Antrag auf Änderung
Sachdarstellung:
Mit Datum 13.
Oktober 2016 beantragt ein Eigentümer eines Grundstücks im Bereich Siegweg eine
Änderung der beiden Bebauungspläne Nr. 15 und 122. Dem an den Bürgermeister der
Stadt Rheine und die Fraktionsvorsitzenden gerichteten Antrag ist eine Liste
mit 170 Unterschriften von Bewohnern/Grundstückseigentümern aus den beiden
Plangebieten beigefügt.
Inhaltlich
wird eine Änderung der beiden Bauleitpläne gefordert mit dem Ziel, die Anzahl
der pro Gebäude zulässigen Wohneinheiten auf zwei zu begrenzen. Gleichzeitig
wird die Umstellung auf die Regelungen der aktuellen Baunutzungsverordnung
gefordert.
Die im Antrag
vorgetragenen Begründungen entsprechen der Realität:
Die im Jahre
1978 rechtsverbindlich gewordenen Bebauungspläne sind entsprechend den
Begründungen als Einfamilienhausgebiete konzipiert worden. Die Festsetzung
einer Einzel- und Doppelhausbebauung wurde damals als ausreichend eingestuft, um
eine Einfamilienhausbebauung planungsrechtlich zu sichern. Zwischenzeitlich ist
jedoch durch Gerichtsurteile klargestellt worden, dass z.B. die Festsetzung eines
Einzelhauses keine Vorgabe zur zulässigen Zahl der Wohneinheiten beinhaltet.
Als Einzelhaus gilt ein Gebäude – unabhängig von der Zahl der Wohneinheiten –
sofern es den notwendigen seitlichen Grenzabstand einhält. Aus diesem Grund
sind in den letzten Jahren bereits mehrere Mehrfamilienhäuser in den genannten
Plangebieten genehmigt worden.
In beiden
Plangebieten gilt die Baunutzungsverordnung (BauNVO) aus dem Jahre 1977. Auf
Grund der Vorgaben dieser Verordnung werden bei der Berechnung der Grundflächenzahl
(GRZ) die Flächen von Garagen, Stellplätzen und deren Zufahrten nicht
angerechnet. Als Ergebnis kann bei einer festgesetzten GRZ von 0,4 das
Wohngebäude maximal 40% des Baugrundstücks überdecken. Die verbleibende Fläche
kann aber für die Anlage von Stellplätzen, Garagen und deren Zufahrten vollständig
genutzt werden. Die Konzentration von Stellplätzen an der Nachbargrenze kann zu
erheblichen Störungen der Nachbarschaft, etwa durch Immissionen führen etwa
durch Türenschlagen während der Nachtzeit. Erst seit der Novellierung der
BauNVO im Jahre 1990 entstand die Pflicht, bei der Berechnung der GRZ, auch
Stellplätze, Garagen und deren Zufahrten zu berücksichtigen. Es wurde zusätzlich
die maximale Überschreitung der zulässigen GRZ für diese Nebenanlagen auf 50% begrenzt.
Somit können auf Grundlage der neuen BauNVO – bei einer GRZ von 0,4 – maximal
60 % des Grundstücks (0,4 + 50% von 0,4= 0,6) versiegelt werden. Über die Begrenzung
des Versiegelungsgrades erfolgt in neueren Wohngebieten – auch ohne die Vorgabe
einer maximal zulässigen Zahl an Wohneinheiten – tendenziell eine Reduzierung
der Zahl der Wohnungen pro Baugrundstück.
Bereits im
Jahre 2011 gab es eine Initiative zur Änderung des Bebauungsplanes Nr. 122.
Ziel war es auch damals, die Anzahl der Wohneinheiten pro Gebäude zu begrenzen.
Zum damaligen Zeitpunkt ging es jedoch vorrangig um die Schließung noch
vorhandener Baulücken im Baugebiet Ochtruper Straße. In den letzten fünf Jahren
hat sich jedoch gezeigt, dass die Problematik in Bezug auf das vollständige
Ausreizen der planungsrechtlichen Vorgaben nicht nur bei Baulücken auftritt, sondern
auch verstärkt bebaute Grundstücke betrifft. Die aufstehenden Gebäude werden
abgebrochen und das bestehende Planungsrecht vollständig genutzt. Als Beleg für
diese Entwicklung können statistische Werte aus dem Jahr 2015 für Rheine herangezogen
werden: in diesem Jahr sind rund 30% der planungsrechtlich genehmigten
Wohneinheiten auf Grundstücken entstanden, die nach Abbruch von Wohngebäuden
erneut bebaut werden konnten.
Bei der
Diskussion im Jahre 2011 stand die Frage nach möglichen Entschädigungsansprüchen
im Vordergrund (vgl. Niederschriften aus den Sitzungen des Ausschusses für
Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz vom 9. Februar, 23. März und 4. Mai
2011). Grundsätzlich richtet sich die Frage nach möglichen Entschädigungsansprüchen
nach § 42 BauGB: Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks geändert, und
tritt dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks ein,
kann der Eigentümer eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Sofern
die zulässige Nutzung nach Ablauf einer Frist von 7 Jahren geändert wird, kann
der Eigentümer nur eine Entschädigung für Eingriffe in die ausgeübte Nutzung
verlangen. Da die Bebauungspläne bereits länger als sieben Jahre gelten,
könnten Eigentümer somit nur eine Entschädigung für Eingriffe in ausgeübte Nutzungen
erhalten. Da es nur um die Bebauung von Baulücken bzw. um die Neubebauung
bereits baulich genutzter Grundstücke geht, findet kein Eingriff in ausgeübte
Nutzungen statt. Entschädigungen sind deshalb für diesen Fall ausgeschlossen. Bereits
bestehende Mehrfamilienhäuser in den Plangebieten haben Bestandsschutz, auch
diese Eigentümer haben damit keinen Anspruch auf Entschädigung.
