Betreff
Entwicklung ehemalige Hertie-Immobilie und westlich anschließendes Gebäude (ehem. "Mensing-Fläche")
I. 22. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 10 g Kennwort "Westliche Innenstadt"
hier: Änderungsbeschluss
II. Geplante Vorgehensweise zur Entwicklung des Standortes
Vorlage
417/16
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

I.     Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz der Stadt

Rheine beschließt, gem. § 1 Abs. 8 BauGB i.V.m. § 2 Abs. 1 BauGB den Bebauungsplan Nr. 10 g, Kennwort „Westliche Innenstadt“, der Stadt Rheine im Bereich der ehemaligen Hertie-Immobilie sowie des sich westlich bis zum Busbahnhof anschließenden Gebäudekomplexes zu ändern.

 

Der räumliche Geltungsbereich der 22. Änderung des Bebauungsplanes 10 g, Kennwort „Westliche Innenstadt“ wird wie folgt begrenzt:

 

Im Norden:  Durch die Südgrenze des Staelschen Hofes entlang der Nordgrenze des Flurstückes 1115 sowie weiter nach Westen durch die Nordgrenze des Flurstückes 1116.

Im Westen: Durch die Ostgrenze des Busbahnhofes entlang der Westgrenze der Flurstücke 1116 und 1611.

Im Süden:   Durch die Nordgrenze der Matthiasstraße bzw. Einmündung Kolpingstraße entlang der Südgrenze der Flurstücke 1611, 1116, 1115, 1142 und 1143.

Im Osten:    Durch die Westgrenze der Herrenschreiberstraße entlang der Ostgrenze des Flurstücks 1115.

 

Der Planbereich umfasst die Flurstücke 1115, 1116, 1611, 1142 und 1143. Alle genannten Flurstücke befinden sich in der Gemarkung Rheine Stadt, Flur 111. Der räumliche Geltungsbereich ist im Übersichtsplan geometrisch eindeutig festgelegt.

 

II.   Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz der Stadt

Rheine nimmt die Ausführungen zum geplanten Vorgehen für die Entwicklung der ehemaligen Hertie-Immobilie und des sich anschließenden Gebäudekomplexes mit der ehemaligen „Mensing-Fläche“ zur Kenntnis.


Begründung:

 

 

  1. Vorbemerkung

 

Das Hertie-Warenhaus in Rheine wurde bereits am 14.08.2009 geschlossen. Seither stehen die ehemals zweigeschossigen Verkaufsräume mit damals rd. 4.760 qm Verkaufsfläche (VK) leer (BruttoVK rd. 6.650 qm). Als größter Anbieter in der Innenstadt und durch seine prägnante Lage im Stadtraum (im Einfahrtsbereich zur südlichen Innenstadt und in direkter Nähe zu Busbhf. und Bhf.) ging vom Hertie-Warenhaus i.V.m. den Einzelhandels- und Dienstleistungsnutzungen im angrenzenden Rathaus-Zentrum (insbes. dem Bekleidungsgeschäft Mensing, ca. 2.100 qm VK) eine bedeutsame Magnetfunktion für die Innenstadt Rheines als Einzelhandelsstandort im Allgemeinen und für den südwestlichen Bereich des Hauptgeschäftszentrums im Speziellen aus.

Durch den anhaltenden Leerstand der Hertie-Immobilie ist sowohl im Rathaus-Zentrum als auch im Umfeld (Staelscher Hof) ein anhaltender Rückgang der Einzelhandelsnutzungen (Trading-Down-Effekt) mit zunehmenden Leerständen zu verzeichnen.

 

Die Stadt Rheine und die Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Rheine mbH (EWG) waren unmittelbar in 2009 angesichts der Hertie-Schließung aktiv geworden. Um i.V.m. der Eigentümerin eine möglichst schnelle Revitalisierung des Objektes herbeizuführen, hatte die EWG Grundlagen zur perspektivischen Entwicklung der Hertie-Immobilie zusammengestellt (u.a. Nutzwertanalyse - Nachnutzung Hertie-Warenhaus, Standortprofilerstellung).

