Betreff
Potenzialflächenanalyse zur Windenergienutzung Definition der Ausschluss- und Restriktionsparameter I. Kenntnisnahme und Billigungsbeschluss
Vorlage
213/14
Aktenzeichen
FB 5 - hs
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag / Empfehlung:

 

Der Stadtentwicklungsausschuss „Planen und Bauen“ nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Dem als Anlage 7 beigefügten „Kriterienkatalog“ zur Definition der „harten“ und „weichen“ Tabuzonen sowie der Restriktionsbereiche wird zugestimmt.

 

 


Begründung:

 

1.      Bundesrechtliche Steuerungsmöglichkeit

 

Windkraftanlagen als Energielieferanten für die öffentliche Stromversorgung sind wegen ihrer Geräuschemissionen, ihres Platzbedarfs und günstigerer Windverhältnisse grundsätzlich auf einen Standort im bauplanungsrechtlichen Außenbereich angewiesen. Seit der Baurechtsnovelle 1997 zählen sie zu den Anlagen, die im Außenbereich privilegiert und damit zulässig sind, wenn ihnen öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist.

 

Der Gesetzgeber hat die Vorzugsstellung der Windenergieanlagen allerdings durch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB relativiert. Danach stehen öffentliche Belange einem Vorhaben im Sinne des Abs. 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB enthält ein Instrument zur Kontingentierung. Durch positive Standortzuweisung an einer oder auch an mehreren Stellen im Stadtgebiet erhalten die Raumplanung bzw. Regionalplanung und die Gemeinden die Möglichkeit, den übrigen Planungsraum von den - durch den Gesetzgeber privilegierten - Anlagen freizuhalten.

 

 

 

2.       Anpassungspflicht an die Ziele der Raumordnung

 

Gemäß Baugesetzbuch sind die Bauleitpläne (Flächennutzungsplan und Bebauungspläne) den Zielen der Raumordnung anzupassen. Dementsprechend sind diese Ziele auch für die Stadt Rheine unmittelbar bindende Vorgaben und nicht Gegenstand der Abwägung.

 

Der rechtskräftige Regionalplan stellt Eignungsgebiete für die Windenergienutzung dar; d.h. außerhalb der dargestellten Bereiche ist die Windenergienutzung ausgeschlossen. Der Stadt Rheine ist es verwehrt, die im Regionalplan getroffene raumordnerische Eignungsfestlegung zu konterkarieren bzw. „auszuhöhlen“. Es darf auf der Ebene des kommunalen Flächennutzungsplans lediglich eine Feinsteuerung erfolgen. Gemeindliche Konzentrationszonen übernehmen grundsätzlich die Flächen der Regionalplandarstellung und dürfen nur in begrenztem Umfang Flächen aufgrund konkreter, erst auf der Gemeindeebene relevanter Kriterien ausschließen (z.B. Bereich Altenrheine wg. Bundeswehr-Belange).

 

Mit der Fortschreibung des Regionalplans bzw. des „ausgekoppelten“, sachlichen Teilabschnitts „Energie“ wird es künftig einen „Paradigmenwechsel“ in der Verbindlichkeit der dargestellten Windkorridore geben.

 

Die bisherige Festlegung der Windkorridore im Regionalplan erfolgt als „Eignungsbereiche“ gemäß § 8 Raumordnungsgesetz. Sie entfalten neben der Ausschlusswirkung (für andere Flächen) nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auch Bindungswirkung für die kommunale Bauleitplanung nach § 1 Abs. 4 BauGB.

 

Der künftige Regionalplan Münsterland, sachlicher Teilabschnitt „Energie“ wird mit der geplanten Darstellung von „Vorrangbereichen für die Windenergienutzung“ keine Konzentrationswirkung mehr besitzen. Die regionalplanerischen Windkorridore verlieren künftig ihre strenge Bindungswirkung bzw. konkrete Steuerungsfunktion. Es bleibt nunmehr den Kommunen überlassen, weitere Gebiete (auch außerhalb der regionalplanerisch definierten „Windenergiebereiche“) für die Windenergienutzung in den Flächennutzungsplänen darzustellen.

 

Dies gilt allerdings erst ab Rechtskraft des sachlichen Teilabschnitts „Energie“, der voraussichtlich Ende 2015 im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW bekannt gemacht wird. Bis dahin ist außerhalb der Konzentrationszone in Hauenhorst/Catenhorn (Anm.: der einzigen im Stadtgebiet) die Errichtung von Windenergieanlagen unzulässig bzw. nicht genehmigungsfähig.

