Betreff
Modellprojekt Einwanderung gestalten - NRW, Sachstandbericht
Vorlage
067/18
Aktenzeichen
FB 8.10-hf
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen zum Sachstand des „Modellprojektes Einwanderung gestalten – NRW“ zur Kenntnis.


Begründung:

  

  1.  Beweggründe des Landes NRW, für die Initiative des Modellprojektes „Einwanderung gestalten – NRW“ 

 

Auszug aus dem Grußwort des Leiters der Abteilung Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtling und Integration des Landes NRW, Anton Rüten anlässlich des Workshops zum Projekt „Einwanderung gestalten NRW“ am 29. November 2017 in Siegburg:

 

„Einwanderung gestalten“ setzt an den rechtlichen, institutionellen und methodischen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um zu einer strategischen Steuerung von Integrations- bzw. Einwanderungsarbeit in der Kommune gelangen zu können – Rechtskreise übergreifend, entlang einer Orientierung an den Betroffenen, an. Und mit den Betroffenen sind nicht nur Geflüchtete gemeint, sondern Neuzuwanderer mit ganz unterschiedlichen Rechtstiteln.

 

Mit den Kommunen gemeinsam sollen im Projekt Sollbruchstellen wie auch gelingende Praxen der Zusammenarbeit unterschiedlicher Behörden im Integrationsprozess erkannt und analysiert werden, um Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln. Case Management im Sinne fallbezogener Analyse, Abstimmung und Entwicklung von Handlungsplänen ist dabei aus Sicht des Ministeriums nicht als Selbstzweck zu sehen, sondern gleichsam als Katalysator, um möglichst präzise und konkret Schwächen und Stärken sowie Optimierungspotenziale im System erkennen zu können…

 

 

  1. Zusammenfassung der Fakten des Modellprojekt Einwanderung gestalten für Rheine

 

Zielgruppe: alle zugewanderten Menschen im Leistungsbezug SGB II, SGB III, AsylbLG oder SGB XII stehen und die ab 2015 nach Rheine zugezogen sind – kein Ausschluss

Themenfelder:  Sprache, Qualifizierung, Ausbildungs- und Arbeitsmarktzugang

Sozialraum: das gesamte Stadtgebiet

Ziel: im Rahmen des Modellprojektes Einwanderung gestalten – NRW werden bestehende Systeme in den Blick genommen und Möglichkeiten der Optimierung der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit der Institutionen und Behörden ausgelotet. Durch die gemeinsame Sichtweise aller beteiligten Akteure der oben genannten Themenfelder und unter Einbeziehung der Nutzerperspektive sollen neue Strukturen von unten aufgebaut, Prozesse verändert und zum Teil auch dauerhaft Strukturen und Abläufe neu installiert werden. Hierbei werden die teilweise bereits bestehenden Netzwerke aus den acht Handlungsfeldern des fortgeschriebenen Migrations- und Integrationskonzeptes als Grundlage bzw. Plattform genutzt. Wünschenswerterweise soll durch diese neue Vernetzung ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden, so dass zukünftig die Zuwandererperspektive verstärkt in den Blick genommen wird.

Bisher am Prozess beteiligte Akteure:  Fachbereich 8 mit - Team Begleitung und Beratung von Zuwanderern, Ausländerbehörde, Asylbewerberleistungsgewährung und Leistungsabteilung des jobcenters; jobcenter des Kreises Steinfurt; Arbeitsagentur Rheine; Kommunales Integrationszentrum Kreis Steinfurt; Sprachkursträger VHS Rheine; Fachdienst Migration und Integration des Caritasverbandes Rheine; Wirtschaftsförderung EWG Rheine; Vertreter Ehrenamt; Vertreter der Migrationsvereine 

Anzahl der teilnehmende Kommunen:  insgesamt 12 Modellkommunen (3 kreisangehörige Städte, 7 kreisfreie Städte und 2 Kreise)

 

  1. Aktueller Stand des Modellprojektes in Rheine

 

Die Gestaltung von Einwanderung findet statt in einem Feld von vielen Akteuren aus unterschiedlichen Rechtskreisen, angesiedelt auf verschiedenen föderalen Ebenen und ausgestattet mit unterschiedlichen Zuständigkeiten sowie mit differierenden Vorstellungen von Integration. Das führt dazu, dass der jeweilige Blick auf den Fall abhängig ist von der Organisation, dem gesetzlichen Auftrag und dem professionellen Blickwinkel. Hier besteht Bedarf nach einer bereichs- oder fachübergreifenden Integrationsarbeit.

