Betreff
Einrichtung einer Beratungsstelle für homosexuelle Frauen und Männer Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vorlage
150/10
Aktenzeichen
FB 2/50-ha
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss beschließt, dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Einrichtung einer Beratungsstelle für homosexuelle Frauen und Männer in der Stadt Rheine nicht zu entsprechen.

 


Begründung:

 

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte am 17. November 2009 den Antrag auf Einrichtung einer Beratungsstelle für homosexuelle Frauen und Männer an den Rat der Stadt Rheine (Anlage 1). Der Antrag wurde am 1. Dezember 2009 im HFA zur Kenntnis genommen und zuständigkeitshalber in den Sozialausschuss verwiesen.

 

Die Recherchen der Verwaltung, wo und welche Beratungsangebote es zu dieser Thematik gibt, ergeben folgenden Sachverhalt:

 

Sexualität ist für Menschen eine wichtige Quelle für die eigene Lebensenergie von der Kindheit an bis ins hohe Alter. Sie „ist ein natürlicher Teil der menschlichen Entwicklung in jeder Phase des Lebens und umfasst psychische, psychologische und soziale Komponenten“ (WHO Definition 1994).

Die Sexualpädagogik und -beratung sind im Bundesgesetz über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung sowie im Schwangeren- und Familiengesetz verankert.

 

Beratungsangebote im Kreis Steinfurt

 

Im Kreis Steinfurt gibt es seit über 20 Jahren die sexualpädagogische Arbeit. Die Beratung hat sich in dieser Zeit von einer „reinen Aidsprophylaxe“ zu einer ganzheitlichen Sexualaufklärung und -beratung entwickelt. Seit über 10 Jahren besteht eine enge Kooperation zwischen der Arbeiterwohlfahrt Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen, Fachbereich Aidsprävention und Sexualpädagogik (Münster), und der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Steinfurt, die professionelle Aufklärung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene rund um die Themen „Liebe, Freundschaft und Sexualität“ gewährleisten. Mit dem Projekt „Liebesleben“ (siehe auch nachgehende Erläuterungen) mit insgesamt 109 schulischen Veranstaltungen im Jahr 2009 wurden ca. 3.000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Das Projekt bietet dabei eine wichtige und notwendige Ergänzung zur Sexualaufklärung sowohl im Elternhaus als auch der eher biologisch ausgestalteten leistungs- und lernorientierten Aufklärung in der Schule. Gerade zu den unabhängigen externen Fachkräften kann ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, und das niedrigschwellig angesetzte Projekt „Liebesleben“ bietet die Möglichkeit zu weiteren (gegebenenfalls anonymisierten) Kontakten mit von den Jugendlichen stark akzeptierten Medien, wie der Chatberatung, da sich häufig aus dem Gelernten im Nach­hinein Fragen ergeben. Der Sexualpädagoge der AWO bietet wöchentlich einen festen Beratungstag für die Telefon- oder Chatberatung an.

 

Schwerpunktmäßig richtet sich das Präventionsangebot an die allgemeinbildenden Schulen im Kreis, primär die Klassen 6 bis 10. Jede Veranstaltung umfasst 5 Unterrichtsstunden plus Vor- und Nachbereitung und wird möglichst nach den Grundsätzen geschlechterspezifischer Arbeit als Mann-Frau-Team durchgeführt. Ziel ist es, durch einfühlsame und zeitgemäße Vermittlung von Fakten die Jugendlichen dazu zu befähigen, selbstbewusst und selbstbestimmt mit ihrer Sexualität umzugehen, ihre Reflexions- und Entscheidungsfähigkeit zu fördern.

 

Das große Interesse der Schulen an qualifizierter sexualpädagogischer Arbeit dokumentieren die seit Jahren steigenden Anfragen an den Projekten. Das Projekt „Liebesleben“ war 2009 und ist für 2010 bereits komplett ausgebucht. Zehn Schulen stehen auf der Warteliste für 2011. Aufgrund dieses bestehenden Bedarfes hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe unter Berücksichtigung der Vorgabe, ein plurales wohnortnahes Angebot zu gewährleisten, dem Antrag des Kreises auf Förderung einer 0,5-Fachstelle (80 % Personalkosten und 4.000,00 € Sachkostenpauschale) zugestimmt. Die Förderung ist gebunden an die Einrichtung einer zusätzlichen Fachkraftstelle in der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Steinfurt, die seit dem 1. Februar 2010 mit einer männlichen Fachkraft besetzt worden ist, die in erster Linie im Projekt „Liebesleben“ mitarbeiten wird.

