Betreff
Maßnahmen zur Wiederaufnahme des Theaterspielbetriebs in der Stadthalle - hier: Ticketverkauf mittels Pay what you want
Vorlage
115/23
Aktenzeichen
BdB-Dy-161000
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Kulturausschuss stimmt einem Ticketverkauf mittels eines „Pay what you want-Modells“, anlässlich der Wiederaufnahme des Theaterspielbetriebs in der Stadthalle zu.

 


Begründung:

 

Nach derzeitigen Planungen (Stand 28.02.2023) wird die Brandschadensanierung voraussichtlich mit Ablauf der 12. KW 2023 (26.03.2023) abgeschlossen sein. Dies bedeutet, dass eine Wiederaufnahme des Theaterspielbetriebs mit der Aufführung der Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ am 20.04.2023 erfolgt. Die für den 23.03.2023 vorgesehene Veranstaltung „Was man von hier aus sehen kann“ entfällt, da niemand die Gewähr für eine vorzeitige Fertigstellung geben kann. Damit endet die Spielzeit 2022/2023 nach nur einer Aufführung.

 

Nach mehr als zwei Jahren Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, gefolgt von der Betriebsunterbrechung auf Grund des Brandes in der Stadthalle besteht das Risiko, dass die städtischen Theaterveranstaltungen deutliche Besuchereinbrüche verzeichnen müssen.

 

Bundesweit gilt in der Kulturbranche mittlerweile die Erfahrung: „50% ist das neue Ausverkauft“. Hiervon ausgenommen sind inzwischen sog. „Massentaugliche Veranstaltungen“ bekannter Showstars und Bands. Bei klassischen Angeboten wie Theater- oder Konzertaufführung wird dagegen vom Publikum noch Zurückhaltung geübt. Deshalb ist es vor dem Hintergrund der langen Unterbrechung notwendig, Aufmerksamkeit zu erregen. Zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs sollen deshalb Angebote gemacht werden, die Aufmerksamkeit erregen und Interessierte anlocken. Ein weiteres, nicht unwichtiges Ziel muss es außerdem sein, den Bestandskunden zu zeigen, dass wir dankbar für die Treue sind. Sie haben dem Theaterprogramm trotz Absagen und Ausfällen die Treue gehalten. Ihnen gebührt ein besonderes Dankeschön.

 

Als Dankeschön und gleichzeitige Werbemaßnahmen wurden verschiedene Ideen diskutiert. Im Raum standen u.a.

·         Genereller freier Eintritt zur letzten Theateraufführung der Spielzeit 2022/2023

·         Besondere Rabatte für Bestandskunden

·         Bonusveranstaltungen

Für diese Modelle gilt, in allen Fällen, dass die Stadt bewusst auf die Erzielung von Einnahmen verzichten würde. Außerdem besteht die Gefahr, dass dieses Angebot lediglich zu Mitnahmen führen, jedoch nicht langfristig Aufmerksamkeit und Bindung generiert. Bei Freikarten besteht die Gefahr, dass diese zwar gebucht, aber dann nicht in Anspruch genommen werden. Auch Boni lösen kurzfristige Effekte aus (Schnäppchenjäger).

 

Angestrebt wird vielmehr eine nachhaltige Vorgehensweise, bei der etablierte Kunden das Gefühl bekommen, dass sie wertgeschätzt werden. Auf der anderen Seite werden Neukunden eingeladen, sich selber von der Güte des Theaterprogramms zu überzeugen und dazu ihre Meinung übermitteln zu können. Aus diesem Grunde sollen bei der Aufführung am 20.04.2023 die Eintrittskarten auf Grundlage eines „Pay what you want-Modells“ angeboten.

 

*      Exkurs:
Pay what you want (PWYW) ist ein Preismodell, bei dem der Preis allein durch den Käufer festgelegt wird. Der Verkäufer bietet Produkte ohne festen Preis an und der Käufer wird gebeten, einen für ihn angemessenen Preis zu zahlen. Der Käufer hat dabei auch die Möglichkeit, nichts für das Produkt zu bezahlen, d. h. den Preis auf null zu setzen. PWYW gehört zu den partizipativen Preismechanismen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer Einflussmöglichkeiten auf den finalen Preis besitzen.

