Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Rat
der Stadt Rheine fasst folgenden Beschluss:
1. Es
verbleibt grundsätzlich bei der gem. § 3 Abs. 3 der Gewerberechtsverordnung von
05.00 Uhr bis 06.00 Uhr gültigen Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften.
2. Für
die Zulassung von Ausnahmen von diesem Grundsatz wegen Vorliegen eines
öffentlichen Bedürfnisses wird die in der Anlage 1 enthaltene Verordnung von
der Stadt Rheine als örtliche Ordnungsbehörde beschlossen.
3. Die
Verwaltung wird ausdrücklich aufgefordert, die Einhaltung der Sperrzeit auch in
Zukunft aktiv zu kontrollieren. Festgestellte Verstöße sind als
Ordnungswidrigkeiten zu ahnden.
4. Der
zuständige Fachbereich Recht und Ordnung wird nach einem Jahr dem Haupt- und
Finanzausschuss über die Erfahrungen und Entwicklungen im Zusammenhang mit der
Sperrzeitproblematik sowie die durchgeführten Kontrollen und ggf. festgestellten
Verstöße sowie eingeleiteten Maßnahmen berichten.
Begründung:
I. Allgemeines
Die Sperrzeit ist geregelt in § 3 Abs. 3 der
Gewerberechtsverordnung. Danach beginnt die Sperrzeit um 05.00 Uhr und endet um
06.00 Uhr.
Unter Sperrzeit ist die Zeitspanne zu verstehen,
während der die Leistungen des Betriebes den Gästen nicht dargeboten und die
Gäste nicht in den Betriebsräumen verweilen dürfen. Zweck der Sperrzeit ist es,
die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen, insbesondere die Nachtruhe.
Im Übrigen dient sie sowohl dem Arbeitsschutz wie auch der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs.
Bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder
besonderer örtlicher Verhältnisse kann die Sperrzeit durch ordnungsbehördliche
Verordnung gemäß § 3 Abs. 5 der Gewerberechtsverordnung allgemein verlängert,
verkürzt oder aufgehoben werden. Die Entscheidung ist also bei Vorliegen einer
dieser Voraussetzungen in das Ermessen des zuständigen Rates der Stadt Rheine gestellt.
Dabei
ist zu beachten, dass ein öffentliches Bedürfnis nicht bereits dann vorliegt, wenn zwar ein Interesse von Bürgern
z.B. nach Aufhebung der Sperrzeit besteht, aber die Befriedigung dieses Bedarfs
dem Gemeinwohl zuwiderläuft. Hierbei ist auch die Lage des jeweiligen Betriebes
oder Gebietes zu beachten. Es reicht als Argument somit keineswegs aus, dass
die Leistungen der Gastronomiebetriebe nach 5.00 Uhr nachgefragt werden oder
aber den Gastronomiebetrieben möglicherweise Einnahmeverluste entstehen.
Vielmehr ist eine Betrachtung auch der Auswirkungen von verlängerten Öffnungszeiten,
insb. auch der Auswirkungen im Umfeld der relevanten Betriebe im Diskothekenbereich
vorzunehmen.
II.
Diskussion über die Sperrzeit in der Stadt Rheine
Seit einiger Zeit wird nunmehr zum Thema Sperrzeit
in Gastronomiebetrieben eine Diskussion geführt.
Auf die umfangreiche Berichterstattung in der lokalen Presse wird zunächst
verwiesen. Diese Diskussion hat der
Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) zum Anlass genommen, mit der
Stadt Rheine in einen Dialog zu treten. Dabei verfolgt der Verband im Interesse
seiner Mitglieder das Ziel der Aufhebung der Sperrzeit.
