Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt Rheine beschließt unter Aufhebung  seines Beschlusses vom 28. Oktober 2008  (Vorl. 297/08/1) die Errichtung einer ortsfesten Hochwasserschutzeinrichtung entlang des Timmermanufers.


Begründung:

 

1.    Ausgangslage

 

Der vom ehemaligen StUA Münster aufgestellte Hochwasser-Aktionsplan Ems 2001 hat ein hohes Schadenspotenzial für die Stadt Rheine festgestellt. Zur Schadensminderung wurde die Anlage einer ca. 1.100 m langen Hochwasserschutzeinrichtung entlang der Straße Timmermanufer vorgeschlagen. Die Stadt Rheine hat daraufhin die Vorplanung in Auftrag gegeben, bei der verschiedene Varianten eines Hochwasserschutzes untersucht wurden (u. a Deich, Mauer, mobiler Hochwasserschutz). Aus Kostengründen entschied sich die Stadt Rheine für eine durchgehende, unverkleidete Hochwasserschutzmauer, die in dieser Form als in voller Höhe förderfähig anerkannt wurde. Diese Mauer hatte eine Höhe von bis zu 1,50 m über Gehwegoberkante.

 

Für diese Variante wurde eine Entwurfs- und Genehmigungsplanung erstellt und 2006 bei der Genehmigungsbehörde eingereicht. Die Genehmigung wurde nach der Vorlage einer vorgesehenen Ausgleichsmaßnahme (Schaffung von Retensionsraum) in der Emsaue in der Ortslage Rheine-Mesum 2007 erteilt.

Zwischenzeitlich lag auch der Zuwendungsbescheid vor. Die Genehmigungsplanung wurde beauftragt, und es wurden Maßnahmen für die Bauvorbereitung getroffen.

 

Aufgrund umfangreicher Beratungen im Vorfeld und einer formellen Planoffenlage wurden gegen das Projekt zum damaligen Zeitpunkt in der Öffentlichkeit keine Einwendungen vorgebracht.

 

Erst als die erteilte Genehmigung bestandskräftig war und der Baubeginn bevorstand, formierte sich Widerstand in der Stadt. Dieser richtete sich insbesondere gegen die Höhe der Betonwand. Dies resultierte aus dem erheblichem Freibord, das seinerzeit von der Bezirksregierung verlangt wurde. Hierzu wurde die aus dem beigefügten Vermerk ersichtliche Meinung vertreten (Anlage 2), auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Die Bezirksregierung hat seinerzeit deutlich gemacht, dass eine Verringerung des Freibordes nicht in Betracht käme. Auch kündigte man dort an, dass es eine Neuberechnung der Hochwasserlinien geben werde und es hier zu weiteren Veränderungen kommen könne.

 

Als Ergebnis einer daraufhin einberufenen Bürgerversammlung im Juni 2008 wurde durch den Rat der Stadt Rheine beschlossen, eine abgeänderte Planung im Abschnitt zwischen RÜB Hohenkampstraße und Ludgeribrücke vorzunehmen. Zur Vermeidung des Eindruckes einer massiven Betonmauer sollte nun eine Mauer mit aufgesetzten mobilen Elementen die vorherige durchgehende Mauer ersetzen. Erwartet wurde insoweit, dass sich diese Gestaltung in die Stadt wegen der stark reduzierten Höhen außerhalb der Hochwasserzeit einfügen werde.

 

Zitat des Ratsbeschlusses:

 

1       Der Bauausschuss nimmt das Ergebnis der Informationsveranstaltung zur Anlegung einer Hochwasserschutzmauer an der Ems im Ratssaal vom 18. Juni 2008 zur Kenntnis.

2       Der Bauausschuss beauftragt die Verwaltung zur Erstellung einer Ausführungsplanung für die Hochwasserschutzmauer auf der Grundlage der unter dem Beschlussvorschlag 3 aufgeführten Variante.

3       Für die Erstellung der Hochwasserschutzmauer empfiehlt der Bauausschuss dem Rat folgende Variante:

3.1    Erster Mauerabschnitt

         Von Beginn der Mauer, im Bereich des Hauses Timmermanufer Nr. 146, soll die Hochwasserschutzmauer auf einer Teillänge von 38 m – bis östlich der dritten Baumbucht – als voll bepflanzte Betonmauer ohne mobile Elemente erstellt werden.

