Betreff
Hospiz- und Palliativarbeit
Vorlage
347/10
Aktenzeichen
FB 2/50-ha
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den derzeitigen Situations- und Sachstandsbericht des Ökumenisch ambulanten Hospizes Rheine von der Leiterin Frau Zeitler-Schlöder sowie die Ausführungen von Herrn Dr. Engel, Vorsitzender des Palliativnetzes Rheine, zur Kenntnis.


Begründung:

 

Der überwiegend geäußerte Wunsch von Menschen ist, in ihrer gewohnten Umgebung sterben zu dürfen und dabei nicht allein gelassen zu werden und keine unerträglichen Schmerzen leiden zu müssen. Es bestehen Ängste vor Fremdbestimmung am Lebensende und dem Sterbeprozess, der in die Länge (durch apparative medizinische Versorgung) gezogen werden könnte.

 

Die Hospizbewegung im Kreis Steinfurt und die palliative Versorgung unterstützen und begleiten schwerstkranke und sterbende Menschen und ihnen nahestehende Personen.

 

Dies geschieht zu Hause in der gewohnten Umgebung durch die ambulanten Hospizdienste vor Ort, das ist in Rheine das „Ökumenisch ambulante Hospiz Rheine“, in Einrichtungen der stationären Seniorenzentren in Rheine oder stationär im Hospiz „haus hannah“ in Emsdetten und auf der Palliativstation im Jakobi-Krankenhaus Rheine.

 

Der Begriff „Hospiz“ steht in erster Linie für ein bestimmtes Konzept einer gleichberechtigten medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und spirituellen Umsorgung (care) für Sterbende und deren Zugehörige. Dieser Art von Umsorgung sehen sich die Hospizbewegung und die Palliativmedizin gleichermaßen verpflichtet. Oberstes Ziel ist das Wahren oder Schaffen von Lebensqualität bis zuletzt.

 

Die Begleitung, die die/der Sterbende in dieser Lebensphase benötigt, ist abzuleiten aus seinen körperlichen Bedürfnissen, dem Wunsch nach Sicherheit, Liebe, Achtung sowie dem Verzicht auf Maßnahmen, die das Sterben verlängern.

 

Hospizarbeit, Palliativmedizin/Palliativpflege werden in den unterschiedlichsten Organisationsformen im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich praktiziert. Sie sind als Ganzes zu sehen und aufeinander angewiesen. Die Aufgaben und Besonderheiten, die speziellen Kompetenzen und Umsetzungsformen des Anderen mit übernehmen zu wollen, würde letztlich zu einer diffusen Verschmelzung führen, nicht aber zu einer sinnvollen Ergänzung im Sinne der Beantwortung differenzierter Bedürfnisse von Schwerstkranken und ihrer Familien und Freunde.

Auf der einen Seite sind Hospize und Hospizdienste eine Umsetzungsform palliativer Versorgung, auf der anderen Seite ist die Hospizidee eine Philosophie, unter der die Palliativmedizin arbeitet und wirksam ist.

 

Gesetzliche Rahmenbedingungen für ambulante und stationäre Hospiz­leistungen

 

Nach dem Fünften Sozialgesetzbuch - § 39 a (stationäre und ambulante Hospizleistungen) haben Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen, im Rahmen der Verträge nach Satz 4 Anspruch auf einen Zuschuss zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder in der Familie nicht erbracht werden kann. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben mit den für die Wahrnehmung der Interessen der stationären Hospize maßgeblichen Spitzenorganisationen das Nähere über Art und Umfang der Versorgung zu vereinbaren. Des Weiteren haben die Krankenkassen ambulante Hospizdienste zu fördern, die für Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung und keiner stationären oder teilstationären Versorgung in einem Hospiz bedürfen, qualifizierte ehrenamtliche Sterbebegleitung in deren Haushalt oder Familie erbringen. Für die Förderung gelten bestimmte Voraussetzungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben mit den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten Hospizdienste maßgeblichen Spitzenorganisationen das Nähere zu den Voraussetzungen der Förderung sowie zu Inhalt, Qualität und Umfang der ambulanten Hospizarbeit zu vereinbaren.

