Betreff
Auswirkungen des Kinderförderungsgesetzes (KifÖG) hier: Richtlinien für die Tagespflege
Vorlage
080/09
Aktenzeichen
II-2-51-ga
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

 

Der Jugendhilfeausschuss beschließt, die beigefügten Richtlinien für die Kindertagespflege mit Wirkung vom 01.01.2009 in Kraft zu setzen.

 

Der Beschluss steht unter dem Vorbehalt, dass die notwendigen Haushaltsmittel i.H.v. 133.000,00 € im Haushalt 2009 und im Finanzplanungszeitraum zur Verfügung gestellt werden. 


Begründung:

 

 

1.       Einleitung:

 

Die Kindertagespflege ist neben den Kindertageseinrichtungen ein gleichrangiges Angebot innerhalb eines qualifizierten, vielfältigen und integrierten Systems der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern.

 

Diese Form der Kinderbetreuung soll als qualifiziertes Angebot frühkindlicher Bildung, das die sprachlich-kognitive, körperliche und die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern fördern soll, ausgebaut werden.

 

Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren, beginnend mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz 2005, die Weichen dafür gestellt, die Kindertagespflege weiter zu entwickeln.

 

Zuletzt mit dem Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (KifÖG) vom 15.12.2008 sind Eckpunkte zum Ausbau der Tagespflege und zu dessen Professionalisierung verabschiedet worden.

 

So hat jedes Kind nach der Vollendung des ersten Lebensjahres ab 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.

 

Um diesen Rechtsanspruch umsetzen zu können, ist ein ausreichendes Betreuungsangebot notwendig.

 

In den bisherigen Planungen wird davon ausgegangen, dass bis 2013 zumindest für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen soll. Davon sollen 30% der Betreuungsplätze über die Tagespflege abgedeckt werden.

 

Neben dem quantitativen Ausbau der Kindertagespflege soll jedoch auch die qualifizierte Weiterentwicklung des Angebotes ein her gehen.

 

Dabei soll die Tagespflege als eigenständiges Berufsbild ausgebaut werden. Im Rahmen des KifÖG sind in diesem Kontext zentrale Veränderungen im Bereich der Einkommensbesteuerung, der Kranken- und Pflegeversicherung , der Rentenversicherung und der Unfallversicherung verabschiedet worden.

 

 

2.       Einkommensbesteuerung

 

Ab dem Veranlagungszeitraum Kalenderjahr 2009 sind die laufenden Geldleistungen für öffentlich geförderte Tagespflegepersonen – die sich aus der Erstattung des Sachaufwandes und der Förderleistung für die Betreuung eines Kindes zusammensetzen –, als steuerpflichtige Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu werten.

 

Tagespflegepersonen, die vom Jugendamt oder von der Gemeinde bezahlt werden, müssen damit ab 2009 ihre Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Tagespflegeperson versteuern. ( Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.2008)

 

Bisher waren nur die Tagespflegepersonen steuerpflichtig, die für ihre Leistungen direkt von den Eltern bezahlt wurden.

 

Zu den steuerpflichtigen Einkünften einer Tagespflegeperson gehören alle Einnahmen, die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleiben.

Sie werden als Gewinn bezeichnet.

 

Tagespflegepersonen müssen also nur die Einnahmen versteuern, die ihnen nach Abzug der Betriebsausgaben verbleiben.

 

Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die im Rahmen der Tagespflegetätigkeit für jedes betreute Kind anfallen (anteilige Miete, Heizung, Wasser, Strom, Raumpflege, Spielzeug, Fachliteratur usw.). Tagespflegepersonen können diese Ausgaben direkt über Belege nachweisen oder die Betriebsausgabenpauschale nutzen.

 

Soweit im Einzelfall keine höheren Betriebsausgaben nachgewiesen werden können, gilt ab 2009 eine Betriebsausgabenpauschale von 300,00 Euro monatlich pro Kind bei einer Betreuungszeit von mindestens 8 Stunden pro Tag bei einer 5-Tagewoche. Bei einer geringeren Betreuungszeit wird die Pauschale anteilig (um 1/8) gekürzt.

