Betreff
KOMM-IN Antrag 2010/2011: "Bildungslotsen schaffen Zukunftschancen"
Vorlage
366/10
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zum KOMM-IN Antrag 2010/2011 „Bildungslotsen schaffen Zukunftschancen“ zustimmend zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

In der Nachfolge des KOMM-IN Projekts 2008/2009 hat die Verwaltung einen neuen Antrag im Rahmen des NRW-Förderprogramms gestellt, der die Ergebnisse der Schlussdokumentation 2008/2009 aufgreift und die Entwicklung verbesserter kommunaler Strategien zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus sogenannten geschlossenen Milieus hinsichtlich ihrer Schul- und Berufsausbildung zum Inhalt hat.

 

Für das Projekt wurden Gesamtkosten in Höhe von 56.100,00 Euro veranschlagt. Die beantragte Förderung beläuft sich auf 44.880,00 Euro. Für die Stadt bedeutet das die Übernahme eines Eigenanteils von 11.220,00 Euro (= 20 %). Der Eigenanteil kann durch Personaleinsatz erbracht werden, bzw. steht im Produkt 2204 (Ergänzende Migrationsarbeit) zur Verfügung.

 

 

Auszug aus dem KOMM-IN Antrag 2010/2011:

 

Titel:    Bildungslotsen schaffen Zukunftschancen

 

Ausgangslage

 

„Bildungslotsen“ als Sammelbegriff für Paten, Mentoren oder  Sprach- und Kulturmittler können einen wichtigen Beitrag zum Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen leisten. Aufgrund ihrer verlässlichen und trotzdem flexiblen Beziehung zu einzelnen Kindern, aber auch zu deren Elternhäusern und schulischer Umgebung, können sie die pädagogische Verantwortung von Elternhaus und Schule sehr gut positiv beeinflussen und ergänzen.

 

Erfolgreiche Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berichten immer wieder davon, dass es besonders in ihrer Schulzeit einzelne Menschen gab, die sie gefördert und unterstützt haben weil diese Personen an sie geglaubt haben, für sie da waren oder sie in besonderer Weise gefordert und gefördert haben.

In Rheine gibt es verschiedenste (Ehrenamts-)initiativen, in denen sich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zusammengefunden haben, um den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen zu verbessern und den Übergang in eine berufliche Bildung zu erleichtern. Genannt seien hier zum Beispiel:

 

           Deutscher Kinderschutzbund („Jobpaten“)

           Wohlfahrtsverbände (CV: „Dolmetscher der Kulturen“, „Balu und Du“, „Schüler         coachen Schüler“, „FitZu“)

           Berufskolleg Rheine („InBewegung“)

           Fachstelle Migration (ehrenamtliches Schulpatenprogramm, sozialpädagogische                  Begleitung von Flüchtlingskindern, Hausaufgabenzentren)

 

Häufig sind die Initiativen aus Projekten oder aus der Initiative einzelner Protagonisten hervorgegangen. Sie richten ihre Arbeit auf bestimmte Schulformen oder bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Zuwanderer oder Schulverweigerer aus. Die in den verschiedenen Initiativen gesammelten Erfahrungen werden allerdings bisher nicht ausgewertet und für weitere Initiativen und Gruppen nutzbar gemacht. Auch eine inhaltliche Abstimmung und Koordination von Initiativen im Bereich Paten oder Bildungslotsen erfolgte bisher kaum. Es gibt kein strategisches Konzept in der Stadt Rheine, welches eine systematische, zielgerichtete Unterstützung und Ausweitung des vorhandenen Potenzials an „Bildungslotsen“ in den Blick nimmt. Ob und wo etwas geschieht ist bisher eher dem Zufall beziehungswiese dem Engagement einzelner Akteure überlassen.

 

Gerade wenn sich die Erkenntnis immer mehr durchsetzt, dass kein Kind mit seinen Bildungspotenzialen verloren gehen darf, ist ein zielorientiertes mit Elternhaus und Schule abgestimmtes strategisches Vorgehen von enormer Bedeutung. Dadurch kann auch verhindert werden, dass Bildungslotsen „nur“ als Lückenbüßer für unzureichende Rahmenbedingungen in Elternhaus und Schule betrachtet werden.

 

Es kann vermutet werden, dass „Bildungslotsen“ mit Migrationshintergrund einen besonderen Stellenwert haben. Wo sie zum Einsatz kommen, können Vertrauen aufgebaut, kulturelle Barrieren überwunden und eine größere Anerkennung des Projektes bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ermöglicht werden. Diese Bildungslotsen haben dann eine besondere Vorbildfunktion.

