Betreff
Neuregelung der Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften
Vorlage
265/10
Aktenzeichen
I- Fb3- ho
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt Rheine fasst folgenden Beschluss:

 

1. Es verbleibt grundsätzlich bei der gem. § 3 Abs. 3 der Gewerberechtsverordnung von 05.00 Uhr bis 06.00 Uhr gültigen Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften.

 

2. Für die Zulassung von Ausnahmen von diesem Grundsatz wegen Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses wird die in der Anlage 1 enthaltene Verordnung von der Stadt Rheine als örtliche Ordnungsbehörde beschlossen.

 

3. Die Verwaltung wird ausdrücklich aufgefordert, die Einhaltung der Sperrzeit auch in Zukunft aktiv zu kontrollieren. Festgestellte Verstöße sind als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden.

 

4. Der zuständige Fachbereich Recht und Ordnung wird nach einem Jahr dem Haupt- und Finanzausschuss über die Erfahrungen und Entwicklungen im Zusammenhang mit der Sperrzeitproblematik sowie die durchgeführten Kontrollen und ggf. festgestellten Verstöße sowie eingeleiteten Maßnahmen berichten.  

 


Begründung:

 

I.  Allgemeines

 

Die Sperrzeit ist geregelt in § 3 Abs. 3 der Gewerberechtsverordnung. Danach beginnt die Sperrzeit um 05.00 Uhr und endet um 06.00 Uhr.

 

Unter Sperrzeit ist die Zeitspanne zu verstehen, während der die Leistungen des Betriebes den Gästen nicht dargeboten und die Gäste nicht in den Betriebsräumen verweilen dürfen. Zweck der Sperrzeit ist es, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen, insbesondere die Nachtruhe. Im Übrigen dient sie sowohl dem Arbeitsschutz wie auch der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs.

 

Bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse kann die Sperrzeit durch ordnungsbehördliche Verordnung gemäß § 3 Abs. 5 der Gewerberechtsverordnung allgemein verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden. Die Entscheidung ist also bei Vorliegen einer dieser Voraussetzungen in das Ermessen des zuständigen Rates der Stadt Rheine gestellt.

 

Dabei ist zu beachten, dass ein öffentliches Bedürfnis nicht bereits dann vorliegt, wenn zwar ein Interesse von Bürgern z.B. nach Aufhebung der Sperrzeit besteht, aber die Befriedigung dieses Bedarfs dem Gemeinwohl zuwiderläuft. Hierbei ist auch die Lage des jeweiligen Betriebes oder Gebietes zu beachten. Es reicht als Argument somit keineswegs aus, dass die Leistungen der Gastronomiebetriebe nach 5.00 Uhr nachgefragt werden oder aber den Gastronomiebetrieben möglicherweise Einnahmeverluste entstehen. Vielmehr ist eine Betrachtung auch der Auswirkungen von verlängerten Öffnungszeiten, insb. auch der Auswirkungen im Umfeld der relevanten Betriebe im Diskothekenbereich vorzunehmen. 

 

II. Diskussion über die Sperrzeit in der Stadt Rheine

 

Seit einiger Zeit wird nunmehr zum Thema Sperrzeit in Gastronomiebetrieben eine  Diskussion geführt. Auf die umfangreiche Berichterstattung in der lokalen Presse wird zunächst verwiesen. Diese Diskussion hat  der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) zum Anlass genommen, mit der Stadt Rheine in einen Dialog zu treten. Dabei verfolgt der Verband im Interesse seiner Mitglieder das Ziel der Aufhebung der Sperrzeit.

 

Als wichtige Argumente für die Aufhebung der Sperrzeit wurden durch den Verband genannt, dass Rheine in Bezug auf das Nachtleben der Bürgerinnen und Bürger mit seinem Angebot im kommunalen Vergleich nachstehen würde. Insb. im Vergleich zu einer Großraumdiskothek in Schüttorf würden sich Nachteile ergeben. Zudem würden die Betreiber von Diskothekenbetrieben in Rheine bei Aufhebung der Sperrzeit nach wie vor Sicherheitsaspekte nicht vernachlässigen, sondern im Gegenteil dazu noch den bewährten Sicherheitsdienst ausbauen und auf andere Bereiche, wie den Marktplatz, ausdehnen wollen.

 

Als weitere Argumente, die sich in der öffentlichen Diskussion ergaben, waren genannt worden, dass sich das „Ausgehverhalten“ insgesamt zeitlich nach hinten verlagert habe. Eine Sperrzeitaufhebung würde zudem für eine entspanntere Situation bei Schließung der Gaststätten sorgen als dies zurzeit der Fall sei. Heute würden wegen des Sperrzeitbeginns einige Hundert Gäste gleichzeitig die Lokale verlassen und nicht genügend Taxen in Anspruch nehmen können.

 

Die Diskothekenbetreiber im Bereich der Innenstadt verwiesen vor allem auf wirtschaftliche Verluste durch die Schließung der Lokale um 05.00 Uhr.

