Betreff
Bestandsaufnahme zu Struktur, Zweck, Zielen und Zukunft von Seniorenbegegnungsstätten in Rheine
Vorlage
454/07
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen zur Befragung der Seniorenbegegnungsstätten und Altenclubs zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem Seniorenbeirat und dem Arbeitskreis der Senioren auf der Grundlage der Ergebnisse der Befragung Handlungsperspektiven in der offenen Altenarbeit für sich verändernde Bedarfslagen zu entwickeln.

 


Begründung:

 

I.       Bedeutung der Begegnungsstättenarbeit

 

Seniorenbegegnungsstätten sind seit vielen Jahren ein integraler Bestandteil der gemeinwesenorientierten Altenarbeit.

 

Sie bilden beliebte Treffpunkte und ermöglichen alten Menschen Teilhabe am Leben in ihrer Umgebung. Es werden soziale Kontakte geknüpft und sinnvolle Freizeitgestaltung erlebt.

 

Sie sind wichtige Einrichtungen und stellen für viele Mitbürger einen wichtigen Teil ihres Lebens dar.

 

Ehrenamtliche Mitarbeiter planen und organisieren neben Angeboten zur Geselligkeit Bildungs- und Kulturangebote, die sich an den Interessen der Besucher und Besucherrinnen orientieren.

 

Die Besucher kommen teilweise schon mehr als 30 Jahre lang in diese Einrichtungen. Nicht selten sind die Besuche in der Begegnungsstätte und Teilnahme an den Angeboten in einem vertrauten Kreis für die Senioren der einzige soziale und gesellschaftliche Kontakt und wichtigster Termin in der Woche.

 

Das Erleben von Gemeinschaft und Zugehörigkeit stärkt die Selbsthilfekräfte, fördert die Integration alleinstehender und -lebender Menschen und aktiviert deren Eigeninitiative.

 

Das Gefühl bekannt zu sein und bei Bedarf Unterstützung zu erhalten, gibt ihnen Sicherheit und fördert die Lebensqualität.

 

Begegnungsstätten unterstützen also durch ihre Arbeit das Leben älterer und alter Menschen in der eigenen Häuslichkeit, fördern Selbstbestimmung und Autonomie und bieten Strukturhilfen für die Gestaltung des Alltages an.

 

Zur Unterstützung der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Begegnungsstätten ist in insgesamt 17 Begegnungsstätten – von Juni bis Oktober 2007 - eine Befragung der Besucher und Leiter der Gruppen durchgeführt worden mit dem Ziel, den aktuellen Angebotsstand der Einrichtung zu erfassen und Wünsche und Anregungen zu ermitteln.

 

Zurück erhielten wir insgesamt 481 Fragebögen der Besucher/Besucherinnen und 17 der dazugehörigen Leiter/Leiterinnen. Somit haben sich alle angeschriebenen Begegnungsstätten an der Aktion beteiligt. Sie können auf die Ergebnisse der Befragung reagieren und ggf. ihr Angebot optimieren.

 

Die Inhalte der Fragebögen sind in der Anlage 1 und 2 nachzusehen.

 

Die Vorstellung der Ergebnisse der Untersuchung wird im Sozialausschuss erfolgen.

 

 

 

II.    Allgemeines zur Offenen Altenarbeit

 

Grundlage der Aktivitäten in der gemeinwesenorientierten offenen Altenarbeit und der Begegnungsstättenarbeit stellt § 71 des Sozialgesetzbuches (SGB) XII dar.

 

Es legt den Anspruch alter Menschen, die durch altersbedingte Einschränkungen beeinträchtigt sind, auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft fest und definiert die dafür erforderlichen Leistungen

 

Es heißt u. a.:

 

1.     Es sollen Leistungen vorhanden sein, dass ältere Menschen sich am gesellschaftlichen Engagement beteiligen können, soweit es gewünscht wird.

 

2.      Es sollen Leistungen zum Besuch von Veranstaltungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung, der Bildung oder den kulturellen Bedürfnissen alter Menschen dienen, da sein.

