Betreff
Beseitigung der Schäden an den Akten des Bestands "Neues Archiv der Stadt Rheine"
Vorlage
305/06
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Kulturausschuss sieht die dringende Notwendigkeit der Restaurierung des kontaminierten Archivbestandes “Neues Archiv der Stadt Rheine (1813-1935)” und verweist die Mittelbereitstellung in Höhe von 518.700 Euro verteilt auf 10 Jahre in die Haushaltsplanberatungen 2007 ff..

 


Begründung:

Wegen Befalls von Archivalien mit Schimmelpilzen besteht dringender Handlungsbedarf, um das Kulturgut “Neues Archiv der Stadt Rheine” zu sichern. Auf Archivgesetz NW vom 16. Mai 1989 § 10 bzw. § 4 (7) wird verwiesen, ebenso auf das als Anlage beigefügte Gutachten des Westfälischen Archivamtes.

Zur Sachlage

Das historische Archiv der Stadt Rheine gliedert sich in folgende großen Bestände:

·         Altes Archiv der Stadt Rheine
1327 – 1813 (Fürstbistum Münster, Napoleonische Zeit), Umfang: 639 Urkunden, 2150 Akten und Amtsbücher

·         Neues Archiv der Stadt Rheine
1813 – 1935 (Magistrat der Stadt Rheine in preußischer Zeit), Umfang: 1052 Akten (= 8,6 Archivalien pro Jahr)

·         Jüngeres Archiv der Stadt Rheine
seit 1946, Stadt Rheine nach dem Zweiten Weltkrieg, Umfang: zur Zeit ca. 6200 Akten und andere Unterlagen

Das mit Schimmelpilzen kontaminierte “Neue Archiv der Stadt Rheine” enthält die archivierten Akten der preußischen Registratur aus der Zeit von 1813 bis 1935. Der Archivbestand umfasst 1052 Aktennummern und ist damit für eine Stadt von der Bedeutung Rheines ungewöhnlich knapp. Es handelt sich um die Aktenüberlieferung genau der Zeit, in der Rheine sich von der kleinen Landstadt mit ca. 2.500 Einwohnern zu einer bedeutenden Industriestadt mit Eisenbahnknotenpunkt und Anbindung an das Wasserstraßennetz entwickelt hat mit ca. 34.000 Einwohnern im Jahre 1935. Die Akten dieser stadtgeschichtlich höchst bedeutenden Zeit gehören zum wichtigsten Kulturgut der Stadt Rheine.

Die Akten der preußischen Registratur sind 1953 durch den Archivar Dr. August Schröder von der Archivberatungsstelle Münster (heute Westfälisches Archivamt) in das Stadtarchiv Rheine übernommen worden. Weil diese Akten des 19./20. Jhs. noch nicht zum Stadtarchiv gehörten, ist ihnen zwar das Emshochwasser im Februar 1946 erspart geblieben, von dem das historische “Alte Archiv der Stadt Rheine” stark betroffen wurde. Allerdings hatten die Altakten der preußischen Registratur unsachgemäß im Keller des Alten Rathauses auf dem Fußboden gelagert und dadurch schwere Feuchtigkeitsschäden erlitten. Nach den Aufzeichnungen des Dr. Schröder veranlasste dieser 1946 erst einmal “das Auslegen der stark durchnäßten und schon angeschimmelten Akten auf dem Fußboden des Sitzungssaales” des damals unbenutzten Rathauses. “Im Juli 1953 erfolgte dann die Säuberung der durch das Kanalisationsgewässer stark verschmutzten und teilweise im Dreck verkrusteten Akten sowie die Verzettelung der aus den Registraturen des 19./20. Jhs. noch vorhandenen Stücke”, wie Dr. Schröder anmerkt.

Die heute zu beklagenden Schäden am “Neuen Archiv der Stadt Rheine” sind vor der Übernahme der Akten in das Stadtarchiv verursacht worden. Herr Höötmann vom Westfälischen Archivamt spricht in seinem Gutachten von der “tragischen Lagerungsgeschichte” dieser Archivbestände.

