zu erheben. Der bürokratische und personelle Aufwand stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zu den (vermeintlichen) Vorteilen des RAL-Gütezeichens.

 

Die Verwaltung und der Konzern Stadt Rheine ist darüber hinaus zum Thema „Mittelstandsfreundlichkeit“ seit vielen Jahren aktiv:

Neben der Wirtschaftsförderung des Kreises Steinfurt hat die Stadt Rheine mit der EWG eine eigene, gut aufgestellte Wirtschaftsförderung im Stadtgebiet, die die Unternehmen vor Ort in vielfältiger Weise unterstützt.


Mit dem vorhandenen Gewerbeflächenkonzept werden
konkrete Handlungsempfehlungen und -optionen aufzeigt, die eine Perspektive zur Aktivierung gewerblicher Flächenpotenziale am Standort Rheine ermöglichen. So wird zukünftig auch sichergestellt, dass ausreichend Gewerbeflächen vorhanden sind. Die Vergabe der Gewerbeflächen soll dabei künftig über Vergabekriterien erfolgen. Zwei Hauptziele des RAL-Gütezeichens – Planungssicherheit und Transparenz – werden so aufgegriffen.

 

Im Vergleich mit den 35 großen kreisangehörigen Städten in NRW hat die Stadt Rheine bei der Gewerbesteuer einen der niedrigsten Hebesätze in NRW. Der Gewerbesteuerhebesatz ist seit dem Jahr 2011 unverändert. Es gibt nach wie vor nur drei Kommunen in der erwähnten Größenkategorie, die einen niedrigeren Gewerbesteuersatz vorweisen können.

 

Weiterhin profitieren die Unternehmen von der Prozessdigitalisierung, die vor allem durch die Digitalisierungsstrategie der Stadt Rheine umgesetzt und fortgeschrieben wird. Bereits heute können Unternehmen bestimmte Anträge digital einreichen. Diese Möglichkeit soll künftig für weitere Verfahren bestehen.

 

Auch das aufeinander abgestimmte Vorgehen von Verwaltung, TBR, EWG und Stadtwerke unterstützt den Mittelstand und alle weiteren Unternehmen dahingehend, dass zeitnahe Absprachen und eine konstruktive Zusammenarbeit erfolgen.

 

Im Übrigen sind Investitionen in unsere Innenstadt, um die Aufenthaltsqualität zu steigern, die Modernisierung unserer Schulen, sowie ausreichende Kita-Plätze die zentralen Themen für den Mittelstand, um Fachkräfte zu binden oder nach Rheine zu holen.

 

Neben den somit bereits etablierten Maßnahmen, die den Mittelstand unterstützten, ist beabsichtigt, in einem ersten Schritt durch die EWG eine Verbandsabfrage bei vorwiegend mit dem Mittelstand betrauten Verbänden (Industrie- und Handelskammer, Deutscher Hotel- und Gaststättenverband, Kreishandwerkerschaft) vorzunehmen.

Durch eine Verbandsabfrage —im Gegensatz zu einer direkten Unternehmerbefragung— soll vermieden werden, dass Unternehmen, die aktuell aufgrund des Fachkräftemangels und der Energiekrise stark gefordert sind, mit zusätzlichen Anfragen belastet werden.

 

Die Verbandsabfrage dient der Ermittlung des Ist-Zustandes der mittelstandsorientierten Verwaltungsabläufe. Ziel der Analyse ist das Aufdecken von Optimierungspotentialen aus Kundensicht. Die Hinweise und Anregungen der Verbände werden im Hinblick auf mögliche Schwachstellen oder Verbesserungsmöglichkeiten ausgewertet. Inhaltlich werden dabei insbesondere die Ziele aus dem RAL-Gütezeichen – Planungssicherheit, Transparenz und Kundenorientierung – aufgegriffen.

 

Zu geeigneter Zeit soll diese Verbandsabfrage ggf. durch eine gezielte Unternehmerbefragung bei den ansässigen Unternehmen ergänzt werden.

 

Die Erkenntnisse dieser Abfragen werden einer anschließenden Aufgabenkritik unterzogen. Es werden Prioritäten festgelegt, um die Verwaltungsprozesse so zu optimieren.

 

Ergänzend zu der Verbandsabfrage und den ggf. später durchzuführenden Unternehmerbefragungen sollen Zufriedenheitsabfragen in verschiedenen Verwaltungsbereichen eingesetzt werden, um niederschwellige und regelmäßige Rückmeldungen zu konkreten Aufgabengebieten zu bekommen. Beispielsweise könnte mit einer digitalen Feedbackmöglichkeit im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens gestartet werden.

 

Über solche Feedbackmöglichkeiten kann in unterschiedlichen Bereichen direkt das Verbesserungspotential erkannt werden, ohne hier größere personelle Ressource schaffen zu müssen.

 

Über den jeweiligen Stand der Verbandsabfrage und weitere mittelstandsorientierter Maßnahmen wird im Haupt-, Digital- und Finanzausschuss berichtet.

 

Abschließend sei noch einmal hervorgehoben, dass diese Maßnahmen nicht nur auf den Mittelstand zielen, sondern die gesamte Unternehmerschaft in den Blick genommen wird, so dass alle Unternehmen von den Optimierungen profitieren können.

 


Anlagen:

 

Anlage 1:        Antrag der Fraktionen von CDU und FDP vom 20.10.2021

Anlage 2:        Übersicht der 14 Gütekriterien mit Kurzbeschreibung des RAL Gütesiegels

„Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“