 

 

III.  Zukünftig veränderte Bedarfslagen in der Offenen
Altenarbeit

 

1.      Der demografische Wandel stellt die Begegnungsstätten vor neuen Herausforderungen. Die Menschen werden insgesamt älter und verbleiben gleichzeitig immer länger in der eigenen Häuslichkeit. Ihr Alltag ist geprägt von Erfahrung altersbedingter Veränderungen, Multimorbidität und damit einhergehende Einschränkungen ihrer Mobilität.

 

Besonders für alleinlebende Menschen stellt diese Situation eine Gefahr des Rückzugs und der sozialen Isolation dar.

 

Darüber hinaus nimmt die Zahl der zu Hause lebenden Menschen mit demenziellen Veränderungen, die durch ihre Angehörigen gepflegt und betreut werden, weiter zu.

 

Die Pflege von Kontakten, Integration in gemeinwesenorientierte Netze, die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ist erschwert oder nur mit fremder Unterstützung oder auch gar nicht mehr möglich. Mit diesen Problemen dürfen die alten Menschen ihre Angehörigen und die engagierten Ehrenamtlichen nicht alleingelassen werden. Diese Herausforderungen müssen Grundlage neuer konzeptioneller Standards für Begegnungsstätten sein, damit sie der Differenziertheit des Alters auch zukünftig gerecht werden können. Waren sie bisher mehr auf die traditionelle „Komm-Struktur" und traditionellen Zielgruppen ausgerichtet, müssen sie zukünftig auch die in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen in ihrer Häuslichkeit erreichen.

 

2.      Ebenso zu beachten ist, dass sich wesentliche soziale und psychische Bedürfnisse nicht mit dem Alter verändern. Demnach haben ältere und alternde Personen das Bedürfnis, ein aktives, kreatives Wesen mit sozialen Kontakten und Beziehungen zu sein, wie es auch in der Jugend und in den vorherigen Altersstufen der Fall war und das mit einem immer wachsendem Qualitätsanspruch an dem Bestehenden.

 

 

IV.    Grundsätzliche Folgerungen

 

1       Ehrenamtliche Mitarbeiter der neuen Generation und die damit verbundenen Potenziale des Alters müssen gewonnen und für sie das Arbeitsfeld attraktiv und bedarfsgerecht gestaltet werden. Dazu dient der Aufbau geeigneter Strukturen, professionelle Angebote zur (Weiter-)

Qualifizierung und der Aufbau einer belastbaren Kultur der Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe.

 

Sollte der Umstrukturierungs- und Profilentwicklungsprozess gelingen, kann dies ohne Unterstützung von Hauptamtlichen als Initiatoren nicht geschehen. Den Ehrenamtlichen müssen neben hinreichenden finanziellen und räumlichen Voraussetzungen vor allem Angebote für eine weitere Qualifizierung zur Verfügung stehen. Sie müssen die Chance erhalten, sich motiviert und mit Freude auf die neuen Aufgaben vorbereiten zu können.

 

2       Eine weitere fachliche Herausforderung an die Begegnungsstätte bezieht sich auf die Gestaltung von Angeboten für ältere Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Neue Arbeitsfelder und neue Konzepte für eine kulturelle und interkulturelle Seniorenarbeit sind wichtig.

 

3       Erweiterung der Begegnungsstätte zu einem Zentrum für alle Altersgruppen der dritten und vierten Lebensphase,

 

§  das als Einrichtung für das Leben älterer Menschen und deren Angehörigen im häuslichen Umfeld bekannt ist

§  das kooperiert und sich vernetzt mit anderen Diensten und Einrichtungen

§  das flexibel auf aktuelle Bedarfslagen reagiert

§  das lebendiger, lebhafter Ort für Kontakte ist

§  das von hochaltrigen, multimorbiden und dementen Menschen besucht wird

§  das Angebote zur Entlastung pflegender Angehörige bietet

§  das informiert und berät zu Fragen des Lebens im Alter

§  das Hilfestellung bietet

§  das für Menschen attraktiv ist, um sich ehrenamtlich zu engagieren

§  das für Projekte ein zentraler Treffpunkt ist

§  das offene Altenarbeit auch als Altersbildung sieht

 

4       Mit dem veränderten und modernen Bild vom Altern und vom Alter müssen die Begegnungsstätten nicht ausschließlich für ältere Menschen da sein, sondern sich veränderten Bedürfnissen und den jungen Alten öffnen.

