Betreff
Bericht zur Entwicklung des dezentralen Unterbringungskonzeptes
Vorlage
047/23
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den Bericht zur Entwicklung des dezentralen Unterbringungskonzeptes im Flüchtlingsbereich zur Kenntnis.

 


Begründung:

Unterbringung von Aussiedlern und Flüchtlingen in Rheine

Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW (FlüAG NRW) sind die Gemeinden verpflichtet ausländische Geflüchtete im Sinne von § 2 FlüAG aufzunehmen und unterzubringen. Im Wesentlichen sind dies asylsuchende Personen und Geflüchtete, die bereits einen Asylantrag gestellt haben, Asylfolgeantragsteller, die nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes zu wohnen, sowie seit Februar 2022 eine Vielzahl von Flüchtlingen aus der Ukraine. Darüber hinaus erfolgt die Unterbringung von Personen, die der Stadt Rheine im Rahmen einer Wohnsitzauflage zugewiesen wurden (§ 12 a Aufenthaltsgesetz), sowie in Einzelfällen die Unterbringung von Personen/Familien mit minderjährigen Kindern, wenn eine Unterbringung rechtlich durch das Ordnungsamt erfolgen müsste und diesem keine adäquaten Unterkünfte zur Verfügung stehen (aktuell 4 Wohnungen, Stichtag 01.02.23; zum Vergleich: im Jahr 2022 war es zum Stichtag nur 1 Wohnung).

Die Stadt Rheine hält für die dargestellten Unterbringungsfälle eine bisher ausreichende Anzahl an Wohnunterkünften vor. Neue Entwicklungen sind laufend zu beobachten. Die besondere Bedeutung der Unterbringungssituation von zugewiesenen Personengruppen wurde in der Stadt Rheine bereits früh erkannt und mit besonderem Augenmerk betrachtet. So wurde erstmalig im Jahr 2001 ein „Konzept zur Unterbringung von Aussiedlern und Flüchtlingen“ vorgelegt, beschlossen und kontinuierlich weiterentwickelt. Grundlage des dezentralen Unterbringungskonzeptes ist aktuell das Migrations- und Integrationskonzept, Handlungsfeld 4 „Wohnen und dezentrales Unterbringungskonzept“ der Stadt Rheine. Im Wesentlichen wurde hier festgelegt, dass geeigneter Wohnraum in angemessener Größe (ca. 12 qm/Person) sowie ein wirtschaftlich vertretbares Maß an freiem Wohnraum vorgehalten wird.

Die Belegung der Unterkünfte erfolgt unter Berücksichtigung verschiedenster Kriterien (z.B. Familienverbünde, Nationalitäten, Religionen, Geschlecht etc.). Flankiert wird das Unterbringungskonzept durch dezentrale, sozialraumorientierte Beratungs- und Begleitungsangebote des städtischen Teams „Beratung und Begleitung für Zugewanderte“. D.h. die sozialarbeiterischen Fachkräfte sind feste Ansprechpartner/innen für die in städtischen Unterkünften untergebrachten Personen (aufsuchende Sozialarbeit in den Phasen Unterbringung, Orientierung, soziale und gesellschaftliche Integration). Darüber hinaus stehen die dezentralen Stadtteilbüros u.a. diesem Personenkreis offen.

 

 

Aktuelle Wohnraumsituation

Die Unterbringung der Personen erfolgt in Wohnungen unterschiedlicher Größe, die sich im Besitz der Stadt Rheine befinden sowie in auf dem privaten Wohnungsmarkt angemieteten Wohnungen. Zusätzlich wurden in den Jahren 2016 bis 2018 und neu in 2022/2023 insgesamt 5 mobile Wohneinheiten (Dille 55, Unlandstr. 2, Jägerstr. 111, Dionysiusstr. 10-12 und Helenenweg 18 - Fertigstellung Frühjahr 2023) errichtet, in denen jeweils 7 bzw. 11 abgeschlossene Wohnungen mit ca. 50 qm Wohnfläche sowie jeweils ein Beratungsbüro zur Verfügung stehen.

Aufgrund der massiven Fluchtbewegungen aus der Ukraine seit Frühjahr 2022 wurde eine Gemeinschaftsunterkunft an der Gartenstr. 40 mit max. 74 Plätzen (ehemalige Polizeistation) wieder in Betrieb genommen. Ebenfalls wurde eine Sporthalle (JoWi-Zentrum) zur Aufnahme von ca. 35 Flüchtlingen vorbereitet, jedoch bisher noch nicht in Betrieb genommen. Die im Zusammenhang mit der geplanten Schließung der ZUE (Damloup Kaserne) angedachte Ausweitung der Unterkunftskapazitäten in 2022 wurde durch weitere Anmietungen und Ankäufe von Wohnungen/Gebäuden nochmals forciert.

