Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Sozialausschuss nimmt den SGB XII Jahresbericht 2022 zur Kenntnis.
Begründung:
Der Sachstandsbericht hat das Ziel, die Mitglieder des Ausschusses einmal jährlich über die Entwicklungen und Tendenzen im Bereich der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu informieren.
Sachdarstellung:
Leistungsberechtigte
und Abgrenzung zum SGB II:
Im Gegensatz
zur Leistungsgewährung nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende -
Bürgergeld) stehen die Hilfeempfänger nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung) dem Arbeitsmarkt (dauerhaft) nicht zur Verfügung und
haben somit in der Regel keine Möglichkeit zur Selbsthilfe.
Leistungen
nach dem SGB XII erhalten Personen, die entweder die Altersgrenze (aktuell 66
Jahre Geburtsjahrgang 1958) erreicht haben oder bei denen der Rententräger eine
volle Erwerbsminderung (Leistungsvermögen liegt unter 3 Stunden pro Tag)
festgestellt hat.
Die
Altersgrenze wird bis zum Jahr 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben (ab
Geburtsjahrgang 1964.
Die volle
Erwerbsminderung wird vom Rententräger entweder befristet oder dauerhaft festgestellt.
Bei einer befristeten vollen Erwerbsminderung werden Leistungen nach dem
3. Kapitel des SGB XII gewährt. Bei einer vollen Erwerbsminderung auf
Dauer oder nach Erreichen der Altersgrenze erfolgt die Hilfegewährung nach dem
4. Kapitel des SGB XII.
Neben der
reinen Leistungsgewährung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts besteht bei
den Hilfeempfängern aufgrund des Alters und den oftmals vorhandenen
Einschränkungen ein erhöhter Beratungsbedarf zur möglichen Stärkung der
Selbsthilfe und zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.
Finanzierung:
Die Kosten
der Leistungsgewährung nach dem 4. Kapitel werden nach einer schrittweisen Anhebung
seit dem 01.01.2014 zu 100 % vom Bund getragen. Die Kosten des 3. Kapitels
sind Kreismittel und werden indirekt über die Kreisumlage von allen 24 Kommunen
finanziert.
Fallzahlentwicklung:
Die
Fallzahlen sind seit der Einführung des SGB XII zum 01.01.2005 im Rahmen der
Hartz IV‑Reform kontinuierlich gestiegen. In den letzten Jahren ist
jedoch eine leichte Abflachung des Anstiegs erkennbar. Die letzte signifikante
Erhöhung der Fallzahlen erfolgte zum 01.01.2020 durch die Umsetzung des
Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wodurch bei Personen in stationären Einrichtungen
die Eingliederungshilfe und die Grundsicherung nicht mehr vom Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL) als Hilfen aus einer Hand gewährt werden. Während die
Fachleistungsstunden beim LWL verbleiben, ist die Grundsicherung vor Ort bei
den Kommunen zu beantragen. Die einmalige Spitze im Januar 2020 rührt von der
gesetzlichen Regelung, die Einkünfte im Januar 2020 einmalig nicht zu berücksichtigen
um den Übergang zwischen den Hilfesystemen zu erleichtern. In vielen Fällen
wurde daher nur einmalig in diesem Monat eine Hilfe gezahlt.
(*Stand: 12/2022)
Die in den
Vorjahren auf die Entwicklung der Fallzahlen wirkenden vorrangigen Leistungen
(sog. „Mütterrente“, Erhöhung des Wohngeldes und Grundrente) sind in der Grafik
zur zeitlichen Einordnung abgebildet.
Die
zukünftige Fallzahlentwicklung ist maßgeblich von der demographischen
Entwicklung der Bevölkerung abhängig. In den kommenden Jahren werden die
„geburtenstarken Jahrgänge“ die Altersgrenze von aktuell 65 Jahren und 11
Monaten überschreiten und voraussichtlich für weiter steigende Fallzahlen
sorgen.