 

Gemäß den Verpflichtungen des § 39 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch haben die genannten Spitzenorganisationen Rahmenvereinbarungen für die ambulante und stationäre Hospizversorgung abgeschlossen:

-     Rahmenvereinbarung nach § 39 a Satz 4 SGB V über Art und Umfang sowie zur Sicherung der Qualität der stationären Hospizversorgung vom 13. März 1998 in der Fassung vom 14. April 2010

-     Rahmenvereinbarung nach § 39 a Abs. 2 Satz 6 SGB V zu den Voraussetzungen der Förderung sowie zu Inhalt, Qualität und Umfang der ambulanten Hospizarbeit vom 3. September 2002 in der Fassung vom 14. April 2010

 

Ambulanter Hospizdienst

 

Frau Zeitler-Schlöder, Leiterin des Ökumenisch ambulanten Hospizes Rheine, Träger: Caritasverband Rheine e. V. und Diakonisches Werk im Kirchenkreis Tecklenburg, wird in der Sitzung umfänglich die Aufgaben des ambulanten Hospizdienstes sowie die Besonderheit der ambulant stationären Hospizbetten für die Bürger(innen) der Stadt Rheine und Umgebung darstellen und anschließend Fragen beantworten.

 

Stationäres Hospiz

 

Im Kreis Steinfurt gibt es, wie bereits erwähnt, ambulant tätige Hospizdienste, die sich als „Netzwerk Hospiz im Kreis“ zusammengeschlossen haben. Dazu gehört auch seit Mai 2003 das stationäre Hospiz “haus hannah“ mit 8 Betten, ein Ort für schwerstkranke Menschen am Ende des Lebens, die nicht mehr im Krankenhaus oder zu Hause gepflegt werden möchten oder können.

 

Das Grundprinzip des Hospizes liegt in der palliativen Pflege, medizinische Heilung steht nicht mehr im Vordergrund, sondern das Wohlbefinden des schwerstkranken Menschen. Er gibt mit seinen Wünschen den Rhythmus und somit das Tun und Lassen der letzten Lebenstage vor. Die professionellen und ehrenamtlichen Mitarbeiter(innen), so Frau Hüer, Leiterin des Hospizes „haus hannah“, kümmern sich – in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt oder mit dem PKD – Palliativarbeitenden Haus- und Fachärzten vor Ort – und der Seelsorge um die Linderung von Schmerzen und Beschwerden, geben Beistand und helfen bei der Regelung letzter Dinge. Der sterbende Mensch kann in Frieden Abschied nehmen.

 

Das haus hannah gibt Raum für die Anliegen der Angehörigen und Freunde, diese werden aktiv und selbstverständlich in die Begleitung einbezogen. Ihre Trauer und Angst kann in einem geschützten Ort angesprochen werden, auch in der Zeit nach dem Abschied.

 

Frau Hüer berichtet, dass 2008 (von 2009 liegen die Zahlen noch nicht vor) 120 Menschen im haus hannah Gast gewesen sind, davon waren 22 Personen aus der Stadt Rheine. Die Gesamt-Altersstruktur war 40 bis 70 Jahre, das Durchschnittsalter lag bei 67 Jahren. Die Verweildauer im Haus betrug 27 Tage. 98 % der Gäste kamen/kommen wegen Tumorerkrankungen. Es gibt keine Warteliste.

 

Im Bedarfsfall kann auch ein schwersterkranktes Kind aus der Region aufgenommen werden, da im Hospiz haus hannah auch eine speziell ausgebildete Kinderkrankenschwester arbeitet.

