Betreff
Bebauungspläne Nr. 15, Kennwort: "Ochtruper Straße Süd" und Nr. 122, Kennwort: "Ochtruper Straße Nord"
Antrag auf Änderung
Vorlage
023/17
Aktenzeichen
PG 5.10 wod
Art
Beschlussvorlage

Sachdarstellung:

 

 

Mit Datum 13. Oktober 2016 beantragt ein Eigentümer eines Grundstücks im Bereich Siegweg eine Änderung der beiden Bebauungspläne Nr. 15 und 122. Dem an den Bürgermeister der Stadt Rheine und die Fraktionsvorsitzenden gerichteten Antrag ist eine Liste mit 170 Unterschriften von Bewohnern/Grundstückseigentümern aus den beiden Plangebieten beigefügt.

 

Inhaltlich wird eine Änderung der beiden Bauleitpläne gefordert mit dem Ziel, die Anzahl der pro Gebäude zulässigen Wohneinheiten auf zwei zu begrenzen. Gleichzeitig wird die Umstellung auf die Regelungen der aktuellen Baunutzungsverordnung gefordert.

 

Die im Antrag vorgetragenen Begründungen entsprechen der Realität:

 

Die im Jahre 1978 rechtsverbindlich gewordenen Bebauungspläne sind entsprechend den Begründungen als Einfamilienhausgebiete konzipiert worden. Die Festsetzung einer Einzel- und Doppelhausbebauung wurde damals als ausreichend eingestuft, um eine Einfamilienhausbebauung planungsrechtlich zu sichern. Zwischenzeitlich ist jedoch durch Gerichtsurteile klargestellt worden, dass z.B. die Festsetzung eines Einzelhauses keine Vorgabe zur zulässigen Zahl der Wohneinheiten beinhaltet. Als Einzelhaus gilt ein Gebäude – unabhängig von der Zahl der Wohneinheiten – sofern es den notwendigen seitlichen Grenzabstand einhält. Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren bereits mehrere Mehrfamilienhäuser in den genannten Plangebieten genehmigt worden.

 

In beiden Plangebieten gilt die Baunutzungsverordnung (BauNVO) aus dem Jahre 1977. Auf Grund der Vorgaben dieser Verordnung werden bei der Berechnung der Grundflächenzahl (GRZ) die Flächen von Garagen, Stellplätzen und deren Zufahrten nicht angerechnet. Als Ergebnis kann bei einer festgesetzten GRZ von 0,4 das Wohngebäude maximal 40% des Baugrundstücks überdecken. Die verbleibende Fläche kann aber für die Anlage von Stellplätzen, Garagen und deren Zufahrten vollständig genutzt werden. Die Konzentration von Stellplätzen an der Nachbargrenze kann zu erheblichen Störungen der Nachbarschaft, etwa durch Immissionen führen etwa durch Türenschlagen während der Nachtzeit. Erst seit der Novellierung der BauNVO im Jahre 1990 entstand die Pflicht, bei der Berechnung der GRZ, auch Stellplätze, Garagen und deren Zufahrten zu berücksichtigen. Es wurde zusätzlich die maximale Überschreitung der zulässigen GRZ für diese Nebenanlagen auf 50% begrenzt. Somit können auf Grundlage der neuen BauNVO – bei einer GRZ von 0,4 – maximal 60 % des Grundstücks (0,4 + 50% von 0,4= 0,6) versiegelt werden. Über die Begrenzung des Versiegelungsgrades erfolgt in neueren Wohngebieten – auch ohne die Vorgabe einer maximal zulässigen Zahl an Wohneinheiten – tendenziell eine Reduzierung der Zahl der Wohnungen pro Baugrundstück.

 

Bereits im Jahre 2011 gab es eine Initiative zur Änderung des Bebauungsplanes Nr. 122. Ziel war es auch damals, die Anzahl der Wohneinheiten pro Gebäude zu begrenzen. Zum damaligen Zeitpunkt ging es jedoch vorrangig um die Schließung noch vorhandener Baulücken im Baugebiet Ochtruper Straße. In den letzten fünf Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass die Problematik in Bezug auf das vollständige Ausreizen der planungsrechtlichen Vorgaben nicht nur bei Baulücken auftritt, sondern auch verstärkt bebaute Grundstücke betrifft. Die aufstehenden Gebäude werden abgebrochen und das bestehende Planungsrecht vollständig genutzt. Als Beleg für diese Entwicklung können statistische Werte aus dem Jahr 2015 für Rheine herangezogen werden: in diesem Jahr sind rund 30% der planungsrechtlich genehmigten Wohneinheiten auf Grundstücken entstanden, die nach Abbruch von Wohngebäuden erneut bebaut werden konnten.