 

 

 

3.       Gesamtstädtisches Plankonzept

 

Grundlage für die derzeitige Darstellung der Konzentrationszone in Hauenhorst/ Catenhorn war eine flächendeckende Untersuchung des Stadtgebietes im Jahr 2003. Hierzu wurden eine Vielzahl von Tabuzonen sowie Abstände zu schutzbedürftigen Nutzungen definiert. Ergebnis war die Eignung des Areals zwischen Hauenhorst und St. Arnold für die Errichtung von Windkraftanlagen (s. Anlage 1).

 

Die bundesweit diskutierten Themen „Klimaschutz“, „Atomausstieg“ und „Energiewende“ forcierten letztlich die Aktualisierung, Fortschreibung bzw. Weiterentwicklung der damaligen Untersuchung. Dazu bedurfte es eines neuerlichen, gesamtstädtischen und schlüssigen Plankonzeptes, das auch die Rechtsprechung insbesondere zum „vorsorgenden Immissionsschutz“ und zur „optisch bedrängenden Wirkung“ berücksichtigt.

 

Ein Münsteraner Gutachterbüro wurde im Frühjahr 2011 vom Kreis Steinfurt im Rahmen des „Windmasterplans“ als Teil des Projektes „Kreis Steinfurt – energieautark 2050“ beauftragt, hinsichtlich der möglichen Errichtung von Windenergieanlagen, u.a. für die Stadt Rheine eine Potenzialflächenanalyse durchzuführen.

 

Aus Gründen größtmöglicher Rechtssicherheit wurde eine flächendeckende Überprüfung des gesamten Stadtgebietes unter Anwendung eines kreisweit einheitlichen Kriterienkatalogs durchgeführt (Endbericht Sept. 2011). Dieser Katalog u.v.m. wurde in der Sitzung des Stadtentwicklungsauschusses am 27.02.2013 beraten und zur Kenntnis genommen (Vorlage Nr. 133/13: „Neue Potenziale der Windenergienutzung – Vorranggebiete für die Regionalplanung“; Anlage 5: Liste „Ausschlusskriterien“) (hier: Anlage 2 (Liste) und Anlage 3 (Ergebnisplan)).

 

Entspechend aktuellerer Datenlage und stadtspezifischer Informationen wurden die gutachterlich ermittelten Flächenpotenziale verwaltungsseitig überarbeitet bzw. nach objektiven städtebaulichen Kriterien weiter konkretisiert.

 

Ergebnis des ersten gesamtstädtischen Plankonzeptes waren 3 exakt definierte, vorläufige Windkorridore, die der Windenergienutzung im Stadtgebiet in substanzieller Weise Raum schaffen sollten: Altenrheine (Anlage 4), Elte (Anlage 5) und Hauenhorst (Anlage 6).

 

Mit Schreiben vom 10. April 2013 hat die Stadt Rheine der Bezirksregierung Münster diese drei Gebiete zur Ausweisung als „Vorrangbereiche für die Windenergienutzug“ im künftigen Regionalplan Münsterland, sachlicher Teilabschnitt „Energie“ angemeldet.

 

 

 

4.       Überarbeitung des gesamtstädtischen Plankonzeptes

 

Unter Bezugnahme auf die laufende Rechtsprechung bedarf es nunmehr einer erneuten Überprüfung der Eignungsbereiche im Stadtgebiet.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13.12.2012 eine für die Praxis wichtige Klarstellung seiner bisherigen Rechtsprechung zur planerischen Steuerung der Windenergienutzung vorgenommen. Danach ist bei Erarbeitung eines sich auf den gesamten Außenbereich erstreckenden gesamträumlichen Planungskonzeptes zwingend zwischen „harten“ und „weichen“ Tabuzonen zu unterscheiden und diese Unterscheidung entsprechend zu dokumentieren.

Das Oberverwaltungsgericht NRW konkretisiert mit seinem Urteil vom 01.07.2013 u.a. die Abgrenzung von „harten“ und „weichen“ Tabukriterien und geht damit in einigen Punkten über die bisherige Linie der Obergerichte hinaus. Letztlich werden voraussichtlich größere Potenzialflächen als bisher zu prüfen und darzustellen sein.

 

Mit Schreiben vom 12.09.2013 weist auch der Kreis Steinfurt darauf hin, dass es eine „neue Situation für die Ausweisung von Windkonzentrationszonen“ gibt:

 

„In einem Urteil des OVG Münster hat das Gericht den Flächennutzungsplan der Stadt Büren … für ungültig erklärt. Dies hat Auswirkungen auf die bisher gängige Praxis. … Die vom Kreis Steinfurt in 2011 durch enveco erarbeitete Windpotenzialstudie, sowie der darauf aufbauende Wind-Atlas mit der artenschutzfachlichen Einschätzung durch die untere Landschaftsbehörde und die Biologische Station, können daher nicht mehr ohne weitere Prüfung als Basis für die Ausweisung von Konzentrationszonen dienen.“

 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung wird also eine vollständige Überarbeitung des bisherigen Plankonzeptes zur Ausweisung von „Vorrangbereichen“ bzw. „Konzentrationszonen“ für die Windenergienutzung erforderlich.