Eine „Kindesaufnahme“ ist eher selten, da die schwersterkrankten Kinder mit einer „rund um die Uhr“ Versorgung palliativ/hospizlich in ihren Familien versorgt werden (sollen). Dieses ist auch eine grundsätzliche Haltung der ALPHA in NRW (Ansprechstelle im Land NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung).

 

Projekt Phönix

Ein zusätzlich gut angenommenes Angebot von haus hannah ist das Projekt „Phönix“, ein Trauerbegleitungsangebot für Kinder und Jugendliche im Kreis Steinfurt, das auf der oberen Etage über der Hospizeinrichtung verortet ist. Kinder trauern in ihrer eigenen kindlichen Art, das oft von den anderen Familienangehörigen nicht erkannt wird. Dieses trifft auch auf Jugendliche zu. Speziell ausgebildete Mitarbeiter(innen) bieten Hilfen über Gruppenangebote, offene Gruppen für Jugendliche, Trauerberatung und Einzelbegleitungen an.

 

Gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingen

 

SGB V 39 a + Rahmenvereinbarung (siehe o. a. Erklärungen)

Die Gäste des hauses hannah werden von einem interdisziplinären Team von professionellen Kräften betreut, ergänzt wird die Arbeit von zusätzlich ca. 25 ehrenamtlich tätigen Personen. Die anfallenden Kosten der Unterbringung werden von der Kranken- und Pflegekasse getragen. Die Gäste brauchen seit letztem Jahr keinen Eigenanteil mehr entrichten.

Der Träger Stiftung St. Josef, Emsdetten, muss aufgrund der gesetzlichen Vorgaben 10 % der Gesamtkosten durch Eigenmittel selbst einbringen. Jährlich müssen rund 150.000,00 € an Spenden aufgebracht werden, davon fördert der Kreis Steinfurt das Hospiz mit jährlich 30.000,00 €. Das haus hannah ist deshalb auf Spenden und freiwillige Mitarbeit angewiesen.

 

Palliativmedizin

 

Sie ist eine aktive, ganzheitliche Behandlung und Betreuung von Patienten mit einer nicht heilbaren und weit fortgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung. Sie dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien.

 

Die Palliativmedizin will durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art den Patienten und seine Angehörigen würdevoll bis zu seinem Lebensende begleiten und betreuen.

 

Das Palliativnetz Rheine

 

Das Palliativnetz in Rheine versteht sich als multiprofessionelle, gut kooperierende Versorgung von Menschen am Lebensende nach § 37 b SGB V (Sozialgesetzbuch) SAPV (spezielle ambulante Palliativversorgung).

 

Kooperationspartner sind:

 

·          Ärzte in freier Praxis:

 

         -   Haus- und Fachärzte

         -   Palliativmediziner

         -   Schmerztherapeuten

         -   Onkologen

         -   Strahlentherapeuten

 

·          Seelsorger

 

·          Ambulante Pflege von alten und behinderten Menschen

 

·          2 Betten für Hospizpatienten im Marienstift

 

·          Hospiz

 

         -   ambulanter Hospizdienst (Hausbetreuung) mit Trauerbegleitung

         -   stationäres Hospiz: haus hannah

             mit Trauerbegleitung auch für Kinder und Jugendliche

 

·          Physiotherapeuten

 

·          Apotheken

 

·          Sanitätshäuser

 

In der Zusammenarbeit der Kooperationspartner soll der Palliativpatient im Mittelpunkt stehen; deshalb benötigt er eine wohnortnahe Versorgung und Betreuung aller beteiligten Fachgruppen, ein sog. „Palliativ-Care“-Team.

 

Der schwerkranke Mensch soll die größtmögliche Lebensqualität, Unterstützung und Betreuung im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer für sich und seine Angehörigen bekommen.

 

Wichtig ist eine gute Pflegeüberleitung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Eine 24-Stunden-Rufbereitschaft der Palliativmediziner und Apotheker wird auch an Sonn- und Feiertagen angestrebt.