 

Projektkonzeption

 

         a. Gewinnung eines Überblicks über den Umfang und die Qualität von

             (Ehrenamts-)initiativen im Bereich Bildung und Erziehung

         b. Analyse der Erfolgsbedingungen für eine nachhaltige Förderung von

            „Lotsenprojekten“ aus der Sicht der Schulen und der Ehrenamtsinitiativen

         c. Entwicklung von konzeptionellen Grundlagen (Leitziele, Inhalte,

             Wirkungsindikatoren, Fördervoraussetzungen, Steuerungsverfahren) für

             eine langfristige Förderung und Koordination der ehrenamtlichen Arbeit von

             Bildungslotsen

         d. Aufbau eines Koordinations- und Vernetzungssystems für Initiativen, die

             Projekte zur Gewinnung und Unterstützung von Bildungslots/innen,

             Pat/innen oder Mentor/innen initiiert haben und durchführen.

         e. Vermittlung der Botschaft an Eltern mit Zuwanderungsgeschichte, dass es

             von vielen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Akteuren ein großes Interes-

             se an der Verbesserung der Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen

             gibt und dass sie als Eltern eingeladen sind, sich einzubringen und mitzuwirken.

         f. Sensibilisierung der relevanten Akteure aus Politik, Verwaltung, MSO,

             Integrationsrat, freien Trägern etc. für die Chancen und Grenzen der Öffnung

 der Schulen durch ein kultursensibles Engagement zur Förderung der Bildung und Erziehung

         g. Übertragung von Erfahrungen aus der Migrantenförderung auf alle bedürf-

             tigen Schüler(innen) aus bildungsfernen, abgeschlossenen Milieus.

 

 

Phasen des Projektes und Arbeitsmethoden

 

1. Einrichtung einer Projektgruppe zur Steuerung des KOMM-IN Prozesses be-

    stehend aus Fachstelle Migration, Stabsstelle Bürgerengagement, Schul-

    verwaltungsamt. Die Projektgruppe hat die Aufgabe, den Gesamtprozess zu

    steuern. Dieses beinhaltet beispielsweise:

    a. Festlegung der Kriterien, welche Initiativen bzw. Aktivitäten als Lotsen- oder

        Patenprojekte definiert werden

    b. Abstimmung des Projekt- und Untersuchungsdesigns

    c. Auswahl der zu befragenden Personen

    d. Begleitung der Werkstattphase und Zwischenauswertung der Projekt-

        erkenntnisse

    e. Vorbereitung der Erprobungsphase und der Aktion zur Öffentlichkeitsarbeit

     f. Vorbereitung der Abschlussveranstaltung

 

2. Durchführung einer Analyse der Ehrenamtsinitiativen im Bereich Bildung und Er-

    ziehung in Bezug auf Inhalte, Ziele, Akteure mit und ohne Migrationshintergrund,

    Erfolgsbedingungen und Umfang der Aktivitäten in der Form von 10 aktivieren-

    den Einzelinterviews (hauptamtliche Ansprechpartner der Initiativen und Schul-

    leiter/innen) sowie 5 Gruppeninterviews mit ehrenamtlichen Akteuren aus den

    jeweiligen Ehrenamtsinitiativen durch ein externes Institut.

 

3. Aufbereitung und Reflexion der Interviewergebnisse im Rahmen eines

    Workshops mit den befragten Hauptamtlichen

 

4. Entwicklung der konzeptionellen Grundlagen für ein Förderkonzept durch ein

    externes Institut

 

5. Workshops zur inhaltlichen Abstimmung der konzeptionellen Grundlagen mit

    a. hauptamtlichen Akteuren (1 Workshop)

    b. interessierten Ehrenamtlichen (1 Workshop)

    c. drei unterschiedlichen Migrantenorganisationen t (3 Workshops)

 

    Die Workshops mit den Migrantenselbstorganisationen dienen dazu, Rückmel-

    dungen zu erhalten,

    • wie die Idee des Einsatzes von Bildungslotsen oder Paten auf MigrantInnen mit

      wenig Sprachkenntnissen wirken

    • welche Bilder und Erwartungen die beteiligten MigrantInnen mit dem ehren-

      amtlichem Engagment aufgrund ihrer Erfahrungen (aus dem Herkunftsland)

      verbinden

    • welches Verständnis die MigrantInnen in Bezug auf eigenes ehrenamtliches En-

      gagement haben

    • was die Initiator/innen noch machen können, damit ihre Aktivitäten dem An-

      spruch der  kultursensiblen Ausrichtung entsprechen

 