3.2    Zweiter Mauerabschnitt

         Vom Ende des ersten Mauerabschnittes bis zur Hohenkampstraße soll die Hochwasserschutzmauer als bepflanzte Mauer mit mobilen Elementen versehen werden. Dabei soll der Betonmauersockel eine Höhe bis zu 70 cm maximal abdecken. Soweit möglich wird allerdings eine Höhe von 50 cm angestrebt.

3.3    Dritter Mauerabschnitt

         Von der Hohenkampstraße bis zum Ende, ca. 80 m östlich der Lohorststraße, soll die Hochwasserschutzmauer als bepflanzte Betonwand ohne mobile Elemente erstellt werden.

 

Im Dezember 2008 fand bei der Genehmigungsbehörde, der Bezirksregierung Münster, ein weiterer Termin statt, um die weitere Vorgehensweise abzustimmen, da sich in Bezug auf die seinerzeit erteilte Genehmigung Änderungen der Planung ergeben hatten:

 

1.   Die Sicherheitslinie wird nach Beschluss des Rates der Stadt Rheine im Abschnitt unterhalb Ludgeribrücke bis RÜB Hohenkampstraße als eine Kombination von Hochwasserschutzmauer und mobilen Elementen ausgeführt.

 

2.   Zum Erhalt der vorhandenen Bäume wurde die bisher gültige Sicherheitslinie im Abschnitt Ludgeribrücke bis RÜB Hohenkampstraße in Richtung Ems verschoben.

 

Die Genehmigungsbehörde forderte für die vorgesehene Änderung eine neue Plangenehmigung, da die Änderungen als so wesentlich angesehen wurden, dass die alte Genehmigung diese nicht mehr abdeckte.

 

2.    Neuberechnung Hydraulikmodell

 

Das beauftragte Ingenieurbüro erarbeitet daraufhin die neue Plangenehmigung. Die neue Planung führte zu erheblichen Mehrkosten. Am 2. September 2009 wurde der Bezirksregierung dann die überarbeitete Planung vorgestellt. Zwischenzeitlich wurde bei der Bezirksregierung auch das Hydraulikmodell angepasst worden. Diese Anpassung führte zu einem ca. 15 cm höheren Wasserspiegel. Gleichzeitig wurde wegen der neuen Berechnung, die seitens der Bezirksregierung als exakt bezeichnet wurde,  nur noch ein Freibord von 10 cm erforderlich, der seinerzeitige Sicherheitszuschlag wurde reduziert. Im Ergebnis konnte die Mauer nun 75 cm niedriger ausgeführt werden. Auch spart man so die Mobilelemente ein, die sonst zusätzlich auf der Mauer eingebaut würden.

 

3.    Sandsacklösung

 

Zwischenzeitlich wurde die Diskussion um die Mauer innerhalb der Verwaltung vertieft. Vor dem Hintergrund der Zuständigkeit der Stadt Rheine als Gefahrenabwehrbehörde wurde – zur Vermeidung zivilrechtlicher Haftungsrisiken - von der TBR eine Sandsacklösung für einen Schutz bis HQ 50 erarbeitet. Diese gefahrenabwehrrechtliche Lösung ermöglicht einen kostengünstigen Schutz für das betroffene Gebiet. Die GVV Kommunalversicherung teilte zudem unter dem 10. März 2010 mit, dass es haftungsrechtlich ausreiche, eine solche Sandsacklösung vorzusehen (Anlage 2 a). Gefordert wurde allerdings ein Schutzkonzept, um diese Lösung unverzüglich im Gefahrenfall zum Einsatz bringen zu können. Damit wurde ein Schreiben der GVV vom 27. Januar 2010 bestätigt, in dem die Versicherung ausführte, dass die Frage des Hochwasserschutzes sich an rechtlicher und wirtschaftlicher Zumutbarkeit zu orientieren habe und es nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich ausreiche, die Hochwasserschutzeinrichtung derart auszulegen, dass diese ein Hochwasser mit mindestens fünfzigjähriger Wiederkehr bewältigen könne. Auch das Regressrisiko gegen die Stadt wurde abschließend ausgeschlossen.

