Betreff
6. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 190,
Kennwort: "Engernstraße", der Stadt Rheine

I. Änderungsbeschluss
Vorlage
106/19
Aktenzeichen
PG 5.1 - lt
Art
Beschlussvorlage

BESCHLUSSVORSCHLAG:

 

I.       Änderungsbeschluss

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz der Stadt Rheine beschließt gemäß § 1 Abs. 8 i. V. m. § 2 Abs. 1 BauGB den Bebauungsplan Nr. 190, Kennwort: "Engernstraße", der Stadt Rheine im vereinfachten Verfahren gemäß § 13 BauGB zum Zwecke der Steuerung und Reglementierung der Nachverdichtung in diesem Wohnsiedlungsbereich (Teil B) zu ändern.

 

Der räumliche Geltungsbereich dieser Bebauungsplanänderung wird wie folgt begrenzt:

im Norden:     durch die Südseite des Rodder Damms zwischen der Einmündung Engernstraße im Westen und Teutonenweg im Osten

im Osten:        durch die Westseiten der Flurstücke 335, 741, 788, 80, 79, 78, 77, durch die westliche und südliche Seite des Flurstücks 683, durch die Südseite der Flurstücke 185, 668 und die Ostseite des Flurstücks 262 (alle Flur 166, Gemarkung Rheine-Stadt)

im Süden:       durch die Nordseite des Hemelter Bachs

im Westen:     durch die Weststraße der Engernstraße

 

Der räumliche Geltungsbereich der Änderung ist im Übersichtsplan geometrisch eindeutig festgelegt.

 

 

 

Begründung:

 

Ziel der Bebauungsplanänderung ist die Sicherung des strukturellen und baulichen Charakters des vorwiegend mit Ein- und Zweifamilienhäusern in offener Bauweise bebauten Wohngebietes vor übermäßiger Nachverdichtung, indem die Anzahl der zulässigen Wohneinheiten je Wohngebäude festgesetzt wird.

 

Der Bebauungsplan Nr. 190, Kennwort: „Engernstraße“ im Stadtteil Rheine-Eschendorf besteht aus den Teilen A und B. Die vorliegende Änderung beschränkt sich auf den Teilbereich B östlich der Engernstraße. Dieser Geltungsbereich  umfasst überwiegend Festsetzungen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung (Geschossigkeit I u. II), Bauweise (offen, Einzel- und Doppelhäuser) und die Grenzen der überbaubaren Grundstücksflächen, die charakteristisch für eine klassische Ein- und Zweifamilienhausbebauung bzw. Einfamilienhaussiedlung sind. Eine Beschränkung der zulässigen Wohneinheiten gibt es bisher lediglich in Teilbereichen, die nachträglich durch ein Änderungsverfahren angepasst wurden.

 

Der Bereich Teil A weist hingegen größtenteils durch Reihenhäuser geprägte Bebauungsstrukturen auf, während lediglich vereinzelt freistehende Ein-/Zweifamilienhäuser vorhanden sind. Die Zielsetzung, die der Änderung des Teilbereiches B zugrunde gelegt wird, kann daher nicht auf den Teil A angewandt werden, sodass dieser nicht in das vorliegende Änderungsverfahren integriert wird.

 

Den Anlass zur Änderung des Bebauungsplans gab eine Bauberatung für ein derzeit zum Verkauf stehendes privates Grundstück am Teutonenweg. Die vom Interessenten dargestellten Planungen umfassen den Abriss des abgängigen Einfamilienhauses und eine Neubebauung des Grundstücks in Form eines Mehrfamilienhauses mit bis zu sechs Wohneinheiten.