    Eine methodische Besonderheit bei diesen Workshops ist, dass die Zielgruppe

    mit Unterstützung von Sprach- und KulturmittlerInnen, die die jeweilige Mutter-

    sprache beherrschen, die vorgestellten Ideen in ihrer Muttersprache reflektieren

    können. Damit scheidet Sprache als Kommunikationshindernis aus und die Ziel-

    gruppe kann sich im vertrauten Umfeld (Räume der Vereine, Kursräume etc.)

    untereinander austauschen und ein realistisches Feedback geben

 

6. Durchführung der Werkstattphase zur Erprobung und Evaluation der konzeptio-

    nellen Grundlagen an zwei Grundschulstandorten (In der Werkstattphase soll im

    Sinne der Aktionsforschung der gesamte Kernprozess von der Kontaktaufnahme

    mit den Schulen, der Akquise der Ehrenamtlichen, der Art des Aufbaus der Be-

    gleitung der Ehrenamtlichen durchgeführt, dokumentiert und bewertet werden.

    Darüber hinaus soll auch der Zeitumfang und die Art und Weise der Begleitung

    des Prozesses durch die hauptamtlichen Akteure erfasst und ausgewertet

    werden. Die Erkenntnisse aus der Werkstattphase sollen in zwei Workshops

    durch ein externes Institut evaluiert und als Grundlage in ein nachhaltiges För-

    derkonzept eingearbeitet werden.

 

7. Workshop zur Vorbereitung einer öffentlichkeitswirksamen Aktion um die Grund-

    idee zu präsentieren und zur Akquise von weiteren Ehrenamtlichen beizutragen.

 

8. Durchführung der öffentlichkeitswirksamen Aktion

 

9. Die Erkenntnisse aus dem Prozess werden in der Form eines Leitfadens durch

    ein externes Institut aufbereitet. Der Leitfaden soll den Praktiker/innen bei der

    Initiierung von Lotsen- oder Patenprojekten als Orientierungsrahmen dienen und

    notwendiges Handwerkszeug zur Verfügung stellen. Er soll zum Beispiel die Er-

    folgsfaktoren aus der Sicht der Schulen und der Ehrenamtsinitiativen, eine Vor-

    lage für einen Kooperationsvereinbarung mit den Schulen, methodische Hinweise

    zum Erfahrungsaustausch und  zur Qualifizierung, Materialien zur Öffentlichkeits-

    arbeit, ein Akquisekonzept, Hinweise zum Umgang mit Aufwandsentschädi-

    gungen etc. enthalten. Gemeinsam mit dem Förderkonzept ist der Leitfaden die

    Grundlage für eine Entscheidungsvorlage für die Politik, um eine langfristig ange-

    legte strategische Ausrichtung der Förderung von Bildungslotsen zu erreichen.

 

10. In einer Abschlussveranstaltung soll der Leitfaden präsentiert und mit den

      Ehrenamtlichen, Schulleiter/innen, Verbandsvertretern, MSO, Integrationsrat,

      Verwaltung und Politik diskutiert werden.

 

11. Einbringung des Förderkonzeptes in die politischen Gremien zur Abstimmung

      einer langfristigen strategischen Ausrichtung der Förderung von Bildungslotsen.

 

 

Produkte und Meilensteine

 

a) Meilensteine

 

     1. Durch die Auswertung der Interviewergebnisse liegt der Projektgruppe ein

         guter Überblick über Inhalte, Ziele, Anzahl der Akteure mit und ohne Migra-

         tionshintergrund, Erfolgsbedingungen und Umfang der Aktivitäten im Bereich

         der Bildungslotsen vor.

     2. Es liegen konzeptionelle Grundlagen für ein Förderkonzept zur Gewinnung

         und Unterstützung von Bildungslotsen vor.

     3. Eine öffentlichkeitswirksame Aktion wurde geplant und durchgeführt.

 

b) Produkte

 

     1. Grund- und Kennzahlen sowie qualitative Aussagen zum Umfang der Aktivi-

         täten im Bereich der Bildungslotsen liegen vor und bilden die Ausgangsbasis

         für ein regelmäßiges Monitoring der weiteren Entwicklung in dem Handlungs-

         feld.

     2. Es gibt ein mit den beteiligten Akteuren (Schulen, Migrantenorganisationen,

         Verbänden sowie Verwaltung) abgestimmtes Förderkonzept einschließlich

         eines praxisorientierten Leitfadens.