 

Aus der unten stehenden Tabelle kann abgelesen werden, wie sich die Betriebskostenpauschale bei den unterschiedlichen Betreuungszeiten ändert.

 

Betreuungszeit

Anteilige Pauschale

8 Std./Tag, 5-Tagewoche

300,00 Euro

7 Std./Tag, 5-Tagewoche

262,50 Euro

6 Std./Tag, 5-Tagewoche

225,00 Euro

5 Std./Tag, 5-Tagewoche

187,50 Euro

4 Std./Tag, 5-Tagewoche

150,00 Euro

4 Std./Tag, 4-Tagewoche

120,00 Euro

 

Die Möglichkeit des pauschalen Abzugs der Betriebskosten besteht jedoch nur für die Tagespflegepersonen, die in ihrem eigenen Haushalt oder in eigenen Räumlichkeiten die Betreuung anbieten.

 

Die Tagespflegepersonen, die die Betreuung im Haushalt der Kinder oder in sonstigen geeigneten Räumlichkeiten, z.B. Kindertageseinrichtungen, anbieten, sind verpflichtet, ihre Betriebsausgaben per Einzelbeleg nach-

zuweisen.

 

Der Gewinn ist individuell zu versteuern. Bei einer Steuerquote von 20% ist bei einem monatlichen Gewinn von 600 € ein Betrag von 120 € an Steuern zu entrichten.

 

 

3.       Krankenversicherung und Pflegeversicherung

 

Ab 1. Januar 2009 besteht die Pflicht, Mitglied einer privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung zu sein.

 

Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner eines gesetzlich Krankenversicherten können, unter bestimmten Voraussetzungen, über die Familienversicherung beitragsfrei mitversichert werden.

 

Wer nicht über die Familienversicherung abgesichert werden kann, muss sich freiwillig gesetzlich oder privat versichern.

 

Verheiratete Tagespflegepersonen und Lebenspartner haben grundsätzlich die Möglichkeit, über ihren gesetzlich versicherten Ehepartner beitragsfrei familienversichert zu werden – vorausgesetzt sie erzielen kein durchschnittliches Gesamteinkommen über 360,00 Euro/Monat bzw. 4.320,00 Euro/Jahr.

 

Wer nach Abzug der Betriebsausgabenpauschale über mehr als durchschnittlich 360,00 Euro im Monat Gesamteinkommen erzielt und bisher familienversichert war, kann nicht weiter beitragsfrei bei seinem Ehepartner bzw. Lebenspartner mitversichert werden.

 

Diese Tagespflegepersonen müssen sich freiwillig in einer gesetzlichen oder privaten Krankenkasse versichern.

 

Bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 855,00 € monatlich sind, wenn nicht mehr als 5 Kinder betreut werden, Beiträge in Höhe von ca. 130 € monatlich für die Krankenversicherung zu entrichten. Darüber hinaus gilt der einheitliche Betrag von 14,9%.

 

Die Pflicht, Beiträge in die gesetzliche Pflegeversicherung zu zahlen, ist abhängig vom Bestehen einer Krankenversicherung, unabhängig davon, ob der Versicherte privat oder gesetzlich versichert ist.

 

Nur Tagespflegepersonen, die über ihren Ehepartner in der Familienversicherung beitragsfrei mitversichert sind, müssen keine Pflegeversicherungsbeiträge leisten.

 

Als Bemessungsgrundlage für den Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung gilt auch hier das Gesamteinkommen.

 

Zur Berechnung wird bei nebenberuflich selbständig Tätigen, – wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung, – grundsätzlich von einem Mindesteinkommen von 855,00 € im Monat ausgegangen.

 

Kinderlose müssen einen Beitrag von 2,20 Prozent und Eltern (auch von verstorbenen Kindern) von 1,95 Prozent ihres Gesamteinkommens in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen.

 

Wird diese Mindesteinkommensgrenze bei der Berechnung zu Grunde gelegt, ergibt sich ein Beitrag zur Pflegeversicherung für Kinderlose von ca. 18,00 Euro und für Eltern von ca.16,00 Euro im Monat. Kinder werden auch dann noch bei der Festsetzung der Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung berücksichtigt, wenn sie nicht mehr im Haushalt der Eltern leben.