Die Lebenssituation der Zuwanderer, die Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen müssen, ist häufig hochkomplex. Dies wird anhand der Vielzahl der unterschiedlichen Bedarfslagen der Zielgruppe sehr deutlich. Exemplarisch sind hier die Bereiche Wohnen, Sprache, Aufenthalt, Existenzsicherung, Gesundheit, Bildung, Qualifikation, Kinderbetreuung, berufliche sowie soziale Integration genannt. Diesen vielschichtigen Bedarfslagen steht eine Vielfalt von Unterstützungsangebote gegenüber. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit kommt es nicht selten vor, dass die einzelnen Organisationen nicht die Arbeit, den Auftrag oder die Sichtweise der anderen Organisationen kennen. Zweifellos arbeitet jede Organisation im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages und der internen Vorgaben. Diese, auf den eigenen Rechtskreis bezogene Sicht- und Arbeitsweise kann bei der Vielzahl der Unterstützungsangebote und unterschiedlichen Perspektiven dazu führen, dass der eine Akteur ein Ergebnis erarbeitet, welches der nächste Akteur durch andere, nicht abgestimmte Maßnahmen wieder aushebelt. So führen Unkenntnis und fehlende Transparenz und Absprachen zu Verzögerungen und Integrationshemmnissen. Deshalb werden im Rahmen des Modellprojektes die bestehenden Systeme in den Blick genommen, um entsprechende Handlungsstrategien abzuleiten und die rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit zu optimieren. Durch die gemeinsam entwickelte Sichtweise aller beteiligten Akteure und unter Einbeziehung der Nutzerperspektive werden neue Strukturen aufgebaut bzw. bestehende Strukturen optimiert.

 

  1. Arbeitsweise

 

Anhand von „typischen“ Fallkonstellationen wird in Arbeits- und Projektgruppe fachbereichs- und ämterübergreifend eine gemeinsam getragene Einschätzung der Problem- und Bedarfslagen der Zielgruppe der neuzugewanderten Menschen von der operativen Ebene erarbeitet. Es werden gemeinsam mögliche Lösungsstrategien für eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit entwickelt, die dauerhaft durch Kooperationen, Absprachen usw. etabliert und verstetigen werden sollen.

 

Die von der operativen Ebene erarbeiteten Lösungsstrategien werden von der regelmäßig tagenden  Lenkungsgruppe (Leitungsebene) beraten, beurteilt, entschieden und in der jeweiligen Organisationseinheit (Rechtskreis) umgesetzt.

 

  1. Arbeitsergebnisse:

 

Im Themenfeld Sprache wurde in der Arbeitsgruppe schnell deutlich, dass der Berechtigungsschein für die Teilnahme am Integrationskurs eine wesentliche Grundlage für den Besuch des Integrationskurses darstellt und somit von immenser Wichtigkeit für den zeitnahen Spracherwerb ist. Die Ausstellung des Berechtigungsscheins ist gesetzlich geregelt, aber aufgrund der Befugnis der unterschiedlichen Rechtskreise und auch der unterschiedlichen Ausstellungsarten (online – nicht online) kam es zu erheblichen Komplikationen und Wartezeiten. Aufgrund der erreichten Klarheit durch die Fallanalysen und die daraufhin erarbeiteten Optimierungsmöglichkeiten, ist nunmehr der Weg - welcher Rechtskreis für welchen Anspruchsberechtigten den Berechtigungsschein jeweils ausstellt – durch eine Kooperationsvereinbarung der beteiligten Behörden transparent und eindeutig geregelt. Diese für Rheine erarbeitete systematisierte Zusammenarbeit zweier Rechtskreise verkürzt die Wartezeiten der Zuwanderer auf die Teilnahme an einen Integrationskurs um mindestens 6 Wochen.

 

Die Arbeit in den Arbeits- und Projektgruppe am „typischen Fall“, der Austausch über die Perspektiven der einzelnen Rechtskreise und die Einbindung der Nutzerperspektive machen schon jetzt deutlich, dass durch die systematisierte und abgestimmte Zusammenarbeit und Kooperation der vielen Akteure Optimierungsmöglichkeiten aufgedeckt und erarbeitet werden und damit die gelingende Integrationsarbeit in Rheine einen weiteren Erfolgsfaktor erhält.