 

Aus städtebaulicher Sicht ist die Nachverdichtung auf Baulücken bzw. freigeräumten Flächen zwar sinnvoll, jedoch nur unter der Vorgabe, dass die nachbarlichen Belange ausreichend berücksichtigt werden und die ursprüngliche Planungskonzeption aufrecht gehalten wird. Bei der Bebauung von Baulücken bzw. freigeräumten Grundstücken in klassischen Ein-/Zweifamilienhausgebieten entstehen insbesondere bei mehrgeschossigen Gebäuden erhebliche Spannungen: wie aktuelle Beispiele für Mehrfamilienhäuser im Gebiet der Stadt Rheine zeigen, werden bei mehrgeschossigen Gebäuden entweder ausgebaute Dachgeschosse oder Staffelgeschosse errichtet. Dabei entstehen auf zumindest drei Ebenen separate Wohnungen. Im Gegensatz zum mehrgeschossigen Einfamilienhaus werden beim Geschosswohnungsbau auf jeder Ebene Außenwohnbereiche in Form von Balkonen, Dachterrassen oder Loggien gebaut. Von diesen Außenwohnbereichen ist die „soziale Kontrolle“ in Nachbargärten wesentlich ausgeprägter und störender als bei einem mehrgeschossigen Einfamilienhaus, wo zwar auch Balkone oder Loggien entstehen können, die jedoch nicht als einziger Außenwohnbereich genutzt werden, da hier erdgeschossig Terrassen angelegt werden. Die Empfindung, dass ein Gebäude mit mehreren Wohneinheiten störend wirkt, wird verstärkt, wenn diese Gebäude auf Baulücken in einem klassischen Einfamilienhausgebiet mit weitgehend eingeschossigen Häusern entstehen.

 

Die Nachverdichtung bestehender Ein-/Zweifamilienhausgebiete mit Mehrfamilienhäusern führt zumeist auch zu Problemen in verkehrlicher Hinsicht: Bei entsprechenden Baumaßnahmen wird gegenwärtig seitens der Stadt Rheine pro Wohneinheit ein Stellplatz gefordert. In der Realität reicht diese Anzahl jedoch meist nicht aus. Im Gegensatz zum Einfamilienhaus besteht bei dieser Regelung jedoch kaum die Möglichkeit, auf dem eigenen Grundstück weitere Stellplätze nachzuweisen, sodass der Parkdruck in den öffentlichen Straßenraum verschoben wird. Im Plangebiet sind die öffentlichen Verkehrsflächen als Anliegerstraßen ausgebaut. Hier besteht nur bedingt die Möglichkeit, Fahrzeuge abzustellen. Die „Nachverdichtung“ könnte deshalb zu Streitigkeiten zwischen Anliegern bezüglich des Abstellens von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum führen. Mangels einer ausreichenden Zahl von privaten Stellplätzen oder öffentlichen Parkplätzen werden Fahrzeuge auf nicht dafür vorgesehenen Flächen – Rangierflächen, Fußgängerflächen, Grünflächen – abgestellt und stellen sich dann vielfach als Verkehrshindernis dar.

 

Mit dem Beschluss des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz in seiner Sitzung vom 31. Januar 2018 wird die Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen für Wohngebiete, die noch keine Steuerung der Nachverdichtung bzw. keine Steuerung der Anzahl zulässiger Wohneinheiten festgesetzt haben (s. Vorlage 043/18) angestrebt. Durch entsprechende Bauleitplanverfahren wurde bereits für einige Wohnquartiere sichergestellt, dass lediglich Wohngebäude mit zwei Wohneinheiten planungsrechtlich zulässig sind (u. a. 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 33, Kennwort: „Fliederweg“, 7. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 154, Kennwort: „Spiekstraße“). Als Anlass wurden bisweilen Anträge aus der Bevölkerung genommen. Jedoch soll für gefährdete Gebiete auch ohne konkrete Antragstellung ein Verfahren eingeleitet werden können. Als Grundlage für eine weitere Bearbeitung sollen dementsprechend weitere Kriterien sowie auch vorliegende Bauvoranfragen, Bauanträge sowie unverbindliche Anfragen als Anlass für die Überprüfung eines Gebietes genommen werden.