 

Seitens des Jugendamtes sind nach § 23 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII in der Fassung vom 15.12.2008 hälftigen Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen.

 

Für eine Tagespflegeperson, die über ein monatlich zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 600 € verfügt, ergeben sich Beiträge von ca. 130,00 € für die Krankenversicherung und ca. 16,00 € für die Pflegeversicherung.

Von den gesamten Kosten von 146,00 € bekäme sie seitens des Jugendamtes 73,00 € erstattet. 73,00 € müsste sie aus ihren Einnahmen bezahlen.

 

 

4.       Rentenversicherung

 

Tagespflegepersonen unterliegen der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht, wenn sie nach Abzug der Betriebsausgabenpauschale durchschnittlich mehr als 400,00 Euro im Monat an steuerlichem Gewinn erzielen und selbst keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Tätigkeiten der Tagespflege beschäftigen.

 

Bei vorliegender Versicherungspflicht werden Beiträge in Höhe von 19,9 Prozent des steuerlichen Gewinns fällig.

 

Anders als bei abhängig Beschäftigten wird der Beitrag nicht vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte getragen, sondern Tagespflegepersonen müssen den gesamten Pflichtbeitrag leisten.

 

Öffentlich geförderte Tagespflegepersonen konnten schon in der Vergangenheit  ihre Aufwendungen für eine angemessene Altersvorsorge in Höhe 79,80 € Mindestbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zu Hälfte geltend machen.

 

Nun bekommen die Tagespflegepersonen den hälftigen Beitrag der gesetzlichen Rentenversicherung erstattet. Der Erstattungsbetrag ist steuerfrei.

 

Bei einer Tagespflegeperson, die über ein monatliches zu versteuerndes Einkommen von 600 € verfügt, beträgt der Rentenversicherungsbetrag 119,40 €.

59,70 € müsste das Jugendamt erstatten, 59,70 € muss die Tagespflegeperson aus ihren Einnahmen bezahlen.

 

 

5.       Unfallversicherung

 

Tagespflegepersonen, die regelmäßig fremde Kinder betreuen, gelten unabhängig vom Umfang der ausgeübten Tätigkeit als in der Wohlfahrtspflege selbständig Tätige. Sie unterliegen der gesetzlichen Unfallversicherungspflicht (§ 2 Abs. 1 Nr.9 SGB VII).

 

Zuständig ist die BGW Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und

Wohlfahrtspflege.

 

Die Höhe des Beitrages beläuft sich auf ca. 80,00 € jährlich.

 

Nach § 23 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII umfassen die laufenden Geldleistungen zur Förderung in Kindertagespflege auch die nachgewiesenen Aufwendungen für die Beiträge zur Unfallversicherung.

 

Tagespflegepersonen, die vom Jugendamt bezahlt werden, erhalten ihre nachgewiesen Aufwendungen für die Unfallversicherung zu 100 Prozent erstattet.

 

Auch diese Erstattungen sind steuerfrei.

 

 

6.       Auswirkungen der Steuerpflicht und der Sozialversicherungspflicht

 

Bei Tagespflegepersonen, die über ein regelmäßiges zu versteuerndes Einkommen (im Jahresdurchschnitt) von 360,00 € (Krankenversicherung/Pflegeversicherung) bzw. von 400,00 € (Rentenversicherung) verfügen mindern sich die laufenden Einnahmen erheblich.

 

Eine Tagespflegeperson, die 600,00 € an monatlichem Einkommen erzielt, hat z.B. folgende monatliche Abgaben:

 

Steuern                           20%                      120,00 €

Kranken/Pflege                pauschal                  73,00 €

Rente                              19,9%                     59,70 €

                                      Gesamt:                252,70 €

 

Das Jugendamt zahlt neben den Kosten der Tagespflege zusätzlich 132,70 € Beiträge zur Sozialversicherung. Dazu kommen jährlich 80,00 € für die gesetzliche Unfallversicherung.