 

Projekt „Liebesleben“

 

Die Vielfalt der verschiedenen Facetten zum Thema Sexualität, u. a. auch sexuelle Orientierung und sexuelle Identität, greift das Projekt „Liebesleben“ mit seiner sexualpädagogischen Arbeit in den Präventions- und Aufklärungsveranstaltungen auf. Das Projekt „Liebesleben“ ist, wie bereits beschrieben, eine Kooperation der AWO Münster mit der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Steinfurt und dem Kinderschutzbund in der Stadt Rheine (sexualpädagogische Arbeit mit Kindergarten- und Grundschulkinder). Die Kooperationspartner arbeiten präventiv und beratend, um die Kinder und Jugendlichen sowie jungen Menschen in ihrer sexuellen Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen.

 

Ein neues Beratungsangebot des Projektes „Liebesleben“ zum Thema „Sexuelle Vielfalt“ ist ein Beratungstreff für, wie der Sexualpädagoge der AWO es benennt, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Co., die im Kreis Steinfurt wohnen. Dazu müssen die Angesprochenen (Jugendliche/junge Erwachsene) erst Kontakt zur AWO-Sexualberatung aufnehmen.

 

Die seit Jahren bestehende gute Kooperation zwischen den Trägern wird selbstverständlich fortgeführt, so die Aussage der Kreisverwaltung Steinfurt, da das sexualpädagogische Konzept „Liebesleben“ im Kreis in Absprache schwerpunktmäßig die Zielgruppe der Jugendlichen anspricht, Klasse 6 bis 10. Es wird daher keine Konkurrenz zu den anderen Anbietern im Kreis geschaffen. Die sexualpädagogische Arbeit der pro familia Münster und des Kinderschutzbundes Rheine, die bislang hauptsächlich den Kindergarten- und Grundschulbereich sowie die Zielgruppen, wie Menschen mit Behinderung, abdeckt, bildet damit eine sinnvolle Synergie zu einem ganzheitlichen Konzept sexualpädagogischer Arbeit im Kreis Steinfurt.

 

pro familia Münster

pro familia Münster, Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung, bietet qualifizierte Dienstleistung auf den Gebieten Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung. Sie wird hauptsächlich durch Landesmittel, Mittel der Stadt Münster und Spenden finanziert. Das Beratungsangebot „Sexual- und Partnerberatung“ in Form von Einzel- oder Paargesprächen wird für heterosexuelle, homo- und bisexuelle Menschen (Jugendliche und Erwachsene) angeboten.

Aus den Grundrechten auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und Menschenwürde, so der Wortlaut von pro familia, folgt das Recht jedes Menschen, seine sexuelle Orientierung und seine sexuellen Beziehungen frei zu wählen und sein Leben entsprechend einzurichten, soweit nicht andere dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt werden. pro familia wendet sich daher gegen die gesellschaftliche und rechtliche Diskriminierung homosexueller Frauen und Männer und setzt sich dafür ein, dass die Sexualität älterer Menschen und die Sexualität körperlich und geistig behinderter Menschen akzeptiert und geachtet wird. pro familia sieht sich der Vorbeugung und dem Zurückdrängen sexualisierter Gewalt verpflichtet.

Ein zusätzliches Beratungsangebot wird von pro familia in der Stadt Emsdetten vorgehalten, eine Dependance/Außensprechstunde der pro familia Münster mit wöchentlich 6 Stunden, davon 2 sogenannte offene Sprechstunden, ohne dass die Personen sich anmelden müssen. Die Sexualberatung kann persönlich, telefonisch oder per E-Mail in Anspruch genommen werden.

 

Treten Besonderheiten, wie z. B. eine psychische Erkrankung bei dem jugendlichen oder erwachsenen Klienten auf, werden diese Personen an medizinisch und psychologisch ausgebildete Therapeut(inn)en im Kreis Steinfurt vermittelt.

 

Es gibt differenzierte Beratungsangebote in Sexualpädagogik und Sexualberatung auch für homosexuelle Menschen im Kreis Steinfurt. Eine Ausweitung des bestehenden Beratungsangebotes ist aus Sicht der Verwaltung, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzsituation der Stadt Rheine, nicht vertretbar.

 


Anlage:

 

Anlage 1:     Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN