Beschlussvorschlag/Empfehlung:
1.
Der
Sozialausschuss nimmt das aktuelle Betreuungskonzept des Kremer-Hauses zur
Kenntnis.
2.
Der
Sozialausschuss beauftragt die Verwaltung mit der Konzeptentwicklung einer
bedarfsgerechten Notübernachtungsstelle für Frauen mit den Bestandteilen
Betreuungskonzept, Netzwerkarbeit, Räume, Organisation und Finanzierung.
Begründung:
Die
rechtliche Grundlage für die Arbeit im Kremer-Haus bilden die §§ 67-69 SGB XII
„Hilfen für Menschen mit besondere sozialen Schwierigkeiten“. Im Kremer-Haus
werden Männer und Frauen ab 18 Jahren aufgenommen, die wohnungslos bzw. von
Wohnungslosigkeit bedroht sind. Fehlende oder nicht ausreichende
Wohnung, ungesicherte wirtschaftliche Grundlage, gewaltgeprägte Lebensumstände,
Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder vergleichbaren nachteiligen
Umständen zählen nach der Definition zu besonderen sozialen Schwierigkeiten.
Der
Sozialausschuss hatte im Zuge der Kenntnisnahme des Jahresberichtes der
Sozialen Einrichtungen darum gebeten, den aktuellen Stand des
Betreuungskonzeptes und sich daraus ergebende Perspektiven im Wege einer
gesonderten Beratungsvorlage zu diskutieren.
Aktueller Stand:
Das
aktuelle Betreuungskonzept des Kremer-Hauses ist dieser Vorlage als Anlage 1
beigefügt, ferner wird auf den Jahresbericht der Sozialen Einrichtungen
(Vorlage 187/23) verwiesen.
Perspektiven:
Das
Kremer-Haus an der Humboldtstraße ist denkmalgeschützt, was Grenzen für
räumliche Anpassungen setzt. U.a. ist das Haus nicht barrierefrei.
Wie
dem Jahresbericht 2022 zu entnehmen ist, ist der Anteil an Frauen, die einen
Notübernachtungsplatz benötigen, auf inzwischen 30% gestiegen.
Mit
den baulichen Rahmenbedingungen im Haupthaus des Kremer-Hauses können bis zu
zwei Frauen ein separates Doppelzimmer mit eigenem WC und Waschmöglichkeit
beziehen. Die Nutzung einer eigenen Dusche ausschließlich für Frauen ist nicht
gegeben. Der Duschtrakt muss dann gänzlich abgeschlossen werden. Die Küche und
der Aufenthaltsraum sind Gemeinschaftsräume. Dies stellt eine Notlösung dar,
Frauen eine Notübernachtungsmöglichkeit zu gewähren. Besonders vor dem
Hintergrund, dass auch Frauen im Kremer-Haus Hilfe suchen, die zuvor Gewalt von
Männern erfahren haben oder sich gar in der Not für Wohnraum prostituiert haben,
ist diese Situation höchst bedenklich. Für diese Frauen ist es in ihrer
Situation kaum auszuhalten mit anderen Männern in einer Gemeinschaftsunterkunft
zu leben.
hilfesuchende Frauen
im Kremer-Haus - Überblick
Zeitraum |
Anzahl
hilfesuchende Frauen |
Davon
aus Rheine |
auswärtig |
Verweildauer
im Kremerhaus insgesamt |
Davon
mit maximaler Aufenthaltsdauer von 6 Tagen |
Jahr
2022 |
20 |
2 |
18 |
397
Tage |
55% |
bis
August 2023 |
25 |
10 |
15 |
313
Tage |
68% |
Altersstruktur |
18-30 Jahre |
31-40 Jahre |
41-50 Jahre |
51-60 Jahre |
61-75 Jahre |
Jahr 2022 |
8 |
4 |
2 |
4 |
2 |
bis August 2023 |
9 |
6 |
4 |
2 |
4 |
Hilfebedarf |
Sucht/psychische
Erkrankung |
Soziale Schwierigkeiten |
Weitervermittlung in
Hilfesystem erfolgreich in Anzahl Fälle |
Weitere Hilfsangebote
abgelehnt in Anzahl Fälle |
Jahr 2022 |
18 |
2 |
8 |
12 |
bis August 2023 |
16 |
9 |
12 |
13 |
Besonderheiten in der Wohnungslosenhilfe in Bezug auf Frauen
Die Gruppe der Frauen in der
Wohnungslosenhilfe unterscheidet sich in vielen Punkten von der Gruppe
wohnungsloser Männer. Diese stellen sich wie folgt dar:
-
Keine eigene,
mietrechtlich abgesicherte Wohnung
-
verdeckte
Wohnungslosigkeit in Abhängigkeitsverhältnissen zu „Mietgebern“
-
Ungesicherte
wirtschaftliche Verhältnisse durch fehlende Qualifizierung oder langjähriger
Familienarbeit
-
Fehlende
familiäre und/ oder soziale Beziehungen
-
„Verlorene
Kinder“ (Schuldgefühle sich nicht um ihre getrenntlebenden Kinder kümmern zu
können)
-
Junge erwachsene
Frauen, die ihr bisheriges Leben nahezu als durchgehende Krise erlebt haben,
angefangen im Elternhaus. Diese Gruppe (18-30 Jahre) bildet den größten Anteil
der wohnungslosen Frauen ab.