 

Am 26.04.2010 fand mit den Vertretern der im Rat der Stadt Rheine vertretenen Fraktionen, des DEHOGA-Ortsverbandes sowie mit der Geschäftsstellenleitung der DEHOGA-Westfalen, mit Vertretern der Polizeiwache Rheine und Vertretern der Verwaltung ein „Runder Tisch“ statt, bei dem die unterschiedlichen Diskussionsstandpunkte offen und vollumfänglich ausgetauscht werden konnten.

 

Im Übrigen wurde die Kreispolizeibehörde um Stellungnahme gebeten, da insb. auch polizeiliche Sicherheitsaspekte bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Die am 17.05.2010 eingegangene Stellungnahme ist dieser Beschlussvorlage als Anlage 2 beigefügt. Quintessenz ist dabei, dass eine grundsätzliche Aufhebung der Sperrstunde aus polizeilicher Sicht nicht mitgetragen werden kann. Vielmehr sei eine Einhaltung der Sperrzeit sowie deren konsequente Überwachung und Ahndung bei Verstößen angezeigt.

 

 

III. Bewertung

 

Nach Abwägung aller vorgebrachten Argumente schlägt die Verwaltung vor, dass die Sperrzeit grundsätzlich weiter von 05.00 Uhr bis 06.00 Uhr beibehalten werden soll. Nur ausnahmsweise soll für bestimmte Tage eine Aufhebung der Sperrzeit durch ordnungsbehördliche Verordnung zugelassen werden. Hierfür sind folgende Gründe maßgebend:

 

Baurechtliche Aspekte und Lärmschutz

 

Vor allem kommen zunächst baurechtliche Gesichtspunkte zum Tragen. In Rheine ist Wohnbebauung im Kerngebiet im 1. Obergeschoss zulässig. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf die langjährigen Bemühungen von Politik und Verwaltung das innerstädtische Wohnen attraktiv zu gestalten, um der Verödung der Innenstadt entgegen zu wirken. Hierbei muss auch dem Ruhebedürfnis der Anwohner durch eine Sperrzeit Rechnung getragen werden. Alle Bewohner der Innenstadt haben aus dem Immissionsschutzrecht einen Schutzanspruch in Bezug auf die Lärmimmissionen aus der Nachbarschaft. Dazu zählt nicht nur der Lärm aus der Gastronomie, sondern auch der von den Besuchern vor den Lokalitäten verursachte Lärm.

 

Bereits in der Vergangenheit waren immer wieder Beschwerden zu verzeichnen, die erhebliche Kapazitäten sowohl im Bauordnungsamt als auch in der Ordnungsbehörde binden. Diese Beschwerden dürften bei Aufhebung der Sperrzeit weiter zunehmen, wenn auch weit nach 05.00 Uhr Lärm durch Gäste entsteht, die die Lokalitäten wechseln, sich rauchend und unterhaltend im Freien aufhalten oder den Heimweg antreten.

 

Anzumerken ist, dass die in der Innenstadt vorhandenen Diskotheken baurechtlich  Bestandsschutz genießen. Nach heutiger Rechtslage dürften sie nur noch in Gewerbegebieten  bzw. dafür ausgewiesenen Sondergebieten genehmigt werden. Insofern verbietet sich bereits ein Vergleich mit einer Großraumdiskothek im niedersächsischen Schüttorf, die im Gewerbegebiet liegt und bei der somit nachbarschaftsunverträgliche Lärmimmissionen nicht zu besorgen sind.

 

Ein Wegfall der Sperrzeitregelung würde letztlich für die Bewohner der Innenstadt insbesondere an den Wochenenden den vollständigen Verlust der Ruhezeit zur Folge haben können.

 

Sicherheitsaspekte

 

Im Übrigen stehen auch Sicherheitsbelange einer durchgehenden Aufhebung der Sperrzeit entgegen. Wie sich aus der Stellungnahme der Kreispolizeibehörde eindeutig ergibt, handelt es sich bei einer erheblichen Anzahl der zu nächtlicher Zeit festgestellten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten um solche, die im Zustand übermäßigen Alkoholgenusses begangen worden sind; bei denen also die Täter häufig zu aggressivem und enthemmten Handeln neigen. Dies gilt gerade auch für Körperverletzungs- und Widerstandsdelikte.

 

Auch was die Anzahl der Einsätze im relevanten Bereich der Innenstadt angeht ist festzuhalten, dass diese ab ca. 23.00 Uhr an den Wochenenden steigen und ab ca. 05.00 Uhr deutlich abnehmen. Auch hier wird auf die entsprechende Statistik zum „Angstraum Matthiasstraße“ in der Stellungnahme der Kreispolizeibehörde hingewiesen. Zur Klarstellung dieser Begrifflichkeit sei dabei gesagt, dass in dieser Statistik nicht lediglich die Einsätze in der Matthiasstraße enthalten sind, sondern alle Einsätze, die vom Umfeld des Bahnhofs über die Matthiasstraße wie auch den relevanten Bereich der Fußgängerzone erfolgt sind.

