Betreff
Betreuungskonzept Kremer-Haus - aktueller Stand und Perspektiven
Vorlage
315/23
Art
Beschlussvorlage

 

 

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1.      Der Sozialausschuss nimmt das aktuelle Betreuungskonzept des Kremer-Hauses zur Kenntnis.

 

2.      Der Sozialausschuss beauftragt die Verwaltung mit der Konzeptentwicklung einer bedarfsgerechten Notübernachtungsstelle für Frauen mit den Bestandteilen Betreuungskonzept, Netzwerkarbeit, Räume, Organisation und Finanzierung.

 

 

Begründung:

 

Die rechtliche Grundlage für die Arbeit im Kremer-Haus bilden die §§ 67-69 SGB XII „Hilfen für Menschen mit besondere sozialen Schwierigkeiten“. Im Kremer-Haus werden Männer und Frauen ab 18 Jahren aufgenommen, die wohnungslos bzw. von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Fehlende oder nicht ausreichende Wohnung, ungesicherte wirtschaftliche Grundlage, gewaltgeprägte Lebensumstände, Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder vergleichbaren nachteiligen Umständen zählen nach der Definition zu besonderen sozialen Schwierigkeiten.

 

Der Sozialausschuss hatte im Zuge der Kenntnisnahme des Jahresberichtes der Sozialen Einrichtungen darum gebeten, den aktuellen Stand des Betreuungskonzeptes und sich daraus ergebende Perspektiven im Wege einer gesonderten Beratungsvorlage zu diskutieren. 

 

 

Aktueller Stand:

 

Das aktuelle Betreuungskonzept des Kremer-Hauses ist dieser Vorlage als Anlage 1 beigefügt, ferner wird auf den Jahresbericht der Sozialen Einrichtungen (Vorlage 187/23) verwiesen.

 

 

Perspektiven:

 

Das Kremer-Haus an der Humboldtstraße ist denkmalgeschützt, was Grenzen für räumliche Anpassungen setzt. U.a. ist das Haus nicht barrierefrei.

 

Wie dem Jahresbericht 2022 zu entnehmen ist, ist der Anteil an Frauen, die einen Notübernachtungsplatz benötigen, auf inzwischen 30% gestiegen.

 

Mit den baulichen Rahmenbedingungen im Haupthaus des Kremer-Hauses können bis zu zwei Frauen ein separates Doppelzimmer mit eigenem WC und Waschmöglichkeit beziehen. Die Nutzung einer eigenen Dusche ausschließlich für Frauen ist nicht gegeben. Der Duschtrakt muss dann gänzlich abgeschlossen werden. Die Küche und der Aufenthaltsraum sind Gemeinschaftsräume. Dies stellt eine Notlösung dar, Frauen eine Notübernachtungsmöglichkeit zu gewähren. Besonders vor dem Hintergrund, dass auch Frauen im Kremer-Haus Hilfe suchen, die zuvor Gewalt von Männern erfahren haben oder sich gar in der Not für Wohnraum prostituiert haben, ist diese Situation höchst bedenklich. Für diese Frauen ist es in ihrer Situation kaum auszuhalten mit anderen Männern in einer Gemeinschaftsunterkunft zu leben.

 

 

hilfesuchende Frauen im Kremer-Haus - Überblick

 

 

Zeitraum

Anzahl hilfesuchende Frauen

Davon aus Rheine

auswärtig

Verweildauer im Kremerhaus insgesamt

Davon mit maximaler Aufenthaltsdauer von 6 Tagen

Jahr 2022

20

2

18

397 Tage

55%

bis August 2023

25

10

15

313 Tage

68%

 

Altersstruktur

18-30 Jahre

31-40 Jahre

41-50 Jahre

51-60 Jahre

61-75 Jahre

Jahr 2022

8

4

2

4

2

bis August 2023

9

6

4

2

4

 

Hilfebedarf

Sucht/psychische Erkrankung

Soziale Schwierigkeiten

Weitervermittlung in Hilfesystem erfolgreich in Anzahl Fälle

Weitere Hilfsangebote abgelehnt in Anzahl Fälle

Jahr 2022

18

2

8

12

bis August 2023

16

9

12

13

 