 

Qualitätssicherung durch regelmäßige Fort- und Weiterbildung wie auch die Dokumentation sind Bestandteil des Arbeitsalltags der Kooperationspartner.

 

Nähere Ausführungen wird Herr Dr. Engel, 1. Vorsitzender des Palliativnetz Rheine, in der Sitzung darstellen.

 

Palliativversorgung in den stationären Seniorenzentren in Rheine

 

Die Palliativmedizin hat in den vergangenen Jahren immer mehr Fortschritte gemacht, und die ambulante Versorgung der schwerstkranken und sterbenden Menschen hat sich in den Pflegeeinrichtungen wesentlich verbessert, da der Wunsch des kranken Menschen, in seiner vertrauten, häuslichen Umgebung versorgt und betreut zu werden, immer mehr zunimmt.

 

Die Pflegeeinrichtungen in Rheine verfügen in ihren Häusern über einen umfassenden Konsens darüber, was notwendig ist, was gute Palliativarbeit ist, welche medizinischen und psychosozialen Standards in der Arbeit zu berücksichtigen sind.

 

In den Einrichtungen ist die Begleitung, die die/der Sterbende in dieser Lebensphase benötigt, abzuleiten aus seinen körperlichen Bedürfnissen und seinem Wunsch nach Sicherheit, Liebe, Achtung, Selbstverwirklichung und spirituellen Wünschen.

 

Das Leistungsspektrum in den Häusern umfasst im zunehmenden Maße spezielle Schmerztherapie und Symptomkontrolle sowie Unterstützung bei Entscheidungen am Lebensende. Dabei wird der engen Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten ein hoher Wert eingeräumt. Die Einrichtungen betreiben eine systematische Erfassung von Schmerzen, wie es im Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ beschrieben ist. Der Schmerzerfassung bei Menschen mit Demenz kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Fachweiterbildung zu Schmerzexperten wird unterstützt.

 

Die Betreuung und Unterstützung der Angehörigen und engen Freunde steht ebenfalls im Mittelpunkt der Palliativarbeit. Ihnen wird eine ungestörte, entspannte Umgebung angeboten, der auch als Rückzugsraum zur Verfügung steht. Angehörigen wird u. a. die Möglichkeit angeboten, in den Häusern zu übernachten und versorgt zu werden, z. T. ist ein gemeinsames Wohnen mit dem sterbenden Menschen, auch über einen längeren Zeitraum, möglich. Eine verbindliche Abschiedskultur ist festgelegt.

 

Die Begleitung des Sterbenden wird vom fachlich qualifizierten in ausreichender Anzahl vorhandenen Pflegepersonal durchgeführt, denen helfend die Unterstützung der Ehrenamtlichen des Ökumenisch ambulanten Hospizes Rheine auf Wunsch zur Verfügung steht.

 

In der Mehrzahl der Häuser sind Mitarbeiter(innen) als Palliativpfleger(innen) bzw. in Palliativ Care ausgebildet und geben dieses Wissen an ihre Kollegen weiter. In allen anderen Häusern wird diese Ausbildung angestrebt.

 

Bei der individuellen Begleitung wird darauf geachtet, dass sowohl der/die Mitarbeiter(in) als auch der Bewohner miteinander harmonieren. Aus diesem Grunde wird in den Einrichtungen gruppenübergreifend gearbeitet.

 

In regelmäßigen Team- und Fallbesprechungen zum Thema Tod, Trauer, Schmerz werden die Mitarbeiter(innen) der Einrichtung in ihrer Arbeit unterstützt.

 

In gemeinsamen Gesprächen mit

 

·      Palliativpflegern

·      der Leitung

·      dem Sozialdienst

·      den Sozialarbeitern

·      den Pflegemitarbeitern

·      dem Seelsorger

 

werden in der finalen Phase wichtige ethische Fragen, Fragen am Lebensende, Kommunikation mit Bewohnern, Angehörigen und Ärzten unter Berücksichtigung des biografischen Ansatzes des sterbenden Menschen angesprochen.