 

 

7.       Richtlinien der Stadt Rheine für die Kindertagespflege

 

Bei der Neufassung der Richtlinien und der Anpassung der Entgeltsätze sollen folgende Ziele verfolgt werden:

 

           Die Eignung und Qualifikation der Tagespflegepersonen sollen deutlich beschrieben werden.

 

Das Ziel einer professionellen Tagespflege ist nur zu erreichen, wenn Qualifikationsstandards definiert sind.

 

In den Richtlinien ist die Qualifikation im Rahmen der Qualifikationsstufen nach dem Curriculum des Deutschen Jugendinstituts festgeschrieben worden. Dieses Curriculum ist bundesweit anerkannt und ist auch im Rahmen der Gesetzesbegründungen jeweils als die zentrale Anforderung an Tagespflegepersonen beschrieben worden.

 

In Rheine stehen mit der Familienbildungsstätte und dem Jugend- und Familiendienst zwei Träger der Erwachsenenbildung zur Verfügung, die in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Jugendamtes und des Caritasverbandes die Qualifizierung der Tagespflegepersonen sicherstellen können.

 

Die hälftige Erstattung der Kosten für die jeweilige Ausbildungsstufe soll die Akzeptanz der Ausbildung erhöhen.

 

Mit der Koppelung der Erstattung an die Tätigkeit öffentlich geförderter Tagespflege soll gleichzeitig durch diese Anreizfinanzierung ein langfristiger Ausbau der Tagespflege abgesichert werden.

 

      Die auf die Tagespflegepersonen zukommenden zusätzlichen Belastungen sollen, soweit wie möglich, kompensiert werden.

 

 

         Zur Zeit werden 127 Kinder bei 57 Tagespflegepersonen betreut.

 

                   Der monatliche Aufwand für diese Tagespflegen beträgt nach den “alten” Richtlinien für die Tagesmütter insgesamt ca. 25.000 € .

 

         Bei der nun vorgeschlagenen Erhöhung der Stundensätze von 2,00 € auf 2,50 €, von 3,00 € auf 3,50 € und von 3,50 € auf 4,50 € beträgt der Aufwand unter Berücksichtigung der Rentenversicherung und der Krankenversicherung  ca. 34.000 €.

        

        Für jede einzelne Tagespflegeperson stellt sich die Situation unterschiedlich dar.

 

Die Tagespflegepersonen, die durch die Neuregelung der Krankenversicherung sich selbst versichern müssen, erhalten in der Regel weniger Geld als vor der Neuregelung im Rahmen des KifÖG`s.

 

Hierbei handelt es sich um derzeit 14 Tagespflegepersonen, die zwischen 1,3 % (=15,88 €) und 14,2 % (=98,39 €) weniger erhalten. Dabei ist von einem Steuersatz von 20 % ausgegangen worden. Der zusätzliche Aufwand dieser Tagesmütter durch Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung ist nicht berücksichtigt, da hierdurch Ansprüche für die Zukunft erwirkt werden. Hinzu kommt, dass es sich um Tagespflegen in der höchsten Qualifikationsstufe handelt mit drei und mehr Kindern. Die Vergütung nach den neuen Richtlinien ergibt eine vergleichbare Vergütung angestellter Kinderpflegerinnen.

 

Alle anderen profitieren durch die Erhöhung, wie oben beschrieben.

 

 

8.       Finanzielle Auswirkungen

 

Die oben beschriebenen Veränderungen in der Sozialversicherungspflicht und in der Besteuerung der Tagespflege konnten im Rahmen des Haushaltsplanentwurfes und im Rahmen des Eckdatenbeschlusses zum Haushalt 2009 noch nicht berücksichtigt werden, da die Verabschiedung des KifÖG`s und die Veränderung des Bundessteuerblattes erst im Dezember 2008 erfolgte.

 

Unter Berücksichtigung der derzeit bestehenden Tagespflegeverhältnisse ergibt sich bei der Erhöhung der Stundensätze und der festgeschriebenen Beteiligung an den Sozialversicherungsbeträgen ein Mehraufwand von 133.000 € jährlich zum Entwurf des Haushaltsplanes 2009.

 

 


Anlage:

 

Richtlinien Tagespflege