Als wichtige Argumente für die Aufhebung der
Sperrzeit wurden durch den Verband genannt, dass Rheine in Bezug auf das
Nachtleben der Bürgerinnen und Bürger mit seinem Angebot im kommunalen
Vergleich nachstehen würde. Insb. im Vergleich zu einer Großraumdiskothek in
Schüttorf würden sich Nachteile ergeben. Zudem würden die Betreiber von Diskothekenbetrieben
in Rheine bei Aufhebung der Sperrzeit nach wie vor Sicherheitsaspekte nicht
vernachlässigen, sondern im Gegenteil dazu noch den bewährten Sicherheitsdienst
ausbauen und auf andere Bereiche, wie den Marktplatz, ausdehnen wollen.
Als weitere Argumente, die sich in der öffentlichen
Diskussion ergaben, waren genannt worden, dass sich das „Ausgehverhalten“
insgesamt zeitlich nach hinten verlagert habe. Eine Sperrzeitaufhebung würde
zudem für eine entspanntere Situation bei Schließung der Gaststätten sorgen als
dies zurzeit der Fall sei. Heute würden wegen des Sperrzeitbeginns einige
Hundert Gäste gleichzeitig die Lokale verlassen und nicht genügend Taxen in Anspruch
nehmen können.
Die Diskothekenbetreiber im Bereich der Innenstadt
verwiesen vor allem auf wirtschaftliche Verluste durch die Schließung der
Lokale um 05.00 Uhr.
Am 26.04.2010 fand mit den Vertretern der im Rat
der Stadt Rheine vertretenen Fraktionen, des DEHOGA-Ortsverbandes sowie mit der
Geschäftsstellenleitung der DEHOGA-Westfalen, mit Vertretern der Polizeiwache
Rheine und Vertretern der Verwaltung ein „Runder Tisch“ statt, bei dem die unterschiedlichen
Diskussionsstandpunkte offen und vollumfänglich ausgetauscht werden konnten.
Im Übrigen wurde die Kreispolizeibehörde um
Stellungnahme gebeten, da insb. auch polizeiliche Sicherheitsaspekte bei der
Entscheidung zu berücksichtigen sind. Die am 17.05.2010 eingegangene
Stellungnahme ist dieser Beschlussvorlage als Anlage 2 beigefügt. Quintessenz
ist dabei, dass eine grundsätzliche Aufhebung der Sperrstunde aus polizeilicher
Sicht nicht mitgetragen werden kann. Vielmehr sei eine Einhaltung der Sperrzeit
sowie deren konsequente Überwachung und Ahndung bei Verstößen angezeigt.
III.
Bewertung
Nach Abwägung aller vorgebrachten Argumente schlägt
die Verwaltung vor, dass die Sperrzeit grundsätzlich weiter von 05.00 Uhr bis
06.00 Uhr beibehalten werden soll. Nur ausnahmsweise soll für bestimmte Tage
eine Aufhebung der Sperrzeit durch ordnungsbehördliche Verordnung zugelassen werden.
Hierfür sind folgende Gründe maßgebend:
Baurechtliche
Aspekte und Lärmschutz
Vor
allem kommen zunächst baurechtliche Gesichtspunkte zum Tragen. In Rheine ist
Wohnbebauung im Kerngebiet im 1. Obergeschoss zulässig. Hingewiesen wird in
diesem Zusammenhang auf die langjährigen Bemühungen von Politik und Verwaltung
das innerstädtische Wohnen attraktiv zu gestalten, um der Verödung der
Innenstadt entgegen zu wirken. Hierbei muss auch dem Ruhebedürfnis der Anwohner
durch eine Sperrzeit Rechnung getragen werden. Alle Bewohner der Innenstadt
haben aus dem Immissionsschutzrecht einen Schutzanspruch in Bezug auf die Lärmimmissionen
aus der Nachbarschaft. Dazu zählt nicht nur der Lärm aus der Gastronomie,
sondern auch der von den Besuchern vor den Lokalitäten verursachte Lärm.