Zum Umfang des Schadens, zur Ursache und den Folgerungen wird auf das Gutachten des Westfälischen Archivamts verwiesen.

Umfang des Restaurierungsbedarfs

Nach der Schadensaufnahme aller Archivalien des “Neuen Archivs” wurden anhand der Datenbögen Schulnoten von 2 (gut) bis 6 (dringender Handlungsbedarf, Verlust droht) für den Zustand der Archivalien vergeben. Das Ergebnis besteht in einer Prioritätenliste der zu restaurierenden Archivalien. Hier folgt eine Übersicht über die Anzahl der einzelnen Gruppen:

Gruppe 1
sehr starker mikrobiologischer Befall, deutliche bis schwere Schäden an Papierstruktur und Einbänden, Auflösung des Papiers hat begonnen, baldiger Verlust der Archivalie droht
Note 6: Aufwendige Restaurierung dringend erforderlich. Umfang: 30 Archivalien

Gruppe 2
starker mikrobiologischer Befall, erste Schäden an Papierstruktur und Einbänden, Archivalie muss bald behandelt werden, um größeren Schaden oder Verlust zu verhindern
Note 5: Restaurierung dringend erforderlich. Umfang: 243 Archivalien

Gruppe 3
Mikrobiologischer Befall an Papier und/oder Einband festgestellt. Dieser muss entfernt werden, damit Papierstruktur nicht angegriffen wird.
Note 4-5: Restaurierung in absehbarer Zeit erforderlich. Umfang: 468 Archivalien

Gruppe 4
Archivalien in befriedigendem Zustand mit geringer Verschmutzung oder geringen mechanischen Schäden.
Restaurierung vorerst nicht notwendig. Solche Archivalien werden mit Hilfe des normalen Budgets im Rahmen der jährlichen Maßnahmen für Konservierung/Restaurierung gepflegt.
Note 3, Umfang: 135 Archivalien

Gruppe 5
Archivalien in gutem Zustand ohne Restaurierungsbedarf
Note 2, Umfang: 176 Archivalien

Wegen mikrobiologischen Befalls dringend zu restaurieren sind die Gruppen 1-3 mit insgesamt 741 Archivalien.

Ermittlung der Kosten

Nach der Schadensaufnahme durch das Stadtarchiv haben der Leiter der Restaurierungswerkstatt des Westfälischen Archivamts, Herr Reinhold Sand, und der zuständige Referent, Herr Hans-Jürgen Höötmann, die geschädigten Akten stichprobenweise begutachtet und das Angebot gemacht, das Papier der Akten für einen Durchschnittspreis von 1.000 Euro pro Akte zu restaurieren. Dies würde die reine Sicherung des Papier- und Schriftbestandes – ohne Wiederherstellung der preußischen Fadenheftung – bedeuten, egal ob die Akte 40 oder 600 Blätter umfasst. Die Restaurierung bedrohter Archivalien wird vom Westfälischen Archivamt in der Regel durch einen Zuschuss von 30 % des Rechnungsbetrages unterstützt.

Die Restaurierung der 741 kontaminierten Akten in der Werkstatt des Westfälischen Archivamts in Münster würde deshalb 741.000 Euro kosten; abzüglich eines Zuschusses von 30 % (222.300 Euro) durch das Westfälische Archivamt verblieben 518.700 Euro als für die Restaurierung des Neuen Archivs aufzubringende Mittel.

Vorgeschlagen wird, das Neue Archiv in einem auf zehn Jahre ausgedehnten Programm zu restaurieren und dabei mit den am schwersten geschädigten Archivalien der Gruppe 1 zu beginnen. Für die Restaurierung des Bestands “Neues Archiv der Stadt Rheine (1813-1935)” ist deshalb für die Haushaltsjahre 2007-2016 die Bereitstellung von jeweils 51.870 Euro nötig.

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Gutachten des Westfälischen Archivamts