 

Es ist zu befürchten, dass sich die Einsätze wegen der genannten Delikte weiter in die Morgenstunden verlagern, wenn eine allgemeine Aufhebung der Sperrzeit erfolgen würde. Dies lassen auch die Erfahrungen der Vergangenheit durchaus erwarten, an die in diesem Zusammenhang erinnert werden darf. In Rheine machte es die Situation in der Innenstadt, insb. im Bereich der Matthiasstraße, gegen Ende des Jahres 2005 erforderlich, dass verstärkt Sperrzeitkontrollen durchgeführt wurden. Das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger hatte stark gelitten. Die Straftaten, bei denen fast immer alkoholisierte Täter beteiligt waren, mehrten sich in den frühen Morgenstunden. Bei den seinerzeit durchgeführten Kontrollen wurden Verstöße festgestellt. Nach daraus resultierenden Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde von den Betreibern der Gaststätten der Matthiasstr. die Sperrzeit eingehalten und ein eigener Sicherheitsdienst für das unmittelbare Umfeld der Diskothekenbetriebe installiert. Diese Maßnahmen führten zu einer Entspannung der Situation, so dass eine Verlängerung der Sperrzeit, die diskutiert wurde, nicht mehr erforderlich war.

 

Dies bedeutet aber nicht, dass die Sicherheitsproblematik durch eine weitere Erhöhung der Kräfte des privaten Sicherheitsdienstes gelöst wäre. Angesichts der lediglich vorhandenen sogenannten „Jedermannrechte“ ergibt sich ein eingeschränktes Aufgabenfeld der Sicherheitskräfte, was sich im Wesentlichen auf das Hausrecht zu beschränken hat. Ein über das unmittelbare Diskothekenumfeld hinausgehender Einsatz von zusätzlichen Sicherheitskräften im öffentlichen Raum kommt schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht, da die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben ausschließlich dem Staat und seinen Einrichtungen obliegt.

 

Auch das vorgebrachte Argument, mehrere Hundert Gäste würden zu einem Zeitpunkt die Diskotheken verlassen, zu wenig Taxen vorfinden und dadurch die Unsicherheit erhöhen, kann nicht zum Tragen kommen. Nach den Erfahrungen der Polizei ermöglicht gerade diese Situation eher eine spürbare Präsenz von Kräften der Polizei, was deeskalierend wirkt.

 

Sauberkeit und Attraktivität der Innenstadt

 

Allgemein darf zudem angemerkt werden, dass neben Aspekten der Sicherheit auch der Sauberkeit der Innenstadt besonderes Gewicht zugemessen werden muss. Es ist angesichts erheblicher Verschmutzungen durch weggeworfene Fast-Food-Verpackungen oder Erbrochenem für nachfolgende Nutzungen der Innenstadt wie Marktbetrieb, Geschäftsöffnung und den Beginn der Frühmesse erforderlich, dass eine rechtzeitige Reinigung erfolgen kann. Dies würde auch logistisch erschwert, wenn die Sperrzeit allgemein aufgehoben würde.

 

Eine verschmutzte Innenstadt aber macht auf Besucherinnen und Besucher ebenso wenig einen guten Eindruck wie enthemmte und alkoholisierte Menschen, die die Gaststätten verlassen. Es ist zu befürchten, dass die erfreuliche Entwicklung der vergangenen Jahre sich möglicherweise ins Gegenteil verkehren könnte und auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger Schaden nehmen könnte. 

 

Bekämpfung übermäßigen Alkoholkonsums

 

Im Übrigen würden auch die Initiativen der Stadt gegen übermäßigen Alkoholkonsum wie z.B. „Tanzen statt Torkeln“ konterkariert, wenn die Sperrstunde aufgegeben würde.

 

IV. Aufhebung der Sperrzeit wegen öffentlichen Bedürfnisses im Ausnahmefall

 

Etwas anderes kann aus Sicht der Verwaltung nur dann Gültigkeit haben, wenn ein vorrangiges öffentliches Bedürfnis z.B. anlassbezogen für bestimmte Veranstaltungen festgestellt werden kann und die Belange der Sicherheit und Sauberkeit nicht spürbar beeinträchtigt werden. Dies wäre an bestimmten in einer Verordnung über die Sperrzeit zu benennenden Tagen möglich. An diesen Tagen ist ohnehin eine verstärkte polizeiliche Präsenz vorhanden. Auch die Kräfte des Ordnungsamtes könnten gezielt flankierend eingesetzt werden. Vorstellbar wäre nach Auffassung der Verwaltung dabei die Nacht von Samstag auf Sonntag anlässlich der Kirmes und der Straßenparty sowie die Silvesternacht. Ein entsprechender Verordnungsentwurf ist als Anlage beigefügt.

 

V. Kontrollen der örtlichen Ordnungsbehörde

 

Zur Durchsetzung der Sperrzeit ist eine regelmäßige und nachhaltige Kontrolle durch die Ordnungsbehörde der Stadt Rheine erforderlich. Letztlich dient dies auch der Gleichbehandlung aller Betreiber von Gastronomiebetrieben.

 


Anlagen:

 

Anlage 1:

Ordnungsbehördliche Verordnung über die Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften im Gebiet der Stadt Rheine

 

Anlage 2:

Stellungnahme der Kreispolizeibehörde