 

Insgesamt sind aktuell (Stand 01.02.2023) Unterbringungskapazitäten für 714 Personen in 157 Wohnungen vorhanden. Hinzu kommen die Gemeinschaftsunterkünfte Gartenstrasse und Sporthalle JoWi Zentrum. Die Wohnanlage Helenenweg ist noch nicht berücksichtigt, da noch nicht fertig gestellt.

Stand 01.Februar 2023 sind 526 Personen mit 32 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten untergebracht.

Das folgende Schaubild gibt einen Überblick über die zahlenmäßig am stärksten vertretenen Nationalitäten in den Unterkünften:

 

22 der aktuell 157 Wohneinheiten sind zurzeit nicht belegt. Insgesamt besteht derzeit - incl. der Gemeinschaftsunterkünfte- eine freie Aufnahmekapazität für ca. 220 Personen. Mit der Vorlage 184/18 wurde durch den Sozialausschuss beschlossen, freie Unterkünfte in einer wirtschaftlich vertretbaren Größenordnung von 15 % (somit ca. 80 Personen) der in den Wohnungen untergebrachten Personen vorzuhalten, um jederzeit auf Schwankungen bei den Zuweisungszahlen oder andere außerplanmäßige Veränderungen (z.B. Eigenkündigungen von Vermietern) reagieren zu können.

Dieser Wert wird aktuell überschritten, was jedoch aufgrund der Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg als absolut erforderlich angesehen wird. Viele ukrainische Flüchtlinge sind weiterhin in Privatfamilien untergebracht, was sich jedoch aufgrund der Unterbringungsdauer zunehmend als schwierig herausstellt und Unterbringungen in städtischen Unterkünften erforderlich macht.

Hinzu kommt aktuell die unklare humanitäre Situation vieler Menschen in der Türkei und in Syrien, die von der Erdbebenkatastrophe betroffen sind. Es ist davon auszugehen, dass auch viele Menschen, die keine Verwandten in Deutschland haben, bei denen sie vorrübergehend unterkommen können, Zuflucht suchen werden.

Mit Blick auf Schließung der ZUE Damloup Kaserne (verschoben vom 01.01.2023 auf den 01.06.2023) muss darüber hinaus für die zweite Jahreshälfte 2023 mit einer größeren Zahl von Neuzuweisungen gerechnet werden, was ebenfalls zu weiterem Wohnraumbedarf führen wird.

 

Angesichts der dargestellten Vorhaltequote ist dennoch geplant, zunächst die Sammelunterkunft Gartenstraße freizuziehen und in den Stand-by-Betrieb zu versetzen. Grund dafür ist, dass die Sammelunterkunft aufgrund ihrer Struktur und den hohen Betriebskosten (ein Sicherheitsdienst ist allein aus brandschutztechnischen Gründen vorgeschrieben) eine nicht optimale Unterbringungssituation darstellt. Die Turnhalle JoWi-Zentrum kann voraussichtlich ab den Osterferien wieder dem Schul- und Vereinssport zur Verfügung gestellt werden.

 

 

 

In der folgenden Tabelle wird die Entwicklung des Wohnungsbestandes seit 2017 dargestellt.

 

 

 

Übersicht

30.04.2018

31.05.2019

31.05.2020

28.02.2021

15.02.2022

01.02.23

Wohneinheiten gesamt

170

160

139

127

123

157

priv. angemietet

70

62

42

32

30

55

städtisch (incl. WGR)

100

98

97

95

93

102

Personen gesamt

554

511

411

358

345

526

davon anerkannt

239

285

226

218

198

458

 

 

Neben der Unterbringungssituation von Geflüchteten muss der städtische Wohnungsbestand weiterhin im Zusammenhang mit dem Thema Wohnungsnotfälle gesehen werden.

Die Entwicklung von weiteren Wohnungsnotfällen (unbewohnbare Wohnungen, Räumungsklagen etc.) kann derzeit schwer vorhergesagt werden. Wie oben bereits dargestellt sind im städtischen Bestand aktuell vier Wohnungen aufgrund entsprechender Konstellationen belegt. Aufgrund einer verwaltungsinternen Vereinbarung zwischen den Fachbereichen 3 (Recht und Ordnung) und 8 (Schulen, Soziales, Migration und Integration) erfolgt hinsichtlich der Bereitstellung von Wohnraum bei Engpässen eine gegenseitige Unterstützung, um die Vorhaltung von Wohnraum auf einem vertretbaren Umfang zu reduzieren. Im SGB II gelten auch im Jahr 2023 noch Schutzregelungen, die den Verzicht auf Abmahnungen und Kürzungen bei Mieten beinhalteten, welche über der Angemessenheitsgrenze liegen.

Eine städtisch angemietete Immobilie aus dem Flüchtlingsbestand wurde zudem als Ergänzung für das Kremerhaus als Notübernachtungsstelle während der Wintermonate umgewidmet, da die Platznachfrage steigt und das Ausweichquartier derzeit dazu dient, speziell Frauen mit Notübernachtungsbedarf unterzubringen.

 

 

Die Verteilung der Wohnungen im Stadtgebiet sowie die Lage der Beratungsbüros kann der folgenden Übersicht entnommen werden.

