Betreff
Hebesatz Grundsteuer B - Antrag der Fraktionen FDP und UWG
Vorlage
040/19
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt Rheine folgt auf Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses (Vorlage 480/18) nicht dem Antrag der Fraktionen der FDP und UWG vom 04.12.2018 über die Reduzierung des Hebesatzes der Grundsteuer B zum 01.01.2019 von derzeit 600 % auf 550 %.

 


Begründung:

 

Die Fraktionen FDP und UWG haben am 4.12.2018 einen Antrag auf Senkung des Hebesatzes der Grundsteuer B ab 2019 auf 550 v.H. gestellt (vgl. Anlage 1).

Auswirkungen: Dadurch würden sich die Grundsteuererträge der Stadt um ca. 1,4 Mio. € reduzieren. Bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus würde sich eine jährliche Ersparnis von ca. 40 € ergeben.

Zur Begründung des Antrags:

In der kurzen Begründung des Antrages wird auf den durch die für das Jahr 2015 beschlossene Grundsteuererhöhung verursachten Kaufkraftverlust hingewiesen. Dabei wird ein Zusammenhang mit dem Leerstand und Lokalschließungen hergestellt und hier eine Ursächlichkeit der Grundsteuererhebung zumindest suggeriert.

Die Entwicklung der Innenstädte unterliegt aktuell – nicht nur in Rheine – einem Wandel. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass sich die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Rheine in den letzten Jahren positiv verändert hat.

Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft (Erläuterung: Für die entsprechenden Regionen wird die Kaufkraft der dort lebenden Bevölkerung in Mio. Euro ausgewiesen, die für den Einzelhandel als Potenzial vorgesehen ist) in der Einkaufsstadt Rheine ist von 385,6 Mio. Euro im Jahr 2015 auf 400,1 Mio. Euro im Jahr 2018 angestiegen.

Dies wird auch anhand des Anstiegs des einzelhandelsrelevanten Pro-Kopf-Einkommens deutlich: 5.248 Euro/Einwohner (2015) zu 5.311 Euro/Einwohner (2018). Der im Rheiner Einzelhandel getätigte Umsatz ist von 348,9 Mio. Euro im Jahr 2015 auf 395,4 Mio. Euro im Jahr 2018 angestiegen. Als Ergebnis hat sich die Zentralitätskennziffer für den Standort Rheine positiv entwickelt: 2015: 103,0; 2018: 113,2. (Erläuterung: GfK Einzelhandelszentralität: Eine Kennziffer von mehr als 100 sagt aus, dass ein Kaufkraftzufluss stattfindet. D.h. in dieser Region wird mehr Umsatz im Einzelhandel getätigt als die dort lebende Bevölkerung im Einzelhandel zur Verfügung hat) (Quelle: GfK GeoMarketing GmbH)

Obwohl sich die Einkaufsstadt Rheine in den letzten Jahren deutlich besser entwickelt hat als die meisten vergleichbaren Mittelstädte, kann Rheine sich dem massiven Strukturwandel im Einzelhandel nicht entziehen. Die Erhöhung der Attraktivität der Innenstadt und die Unterstützung von Umnutzungskonzepten werden daher auch auf lange Sicht eine wichtige Aufgabe der Innenstadtentwicklung in Rheine bleiben.

Zudem wird aufgrund der geringen Dimension des Kaufkraftverlustes deutlich, dass die Herausforderungen für den Handel an anderer Stelle liegen und zwar bei den Auswirkungen des Online-Handel.