 

Entgegen dieser eindeutigen Aussage wurde jedoch die Sandsacklösung seitens der Bezirksregierung Münster nicht als planmäßiger Hochwasserschutz betrachtet, sondern es wurde lediglich als Notfalllösung anerkannt (Vermerk der Bez.-Reg. vom 22. Juni 2010; Anlage 3).

 

Hier werden die unten weiter auszuführenden Unterschiede in der Sichtweise Land/Kommune deutlich. Während die Stadt Rheine für den Hochwasserschutz gesetzlich nur unter dem Gesichtspunkt „allgemeine Gefahrenabwehr“ zuständig sein kann, verweist das Land unter dem Gesichtspunkt „guter technischer Hochwasserschutz“ auf eine möglichst optimale Abarbeitung der im Rahmen des Hochwasseraktionsplans festgestellten Mängel. Folgerichtig ist die Sandsacklösung nach Ansicht der Bezirksregierung einerseits zu niedrig (HQ 100 ist anerkannt im Sinne des Hochwasserschutzes), andererseits aber auch nicht „ortsfest“ und damit keine „planmäßige Hochwasserschutzeinrichtung“.

 

4.    Baurechte

 

An dieser Stelle könnte sich die Stadt Rheine auf die Zuständigkeit zurückziehen und den Wunsch des Landes ignorieren. Allerdings liegen die betroffenen Flächen innerhalb eines festgesetzten Überschwemmungsgebietes. Diese Festsetzung hat erhebliche Auswirkungen auf künftige Baurechte. Auch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW kam in einem gemeinsamen Gespräch mit der Bezirksregierung und der Stadt Rheine zum Ergebnis, dass eine Sandsacklösung nicht die Kriterien eines genehmigungsfähigen planmäßigen Hochwasserschutzes erfüllt. Als Konsequenz bliebe der mögliche Überflutungsbereich bei einem HQ 100 weiterhin als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen.

 

Die gefahrenrechtliche Variante habe nach Auffassung des Landes vielmehr erhebliche planungs- und baurechtliche Konsequenzen und schränke die Verwertbarkeit der betroffenen Grundstücke ein. Um diese Konsequenzen zu vermeiden, sei aus Sicht des Landes nach wie vor eine Hochwassermauer erforderlich.

(Vermerk der Bez.Reg. vom 12. Dezember 2010; Anlage 4)

 

An dieser Stelle besteht für künftige Genehmigungserteilungen ein erhebliches Problem, das sich aus § 78 Abs. 3 WHG ergibt. Danach wird die Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nur dann überhaupt noch zu genehmigen sein, wenn u. a. sichergestellt ist, dass hochwasserangepasst gebaut wird (Kosten!) oder die Rückhaltung nicht beeinträchtigt wird (Flächenverbrauch!). Baugenehmigungen im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) sind somit kaum noch möglich.

 

Dies gilt erst recht bei der Neuausweisung von bebaubaren Bereichen, was nach § 78 Abs. 1 WHG untersagt ist. Es besteht also ein faktisches Verbot für Bauleitplanung (Flächennutzungsplan und Bebauungsplan).

 

Diese Hürde ist erheblich und muss bei der Diskussion um Hochwasserschutz beachtet werden, da sie die Entwicklung der Flächen an der Ems unmöglich machen wird. An dieser Stelle kann das Land in die Planungshoheit der Kommune eingreifen. Somit wird die Frage zu diskutieren sein, ob der Rückzug auf die gefahrenabwehrrechtliche Zuständigkeit der Stadt Rheine klug sein kann.

 

Die Verwaltung ist der Ansicht, dass insbesondere dieser Punkt eine so erhebliche Einschränkung weiterer Entwicklungen mit sich bringt, dass überlegt werden sollte, hier über eine ortsfeste Einrichtung nachzudenken und diese auch mit zu finanzieren.

 

Mit dem Ministerium ist vor diesem Hintergrund eine intensive Diskussion geführt worden, mit dem Ziel, die Bedingungen für die Errichtung dieser Schutzeinrichtung nachhaltig zu verbessern. Dies konnte erreicht werden.