-
Physische und
psychische Beeinträchtigungen, hervorgerufen durch andauernde, unsichere
Lebensumstände
-
Gewalterfahrungen
Fachliche Standards für eine Notunterbringung von Frauen
Neben den allgemein gültigen
Standards in der Notunterbringung wohnungsloser Menschen werden im Folgenden
Eckpunkte angeführt, die besonders für die Unterbringung wohnungsloser Frauen
unabdingbar sind:
-
Die Unterbringung
von Frauen erfolgt grundsätzlich räumlich getrennt von Männern möglichst in
einem gesonderten Gebäude
-
Räumlich und
kontingentmäßig überschaubare Größe des Hauses
-
Angebot von
Einzelzimmern zur Wahrung der Privatsphäre
-
Eigener
Sanitärbereich
-
Ausschließlich
weibliches Fachpersonal zur Betreuung der Frauen
-
Als besonders
vulnerable Gruppe ist darauf zu achten, dass der Schutz für Leib und Leben
gewahrt ist
-
Zugang sollte
rund um die Uhr möglich sein
-
Fehlende
Dokumente/ Ausweise sollten keinen Ablehnungsgrund darstellen
-
Aufenthaltsdauer
an komplexe Problemlage der Frauen anpassen. Die bisherige 6 Nächteregelung ist
nicht zielführend.
-
Aktiver Schutz
vor und strikte Sanktionierung von Gewalt
-
Empowerment mit
Angeboten, die darin bestärken sich aus Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen und
aus der verdeckten Wohnungslosigkeit auszutreten
Fazit aus den Standards:
-
Die Standards
können zurzeit im Kremer-Haus räumlich nicht abgebildet werden
-
Mehr als die
Hälfte der notuntergebrachten Frauen nutzen aktuell die maximale
Aufenthaltsdauer von 6 Tagen, hier sind Verhandlungen mit dem Kostenträger
angezeigt, um mehr Zeit für die Clearingphase zu haben
-
Ebenfalls sind
Verhandlungen darüber zu führen, in welcher Form eine 24/7-Aufnahmemöglichkeit
gewährleistet werden kann
-
Das Netzwerk an
Beratungsstellen sollte auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen in
besonderen sozialen Schwierigkeiten sensibilisiert werden
-
In der
Prävention von Wohnungsnotfällen ist die Zielgruppe Frauen gesondert zu
betrachten: welche Erkenntnisse können aus den Präventionsfällen gezogen werden?
Eine Einrichtung, die sich speziell der Bedürfnisse wohnungsloser Frauen annimmt, gibt es aktuell im gesamten Kreis Steinfurt nicht.
Daher schlägt die Verwaltung vor, ein Konzept für eine bedarfsgerechte Notübernachtungsstelle für Frauen mit den Bestandteilen Betreuungskonzept, Netzwerkarbeit, Räume, Organisation und Finanzierung zu entwickeln und dem Sozialausschuss vorzustellen.
Dabei sind insbesondere auch Gespräche mit dem Kostenträger zuführen, ob und in welcher Form eine solche Einrichtung als kostendeckende Einrichtung abgebildet werden kann
Anlage:
Rahmenkonzept Kremer-Haus