Die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main deuten darauf hin, dass die Konsumenten den Preismechanismus nicht ausnutzen und sich nicht opportunistisch verhalten. Anhand von drei Feldexperimenten (bei einem Restaurant, einem Multiplex-Kino und einem Delikatessenladen) konnte gezeigt werden, dass die Kunden Preise zahlten, die signifikant von null abwichen. Eine Analyse der Motive dafür, warum die Kunden mehr als null bezahlten, zeigte zum Beispiel, dass die Loyalität zu dem Restaurant eine positive Wirkung auf den Preis besaß. Ebenso spielte das Einkommen und die Sparsamkeit des Konsumenten eine Rolle. Wohlhabendere Gäste zahlten im Restaurant mehr als der Durchschnitt, sparsame „Schnäppchenjäger“ etwas weniger. Der wichtigste Einflussfaktor ist der sogenannte Referenzpreis. Bei der Preisfindung stellen sich die Konsumenten die Frage, wie viel sie üblicherweise für eine vergleichbare oder dieselbe Dienstleistung zahlen. Daraufhin findet eine subjektive Beurteilung statt, ob der Preis angemessen ist. Zusätzlich dazu führte PWYW bei zwei Studien zu einem Umsatzwachstum (Restaurant und Delikatessenladen) und Zunahme von Neukunden. Zudem funktioniert PWYW insbesondere bei einem persönlichen Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer. Die soziale Kontrolle sorgt hier dafür, dass sich die Käufer nicht opportunistisch verhalten und einen ihnen angemessenen Preis für das Produkt bezahlen. (Quelle: Wikipedia)

 

Nachdem PWYW in vielen NRW-Museen bereits bei besonderen Ausstellungsangeboten eine etablierte Eintrittsform ist (siehe z.B. Folkwang Essen, Forum Düsseldorf, Museen der Stadt Paderborn), beschreiten jetzt auch Theater in NRW diesen Weg. Vorreiter ist hier das Theater Krefeld, das erstmalig im November 2022 diese Aktion anbot. Lt. Berichterstattung in der Rheinischen Post (09.11.2022) war diese Aktion erfolgreich. Hinsichtlich einer dauerhaften Umsetzung in Krefeld ist bisher nichts bekannt, da dieses Angebot noch für weitere Veranstaltungen eingesetzt und danach ausgewertet werden soll. Allerdings werden diese und ähnliche Aktionen schon jetzt als positives Element für eine Neukundengewinnung, für die Erschließung neuer Besuchergruppen (niedrigschwelliger Zugang) und als Wertschätzung für Bestandskunden gewertet.

 

Grundsätzlich geht die Verwaltung davon aus, dass mit dieser Aktion Aufmerksamkeit sowohl beim heimischen Publikum als auch in der Region und sogar überregional erregen kann. Dies ergibt sich aus Gesprächen, die vom Kulturservice zur Vorbereitung dieser Idee mit Fachverbänden (INTHEGA, Büro der Landestheater NRW, Kultursekretariat NRW) geführt wurden. Vor diesem Hintergrund soll das PWYW-Modell anlässlich der Aufführung der Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ erstmalig erprobt werden.

 

Die praktische Umsetzung sieht wie folgt aus:

·         Die Eintrittskarten werden wie gewohnt mit einer Rechnung erstellt.

·         Die Rechnungen werden nicht gebucht.

·         Mit dem Ticketversand erhalten die Kunden eine Information zu PWYW.

·         Die Kunden sollen nach der Veranstaltung selber festlegen, welchen Preis sie für den Besuch der Veranstaltung für angemessen halten. Diesen Betrag können sie unmittelbar nach der Veranstaltung in einem verschlossenen Umschlag an der Abendkasse abgeben oder überweisen.

·         Die Umschläge mit Bargeld werden unter Einhaltung eines 4-Augen-Prinzips entgegengenommen und am nächsten Tag zur Vereinnahmung geöffnet. Für Überweisungen wird ein Überweisungszweck erstellt, der eine Zuordnung zur Veranstaltung ermöglicht. (In Absprache mit Finanzbuchhaltung und Zahlungsmanagement)

·         Im Anschluss an die Aktion erfolgt eine Auswertung und Veröffentlichung der Reaktionen.

 

Finanzielle Auswirkungen:

Die genauen finanziellen Auswirkungen in Form von Mehr- oder Mindererträgen können erst im Rahmen der anschließenden Auswertung der tatsächlichen Einnahmen ermittelt werden. Sollte es zu Mindererträgen kommen, können diese im Gesamtbudget der Theaterveranstaltungen aufgefangen werden. Wie aber bereits vorher ausgeführt, kann prinzipiell angenommen werden, dass die Besucherinnen und Besucher der Aufführung einen Betrag zahlen werden, der angemessen ist.

 

Im Übrigen sollte bedacht werden, dass es durch den Brandschaden bereits zu erheblichen Einnahmeausfällen gekommen ist. Hierzu finden gerade auch Verhandlungen mit der zuständigen Versicherung statt, um einen angemessenen Schlüssel zur Kompensation der Einnahmeverluste zu finden.

 


Anlagen: keine