 

Für den betroffenen Bereich sind von den Anwohnern bisher keine Bedenken bezüglich der Veränderungen des Wohngebietscharakters, der baulichen Strukturen und Verschlechterungen für die Verkehrssituation im Wohnviertel (Verkehrsverdichtung, zunehmender Parkdruck) vorgebracht worden. Dennoch erscheint es sinnvoll, die Anfragen zu Bauberatungen zum Anlass zu nehmen, den betreffenden Bereich hinsichtlich der Problematik zu überprüfen.

 

Gemäß der ursprünglichen Begründung wurde der Bebauungsplan Nr. 190, Kennwort: „Engernstraße“ in den 1980er Jahren aufgestellt, um für die bereits bestehenden Siedlungsstrukturen eine weiterhin geordnete städtebauliche Entwicklung zu garantieren. Der Wortlaut der Begründung betont dabei, dass durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes eine vertretbare bauliche Verdichtung erzielt werden soll. Entsprechend wurden für die unterschiedlichen Teilbereiche mit den jeweiligen Bebauungsstrukturen charakteristische Festsetzungen getroffen. Für den Bereich der klassischen Ein- und Zweifamilienhausbebauung wurde entsprechend eine offene Bauweise mit Einzel- und Doppelhäusern festgesetzt. In einem Teilbereich (südlicher Teutonenweg) wurde die Geschossigkeit auf ein Vollgeschoss, die Grundflächenzahl (GRZ) mit 0,4 und die Geschossflächenzahl (GFZ) mit 0,5 angegeben. Für einen weiteren Teilbereich (Teutonenweg, Alemannenallee) sind zwei Vollgeschosse sowie eine GRZ von 0,4 und eine GFZ  von 0,8 festgesetzt worden. Die Festsetzung einer maximal zulässigen Zahl von Wohneinheiten pro Gebäude wurde zum Zeitpunkt der Aufstellung auf Grund der damaligen Rechtslage nicht für notwendig erachtet. Auf Grund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung bezüglich der Definition von Einzelhäusern – als Einzelhaus gilt ein Gebäude, unabhängig von der Zahl der Wohneinheiten, sofern es den notwendigen seitlichen Grenzabstand einhält – besteht die Möglichkeit, dass z. B. freigeräumte Grundstücke im Plangebiet mit Mehrfamilienhäusern bebaut werden können.

 

Im Zuge der 4. und 5. Änderung des Bebauungsplans (Rechtswirksamkeit jeweils 2008), deren Inhalt jeweils eine Anpassung der Baufelder für einzelne kleinteilige Teilbereiche beinhaltete, ist bereits eine Begrenzung der Wohneinheiten auf zwei je Wohngebäude vorgenommen worden. Entsprechend sind mit diesen Änderungen bereits erste Sicherungsmaßnahmen zur Wahrung des Gebietscharakters vorgenommen worden.

 

Ziel der nun angestrebten Bebauungsplanänderung ist es ebenfalls, durch eine Begrenzung der Zahl der zulässigen Wohneinheiten pro Gebäude der aufgezeigten Entwicklung entgegenzuwirken und damit die ursprüngliche Intention des Bebauungsplans planungsrechtlich zu sichern.

 

 

Städtebauliche Beurteilung

 

Das zu betrachtende Wohnviertel ist überwiegend in den 1950er bis 1970er Jahren entstanden. Damals wie heute bildete das Wohnviertel den östlichen Siedlungsrand des Stadtgebietes. Die prägende Bebauung bestand sowohl aus Ein-/Zweifamilienhäusern und Reihenhäusern, denen ein eigener Garten zugeordnet war, als auch vereinzelten Mehrfamilienhäusern in Form von Zeilenbebauung mit bis zu 12 Wohneinheiten. Obwohl der Bebauungsplan erst in den 1980er Jahren aufgestellt wurde, stellen sich die unterschiedlichen Bebauungsstrukturen räumlich strukturiert angeordnet dar. Die klassischen Ein-/Zweifamilienhäuser in Form von Einzelhausstrukturen finden sich entlang des Teutonenweges sowie an dessen südlichen Stichwegen und entlang der Alemannenallee. Doppelhäuser sind entlang des Rodder Damms und an der Engernstraße angeordnet worden. Reihenhäuser finden sich in kompakter Bauweise am Teutonenweg. Die Zeilenbebauung ist mit drei Objekten am Teutonenweg sowie mit einem Objekt im Einmündungsbereich zur Germanenallee vorzufinden.