Strategischer Ansatz der Aktivitäten war, einen Käufer / Investor für das Objekt zu finden, der unter Berücksichtigung der bestehenden Bausubstanz ein Nachnutzungskonzept mit einem attraktiven Einzelhandelsangebot entwickelt und umsetzt. Die EWG hatte in dem von 2010 bis 2016 laufenden Akquisitions- und Verhandlungsprozess die Federführung. Leider konnte trotz vielfältiger Anfragen und Verhandlungen und teilweise auch vielversprechender Nachnutzungskonzepte kein Investor gefunden werden. Ein wesentlicher Grund lag dabei in den Kaufpreisvorstellungen der Eigentümerin. Eine weitere Problematik ergab / ergibt sich aus der Tatsache, dass die Hertie-Immobilie (5.307 qm Grundstücksfläche) und die „Mensing-Fläche“ (Teileigentum aus dem sich zum Busbahnhof anschließenden Gebäudekomplex, 3.112 qm Grundstücksfläche) nach den Vorstellungen der zwei Eigentümer „im Paket“ vermarktet werden sollen.

 

Da sich im Vergleich zu den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Hertie-Immobilie und der Mensing-Fläche in 2016 geändert und sich aus dem bisherigen Prozess auch neue  Erkenntnisgewinne ergeben haben, wird vorgeschlagen, das strategische Vorgehen zur Revitalisierung der beiden Immobilien zukünftig neu auszurichten (zum weiteren Vorgehen s. Pkt. 3).

 

Die Rahmenbedingungen stellen sich derzeit wie folgt dar:

-      Das Leerstandsproblem im Umfeld der Hertie-Immobilie hat sich in 2016 weiter verschärft.

-      Die Ems-Galerie hat eröffnet.

-      Es erfolgte eine erhebliche Abwertung des Bodenrichtwertes um ca. 1/3 von früher 800,00 €/m² auf heute 550,00 €/m².

-      Im Vergleich zum Zeitraum vor 2014 gesunkene Kaufpreiserwartungen der Eigentümer.

-      Zunehmend Kaufanfragen unterschiedlichster Käufer und Investoren ohne Vorlage eines qualitätvollen Nutzungs- und Entwurfskonzeptes verdeutlichen, dass die Immobilie als Spekulations- und Zugabeobjekt vom Eigentümer gegenüber Interessenten angesehen wird.

-      Aufgrund des hohen Instandsetzungsaufwandes für die Tiefgarage wird es wahrscheinlich, dass der Abriss der Hertie-Immobilie vollzogen werden muss. Dann bleibt die Positionierung eines Neubaus ein sich daraus ergebendes, fast unumgängliches Szenario.

-      Neben dem Einzelhandel sollten auch andere innenstadtaffine Nutzungen (Dienstleistungen, Verwaltung, Wohnen) beim Neubau Berücksichtigung finden.

-      Der Stadt Rheine biete sich die Chance, die eigenen Interessen an einer partiellen Eigennutzung aktiv zu gestalten und zu entscheiden.

 

Daneben gibt es aus dem bisherigen Prozess folgende Erkenntnisgewinne:

-      Der bisherige Akquisitions- und Verhandlungsprozess führte nicht zu der gewünschten kurzfristigen Revitalisierung der Hertie-Immobilie.

-      Die Stadt kann im Zuge einer (ungesteuerten) Projektentwicklung durch einen Investor kaum Einfluss auf die gewünschte Qualität der Neuentwicklung nehmen.

-      Der Bebauungsplan Nr. 10 g bietet nicht die gewünschte bzw. notwendige Steuerungsqualität, um eine qualitätvolle Nachnutzung bzw. Neuentwicklung gewährleisten zu können. Das festgesetzte Kerngebiet (MK) suggeriert dem Eigentümer und möglichen Investoren eine maximale Einzelhandelsnutzung, die gegenwärtig in dieser Form von der Stadt aber nicht angestrebt wird. Die Öffnung für Dienstleistungen, Wohnen und soziale wie kulturelle Einrichtungen wird durch die aktuelle MK-Festsetzung eher behindert bzw. unmöglich gemacht.