 

Besonderheiten in der Wohnungslosenhilfe in Bezug auf Frauen

 

Die Gruppe der Frauen in der Wohnungslosenhilfe unterscheidet sich in vielen Punkten von der Gruppe wohnungsloser Männer. Diese stellen sich wie folgt dar:

 

-          Keine eigene, mietrechtlich abgesicherte Wohnung

-          verdeckte Wohnungslosigkeit in Abhängigkeitsverhältnissen zu „Mietgebern“

-          Ungesicherte wirtschaftliche Verhältnisse durch fehlende Qualifizierung oder langjähriger Familienarbeit

-          Fehlende familiäre und/ oder soziale Beziehungen

-          „Verlorene Kinder“ (Schuldgefühle sich nicht um ihre getrenntlebenden Kinder kümmern zu können)

-          Junge erwachsene Frauen, die ihr bisheriges Leben nahezu als durchgehende Krise erlebt haben, angefangen im Elternhaus. Diese Gruppe (18-30 Jahre) bildet den größten Anteil der wohnungslosen Frauen ab.

-          Physische und psychische Beeinträchtigungen, hervorgerufen durch andauernde, unsichere Lebensumstände

-          Gewalterfahrungen

 

 

Fachliche Standards für eine Notunterbringung von Frauen

 

Neben den allgemein gültigen Standards in der Notunterbringung wohnungsloser Menschen werden im Folgenden Eckpunkte angeführt, die besonders für die Unterbringung wohnungsloser Frauen unabdingbar sind:

 

-          Die Unterbringung von Frauen erfolgt grundsätzlich räumlich getrennt von Männern möglichst in einem gesonderten Gebäude

-          Räumlich und kontingentmäßig überschaubare Größe des Hauses

-          Angebot von Einzelzimmern zur Wahrung der Privatsphäre

-          Eigener Sanitärbereich

-          Ausschließlich weibliches Fachpersonal zur Betreuung der Frauen

-          Als besonders vulnerable Gruppe ist darauf zu achten, dass der Schutz für Leib und Leben gewahrt ist

-          Zugang sollte rund um die Uhr möglich sein

-          Fehlende Dokumente/ Ausweise sollten keinen Ablehnungsgrund darstellen

-          Aufenthaltsdauer an komplexe Problemlage der Frauen anpassen. Die bisherige 6 Nächteregelung ist nicht zielführend.

-          Aktiver Schutz vor und strikte Sanktionierung von Gewalt

-          Empowerment mit Angeboten, die darin bestärken sich aus Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen und aus der verdeckten Wohnungslosigkeit auszutreten

 

Fazit aus den Standards:

 

-          Die Standards können zurzeit im Kremer-Haus räumlich nicht abgebildet werden

-          Mehr als die Hälfte der notuntergebrachten Frauen nutzen aktuell die maximale Aufenthaltsdauer von 6 Tagen, hier sind Verhandlungen mit dem Kostenträger angezeigt, um mehr Zeit für die Clearingphase zu haben

-          Ebenfalls sind Verhandlungen darüber zu führen, in welcher Form eine 24/7-Aufnahmemöglichkeit gewährleistet werden kann

-          Das Netzwerk an Beratungsstellen sollte auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten sensibilisiert werden

-          In der Prävention von Wohnungsnotfällen ist die Zielgruppe Frauen gesondert zu betrachten: welche Erkenntnisse können aus den Präventionsfällen gezogen werden?

 

Eine Einrichtung, die sich speziell der Bedürfnisse wohnungsloser Frauen annimmt, gibt es aktuell im gesamten Kreis Steinfurt nicht.

 

 

Daher schlägt die Verwaltung vor, ein Konzept für eine bedarfsgerechte Notübernachtungsstelle für Frauen mit den Bestandteilen Betreuungskonzept, Netzwerkarbeit, Räume, Organisation und Finanzierung zu entwickeln und dem Sozialausschuss vorzustellen.

 

Dabei sind insbesondere auch Gespräche mit dem Kostenträger zuführen, ob und in welcher Form eine solche Einrichtung als kostendeckende Einrichtung abgebildet werden kann

 


Anlage:

 

Rahmenkonzept Kremer-Haus