Der Rat der Stadt
Rheine nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Trägerschaft der Berufskollegs
zur Kenntnis und beauftrag die Verwaltung in einem zweistufigen Verfahren
vorzugehen:
1. Die Verwaltung führt abschließende Gespräche mit dem Kreis Steinfurt zum Wechsel der Trägerschaft der städtischen Berufskollegs. Der Kreis Steinfurt soll die Trägerschaft und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen übernehmen. Derzeitige städtische Immobilien, Grundstücke und das Inventar sind an dem Kreis Steinfurt zu marktüblichen Konditionen zu verkaufen. Im Rahmen der Vereinbarungen sind städtische Bedienstete durch den Kreis Steinfurt zu übernehmen. Beschlüsse des Rates zur Budgetierung und zum Medienentwicklungsplan sind vertraglich abzusichern.
Ist diese Lösung nicht
möglich wird die Verwaltung beauftragt:
2. Ein
Gespräch mit der Bezirksregierung Münster über einen vorübergehenden Wechsel
der Trägerschaft der städtischen Berufskollegs zum Kreis Steinfurt mit dem Ziel
die Trägerschaft wieder bei der Stadt Rheine anzusiedeln, sobald sich die
finanziellen Umstände wiederum zugunsten der Stadt Rheine geändert haben
(Umsetzung Ifo-Gutachten
Begründung:
Zur Begründung wird zunächst auf den als Anlage 1 beigefügten Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Rheine vom 06. April 2010 verwiesen.
Die Verwaltung gibt zur Thematik
folgende (ergänzende
Die Stadt Rheine ist seit über 125 Jahre Trägerin von Berufsschulen und anderen berufsbildenden Schulen in Rheine. Diese Aufgabe hat sie freiwillig übernommen. Denn nach § 78 Abs. 2 und 4 des SchulG NRW sind die Kreise und kreisfreien Städte verpflichtet, Bildungsgänge der Berufskollegs zu errichten und fortzuführen.
In den vergangenen fast 50 Jahren hat es mehrfach Diskussionen und Verhandlungen um die Trägerschaft der Beruflichen Schulen in Rheine gegeben. So sind Anfang der sechziger Jahre zwischen der Stadt Rheine und dem Kreis Steinfurt unter Einschaltung des Regierungspräsidenten Münster intensive Verhandlungen geführt worden, die mit der Feststellung endeten, dass aus schulorganisatorischen und pädagogischen Gründen keine Notwendigkeit für einen Wechsel in der Schulträgerschaft für das berufsbildende Schulwesen in Rheine besteht. Gleichzeitig wurde eine Lösung gefunden, die die Stadt Rheine durch eine finanzielle Beteiligung des Kreises Steinfurt bei den Kosten für die Beruflichen Schulen entlastete.
Seit 1970 berücksichtigt das Land
im Rahmen des Gemeindefinanzausgleichs (GFG
Nach dieser „Öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Errichtung und Fortführung von Berufsschulen und anderen berufsbildenden Schulen und die Zahlung von Schulkostenbeiträgen Kreis Steinfurt – Stadt Rheine vom 08.11./08.12.1976“ zahlt der Kreis Steinfurt an die Stadt Rheine zu den Kosten der in ihrer Trägerschaft befindlichen Berufsbildenden Schulen einen Schulkostenbeitrag von 2/3 des jährlichen Zuschussbedarfs bei Anrechnung der auf Berufsschüler entfallenden Schlüsselzuweisungen abzüglich der darauf entfallenden Kreisumlage, jeweils nach dem Rechnungsergebnis. Die Kosten für Schulneubauten und Schulerweiterungen wurden dabei nicht berücksichtigt.
Über Jahre hinweg führte diese Vereinbarung auch aus Sicht der Stadt Rheine zu einer sachgerechten Verteilung der Kosten für die Beruflichen Schulen in Rheine. Das änderte sich aber mit zunehmender Zeit. Bereits im Jahr 2000 verblieben bei der Stadt Rheine erhebliche Folgelasten, die sie mit Rücksicht auf die sich auch damals verschlechterten finanziellen Rahmenbedingungen nicht mehr tragen wollte. Im Dezember 2000 trat deshalb der damalige Bürgermeister der Stadt schriftlich an den Landrat des Kreises Steinfurt heran und verdeutlichte die Notwendigkeit, die Finanzierung der Beruflichen Schulen in Rheine zu überdenken und gemeinsam nach neuen Lösungen zu suchen. Auf Vorschlag der Stadt Rheine wurde eine Arbeitsgruppe aus Beteiligten des Kreises Steinfurt und der Stadt Rheine eingerichtet, die schon damals verschiedene Lösungsmodelle eines Trägerwechsels entwickelte. Allerdings wurden die Gespräche aufgrund „politischer Intervention“ seinerzeit nicht weitergeführt.