 

Vor diesem Hintergrund ist es unabhängig von der zukünftigen strategischen Vorgehensweise sinnvoll und notwendig, die planungsrechtliche Grundlage für die beiden Objekte, den Bebauungsplan Nr. 10 g „Westliche Innenstadt“, in dem betroffenen Teilbereich kritisch zu hinterfragen und hinsichtlich seiner Inhalte neu aufzustellen, damit die Stadt Rheine mit dem Bebauungsplan die gewünschte Steuerungsfunktion für eine zukunftsfähige, qualitätvolle Entwicklung des Areals ausüben kann (s. nachfolgender Pkt. 2). Dies gilt unabhängig davon, ob die Stadt einen „Zwischenerwerb“ realisieren kann und möchte.

 

Erste funktionale und städtebauliche Ziele als Maßgabe für den Entwicklungs- und Planungsprozess für die Hertie-Immobilie und das Rathaus-Zentrum (incl. Mensing-Fläche) incl. Umfeld könnten wie folgt definiert werden und müssten im Fortgang des Planungsprozesses weiter präzisiert werden:

 

-      Revitalisierung der Grundstücksfläche, um aktivere neue städtebauliche  Nutzungen zu installieren.

-      Angesichts der Positionierung und des Ausbaus der Einzelhandelsflächen in der Innenstadt wird eine massive Ergänzung, Ausweitung oder Ansiedlung großflächigen Einzelhandels nicht als wichtigstes Entwicklungsziel (keine Vorfestlegung auf eine bestimmte Handelsnutzung) für die weitere Entwicklung des Areals zugrunde gelegt.

-      Die neuen Nutzungen sollten nicht in aktive Konkurrenz treten mit dem in der Innenstadt positionierten, schon bestehenden großflächigen Einzelhandel.

-      Nutzung der leerstehenden Flächen im Rathaus-Zentrum zur Rückführung extern untergebrachter städtischer Nutzungen.

-      Verbesserung der aktiven Nutzung öffentlicher Räume, insbes. des Staelschen Hofes.

-      Ein Neubau bietet die Chance, aktiv über eine Neuordnung der Zufahrten zu den Parkhäusern, die Verteilung der Stellplatzangebote in der Innenstadt und deren jeweilige Zuordnung nachzudenken.

-      Die beiden Objekte (Hertie/Mensing) werden getrennt voneinander gedacht

 

Da die Hertie-Immobilie und das Rathaus-Zentrum Bestandteil des Rahmenplanes Innenstadt sind (Teilprojekte B 4 „Überprüfung des Einkaufsstandortes Karstadt/Hertie“ und B 5 „Erarbeitung eines Zukunftskonzeptes zur Attraktivierung des Rathauszentrums“) und somit auch im Stadtumbaugebiet „Rahmenplan Innenstadt“ liegen, sind natürlich auch die Ziele aus dem Rahmenplan Innenstadt für dieses Gebiet im Rahmen des weitergehenden Planungsprozesses zu beachten. Auch hier gilt es, diese Ziele im Hinblick auf die neue Situation anzupassen und weiter zu konkretisieren.

 

 

  1. 22. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 10 g, Kennwort „Westliche Innenstadt“

 

Der Bebauungsplan Nr. 10 g „Westliche Innenstadt“ (die maßgebliche 12. Änderung ist seit dem 13.01.2004 rechtskräftig) trifft für die beiden Objekte folgende Festsetzungen (s. Anlage 1):

-      Kerngebiet (MK) ohne inhaltliche Beschränkung von Nutzungen, mit Ausnahme des Ausschlusses von Bordellen, bordellartigen Betrieben und Wohnungsprostitution; keine geschossweise Differenzierung der Nutzungen; Fazit: es gelten i.W. die Maßgaben des § 7 BauNVO für Kerngebiete

-      Überbaubare Grundstücksfläche durch Baugrenzen definiert; die Gebäude schöpfen die Baugrenzen fast vollständig aus;

-      Tiefgarage unter dem gesamten Komplex festgesetzt; nördlich der Hertie-Immobilie ragt die tatsächlich vorhandene Tiefgarage bis unter die Platzfläche des Staelschen Hofes

-      Zahl der Vollgeschosse (als Höchstgrenze): Hertie-Immobilie: IV, Gebäude mit Mensing-Fläche: VI

-      Grundflächenzahl (GRZ) 1,0; Geschossflächenzahl (GFZ) 3,0

-      Geschlossene Bauweise

 

