Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen zur Befragung der Seniorenbegegnungsstätten und Altenclubs zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem Seniorenbeirat und dem Arbeitskreis der Senioren auf der Grundlage der Ergebnisse der Befragung Handlungsperspektiven in der offenen Altenarbeit für sich verändernde Bedarfslagen zu entwickeln.
Begründung:
I. Bedeutung der Begegnungsstättenarbeit
Seniorenbegegnungsstätten
sind seit vielen Jahren ein integraler Bestandteil der gemeinwesenorientierten Altenarbeit.
Sie bilden beliebte
Treffpunkte und ermöglichen alten Menschen Teilhabe am Leben in ihrer Umgebung. Es werden soziale
Kontakte geknüpft und sinnvolle Freizeitgestaltung
erlebt.
Sie sind wichtige
Einrichtungen und stellen für viele Mitbürger einen wichtigen Teil ihres Lebens dar.
Ehrenamtliche Mitarbeiter
planen und organisieren neben Angeboten zur Geselligkeit Bildungs- und Kulturangebote, die sich an den Interessen der Besucher
und Besucherrinnen orientieren.
Die Besucher kommen
teilweise schon mehr als 30 Jahre lang
in diese Einrichtungen. Nicht selten
sind die Besuche in der Begegnungsstätte und Teilnahme an den Angeboten in einem vertrauten Kreis für die
Senioren der einzige soziale und gesellschaftliche
Kontakt und wichtigster Termin in der Woche.
Das Erleben von
Gemeinschaft und Zugehörigkeit stärkt die Selbsthilfekräfte, fördert die Integration alleinstehender und -lebender
Menschen und aktiviert deren Eigeninitiative.
Das Gefühl bekannt zu
sein und bei Bedarf Unterstützung zu erhalten, gibt ihnen Sicherheit und fördert die Lebensqualität.
Begegnungsstätten unterstützen
also durch ihre Arbeit das Leben älterer und alter Menschen in der eigenen Häuslichkeit, fördern
Selbstbestimmung und Autonomie und bieten
Strukturhilfen für die Gestaltung des Alltages an.
Zur Unterstützung der
ehrenamtlichen Mitarbeiter der Begegnungsstätten ist in insgesamt 17
Begegnungsstätten – von Juni bis Oktober 2007 - eine Befragung der Besucher und Leiter der Gruppen
durchgeführt worden mit dem Ziel, den aktuellen Angebotsstand der
Einrichtung zu erfassen und Wünsche und Anregungen
zu ermitteln.
Zurück erhielten wir
insgesamt 481 Fragebögen der Besucher/Besucherinnen und 17 der dazugehörigen
Leiter/Leiterinnen. Somit haben sich alle angeschriebenen Begegnungsstätten an
der Aktion beteiligt. Sie können auf die Ergebnisse der Befragung reagieren und
ggf. ihr Angebot optimieren.
Die Inhalte der
Fragebögen sind in der Anlage 1 und 2 nachzusehen.
Die Vorstellung der Ergebnisse der Untersuchung
wird im Sozialausschuss erfolgen.
II. Allgemeines zur Offenen
Altenarbeit
Grundlage der Aktivitäten
in der gemeinwesenorientierten offenen Altenarbeit und der Begegnungsstättenarbeit stellt § 71 des
Sozialgesetzbuches (SGB) XII dar.
Es legt den Anspruch alter
Menschen, die durch altersbedingte Einschränkungen beeinträchtigt sind, auf Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft fest und definiert die
dafür erforderlichen Leistungen
Es heißt u. a.:
1. Es
sollen Leistungen vorhanden sein, dass ältere Menschen sich am gesellschaftlichen
Engagement beteiligen können, soweit es gewünscht wird.
2. Es
sollen Leistungen zum Besuch von Veranstaltungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung, der Bildung oder den
kulturellen Bedürfnissen alter
Menschen dienen, da sein.