Sofern
Eigentümer im Vertrauen auf einen bestehenden Bebauungsplan bis zur Veröffentlichung
des Änderungsbeschlusses Aufwendungen getätigt haben – etwa Erstellung einer
Planung für ein Mehrfamilienhaus – kann ein Anspruch auf Entschädigung gem. §
39 BauGB für diese Aufwendungen entstehen. Hier wäre jedoch dann im Einzelfall
zu überlegen, ob das Vorhaben auf Grund des bestehenden Planes noch genehmigt
werden könnte, um die Stadt Rheine vor entsprechenden Kosten zu schützen.
Aus
städtebaulicher Sicht ist eine Nachverdichtung zwar sinnvoll, jedoch nur unter
der Vorgabe, dass die nachbarlichen Belange ausreichend berücksichtigt werden
und die Maßstäblichkeit der Umgebungsbebauung nicht gesprengt wird. Bei der
Bebauung von Baulücken oder „Abbruchgrundstücken“ in klassischen
Einfamilienhausgebieten entstehen insbesondere bei mehrgeschossigen Gebäuden
erhebliche Spannungen: wie aktuelle Beispiele zeigen, entstehen bei
zweigeschossigen Gebäuden entweder ausgebaute Dachgeschosse oder
Staffelgeschosse mit dem Ergebnis, dass drei Ebenen mit separaten Wohnungen
entstehen. Im Gegensatz zum zweigeschossigen Einfamilienhaus entstehen beim
Geschosswohnungsbau auf jeder Ebene Außenwohnbereiche in Form von
Balkonen/Loggien. Von diesen Außenwohnbereichen ist die „soziale Kontrolle“ in
Nachbargärten wesentlich ausgeprägter und störender als bei einem
zweigeschossigen Einfamilienhaus, wo zwar auch Balkone oder Loggien entstehen
können, die jedoch nicht als einziger Außenwohnbereich genutzt werden, da hier
erdgeschossig Terrassen angelegt werden. Die Empfindung, dass ein Gebäude mit
mehreren Wohneinheiten störend wirkt, wird verstärkt, wenn diese Gebäude auf „Baulücken“
in einem klassischen Einfamilienhausgebiet entstehen, oder auf Grundstücken,
die vorher mit einem Einfamilienhaus bebaut waren.
Die
Nachverdichtung bestehender Ein-/Zweifamilienhausgebiete mit Mehrfamilienhäusern
führt zumeist auch zu Problemen in verkehrlicher Hinsicht: bei entsprechenden
Baumaßnahmen wird gegenwärtig seitens der Stadt Rheine pro Wohneinheit ein
Stellplatz gefordert. In der Realität reicht diese Anzahl jedoch meist nicht
aus. Im Gegensatz zum Einfamilienhaus besteht bei dieser Regelung jedoch kaum
die Möglichkeit, auf dem eigenen Grundstück weitere Stellplätze nachzuweisen, sodass
der Parkdruck in den öffentlichen Straßenraum verschoben wird. In vielen Wohngebieten
ist der öffentliche Straßenraum verkehrsberuhigt ausgebaut. Hier besteht nur
bedingt die Möglichkeit, Fahrzeuge abzustellen. Die „Nachverdichtung“ führt
deshalb oft zu Streitigkeiten zwischen Anliegern bezüglich des Abstellens von
Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum.
Es wird
deshalb vorgeschlagen, dem Antrag zu folgen und eine Änderung der Bebauungspläne
Nr. 15 und 122 vorzubereiten. Inhalt der Änderung soll die Ergänzung der
textlichen Festsetzungen um die Beschränkung der zulässigen Zahl der
Wohneinheiten auf maximal zwei sein. Im Rahmen eines Änderungsverfahrens erfolgt
die Umstellung auf die neusten Rechtsgrundlagen, sodass auch die Inhalte der
BauNVO 1990 für den Änderungsbereich übernommen werden.
Da das
Problem von Nachverdichtungen auf Grund von Neubebauungen auf bereits baulich
genutzten Flächen bzw. Baulückenschließungen auch in anderen Baugebieten auftritt,
wird der Produktbereich Stadtplanung eine entsprechende Analyse möglicher
betroffener Bauleitplangebiete erarbeiten und im Ausschuss für Stadtentwicklung,
Umwelt und Klimaschutz vorstellen.
Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Ausschuss
für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz stimmt dem Antrag auf Änderung der
Bebauungspläne Nr. 15, Kennwort: „Ochtruper Straße Süd“ und Nr. 122, Kennwort:
„Ochtruper Straße Nord“ zu. Die Verwaltung wird beauftragt, die Einleitung des Änderungsverfahrens
im Sinne des Antrages vorzubereiten.
Anlagen
- Antrag
- Übersichtplan
- Luftbild