Die Handelsbranche ist zurzeit global von einem strukturellen Konsolidierungsprozess geprägt. Die Anzahl der kleinen Händler wie auch ihre Marktanteile nehmen stetig ab. Ursachen hierfür ist insbesondere der wachsende ECommerce und Online- Handel. Der Anteil des ECommerce hat in den letzten 15 Jahren um mehr als 50 Prozent zugenommen, und steigt auch noch weiter an. Heute werden bereits 44 Milliarden Euro online erlöst. Der Online-Handel macht gegenüber den klassischen Ladengeschäften weiter Boden gut. Bis 2022 soll der Handelsumsatz im Netz in 17 westeuropäischen Ländern um 11,9 Prozent pro Jahr zulegen. Damit legt er um den Faktor 10 schneller zu als der stationäre Handel. Demgegenüber schlossen im Jahr 2017 viele Einzelhandelsgeschäfte; der Trend setzt sich auch im Jahr 2018 fort. Zudem haben sich das Nutzerverhalten und die Kundenerwartungen in den vergangenen Jahren massiv geändert. (Quelle: Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt, ZUKUNFT DES EINKAUFENS)

 

Möglichkeit zur Hebesatzsenkung aus Sicht der Verwaltung:

Der derzeitige Hebesatz von 600 v.H. liegt im Mittelfeld vergleichbar großer Städte in NRW (vgl. Anlage 2).

 

Im Vergleich zur Eröffnungsbilanz 2016 hat die Stadt Rheine bis Ende 2017 eine Reduzierung des Eigenkapitals von 348 Mio. € um 100 Mio. € auf 248 Mio. € hinnehmen müssen. Das bedeutet einen Verlust von 28,7 %. Im Sinne der Generationengerechtigkeit sollten wirtschaftlich gute Jahre genutzt werden, um das Eigenkapital wieder aufzufüllen.

Außerdem stehen in den kommenden Jahren einige Großprojekte an, für die tlw. auch noch keine Haushaltsmittel veranschlagt sind. Zu nennen sind insbesondere:

-          Bau und Betrieb weiterer Kindertageseinrichtungen

-          Umsetzung Grundschuloffensive

-          Umsetzung Medienentwicklungsplan

-          Erweiterung/Neubau Realschule

-          Ertüchtigung der weiterführenden Schulen

-          Sanierung Rathauszentrum

-          Bau des Kombibades

-          Stärkung des geförderten Wohnungsbaus

 

Es ist davon auszugehen, dass für die Realisierung insgesamt über 100 Mio. € erforderlich sind.

Vor diesem Hintergrund schlägt die Verwaltung vor, von sich in den Planungen ergebenden Überschüssen mindestens eine jährliche Reserve von ca. 5 Mio. € für eine Stärkung des Eigenkapitals und/oder zur Finanzierung der anstehenden Großprojekte vorzuhalten.

Darüber hinausgehende Beträge könnten und sollten dann auch zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bei der Grundsteuer herangezogen werden.

In der Haushaltsrede (zur Einbringung des Haushaltes 2018) des Bürgermeisters vom 26.9.2017 wurde bereits angekündigt, dass eine Senkung des Hebesatzes der Grundsteuer B im Jahr 2020 möglich ist. Es heißt dort:

„Bleiben die konjunkturellen Rahmenbedingungen so wie sie sind und treffen uns keine größeren ungeplanten Belastungen, können wir 2020 den Hebesatz auf 550%-Punkte senken und ein Jahr später (2021) eine weitere Senkung auf 510%-Punkte vornehmen.“

 

In der aktuellen Vorlage zum Haushalt 2019 (Vorlage 324/19) ist für 2020 „sogar“ eine Senkung des Hebesatzes der Grundsteuer B auf 520 v.H. vorgesehen.

Die Verwaltung sieht deshalb eine Senkung des Hebesatzes bereits für das Jahr 2019 kritisch, weil im Sinne eines generationengerechten Haushaltes auch Vorsorge für schlechtere Jahre getroffen werden muss. Zudem haben die o.g. Herausforderungen erhebliche finanzielle Auswirkungen für den städtischen Haushalt.

Dass bei den angesprochenen Projekten, die unsere Stadt deutlich nach vorne bringen werden,  überhaupt eine Senkung des Hebesatzes in Betracht kommt, ist schon ein großer Erfolg. Ein ausgeglichener Haushalt hat für die Verwaltung aber nach wie vor höchste Priorität.

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Antrag der Fraktionen FDP und UWG

Anlage 2: Übersicht über die Hebesätze der großen kreisangehörigen Kommunen in NRW