 

Sie sollen Ältere ermutigen, neue Perspektiven und Sinnorientierungen für das Leben im Alter zu entwickeln und ihre Potenziale selbst bestimmt einzubringen.

 

‑ Denn sich nicht weiterzuentwickeln, bedeutet Stillstand. ‑

 

5       Orientierung für eine qualifizierte Altenarbeit in den Begegnungsstätten ist an folgenden 12 Qualitätspunkten der Untersuchung des Forschungsinstitutes Geragogik e.V. (FoGera) auszumachen:

 

5.1    Offene Altenarbeit und Altenbildung folgen differenzierten Altersbildern.

 

Es muss überlegt werde, ob ein vielfältiges Programm, das der Heterogenität des Alters entspricht, angeboten wird.

 

5.2    Offene Altenarbeit und Altenbildung beachten milieu- und geschlechtsspezifische Unterschiede

 

Passen Milieu, die Senioren und Programme der Einrichtung zusammen?

 

5.3    Altenarbeit und Altenbildung ist der einzelne Mensch mit seinen Bedürfnissen, Interessen und Ressourcen. Sein Handeln mit anderen für andere und für sich macht Sinn und bereitet Freude.

 

Die Bindungskräfte zu alten Inhalten der Begegnungsstätte lassen nach, das Motiv aus Tradition sich zu engagieren ist gering ausgeprägt. Es erfolgt ein stark individualisierter Zugang zu den Programmen. Im Vordergrund stehen die Motive: Spaß haben, eine sinnvolle Tätigkeit ausüben und an persönlichen Fähigkeiten anknüpfen können. Stimmen die Programme mit den Bedürfnissen überein?

 

5.4    Offene Altenarbeit und Altenbildung sind thematisch und für neue Lerner möglichst offenzuhalten.

 

§  die Bereitschaft ist da, sich in neuen Feldern zu engagieren - notwendig ist, niedrigschwellige Angebote zu schaffen

§  gute Erreichbarkeit

§  kostenadäquate Angebote

 

5.5    Offene Altenarbeit und Altenbildung muss sich transparent darstellen. Das Programm muss allen Besuchern bekannt sein.

 

5.6    Offene Altenarbeit und Altenbildung benötigen einen verlässlichen institutionellen Rahmen.

 

5.7    Offene Altenarbeit und bürgerschaftliches Engagement brauchen Unterstützung in Form von klaren Ansprechpartnern und Bereitstellung von Infrastruktur:

 

personelle Ressourcen - Versicherung - finanziell

 

5.7    Offene Altenarbeit und Altenbildung erfordern qualifizierte Ehrenamtliche und Weiterbildungsmöglichkeiten.

 

5.8    Offene Altenarbeit und Altenbildung beinhalten eine Lernherausforderung und tragen zur Persönlichkeitsentwicklung bei.

 

In der Praxis soll man sich mit der Reflexionsfrage auseinandersetzen: Erweitert das Programm die persönlichen Kompetenzen im Alltagshandeln?

 

5.9    Offene Altenarbeit und Altenbildung sind gemeinschafts- und kontaktfördernd organisiert und ermöglichen generationsübergreifende Aktivitäten.

 

Sehr viele Besucher nennen das Motiv Kontakt/Gemeinschaft als Beteiligungsgrund.

 

Die Angebote sollen dem Wunsch sowohl nach altershomogenen als auch nach generationsübergreifenden Lerngruppen gerechnet werden.

 

5.10  Offene Altenarbeit und Altenbildung basieren auf Partizipation.

 

Hier bieten sich folgende Reflexionsfragen für die Praxis:

 

Gibt es in der Einrichtung Strukturen, die Partizipation ermöglichen?

Wird das Programm mit den Ältern gemeinsam entwickelt?

Wird den Senioren die Übernahme von Verantwortung ermöglicht?

 

5.11  Offene Altenarbeit und Altenbildung ermöglichen bürgerschaftliches und nachbarschaftliches Engagement.

 

Ein bestimmtes Potenzial an Besuchern, die sich nicht ehrenamtlich engagieren, würde sich dieses zukünftig vorstellen können.

 

5.12  Offene Altenarbeit und Altenbildung förderten Selbstorganisation.

 


Anlagen:

 

Fragebögen