(*Stand 31.12.2022)
Die
aktuell ca. 1.475 Fälle (=Haushalte) setzen sich aus ca. 1.725
HilfeempfängerInnen zusammen, die sich zu 53,2 % noch unter der Altersgrenze
befinden und somit (dauerhaft) voll erwerbsgemindert sind.
(*Stand 12/2022
Die Struktur der Haushalte zeigt deutlich, dass die Hilfeempfänger überwiegend in Ein-Personen-Haushalten leben.
(*Stand
12/2022)
Ukrainekrieg:
Nach Beginn des Ukrainekrieges wurden Flüchtlingen zunächst Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewilligt. Zum 01.06.2022 wurden die
Personen in die Leistungssysteme SGB II und SGB XII überführt. Aktuell befinden
sich ca. 43 Personen im Leistungsbezug nach dem SGB XII aufgrund des Erreichens
der Altersgrenze.
Energiemangellage
Aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise wurde befürchtet, dass es in
vielen Leistungsfällen zu sehr hohen Nachforderungen kommt und Haushalte, die
bisher nicht im Leistungsbezug stehen, vermehrt Anträge auf einmalige Übernahme
der Energiekostennachzahlung stellen. Diese Befürchtungen haben sich
glücklicherweise nicht bewahrheitet. Abgesehen von wenigen Ausnahmen haben sich
in den meisten Fällen Guthaben ergeben, die auf einen sparsamen Umgang mit
Energie und der gewährten Dezember-Soforthilfe zurückzuführen sind.
Grundrente
Zum 01. Januar 2021 ist die Grundrente in Kraft getreten. Sie ist ein individueller Zuschlag zur Rente, der ohne separate Antragstellung berechnet und ausgezahlt wird. Der Grundrentenzuschlag wird für alle Rentenarten (Alters-, Witwen-, Witwer- sowie Erwerbsminderungsrenten) ausgezahlt, wenn mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten vorhanden sind.
Bei der
Gewährung der SGB XII-Leistungen wird ein Freibetrag gewährt, der verhindert,
dass die bewilligte Grundrente vollständig auf die Sozialleistung angerechnet
wird. Der Freibetrag wird für das gesamte Einkommen gewährt. Für die
Berücksichtigung des Freibetrages ist Voraussetzung, dass 33 Jahre
Grundrentenzeiten vorliegen. Es ist nicht notwendig, dass die leistungsbeziehende
Person auch tatsächlich einen Anspruch auf Grundrentenzuschlag hat. Im Ergebnis
kann dadurch ein Leistungsanspruch sogar erstmalig entstehen.
Insgesamt hat
die Einführung der Grundrente die Entwicklung der Fallzahlen nicht merklich beeinflusst.
Corona-Pandemie
- Terminverfahren
Nach dem Ende
der Corona-Pandemie wurde das Terminverfahren für persönliche Vorsprachen und
die Möglichkeiten zur kontaktlosen Übersendung von Unterlagen beibehalten um
das Beratungsangebot für die Hilfeempfänger/innen zu verbessern.
Corona-Pandemie
- Übernahme nicht angemessener Unterkunftskosten
Während der
Corona-Pandemie wurden die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung
übernommen und auf Abmahnungen verzichtet. Nach dem Auslaufen der
Sonderregelungen gilt bei unangemessenen Unterkunftskosten eine Karenzzeit bis
Ende des Jahres bevor abgemahnt und abgesenkt wird. Aufgrund des angespannten
Wohnungsmarktes (insbesondere für Ein-Personen-Haushalte) ist damit zu rechnen,
dass es mit zeitlicher Verzögerung zu vermehrten Mietrückständen und damit verbundenen
Räumungsklagen kommt. An diesem Punkt soll die neu eingerichteten Fachstelle
für Wohnraumsicherung helfen, Obdachlosigkeit und Kosten für Notunterbringungen
zu vermeiden.