 

Neben der notwendigen Vernetzung und Transparenz bei der Zusammenarbeit der Akteure kristallisiert sich im Rahmen des Projektes heraus, dass ein systematisiertes Case Management einen weiteren Erfolgsfaktor für eine gelingende Integrationsarbeit darstellen könnte. Die zugewanderten Menschen sind Individuen mit je eigenen Biografien, Erfahrungen und Kompetenzen, die auf ihnen mehr oder weniger unbekannten gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse stoßen. Sie müssen sich orientieren, sich in unterschiedlichsten Lebensbereichen zurechtfinden. Dabei benötigen sie eine Unterstützung, die der Individualität ihrer Lebenslage gerecht wird. Deshalb ist es besonders in der Anfangszeit wichtig, dass sie zentrale Ansprechpartner haben. Das Handlungskonzept „Case Management“ ist geeignet, um den Aufgaben der Orientierungsstiftung und Teilhabesicherung gerecht zu werden.

Aus diesem Grunde wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Team Begleitung und Beratung von Zuwanderern und dem jobcenter Kreis Steinfurt vereinbart, dass je eine Mitarbeiterin aus den zwei Rechtskreisen an einer im Rahmen des Modellprojektes angebotenen Fortbildung zum Case Manager teilnimmt. Die Akteure erhoffen sich durch die Kombination der zwei Rechtskreise die vielfältigen Handlungs-, Unterstützungs- und Steuerungsbedarfe der „Arbeitsmarktintegration“ und der „sozialen Integration“ miteinander verknüpfen zu können.

 

  1. Ausblick, nächste  Schritte 

 

Nachdem im Schwerpunktthema „Sprache“ der formale Zugang zum Integrationskurs (Berechtigungsschein) behandelt wurde, fand ein weiteres Arbeitstreffen auf der operativen Ebene zum Thema „Nutzerverhalten“ statt. In diesem Workshop wurden die individuelle Situation und der persönliche Blickwinkel des Zuwanderers beleuchtet, der geprägt ist vom eigenen und vom kulturellen Hintergrund.

 

Die entwickelten Arbeitsergebnisse berücksichtigen die Einbeziehung der Wünsche und Bedarfe des Zuwanderers, die strukturierte Vernetzung beteiligter Akteure und verbindliche Vereinbarungen zwischen Zuwanderer und Behörde.

 

In den nächsten Arbeitsschritten werden darauf aufbauend notwendige Maßnahmen, evtl. zu schaffende Rahmenbedingungen und Dienstleistungsketten der zu beteiligenden Akteure erarbeitet.

 

Einen weiteren Handlungsschwerpunkt im Modellprojekt bilden die Themen Arbeitsmarkt- und Ausbildungsintegration sowie Qualifizierung. Zu diesem Themenkomplex hat ein erstes Arbeitsgruppentreffen mit Akteuren aus den Arbeitsfeldern SGB II, SGB III, AsylbLG, Ausländerbehörde, Beratungsstellen, Kommunales Integrationszentrum und Ehrenamt im Januar 2018 stattgefunden. Es wurden Wege und Reaktionsmuster in verschiedenen Fallverläufen untersucht, um zukünftig neue bzw. optimierte Handlungskonzepte auf den Weg zu bringen. Vorrangig wurden nachfolgende Kernpunkte herausgearbeitet und in den Blick genommen: Kompetenzfeststellung, Lernverhalten, Akzeptanz des dualen Systems, „keine Arbeit ohne Sprache“, Neuerwerb von Qualifikationen und rechtskreisübergreifender Informationsaustausch. Weiterhin wird in den nächsten Sitzungen die herrschende Vielzahl berufsvorbereitender oder auch schulischer Maßnahmen, sowie die Anliegen und Vorstellungen von Arbeitgebern in den Fokus genommen.

 

Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt wird das Thema „Freiwillige Sprachangebote“ für Zuwanderer ohne Zugang zum Integrationskurs oder Zuwanderer, die sich in einer Überbrückungsphase befinden, bilden. Hierzu findet am 20. Februar der nächste Workshop mit den entsprechenden Akteuren statt.