Bereits
in der Vergangenheit waren immer wieder Beschwerden zu verzeichnen, die
erhebliche Kapazitäten sowohl im Bauordnungsamt als auch in der Ordnungsbehörde
binden. Diese Beschwerden dürften bei Aufhebung der Sperrzeit weiter zunehmen,
wenn auch weit nach 05.00 Uhr Lärm durch Gäste entsteht, die die Lokalitäten
wechseln, sich rauchend und unterhaltend im Freien aufhalten oder den Heimweg
antreten.
Anzumerken
ist, dass die in der Innenstadt vorhandenen Diskotheken baurechtlich Bestandsschutz genießen. Nach heutiger
Rechtslage dürften sie nur noch in Gewerbegebieten bzw. dafür ausgewiesenen Sondergebieten genehmigt
werden. Insofern verbietet sich bereits ein Vergleich mit einer Großraumdiskothek
im niedersächsischen Schüttorf, die im Gewerbegebiet liegt und bei der somit
nachbarschaftsunverträgliche Lärmimmissionen nicht zu besorgen sind.
Ein
Wegfall der Sperrzeitregelung würde letztlich für die Bewohner der Innenstadt
insbesondere an den Wochenenden den vollständigen Verlust der Ruhezeit zur
Folge haben können.
Sicherheitsaspekte
Im
Übrigen stehen auch Sicherheitsbelange einer durchgehenden Aufhebung der
Sperrzeit entgegen. Wie sich aus der Stellungnahme der Kreispolizeibehörde
eindeutig ergibt, handelt es sich bei einer erheblichen Anzahl der zu
nächtlicher Zeit festgestellten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten um solche,
die im Zustand übermäßigen Alkoholgenusses begangen worden sind; bei denen also
die Täter häufig zu aggressivem und enthemmten Handeln neigen. Dies gilt gerade
auch für Körperverletzungs- und Widerstandsdelikte.
Auch
was die Anzahl der Einsätze im relevanten Bereich der Innenstadt angeht ist
festzuhalten, dass diese ab ca. 23.00 Uhr an den Wochenenden steigen und ab ca.
05.00 Uhr deutlich abnehmen. Auch hier wird auf die entsprechende Statistik zum
„Angstraum Matthiasstraße“ in der Stellungnahme der Kreispolizeibehörde
hingewiesen. Zur Klarstellung dieser Begrifflichkeit sei dabei gesagt, dass in
dieser Statistik nicht lediglich die Einsätze in der Matthiasstraße enthalten
sind, sondern alle Einsätze, die vom Umfeld des Bahnhofs über die
Matthiasstraße wie auch den relevanten Bereich der Fußgängerzone erfolgt sind.
Es
ist zu befürchten, dass sich die Einsätze wegen der genannten Delikte weiter in
die Morgenstunden verlagern, wenn eine allgemeine Aufhebung der Sperrzeit
erfolgen würde. Dies lassen auch die Erfahrungen der Vergangenheit durchaus
erwarten, an die in diesem Zusammenhang erinnert werden darf. In Rheine machte es
die Situation in der Innenstadt, insb. im Bereich der Matthiasstraße, gegen
Ende des Jahres 2005 erforderlich, dass verstärkt Sperrzeitkontrollen
durchgeführt wurden. Das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger hatte stark
gelitten. Die Straftaten, bei denen fast immer alkoholisierte Täter beteiligt
waren, mehrten sich in den frühen Morgenstunden. Bei den seinerzeit
durchgeführten Kontrollen wurden Verstöße festgestellt. Nach daraus resultierenden
Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde von den Betreibern der Gaststätten der
Matthiasstr. die Sperrzeit eingehalten und ein eigener Sicherheitsdienst für
das unmittelbare Umfeld der Diskothekenbetriebe installiert. Diese Maßnahmen
führten zu einer Entspannung der Situation, so dass eine Verlängerung der
Sperrzeit, die diskutiert wurde, nicht mehr erforderlich war.