 

Bei der Diskussion im Jahre 2011 stand die Frage nach möglichen Entschädigungsansprüchen im Vordergrund (vgl. Niederschriften aus den Sitzungen des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz vom 9. Februar, 23. März und 4. Mai 2011). Grundsätzlich richtet sich die Frage nach möglichen Entschädigungsansprüchen nach § 42 BauGB: Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks geändert, und tritt dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks ein, kann der Eigentümer eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Sofern die zulässige Nutzung nach Ablauf einer Frist von 7 Jahren geändert wird, kann der Eigentümer nur eine Entschädigung für Eingriffe in die ausgeübte Nutzung verlangen. Da die Bebauungspläne bereits länger als sieben Jahre gelten, könnten Eigentümer somit nur eine Entschädigung für Eingriffe in ausgeübte Nutzungen erhalten. Da es nur um die Bebauung von Baulücken bzw. um die Neubebauung bereits baulich genutzter Grundstücke geht, findet kein Eingriff in ausgeübte Nutzungen statt. Entschädigungen sind deshalb für diesen Fall ausgeschlossen. Bereits bestehende Mehrfamilienhäuser in den Plangebieten haben Bestandsschutz, auch diese Eigentümer haben damit keinen Anspruch auf Entschädigung.

 

Sofern Eigentümer im Vertrauen auf einen bestehenden Bebauungsplan bis zur Veröffentlichung des Änderungsbeschlusses Aufwendungen getätigt haben – etwa Erstellung einer Planung für ein Mehrfamilienhaus – kann ein Anspruch auf Entschädigung gem. § 39 BauGB für diese Aufwendungen entstehen. Hier wäre jedoch dann im Einzelfall zu überlegen, ob das Vorhaben auf Grund des bestehenden Planes noch genehmigt werden könnte, um die Stadt Rheine vor entsprechenden Kosten zu schützen.

 

Aus städtebaulicher Sicht ist eine Nachverdichtung zwar sinnvoll, jedoch nur unter der Vorgabe, dass die nachbarlichen Belange ausreichend berücksichtigt werden und die Maßstäblichkeit der Umgebungsbebauung nicht gesprengt wird. Bei der Bebauung von Baulücken oder „Abbruchgrundstücken“ in klassischen Einfamilienhausgebieten entstehen insbesondere bei mehrgeschossigen Gebäuden erhebliche Spannungen: wie aktuelle Beispiele zeigen, entstehen bei zweigeschossigen Gebäuden entweder ausgebaute Dachgeschosse oder Staffelgeschosse mit dem Ergebnis, dass drei Ebenen mit separaten Wohnungen entstehen. Im Gegensatz zum zweigeschossigen Einfamilienhaus entstehen beim Geschosswohnungsbau auf jeder Ebene Außenwohnbereiche in Form von Balkonen/Loggien. Von diesen Außenwohnbereichen ist die „soziale Kontrolle“ in Nachbargärten wesentlich ausgeprägter und störender als bei einem zweigeschossigen Einfamilienhaus, wo zwar auch Balkone oder Loggien entstehen können, die jedoch nicht als einziger Außenwohnbereich genutzt werden, da hier erdgeschossig Terrassen angelegt werden. Die Empfindung, dass ein Gebäude mit mehreren Wohneinheiten störend wirkt, wird verstärkt, wenn diese Gebäude auf „Baulücken“ in einem klassischen Einfamilienhausgebiet entstehen, oder auf Grundstücken, die vorher mit einem Einfamilienhaus bebaut waren.

 

Die Nachverdichtung bestehender Ein-/Zweifamilienhausgebiete mit Mehrfamilienhäusern führt zumeist auch zu Problemen in verkehrlicher Hinsicht: bei entsprechenden Baumaßnahmen wird gegenwärtig seitens der Stadt Rheine pro Wohneinheit ein Stellplatz gefordert. In der Realität reicht diese Anzahl jedoch meist nicht aus. Im Gegensatz zum Einfamilienhaus besteht bei dieser Regelung jedoch kaum die Möglichkeit, auf dem eigenen Grundstück weitere Stellplätze nachzuweisen, sodass der Parkdruck in den öffentlichen Straßenraum verschoben wird. In vielen Wohngebieten ist der öffentliche Straßenraum verkehrsberuhigt ausgebaut. Hier besteht nur bedingt die Möglichkeit, Fahrzeuge abzustellen. Die „Nachverdichtung“ führt deshalb oft zu Streitigkeiten zwischen Anliegern bezüglich des Abstellens von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum.

 

Es wird deshalb vorgeschlagen, dem Antrag zu folgen und eine Änderung der Bebauungspläne Nr. 15 und 122 vorzubereiten. Inhalt der Änderung soll die Ergänzung der textlichen Festsetzungen um die Beschränkung der zulässigen Zahl der Wohneinheiten auf maximal zwei sein. Im Rahmen eines Änderungsverfahrens erfolgt die Umstellung auf die neusten Rechtsgrundlagen, sodass auch die Inhalte der BauNVO 1990 für den Änderungsbereich übernommen werden.

 

Da das Problem von Nachverdichtungen auf Grund von Neubebauungen auf bereits baulich genutzten Flächen bzw. Baulückenschließungen auch in anderen Baugebieten auftritt, wird der Produktbereich Stadtplanung eine entsprechende Analyse möglicher betroffener Bauleitplangebiete erarbeiten und im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz vorstellen.

 

 

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz stimmt dem Antrag auf Änderung der Bebauungspläne Nr. 15, Kennwort: „Ochtruper Straße Süd“ und Nr. 122, Kennwort: „Ochtruper Straße Nord“ zu. Die Verwaltung wird beauftragt, die Einleitung des Änderungsverfahrens im Sinne des Antrages vorzubereiten.

 

 

Anlagen

 

  1. Antrag
  2. Übersichtplan
  3. Luftbild