 

Aufgrund der spezifischen Anforderungen ist hierzu das Planungsbüro „ökoplan“, Essen beauftragt worden, das in Abstimmung mit der Stadt Rheine zunächst die Erstellung bzw. detaillierte Ausarbeitung eines Kriterienkatalogs vorgenommen hat. Im Rahmen der Analyse der Flächenpotenziale wird hiermit die differenzierte Betrachtung und Bewertung der Tabuzonen bzw. der Ausschluss- und Restriktionsparameter vorgelegt. Im Ergebnis sind ähnliche Zuordnungen und Pufferzonen bzw. Schutzabstände - wie hinsichtlich der 2011er-Studie - definiert und begründet worden (s. Anlage 7).

 

Da der in Anlage 7 dargelegte „Kriterienkatalog“, die Grundlage für die nächsten Arbeitsschritte bildet, bittet die Verwaltung den Stadtentwicklungsausschuss hiermit um Zustimmung.

 

Nach der Ermittlung und Abgrenzung der Ausschlussbereiche findet eine weitergehende Eignungsuntersuchung der verbleibenden Potenzialflächen statt. Dazu bedarf es einiger Einzelfallprüfungen zu sonstigen Nutzungskonflikten bzw. Restriktionen (Erstellung sog. „Steckbriefe“). Nach den neuen Erkenntnissen aus dem OVG-Urteil vom 01.07.2013 muss zudem überprüft und dargelegt werden, ob der Windenergie ausreichend bzw. substanziell Raum geschaffen wurde. Letztlich muss die Potenzialflächenanalyse eine ausführliche und nachvollziehbare Dokumentation der jeweiligen Einzelschritte enthalten, so dass dem Endbericht eine klare Aussage zu entnehmen ist, mit welchen „Konzentrationszonen für Windenergieanlagen“ eine Änderung des Flächennutzungsplanes eingeleitet werden soll.

 

 

 

5.       Weiteres Vorgehen

 

Letztlich geht es um die Ausweisung neuer Standorte für Windenergieanlagen und die Möglichkeit der Kommunen, diese als „Konzentrationszonen“ für Windenergie im Flächennutzungsplan darzustellen. Durch positive Standortzuweisungen für Windenergieanlagen an einer oder mehreren Stellen kann das restliche Stadtgebiet – zur Vermeidung der „Verspargelung“ der Landschaft - von Windenergieanlagen freigehalten werden.

 

Mit dem Einleitungs- bzw. Erarbeitungsbeschluss zum Regionalplan-Teilabschnitt „Energie“ geht voraussichtlich ab Juni 2014 ein Regionalplan-Entwurf ins Verfahren, der die „Windenergiebereiche“ relativ genau definiert. Danach werden die öffentliche Auslegung, die Beteiligung der öffentlichen Stellen und die Erörterungsgespräche („Meinungsausgleich“) durchgeführt. Mitte 2015 wird mit dem Aufstellungsbeschluss und Ende 2015 mit der Bekanntmachung bzw. der Rechtskraft des Teilabschnitts „Energie“ gerechnet.

 

Parallel zum Regionalplan-Teilabschnitt „Energie“ werden die – im Rahmen der Potenzialflächenanalyse - im Vorfeld ermittelten Eignungsbereiche in die kommunale Bauleitplanung, d.h. in ein Änderungsverfahren zum Flächennutzungsplan „eingespeist“. Nach Unterzeichnung einer Rahmenvereinbarung zwischen der Stadt Rheine, der Stadtwerke Rheine GmbH und den jeweiligen Windpark-GbR’s soll der Änderungsbeschluss voraussichtlich im Herbst diesen Jahres gefasst werden. Mitte 2015 wird mit dem Feststellungsbeschluss und Ende 2015 mit der Bekanntmachung bzw. der Rechtskraft der Flächennutzungsplanänderung gerechnet.

 

Nach Abschluss der Flächennutzungsplanänderung inklusive städtebaulicher Verträge sind die „Konzentrationszonen für Windenergieanlagen“ wirksam; allerdings erst nachdem die Regionalplan-Fortschreibung Rechtskraft erlangt hat.

 

Bis dahin gilt der „alte“ Regionalplan mit den beiden „Windenergieeignungsbereichen“ in Altenrheine (westlich der L 593 nach wie vor komplett bundeswehr-beschränkt) und Hauenhorst sowie der „alte“ Flächennutzungsplan mit der stadtweit einzigen „Konzentrationszone“ in Hauenhorst/Catenhorn fort. Erst frühestens Ende 2015 können neue Windparks in die Realisierungsphase eintreten bzw. Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz beantragt werden.