Dies
bedeutet aber nicht, dass die Sicherheitsproblematik durch eine weitere
Erhöhung der Kräfte des privaten Sicherheitsdienstes gelöst wäre. Angesichts
der lediglich vorhandenen sogenannten „Jedermannrechte“ ergibt sich ein
eingeschränktes Aufgabenfeld der Sicherheitskräfte, was sich im Wesentlichen
auf das Hausrecht zu beschränken hat. Ein über das unmittelbare Diskothekenumfeld
hinausgehender Einsatz von zusätzlichen Sicherheitskräften im öffentlichen Raum
kommt schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht, da die
Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben ausschließlich dem Staat und seinen
Einrichtungen obliegt.
Auch
das vorgebrachte Argument, mehrere Hundert Gäste würden zu einem Zeitpunkt die
Diskotheken verlassen, zu wenig Taxen vorfinden und dadurch die Unsicherheit
erhöhen, kann nicht zum Tragen kommen. Nach den Erfahrungen der Polizei
ermöglicht gerade diese Situation eher eine spürbare Präsenz von Kräften der
Polizei, was deeskalierend wirkt.
Sauberkeit und
Attraktivität der Innenstadt
Allgemein
darf zudem angemerkt werden, dass neben Aspekten der Sicherheit auch der
Sauberkeit der Innenstadt besonderes Gewicht zugemessen werden muss. Es ist
angesichts erheblicher Verschmutzungen durch weggeworfene
Fast-Food-Verpackungen oder Erbrochenem für nachfolgende Nutzungen der
Innenstadt wie Marktbetrieb, Geschäftsöffnung und den Beginn der Frühmesse
erforderlich, dass eine rechtzeitige Reinigung erfolgen kann. Dies würde auch
logistisch erschwert, wenn die Sperrzeit allgemein aufgehoben würde.
Eine
verschmutzte Innenstadt aber macht auf Besucherinnen und Besucher ebenso wenig
einen guten Eindruck wie enthemmte und alkoholisierte Menschen, die die
Gaststätten verlassen. Es ist zu befürchten, dass die erfreuliche Entwicklung
der vergangenen Jahre sich möglicherweise ins Gegenteil verkehren könnte und
auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger Schaden
nehmen könnte.
Bekämpfung übermäßigen
Alkoholkonsums
Im
Übrigen würden auch die Initiativen der Stadt gegen übermäßigen Alkoholkonsum
wie z.B. „Tanzen statt Torkeln“ konterkariert, wenn die Sperrstunde aufgegeben
würde.
IV. Aufhebung der Sperrzeit
wegen öffentlichen Bedürfnisses im Ausnahmefall
Etwas
anderes kann aus Sicht der Verwaltung nur dann Gültigkeit haben, wenn ein
vorrangiges öffentliches Bedürfnis z.B. anlassbezogen für bestimmte
Veranstaltungen festgestellt werden kann und die Belange der Sicherheit und
Sauberkeit nicht spürbar beeinträchtigt werden. Dies wäre an bestimmten in
einer Verordnung über die Sperrzeit zu benennenden Tagen möglich. An diesen
Tagen ist ohnehin eine verstärkte polizeiliche Präsenz vorhanden. Auch die
Kräfte des Ordnungsamtes könnten gezielt flankierend eingesetzt werden.
Vorstellbar wäre nach Auffassung der Verwaltung dabei die Nacht von Samstag auf
Sonntag anlässlich der Kirmes und der Straßenparty sowie die Silvesternacht.
Ein entsprechender Verordnungsentwurf ist als Anlage beigefügt.
V. Kontrollen der örtlichen
Ordnungsbehörde
Zur
Durchsetzung der Sperrzeit ist eine regelmäßige und nachhaltige Kontrolle durch
die Ordnungsbehörde der Stadt Rheine erforderlich. Letztlich dient dies auch
der Gleichbehandlung aller Betreiber von Gastronomiebetrieben.
Anlagen:
Anlage 1:
Ordnungsbehördliche Verordnung über die Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften im Gebiet der Stadt Rheine
Anlage 2:
Stellungnahme der Kreispolizeibehörde