Mit Einführung der Schulpauschale im Rahmen des GFG zum 01.01.2002, mit der die Einzelförderung von investiven Bau- und Einrichtungskosten abgelöst wurde, ergab sich die Notwendigkeit der Anpassung der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, die aber in ihren Grundbestandteilen bestehen blieb. Am 01.09.2006 wurde eine neue öffentlich-rechtliche Vereinbarung unterzeichnet, die die Vereinbarung aus dem Jahr 1976 ersetzte. Nach § 5 gilt diese Vereinbarung „bis der Kreis Steinfurt und die Stadt Rheine ihr Rechnungswesen auf das NKF umgestellt haben.“ Bekanntlich hat die Stadt Rheine ihr Rechnungswesen bereits zum 01.01.2006, der Kreis Steinfurt allerdings erst zum 01.01.2008 umgestellt.
Aufgrund eines Auftrages aus der
Strategie- und Finanzkommission hat die Verwaltung mit Schreiben vom 25.10.2007
dem Kreis Steinfurt vorgeschlagen, in der ab dem 01.01.2008 notwendigen neuen
öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vor dem Hintergrund des stetigen Anstiegs
der auswärtigen Schüler (2006: 2.429 von
4.340 Schüler = 56 %
Der Kreis Steinfurt hatte
inzwischen festgestellt, dass er auf Basis der Zahlen des GFG 2008 bei einer
Trägerschaft für die Berufskollegs in Rheine Schlüsselzuweisungen aus dem
Schüleransatz von rd. 2,5 Mio. Euro erhalten würde, wo hingegen die Stadt
Rheine nur rd. 1,5 Mio. Euro erhalte. Nach Gegenrechnung der Landschaftsverbandsumlage
verblieben dem Kreis Steinfurt Mehrerträge in Höhe von 0,8 Mio. Euro. (Anmerkung: Ursache sind wohl inzwischen auch
im Innenministerium NRW erkannte „Unstimmigkeiten“ bei der 2. Gewichtungsstufe
im Schüleransatz; es ist beabsichtigt, sie mit der Umsetzung des Ifo-Gutachtens
zu bereinigen; ein genauer Zeitpunkt ist im Moment nicht sicher bekannt.
Demzufolge konzentrierten sich die seither mit dem Kreis Steinfurt in dieser Sache geführten Gespräche auf einen Trägerwechsel, der – eine Zustimmung des Regierungspräsidenten vorausgesetzt – auch temporär erfolgen könnte, da eine Korrektur der Schlüsselzuweisungen aus dem Schüleransatz zeitnah erwartet wird. Über die Inhalte und den Stand der in dieser Sache mit dem Kreis Steinfurt geführten Gespräche hat die Verwaltung in der Strategie- und Finanzkommission am 08.09.2008, im Rat der Stadt am 09.12.2008 sowie in der Fraktionsvorsitzendenbesprechung am 16.02.2009 berichtet. In den Berichten hat die Verwaltung – wie schon zuvor – nochmals deutlich hervorgehoben, dass es bisher keinen klaren politischen Auftrag bezüglich der inzwischen eingeleiteten Verhandlungen über einen eventuellen Trägerwechsel zum Kreis Steinfurt gebe. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das letzte Arbeitsgruppengespräch fand am 18.02.2009 statt. Aufgrund „politischer Interventionen“ wurden die Gespräche nicht weitergeführt.
Der Landrat hat mit Schreiben vom 25.01.2010 die Initiative zur Wiederaufnahme der Verhandlungen im Zusammenhang mit der Schulträgerfrage ergriffen. Hierüber hat die Verwaltung in der Fraktionsvorsitzendenbesprechung am 01.02.2010 informiert. Im Antwortbrief vom 04.02.2010 wurde der Landrat vor Wiederaufnahme der Gespräche gebeten, ein Spitzengespräch mit Herrn Regierungspräsident Dr. Peter Patziorek zu koordinieren, in dem geklärt werden sollte, ob ein Trägerwechsel für die Berufskollegs Rheine mit der gleichzeitigen Option einer Rückübertragung grundsätzlich genehmigungsfähig ist. In der Strategie- und Finanzkommission am 08.02.2010 wurde über den aktuellen Sachstand informiert.
Auf Initiative des Landrates fand am 06.04.2010 zur Vorbereitung des Spitzengespräches mit dem Regierungspräsidenten ein weiteres Gespräch statt, über das in der Fraktionsvorsitzendenbesprechung am 12.04.2010 informiert wurde.