Das geltende Planungsrecht ermöglicht im Rahmen der festgesetzten Art der Nutzung und des festgesetzten Maßes der baulichen Nutzung sowie der Baugrenzen erhebliche Spielräume in Bezug auf mögliche Nutzungen, die bauliche Ausnutzbarkeit sowie auch die bauliche Ausgestaltung. In Verbindung mit den rein wirtschaftlichen Intentionen der Eigentümer und den Verwertungsinteressen möglicher Investoren besteht daher die Gefahr, dass die Stadt im Hinblick auf die angestrebte Behebung des deutlichen städtebaulichen Funktionsverlustes im Objektverbund „Hertie-Immobilie/Rathaus-Zentrum“ und im Umfeld kaum Steuerungsmöglichkeiten in Bezug auf die potentiellen Projektentwicklungen hätte, wenn der Bebauungsplan in dieser Form so weiterbestehen würde. Daher ist es zwingend notwendig, die bislang formulierten städtebaulichen und funktionalen Ziele für diesen innerstädtischen Teilraum konkreter zu fassen und über die Bauleitplanung präzise zu definieren, um damit im Falle eines notwendigen steuernden Eingreifens mehr Rechtssicherheit zu erhalten. Dies ist unabhängig von der Frage eines potentiellen Zwischenerwerbs erforderlich.

 

Die empfohlene 22. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 10 g, Kennwort „Westliche Innenstadt“ hat daher für den Teilbereich „Hertie-Immobilie und westlich angrenzender Gebäudekomplex“ zum Ziel, die zukünftigen Nutzungsziele und städtebaulichen Kriterien sowohl bei einer Revitalisierung im Bestand als auch bei einer Neubebauung präzise im Sinne der o.a. städtebaulich funktionalen Zielsetzungen bestimmen zu können. Mit der Bebauungsplanänderung soll über eine Neudefinition der Entwicklungsziele eine zukunftsfähige Entwicklung der größtenteils leerstehenden Einzelhandelsimmobilien zwischen Staelscher Hof, Herrenschreiberstraße, Matthiasstraße und Busbahnhof ermöglicht werden.

 

Die Abgrenzung des Änderungsbereiches, der in der Gemarkung Rheine Stadt, Flur 111, die Flurstücke 1115, 1116, 1611, 1142 und 1143 umfasst, ist der Anlage 2 zu entnehmen.

 

 

  1. Geplante Vorgehensweise

 

Das strategische Vorgehen zur Revitalisierung der Hertie-Immobilie und des Rathaus-Zentrums (Mensing-Fläche) soll zukünftig durch eine aktivere Rolle der Stadt Rheine geprägt werden. Dies soll in der Form erfolgen, dass sich die Stadt Rheine sowohl auf der Prozessebene als auch auf der inhaltlichen Projektentwicklungsebene engagiert, um einerseits die Revitalisierung zeitlich zu beschleunigen und andererseits die Qualität des gewünschten (privaten) Invests maßgeblich positiv zu beeinflussen (Optimierung des Ergebnisses). Dabei wird eine sparsame und wirtschaftliche Lösung aus öffentlicher Investition und Hilfestellung und privaten Immobilieninvestitionen, z.B. auf der Grundlage von Ausschreibungen und Wettbewerben, angestrebt.

Gegenstand der weiteren politischen Beratung und Beschlussfassung wird im Weiteren die Entscheidung zur Verhandlung eines Zwischenerwerbs durch die Stadt und die daran anschließende Durchführung eines Investorenwettbewerbs sein. Hierdurch kann Investoren und Anlegern die Gelegenheit gegeben werden, sich in der Innenstadt von Rheine zu engagieren. So könnte ein neuer Investitionsprozess für das Grundstück angestoßen werden, in dem die Stadt Rheine selbstbestimmt die Rahmenbedingungen definiert und die Auswahl über den „richtigen Entwurf“ und Investor durchführt. Im Rahmen eines anschließend abzuschließenden städtebaulichen Vertrages und des zu ändernden Bebauungsplanes erfolgte dann die Umsetzung des Projektes durch einen privaten Investor. Die potentiellen Investoren stünden in einem Wettbewerb untereinander, was sich sicherlich positiv auf die Ergebnisse auswirken würde.

 

Für das weitere Vorgehen wird auf die entsprechende Vorlage zur Sitzung des Rates am 13.12.2016 verwiesen.