 

Insgesamt stellt sich der Gebietscharakter südlich des Rodder Damms zwar hinsichtlich der Bebauungsstrukturen vergleichsweise durchmischt dar, es lässt sich jedoch aufgrund der räumlichen Konzentration der einzelnen Bebauungsstrukturen eine städtebauliche Ordnung ablesen. Mit den im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen soll der Charakter des Ein-/ Zweifamilienhausgebietes gewahrt und vor übermäßiger Nachverdichtung geschützt werden.

 

Für das zu betrachtende Wohnviertel besteht, wie das aktuelle Beispiel des abgängigen Gebäudes am Teutonenweg beispielhaft zeigt, die Gefahr eines konfliktträchtigen Umbruchs. Auf Grundstücken mit älteren und sanierungsbedürftigen, nicht mehr zeitgemäßen Wohngebäuden ist es ohne Regulierung der Wohneinheiten möglich, dass nach Abbruch dieser Häuser im Rahmen der Festsetzungen des Bebauungsplanes Neubauten mit einer deutlich höheren Anzahl an Wohneinheiten und einer deutlich höheren Ausnutzung des Grundstückes entstehen. Die Anfragen zu dem genannten Grundstück und auch die in vergleichbaren Gebieten angestrebten Bauvorhaben sind ein Beleg für diesen Trend. Auch letzte Baulücken im Plangebiet bergen die Gefahr für eine deutliche Verdichtung, wie beispielsweise der Bau von zwei Häusern mit jeweils sechs Wohneinheiten entlang der Alemannenallee im Jahr 2018 zeigt.

 

 

Fazit

 

Im Sinne einer Gleichbehandlung mit vergleichbaren Plangebieten sollten bei Konflikterwartung auch andere Wohnsiedlungsbereiche, die weitestgehend harmonisch mit Ein-/Zweifamilienhäusern bebaut sind, vor den Auswirkungen einer ungesteuerten, übermäßigen Nachverdichtung mit Mehrfamilienhäusern geschützt werden. Es wird deshalb vorgeschlagen, den Bebauungsplan zu ändern, indem in den notwendigen Teilbereichen Regelungen über die zulässige Zahl der Wohneinheiten je Gebäude getroffen werden. Die sonstige Zulässigkeit richtet sich weiterhin nach den bereits bestehenden Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 190, Kennwort: „Engernstraße“.

 

Mit dem vorliegenden Beschluss soll das Änderungsverfahren eingeleitet werden, um die Ziele des Bebauungsplans frühzeitig zu sichern. Für gegebenenfalls eingehende Bauanträge, die dem Zielgedanken dieser angestrebten 6. Änderung entgegenstehen, ist auf diese Weise die Anwendung einer Zurückstellung möglich.

 

Im Nachgang zum Änderungsbeschluss soll der Änderungsinhalt konkretisiert werden, sodass über diesen Änderungsentwurf des Bebauungsplans beraten werden kann. Diese Beratung und der Beschluss zum Änderungsentwurf sowie der Offenlegungsbeschluss werden voraussichtlich im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz im II. Quartal 2019 erfolgen können.

 

Die Stadt verzichtet bei diesem Änderungsverfahren auf die Erhebung von verwaltungsinternen Planungskosten, da überwiegende Gründe des Allgemeinwohls für die Planung bestehen und diese den stadtentwicklungspolitischen Zielen entspricht.

 

 

 

 


 


Anlagen

 

Anlage 1: Übersichtsplan

Anlage 2: Geltungsbereich zur 6. Änderung

Anlage 3: Schrägluftbild