In dem vorgenannten Gespräch
wurde u. a. vereinbart, dass zunächst die Frage der Gültigkeit oder des
Fortwirkens der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vom 01.09.2006 geprüft
wird. Nach der vorliegenden rechtlichen Einschätzung der städtischen
Rechtsabteilung hat die öffentlich-rechtliche Vereinbarung zum 01.01.2008 ihre
Gültigkeit verloren. Die Rechtsabteilung des Kreises Steinfurt kommt allerdings
zu einem völlig anderen Ergebnis. Nämlich, dass die öffentlich-rechtliche
Vereinbarung zum 01.01.2008 noch nicht ihr Ende fand. In dieser Frage besteht
noch weiterer Klärungsbedarf (Anlage 2:
Vermerk des Rechtsamtes der Stadt Rheine zur Trägerschaft der Berufskollegs der
Stadt Rheine, Anlage 3: Rechtliche
Stellungnahme des Rechtsamtes des Kreises Steinfurt zur Frage der
Schulträgerschaft des Berufskollegs Rheine
Die Verwaltung hat in allen
bisherigen Gesprächen deutlich gemacht, dass der Kreis Steinfurt bei einem
endgültigen Trägerwechsel der Berufskollegs in Rheine die Vermögensbestandteile
(Grundstücke, Gebäude und Inventar
Unabhängig von dem seit 2008
eingetretenen und oben bereits geschilderten erheblichen Ungleichgewicht bei
den Schlüsselzuweisungen aus dem Schüleransatz sind in der Vergangenheit durch
die vereinbarte Kostenteilung zusammen gerechnet der Stadt und dem Kreis gemeinsam
deutlich höhere finanzielle Lasten entstanden (z.B. 2004: 608 T€, 2005: 693 T€,
2006: 717 T€
Die nachfolgend dargestellten schulfachlichen Aspekte einer Trägerschaft durch die Stadt Rheine werden für eine Gesamtwürdigung des zu beschließenden Vorgehens erläutert und sprechen aus fachlicher Sicht für eine Beibehaltung des status-quo.
Schulfachliche Aspekte:
1. Die Stadt Rheine hat es sich insbesondere zur Aufgabe gemacht, den Bildungsstandort Rheine auszubauen. Eine Stadt, die nur über die Entwicklung des allgemeinbildenden Schulwesens entscheidet, kann eine kommunale Bildungslandschaft nur unvollständig aufbauen. Sie überließe dem Kreis die Säule des Bildungssystems, die wie keine andere flexibel auf den immer schneller werdenden gesellschaftlichen Wandel mit seinen sich verändernden Anforderungen in Wirtschaft und Beruf reagieren kann.
Der Gesetzgeber hat die Berufskollegs bewusst mit einem
rechtlichen Rahmen ausgestattet, der es ihnen erlaubt, aus einer immensen
Vielfalt attraktiver und innovativer Bildungsgänge (Schulformen
Als Beispiele seien nur der Bildungsgang
„Informationstechnische Assistenten“ am
Nicht mehr aktuelle Bildungsgänge werden andererseits nicht künstlich am Leben gehalten, sondern eingestellt.
Wäre die Versorgung mit solchen Bildungsangeboten gefährdet,
wenn die Trägerschaft der Berufskollegs von der Stadt Rheine auf den Kreis
Steinfurt überginge?
Ein Beispiel mag diese Frage beantworten: Das „Wirtschaftsgymnasium“ und das „Technische Gymnasium“, die beide die Bildungslandschaft vor Ort und für den Kreis stark bereichert haben und qualifizierte Schüler aus dem ganzen Kreis anziehen, wären bei einer Kreisträgerschaft in dieser stark frequentierten Form wahrscheinlich nicht in Rheine, sondern in Steinfurt bzw. Emsdetten gegründet worden, denn auf Kreisebene gelten andere „übergeordnete“ Entscheidungskriterien, die auf die Interessen der Stadt Rheine in der Regel wenig Rücksicht nehmen werden.
Die Schulleitungen entwickeln viel Eigeninitiative bei der Initiierung von attraktiven und innovativen Bildungsgängen. Ihre dezidierte Kenntnis des örtlichen Arbeitsmarktes und der Bedarfssituation der Unternehmen ist dabei unverzichtbar.
Nur wenn die Stadt Rheine bei den Koordinationsgesprächen mit dem Kreis „mit am Tisch sitzt“, kann sie ihr Gewicht als bedeutendste Stadt des Kreises Steinfurt und zweitgrößter Schulstandort im Münsterland geltend machen und wirksam die Standortentscheidung in ihrem Sinne beeinflussen.