III. Zukünftig veränderte Bedarfslagen in der Offenen
Altenarbeit
1. Der
demografische Wandel stellt die Begegnungsstätten vor neuen Herausforderungen. Die Menschen werden insgesamt
älter und verbleiben gleichzeitig immer länger in der eigenen Häuslichkeit. Ihr
Alltag ist geprägt von Erfahrung
altersbedingter Veränderungen, Multimorbidität und damit einhergehende Einschränkungen ihrer Mobilität.
Besonders für alleinlebende Menschen stellt diese
Situation eine Gefahr des Rückzugs
und der sozialen Isolation dar.
Darüber hinaus nimmt die Zahl der zu Hause lebenden
Menschen mit demenziellen
Veränderungen, die durch ihre Angehörigen gepflegt und betreut werden, weiter zu.
Die Pflege von Kontakten, Integration in
gemeinwesenorientierte Netze, die
Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ist erschwert oder nur mit fremder Unterstützung oder auch gar
nicht mehr möglich. Mit diesen
Problemen dürfen die alten Menschen ihre Angehörigen und die engagierten Ehrenamtlichen nicht alleingelassen
werden. Diese Herausforderungen müssen
Grundlage neuer konzeptioneller Standards
für Begegnungsstätten sein, damit sie der Differenziertheit des Alters auch zukünftig gerecht werden können. Waren sie
bisher mehr auf die traditionelle
„Komm-Struktur" und
traditionellen Zielgruppen ausgerichtet, müssen sie zukünftig auch die in ihrer
Mobilität eingeschränkten Menschen in
ihrer Häuslichkeit erreichen.
2. Ebenso
zu beachten ist, dass sich wesentliche soziale und psychische Bedürfnisse nicht
mit dem Alter verändern. Demnach haben ältere und alternde Personen das Bedürfnis, ein aktives, kreatives Wesen
mit sozialen Kontakten und Beziehungen zu sein, wie es auch in der Jugend und
in den vorherigen Altersstufen der
Fall war und das mit einem immer wachsendem Qualitätsanspruch an dem Bestehenden.
IV. Grundsätzliche Folgerungen
1 Ehrenamtliche
Mitarbeiter der neuen Generation und die damit verbundenen Potenziale des Alters müssen gewonnen und für
sie das Arbeitsfeld attraktiv und
bedarfsgerecht gestaltet werden. Dazu dient der Aufbau geeigneter Strukturen, professionelle Angebote zur
(Weiter-)
Qualifizierung und der Aufbau einer belastbaren Kultur der
Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe.
Sollte der Umstrukturierungs- und
Profilentwicklungsprozess gelingen, kann
dies ohne Unterstützung von Hauptamtlichen als Initiatoren nicht geschehen. Den Ehrenamtlichen müssen neben hinreichenden
finanziellen und räumlichen Voraussetzungen vor allem Angebote für eine weitere
Qualifizierung zur Verfügung stehen.
Sie müssen die Chance erhalten, sich motiviert
und mit Freude auf die neuen Aufgaben vorbereiten zu können.
2 Eine
weitere fachliche Herausforderung an die Begegnungsstätte bezieht sich auf die Gestaltung von Angeboten für ältere
Menschen mit Einwanderungsgeschichte.
Neue Arbeitsfelder und neue Konzepte für eine kulturelle und interkulturelle Seniorenarbeit sind
wichtig.
3 Erweiterung
der Begegnungsstätte zu einem Zentrum für alle Altersgruppen der dritten und vierten Lebensphase,
§
das als
Einrichtung für das Leben älterer Menschen und deren Angehörigen im häuslichen Umfeld bekannt ist
§ das kooperiert und sich vernetzt mit anderen
Diensten und Einrichtungen
§
das flexibel
auf aktuelle Bedarfslagen reagiert
§
das
lebendiger, lebhafter Ort für Kontakte ist
§
das von
hochaltrigen, multimorbiden und dementen Menschen besucht wird
§
das Angebote
zur Entlastung pflegender Angehörige bietet
§
das
informiert und berät zu Fragen des Lebens im Alter
§
das Hilfestellung
bietet
§
das für
Menschen attraktiv ist, um sich ehrenamtlich zu engagieren
§
das für
Projekte ein zentraler Treffpunkt ist
§
das offene
Altenarbeit auch als Altersbildung sieht
4 Mit dem veränderten und modernen Bild vom Altern und vom Alter müssen die Begegnungsstätten nicht ausschließlich für ältere Menschen da sein, sondern sich veränderten Bedürfnissen und den jungen Alten öffnen.