 

5.    Förderung

 

Der bisherige Zuwendungsbescheid ging von einer Förderquote von 70 % aus. Zwischenzeitlich stand auch im Raum – ob als motivierende Warnung gemeint oder nicht, sei dahingestellt -, dass bei „Verfallen“ des bisherigen Förderbescheides auf Basis der ursprünglichen Plangenehmigung eine darunter liegende Förderquote möglich sei.

Das Ministerium stellt der Stadt Rheine nunmehr eine Förderung mit einem Fördersatz von 80 % und einer zeitlichen Streckung der Umsetzung in Aussicht, wenn eine konkrete Planung und zeitliche Umsetzung der Planung vorgelegt wird.

(Vermerk des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 16. Februar 2011; Anlage 5). Zudem wurde zugesichert, dass nicht nur die günstigste und einfachste Mauer als förderfähig anerkannt wird, sondern stadtgestalterische Mehrkosten in gewissem Rahmen akzeptiert werden können.

 

6.    Kosten

 

Die Gesamtkosten der Hochwasserschutzmauer betragen ca. 1,3 Mio. Euro.

Der Eigenanteil der Stadt Rheine beträgt 260.000 €. Er wird in den Jahren 2014 und 2015 kassenwirksam.

 

7.    Weiteres Vorgehen

 

Es ist jetzt vorgesehen, das Büro Sönnichsen mit der Modifizierung der Planung zu beauftragen. Die jeweilige Höhe und Lage der Mauer ist den beigefügten Lageplänen zu entnehmen. Zum Schutz der vorhandenen Bäume wurde die Mauer von der Baumachse zur Ems hin verschoben. Dadurch werden die Wurzeln der Platanen geschont, und der vorhandene stark angehobene Gehweg kann entlang der neu erstellten festen Hochwassermauer neu angelegt werden.

 

Um die Auswirkungen auf das Stadtbild an diesem außergewöhnlich prägnanten Standort zu mildern und vielmehr eine Aufwertungschance des öffentlichen Raumes zu nutzen (grünes innerstädtisches Emsufer), sollen gestalterische Aspekte besonders berücksichtigt werden (Material, Sitzmauer).

 

Die Umsetzung ist für die Jahre 2014 und 2015 geplant.

 

8.    Resümee

 

Die Lage und die Höhe der Hochwasserschutzanlage am Timmermannufer sind in den letzten Jahren sehr intensiv diskutiert worden.

Hierbei wurde von der Stadt Rheine zwischenzeitlich eine Sandsacklösung favorisiert. Diese Sandsacklösung wird von der Bezirksregierung und vom zuständigen Ministerium wasserrechtlich nur als „Provisorium“ angesehen.

Dies hat zur Folge, dass die Grundstücke auf der Ostseite des Timmermannufers weiterhin rechtlich im Überschwemmungsgebiet liegen würden.

Baurechte wären nicht oder nur mit hohen Auflagen umsetzbar. Derzeit liegt z. B. der Parkplatz des Hallenbades im Überschwemmungsgebiet und ist damit nicht bebaubar.

 

Durch intensive Verhandlungen konnte erreicht werden:

 

  • dass die Mauerhöhe von bisher max. 1,50 m über Gehwegoberkante auf max. 84 cm über Gehwegoberkante abgesenkt wird,
  • der Fördersatz von bisher 70 % auf 80 % erhöht wird,
  • die Umsetzung aufgrund der schwierigen finanziellen Lage der Stadt Rheine geschoben wird.

 

Die Verwaltung spricht sich daher dafür aus, die Mauer in der beschriebenen Form umzusetzen. Weiterhin soll bis zu diesem Zeitpunkt die gefahrenabwehrrechtliche Sandsacklösung vorgehalten werden.


Anlagen:

 

Anlage 1:     Lageplan und Querschnitte

Anlage 2:     Vermerk über eine Besprechung bei der Bez.-Reg am 9. April 2008

Anlage 2 a:  Schreiben GVV Kommunalversicherung vom 10. März 2010

Anlage 3:     Vermerk der Bez.-Reg. vom 22. Juni 2010

Anlage 4:     Vermerk der Bez.-Reg. vom 12. Dezember 2010

Anlage 5:     Vermerk des Ministeriums vom 16. Februar 2011