     3. In zwei Schulen wurde der Einsatz von Bildungslotsen implementiert, erprobt

         und ausgewertet. Beide Schulen können die Bildungslotsen in Verbindung mit

         den Eltern langfristig als Unterstützung ihrer pädagogischen Arbeit nutzen.

         Den Schulleiter/innen ist ihre Rolle als Ansprechpartner/in vertraut.

     4. Durch eine öffentlichkeitswirksame Maßnahme und durch die Abschussveran-

         staltung wurden viele Schlüsselpersonen und interessierte Bürger/innen auf

         die Thematik aufmerksam gemacht.

     5. Die Politik erhält eine konkrete Entscheidungsvorlage mit der sie die lang-

         fristige strategische Ausrichtung der Unterstützung und Förderung von Bil-

         dungslotsen beschließen und die notwendigen Mittel bereitstellen kann.

 

 

Nachhaltigkeit des Projekts

 

Das Gesamtprojekt ist in die langfristig angelegte Konzept- und Kommunikationsstruktur zur Migration in der Stadt Rheine eingebunden. Das Projektziel wurde vom Rat der Stadt Rheine im Jahre 2007 bei der Fortschreibung des Migrations- und Integrationskonzeptes der Stadt Rheine in den Prioritätenkatalog in die Kategorie der besonderen Dringlichkeit eingestuft. Von daher gibt es einen eindeutigen politischen Auftrag. Dieser wird sicherlich dazu beitragen, dass alle zu beteiligenden Akteure die Erreichung der Projektziele mit besonderem Einsatz verfolgen werden.

Das Projektziel ist so konzipiert und ausgerichtet, dass die oben beschriebenen Produkte und Projektergebnisse als Teilelemente in das in Rheine erarbeitete System der Integrationsarbeit einfließen können und im Rahmen der gesamten strategischen Steuerung wichtige zukünftige Instrumente sind.

 

 

Indikatoren der Zielerreichung

 

1) Alle Beteiligten aus den Schulen, der Integrationsförderung, den Migrantenorganisationen und der Politik haben einen detaillierten Überblick über den Umfang und die Qualität der unterstützenden Tätigkeit von Bildungslotsen.

2) Es gibt in Ergänzung zum Migrations- und Integrationskonzept der Stadt Rheine konzeptionelle Grundlagen für eine langfristige Förderung  und Koordination der Arbeit von Bildungslots/innen.

3) Eltern mit Zuwanderungsgeschichte haben die Botschaft erhalten, dass es ein hohes Interesse an der Verbesserung der Bildungschancen ihrer Kidner gibt.

4) Schulen haben sich auch einen kultursensiblen Prozess zur Förderung von Bildung und Erziehung eingelassen.

 

 

Risiken der Zielerreichung

 

Unterschiedliche Verbände und Protagonisten haben in den letzten Jahren Initiativen zur Verbesserung der Bildungschancen von Kindern entwickelt. Jede Initiative hat eigene inhaltliche Schwerpunkte und ein eigenes Selbstverständnis entwickelt. Es ist nicht immer leicht gerade auch konkurrierende Verbände zusammenzuführen. Eigene Profilierungswünsche einzelner Akteure könnte den Prozess erschweren.

Aufgrund veränderter Bedarfslagen (weniger Zuzug von Flüchtlingen und Aussiedlern) und der finanziellen Situation der Stadt Rheine müssen unter Umständen traditionelle Angebote einzelner Verbände auf den Prüfstand, auch dieses kann unter Umständen die Kooperationsbereitschaft vermindern.

Schulen unterliegen einem permanenten Veränderungsdruck, dieses kann unter Umständen dazu führen, dass Lehrer/innen erst einmal in Abwehrhaltung gehen. Alle diese Risikofaktoren sind bekannt. Die Verantworltichen gehen davon aus, dass der Projektansatz allen Beteiligten signalisiert, dass ein auf eine konzeptionelle Grundlage gestellter Handlungsansatz große Vorteile für jeden Einzelnen bringt und letztlich der Verbesserung der Integrations- und Zukunftschancen der Kinder- und Jugendlichen dient.

 

 

Gesamteinschätzung der Wirkung des Projekts für die Kommune

 

Die angestrebten konzeptionellen Grundlagen und Erprobungsansätze können dazu beitragen, dass die Chancen der sozialen Integration von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in Rheine einen besonderen Stellenwert erhalten und dass eine gemeinsam erarbeitete strategische Grundausrichtung sich in vielen Bereichen positiv auswirkt.