Betreff
Kommunales Wahlrecht für Ausländer
Vorlage
259/08/1
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Beschluss des Sozialausschusses:

 

Der Sozialausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine, den vom Integrationsrat verabschiedeten Appell zum kommunalen Wahlrecht von Ausländerinnen und Ausländern zu beschließen.

 

Beschluss des Rates:

 

Der Rat der Stadt Rheine beschließt den nachstehend abgedruckten Appell zum kommunalen Wahlrecht von Ausländerinnen und Ausländern.

 

 

 

Appell:

 

„Kommunales Wahlrecht für alle Migrantinnen und Migranten:

Jetzt!

 

Politische Gleichberechtigung muss am Anfang jeder gelungenen Integration stehen! Nur wer die Möglichkeit hat, sich durch die Wahl seiner Vertreterinnen

und Vertreter an der Politik vor Ort zu beteiligen, wird ernst genommen! Diese Menschen sind dann nicht mehr Objekte des politischen Handels, sondern gestalten das Leben in ihrem Umfeld aktiv mit.

 

Nicht jede Migrantin und jeder Migrant, die/der schon seit vielen Jahren in Deutschland lebt, kann oder will aber die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen oder kann dies nur unter erschwerten Bedingungen tun.

 

Deshalb fordern wir das kommunale Wahlrecht für alle Migrantinnen und Migranten, die sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1990 entschieden, dass ein kommunales Wahlrecht auch für Migrantinnen und Migranten nach einer Änderung des Grundgesetzes möglich ist.

 

Der Europarat mit seinen 43 Mitgliedsländern fordert seit Jahren, allen Ausländern mit legalem Aufenthaltsrecht, unabhängig von der Nationalität, das uneingeschränkte aktive und passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene zuzusprechen.

 

Das kommunale Wahlrecht für alle lange hier lebenden Migrantinnen und Migranten ist jetzt durch den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene wieder in das Bewusstsein der Politik gerückt worden. Es muss jetzt darum gehen, den Prüfauftrag aus dem Koalitionsvertrag in eine offensive Politik umzuwandeln, NRW sollte dabei an der Spitze stehen. In der Integrationsoffensive NRW hat sich im Jahr 2001 die Mehrheit der im Landtag vertretenen Parteien für das kommunale Wahlrecht ausgesprochen.

 

Eine demokratische Bürgergesellschaft kann es sich auf Dauer nicht leisten, einen großen Teil ihrer Mitglieder von den elementarsten Mitwirkungsrechten auszuschließen.

 

Deshalb: Kommunales Wahlrecht für alle Migrantinnen und Migranten - Jetzt !“

 


Begründung:

 

Auf die Ausführungen in der Ursprungsvorlage wird verwiesen.

 

In der Diskussion des Tagesordnungspunktes in der Sitzung des Sozialausschusses am 03.06.2008 ergab sich weiterer Klärungsbedarf zu folgenden Fragen:

 

  1. Wie ist der Personenkreis der neu Wahlberechtigten gem. Appell genauer zu umschreiben?
  2. Wie viele Menschen wären von einer Neuregelung in Rheine begünstigt?
  3. Was hält Ausländer von einer Einbürgerung ab, bzw. was ist unter „erschwerten Bedingungen“ im Sinne des Wortlauts des Appells zu verstehen?

 

 

 

 

Aus Sicht des FB 3 (Ausländer- und Einbürgerungsbehörde) wird zu den im Sozialausschuss gestellten Fragen wie folgt Stellung genommen:

 

1. Wie ist der Personenkreis der Neu-Wahlberechtigten gem. Appell genauer zu umschreiben?

 

Bei dem Personenkreis, die im Falle einer Änderung des Wahlrechtes neu wahlberechtigt wären, handelt es sich um Ausländer, die sich seit 5 Jahren mit einem Aufenthaltstitel (befristete Aufenthaltserlaubnis, -befugnis, -bewilligung, Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung) ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten. Die Personen müssen den Aufenthaltstitel während des gesamten 5-Jahres Zeitraumes besessen haben, so dass Personen, die sich z.B. als geduldete Flüchtlinge mehr als 5 Jahre in Deutschland aufgehalten haben, aber erst seit einem Jahr eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, nicht begünstigt würden.

 

2. Wieviele Menschen wären in Rheine von einer Neuregelung begünstigt?

 

Laut Auswertung aus dem Datenbestand des Ausländerzentralregisters würden in Rheine derzeit 850 Ausländer ein kommunales Wahlrecht erhalten

 

3. Was hält Ausländer von der Stellung eines Einbürgerungsantrages ab?

 

Nicht alle Personen, die die zeitlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, können auch die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Häufig liegen Hindernisse im Bereich der Sicherung des Lebensunterhalts, der Sprachkenntnisse oder vorliegender strafrechtlicher Verfehlungen vor.

 

Im Übrigen kann diese Frage aus hiesiger Sicht nur beantwortet werden, wenn man die Aussagen zu Grunde gelegt werden, die potentielle Antragsteller bei Informationsgesprächen bei der Einbürgerungsbehörde machen.

 

Solche Aussagen sind:

 

·         Ich möchte meine alte Staatsangehörigkeit nicht aufgeben.
Anmerkung: Bis auf Angehörige die EU-Staaten muss im Regelfall die alte Staatsangehörigkeit aufgegeben werden, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit erworben werden soll.

·         Ich kann die geforderten Nachweise zu den Sprachkenntnissen nicht erbringen.
Anmerkung: Es muss das Sprachzertifikat mit dem Sprachniveau „B1“ nachgewiesen werden. Mündliche Sprachtests durch die Einbürgerungsbehörde dürfen nicht mehr erfolgen.

·         Mir sind die dabei entstehenden Gebühren sowohl für die Einbürgerung als auch für die Ausbürgerung aus meinem Heimatland zu hoch.
Anmerkung: Die Einbürgerungsgebühr beträgt im Regelfall 255 Euro. Für die Ausbürgerung müssen bei den Botschaften und Konsulaten häufig Beträge von einigen Hundert Euro von den Ausländern gezahlt werden. Das Staatsangehörigkeitsgesetz hält Beträge von bis zu 1278,23 Euro (früher: 2.500DM) für zumutbar, bevor auf eine Ausbürgerung verzichtet wird.

4. Was ist unter „erschwerten Bedingungen“ zu verstehen, unter denen nach
    dem Wortlaut des Appells nur die deutsche Staatsangehörigkeit erworben

    werden kann?

 

Was hier die Verfasser des Appells genau meinen, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

 

Durch die letzten Änderungen im Einbürgerungsrecht werden jedoch insbesondere höhere Anforderungen im Bereich der deutschen Sprachkenntnisse gestellt, was bereits dargestellt wurde. Ab dem 01.09.2008 wird zudem ein Integrationstest für jeden Einbürgerungsbewerber verpflichtend werden. Nähere Einzelheiten dazu sind auch der Einbürgerungsbehörde bislang nur aus Presseveröffentlichung bekannt.