Denn die Vielzahl und Attraktivität der Bildungsgänge macht die Kollegs attraktiv. Hierauf hat die Stadt Rheine in der jetzigen Konstellation als Träger einen großen Einfluss.
2. Die beiden Berufskollegs der Stadt Rheine sind Standorte einer Vielzahl von Bezirksfachklassen, die die ortsnahe Beschulung im Bereich der dualen Berufsausbildung sichern.
Die heimische Wirtschaft fordert von den Berufskollegs, dass sie ein breites Spektrum von Ausbildungsberufen möglichst ortsnah vorhalten und flexibel auf die Wünsche der Unternehmen hinsichtlich der Unterrichtstage reagieren.
Die ortsnahe Beschulung sichert, dass die Abwesenheit der Auszubildenden vom betrieblichen Arbeitsplatz an den Berufsschultagen minimiert ist, eine wesentliche Forderung in der Debatte um den Ausbildungskonsens. Ortsnahe Beschulung, das ist wissenschaftlich nachgewiesen, ist eine der Voraussetzungen für eine hohe Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen, wie auch die Möglichkeit der Berufsschulen, flexibel auf die Wünsche der Ausbildungsbetriebe hinsichtlich der Unterrichtstage zu reagieren. Letzteres ist nur möglich bei einer Mehrzügigkeit einer Fachklasse an einem Standort.
Eine Überführung der Trägerschaft hätte zur Folge, dass die beiden Berufskollegs in Rheine auf die Einzugsbereiche Stadt Rheine und Neuenkirchen reduziert würden und die Bezirksfachklassen voraussichtlich an den Schulen mit dem größten Einzugsbereich, den Wirtschaftschulen des Kreises Steinfurt und den Technischen Schulen des Kreises Steinfurt, angesiedelt würden.
3. Die Berufskollegs sind nicht nur durch die ortsnahe Beschulung in der dualen Berufsausbildung, ihre berufsvorbereitenden Vollzeitschulformen und durch die berufsbegleitenden Weiterbildungschulformen eine der Säulen der Wirtschaftsförderung der Stadt Rheine. Sie kooperieren darüber hinaus in der dualen Ausbildung und in der Weiterbildung in Projekten und Ausschüssen eng mit der heimischen Wirtschaft und den Kammern. Der unmittelbare Nutzen dieser Kontakte ginge bei einem Schulträgerwechsel auf den Kreis über.
4. Es
sei auf einen Aspekt hingewiesen, der mit der Wirtschaftsförderung eng verbunden
ist. Der Einzugsbereich der Rheiner Berufskollegs reicht ins benachbarte
Niedersachsen hinein. Daraus erwächst für die Stadt Rheine der positive Effekt,
dass dem Arbeitsmarkt in Rheine und im Kreis qualifizierte Jugendliche aus dem
Umland, die hier zur Schule gehen, zur Verfügung stehen. Ein nicht zu
unterschätzender Nebeneffekt ist, dass eine Bindung der hier beschulten jungen
Menschen auf Dauer hergestellt wird (Kaufkraftbindung mit Multiplikatorenwirkung
Die Stadt Rheine übernimmt für die Schüler/innen aus Niedersachsen keine Schülerfahrkosten. Sie bekommt für sie aber vom Land NRW Schlüsselzuweisungen.
Fazit
Die Verwaltung schlägt deswegen unter Würdigung aller fiskalischen, fachlichen und rechtlichen Aspekte ein zweistufiges Verfahren vor, in dem der Wechsel der Trägerschaft der städtischen Berufskollegs erste Priorität hat.
Dann muss der Kreis Steinfurt die Trägerschaft und alle
sich daraus ergebenden Verpflichtungen übernehmen, die da vor allem sind:
Verkauf der städtischen Immobilien (einschließlich der Grundstücke
Im Hinblick auf die maßgebende Schulstatistik zum 15. Oktober 2010 muss der Trägerwechsel zu diesem Datum vollzogen sein, damit er im GFG 2011 wirksam werden kann.
Sollte der Kreis Steinfurt dem nicht zustimmen wird eine Interimslösung angestrebt, die einen vorübergehenden Wechsel der Trägerschaft von der Stadt Rheine zum Kreis Steinfurt vorsieht. Hierzu ist mit der Bezirksregierung Münster abzuklären, ob eine Interimslösung Genehmigungsfähig ist.
Anlagen:
Anlage 1 – Antrag der SPD-Fraktion vom 06.04.2010
Anlage 2 – Vermerk des Rechtsamtes der Stadt Rheine zur Trägerschaft der Berufskollegs der Stadt Rheine
Anlage 3 – Rechtliche Stellungnahme des Rechtsamtes des Kreises Steinfurt zur Frage der Schulträgerschaft des Berufskollegs Rheine.