Sie sollen Ältere ermutigen, neue Perspektiven und
Sinnorientierungen für das Leben im
Alter zu entwickeln und ihre Potenziale selbst bestimmt einzubringen.
‑
Denn sich nicht weiterzuentwickeln, bedeutet Stillstand. ‑
5 Orientierung
für eine qualifizierte Altenarbeit in den Begegnungsstätten ist an
folgenden 12 Qualitätspunkten der Untersuchung des Forschungsinstitutes Geragogik
e.V. (FoGera) auszumachen:
5.1 Offene Altenarbeit und Altenbildung folgen
differenzierten Altersbildern.
Es muss überlegt werde, ob ein vielfältiges
Programm, das der Heterogenität des
Alters entspricht, angeboten wird.
5.2 Offene Altenarbeit und Altenbildung beachten
milieu- und geschlechtsspezifische
Unterschiede
Passen Milieu, die Senioren und Programme der
Einrichtung zusammen?
5.3 Altenarbeit und Altenbildung ist der einzelne
Mensch mit seinen Bedürfnissen,
Interessen und Ressourcen. Sein Handeln mit anderen für andere und für sich macht Sinn und bereitet
Freude.
Die Bindungskräfte zu alten Inhalten der
Begegnungsstätte lassen nach, das
Motiv aus Tradition sich zu engagieren ist gering ausgeprägt. Es erfolgt ein stark individualisierter Zugang zu
den Programmen. Im Vordergrund stehen
die Motive: Spaß haben, eine sinnvolle Tätigkeit ausüben und an persönlichen Fähigkeiten anknüpfen können. Stimmen die
Programme mit den Bedürfnissen überein?
5.4 Offene Altenarbeit und Altenbildung sind thematisch
und für neue Lerner möglichst offenzuhalten.
§
die
Bereitschaft ist da, sich in neuen Feldern zu engagieren - notwendig
ist, niedrigschwellige Angebote zu schaffen
§
gute Erreichbarkeit
§
kostenadäquate
Angebote
5.5 Offene Altenarbeit und Altenbildung muss sich
transparent darstellen. Das Programm
muss allen Besuchern bekannt sein.
5.6 Offene Altenarbeit und Altenbildung benötigen
einen verlässlichen institutionellen
Rahmen.
5.7 Offene Altenarbeit und bürgerschaftliches
Engagement brauchen Unterstützung in
Form von klaren Ansprechpartnern und
Bereitstellung von Infrastruktur:
personelle
Ressourcen - Versicherung - finanziell
5.7 Offene Altenarbeit und Altenbildung erfordern
qualifizierte Ehrenamtliche und Weiterbildungsmöglichkeiten.
5.8 Offene Altenarbeit und Altenbildung beinhalten eine
Lernherausforderung und tragen zur
Persönlichkeitsentwicklung bei.
In der Praxis soll man sich mit der
Reflexionsfrage auseinandersetzen: Erweitert
das Programm die persönlichen Kompetenzen im Alltagshandeln?
5.9 Offene Altenarbeit und Altenbildung sind
gemeinschafts- und kontaktfördernd
organisiert und ermöglichen generationsübergreifende Aktivitäten.
Sehr viele Besucher nennen das Motiv
Kontakt/Gemeinschaft als Beteiligungsgrund.
Die Angebote sollen dem Wunsch sowohl nach altershomogenen
als auch nach
generationsübergreifenden Lerngruppen gerechnet werden.
Hier bieten sich folgende Reflexionsfragen für
die Praxis:
Gibt es in der Einrichtung Strukturen, die
Partizipation ermöglichen?
Wird das Programm mit den Ältern gemeinsam
entwickelt?
Wird den Senioren die Übernahme von Verantwortung
ermöglicht?
Ein bestimmtes Potenzial an Besuchern, die sich
nicht ehrenamtlich engagieren, würde
sich dieses zukünftig vorstellen können.
Anlagen:
Fragebögen