 

 

 

(grün=Wohnungen; grün = Gemeinschaftsunterkunft; orange=Beratungsbüros/mobile Einheit; blau = neue mobile Einheit Helenenweg; rot = ZUE BezReg; gelb=Hausmeisterdienste)

 

 

Prognose

1). Die Aufnahmequote von Flüchtlingen nach dem FlüAG (im Asylverfahren, Ukrainische Flüchtlinge) wird mit Stand vom 10.02.2023 zu 108,91 % (+ 97 Personen) erfüllt, allerdings vorwiegend aufgrund der anzurechnenden Plätze der ZUE (Zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge) in Rheine sowie aufgrund der sich insgesamt in Rheine aufhaltenden Ukrainer/innen (auch die bei Privatpersonen untergebracht sind).

 

Das Land NRW betreibt seit August 2015 die ZUE auf dem Gelände der ehemaligen Damloup-Kaserne, Mittelstr. 7, in Rheine. Der Betrieb der Einrichtung war ursprünglich bis zum 31.12.2022 befristet, wurde jedoch bis zum 31.05.2023 verlängert. Aktuell hat die ZUE eine maximale Belegungskapazität von 400 Personen. In Anwendung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) vermindert sich für Gemeinden, auf deren Gebiet eine Aufnahmeeinrichtung des Landes betrieben wird, die Zahl der zuzuweisenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber um 50 Prozent der Anzahl der dort vorgesehenen Aufnahmeplätze. Die Verteilung der Asylbewerber in Deutschland erfolgt nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“, nach dem die Stadt Rheine aktuell zur Aufnahme von ca. 850 Flüchtlingen verpflichtet ist.

Mit Schließung der ZUE ab dem 01.06.2023 entfällt die Minderung der Aufnahmeverpflichtung, so dass ab diesem Zeitpunkt wieder mit verstärkten Zuweisungen zu rechnen ist.

lt. FlüAG vermindert sich ab Schließung der Einrichtung die Zahl der zuzuweisenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber im ersten Monat um 80 Prozent, im zweiten Monat um 60 Prozent, im dritten Monat um 40 Prozent und im vierten Monat um 20 Prozent der während des Betriebs der ZUE angerechneten Aufnahmeplätze. Im zweiten Halbjahr 2023 ist somit mit steigenden Neuzuweisungen zu rechnen.

Soweit nicht ausreichend Unterkünfte zur Verfügung stehen, ist eine Weiternutzung des Gebäude 5 der Damloup Kaserne zur Unterbringung von Flüchtlingen in Betracht zu ziehen. Das Gebäude wurde durch die Stadt Rheine zur entsprechenden Nutzung hergerichtet und ist seit 01.05.2019 an die Bezirksregierung im Rahmen eines Untermietvertrages zur Erweiterung der ZUE überlassen. Dort sind 24 Wohnungen mit einer maximalen Kapazität für ca. 140 Personen vorhanden. 

 

Die weitere Entwicklung hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Ukrainischen Kriegsgebiet lässt sich nicht seriös vorhersagen. Feststellbar ist jedoch, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Flüchtlinge, die zunächst privat in Gastfamilien untergebracht waren, aufgrund der langen Unterbringungszeit nun doch städtisch untergebracht werden müssen.

 

 

2). Die Stadt Rheine erfüllt mit Stand 12.02.23 bei der Aufnahme von anerkannten

Flüchtlingen mit einer Wohnsitzauflage die entsprechende Quote lediglich in Höhe von

55,09 % (-459 Personen). Hier ist mit Zuweisungen zu rechnen, wobei aus der Erfahrung der

Vergangenheit die Anzahl nur schwer vorhersehbar ist. Trotz der niedrigen Erfüllungsquote ist nicht mit einem sprunghaften Anstieg der Zuweisungen zu rechnen, da hier ggf. mit der Bezirksregierung Zielvereinbarungen über Zeitpunkt und Umfang der Aufnahmen geschlossen werden können.

 

Auch wenn derzeit (noch) ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, plant die Verwaltung noch eine zusätzliche mobile Wohnanlage anzuschaffen. Diese stünde dann ab Anfang 2024 zur Belegung zur Verfügung.

 

 

 

 

Fazit:

Die weltweite Entwicklung der Flüchtlingsströme wird von vielen unvorhersehbaren Faktoren beeinflusst. Die Situation wird laufend beobachtet, was ggf. zu kurzfristigen Anpassungen der Maßnahmen führen muss. Aktuell wird davon ausgegangen, dass die absehbaren Entwicklungen hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Wohnraums bewältigt werden können. 

Seitens der Verwaltung wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die angeführten Berechnungen und Zuweisungen einen im hohen Maß prognostischen Charakter, abhängig von den Entwicklungen der Flüchtlingsströme, haben.

 

 

Dem Sozialausschuss wird zum Sommer 2024 ein erneuter Bericht vorgelegt.