Betreff
Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Vorlage
270/19
Aktenzeichen
FB 8.60 - mer
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

Der Sozialausschuss nimmt die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Seit Einführung des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) zum 01.01.2005 im Rahmen der Hartz IV-Reform wurde der Sozialausschusses regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen informiert (Vorlagen 213/08, 260/10, 274/11 und 419/12). In dieser Vorlage wird über die Auswirkungen des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auf die Leistungs­gewährung nach dem SGB XII zum 01.01.2020 informiert.

 

Zur Einführung wird ein kurzer Überblick über die Leistungsgewährung nach dem SGB XII, die Abgrenzung zum SGB II sowie die Fallzahlentwicklung gegeben.

 

 

Leistungsberechtigte

 

Leistungen nach dem SGB XII erhalten Personen, die entweder die Altersgrenze (aktuell 65 Jahre und 8 Monate für den Geburtsjahrgang 1954) erreicht haben oder bei denen der Rententräger eine volle Erwerbsminderung (Leistungsvermögen liegt unter 3 Stunden pro Tag) festgestellt hat. Zudem muss geprüft werden ob der Antragsteller in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten. In Abgrenzung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II stehen Leistungsberechtigte nach dem SGB XII dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung.

 

Die Zahl der Hilfeempfänger hat sich seit 2005 wie folgt entwickelt
(Stand jeweils zum 31.12. eines Jahres):

 

 

Am 31.12.2018 waren somit in Rheine insgesamt 1.525 Personen im Hilfebezug. Davon hatten 665 Personen die Altersgrenze erreicht. Bei der Entwicklung der Fallzahlen ist ein in den letzten Jahren flacherer Anstieg zu beobachten, der durch mehrere Verbesserungen in anderen sozialen Sicherungssystemen verursacht wurde. So wurde die Anerkennung von Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, bei der Berechnung der Rente in zwei Stufen von ein auf zweieinhalb Jahre pro Kind angehoben (sog. Mütterrente I und II). Daneben wurde die Höhe des Wohngeldes zum 01.01.2016 deutlich erhöht.

 

Trotz dieser Maßnahmen muss auch in Zukunft mit steigenden Fallzahlen gerechnet werden. Die Bevölkerungsstruktur von Rheine zeigt deutlich den Bereich der geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren die Altersgrenze erreichen und somit die persönlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung erfüllen.

 

65. Lebensjahr

 

Männer                                             Frauen

 


 

Das Bundesteilhabegesetz

 

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist ein umfassendes Gesetzespaket welches in vier Stufen in Kraft tritt (2017, 2018, 2020 und 2023). Es setzt die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) durch eine Neustrukturierung der Eingliederungshilfe um.

 

 

Änderungen zum 01.01.2020

 

Durch die Änderungen zum 01.01.2020 werden die Leistungsvorschriften für die Eingliederungshilfe vom SGB XII - Sozialhilfe - in das SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - verlagert und damit ein eigenständiges Teilhaberecht geschaffen. Damit findet ein Systemwechsel des bisherigen (institutionszentrierten) Fürsorgesystems hin  zu einem neuen, eigenständigen (personenzentrierten) Recht auf Teilhabe statt.

 

 

Auswirkungen auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

 

Bisher hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bei Personen in stationären Einrichtungen neben der Eingliederungshilfe auch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Hilfen aus einer Hand geleistet. Zukünftig verbleiben die Fachleistungsstunden beim LWL während die Grundsicherung separat bei den Kommunen zu beantragen ist.

 

Im Kreis Steinfurt erhalten zurzeit 1.158 Hilfeempfänger in stationären Einrichtungen Eingliederungshilfe vom LWL. Der Kreis Steinfurt geht davon aus, dass ca. 80 % der Hilfeempfänger ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten können und Sozialleistungen beantragen müssen. Nach den bisher vorliegenden Unterlagen kommen somit kreisweit ca. 936 zusätzliche SGB XII-Fälle hinzu. Auf die Stadt Rheine entfallen dabei ca. 185 Fälle. Bei einem Fallzahlschlüssel von 170 Fällen pro Sachbearbeiter müssen rechnerisch 1,09 Stellen zusätzlich für die Leistungsgewährung bereitgestellt werden.

 

 

Ausblick und weitere Schritte

 

Bisher gibt es noch sehr viele rechtliche und organisatorische Fragen, die auf der Ebene zwischen dem Kreis Steinfurt und dem LWL zum Übergang der Fälle geklärt werden müssen. Wie bei vergleichbaren gesetzlichen Änderungen ist leider davon auszugehen, dass viele Änderungen, Ergänzungen und Klarstellungen erst kurz vor der Umstellung zum Jahresende eintreffen. Umso wichtiger ist eine möglichst frühzeitige und umfassende Information der betroffenen Personen, deren Angehörige und Einrichtungen. Hierzu wird der LWL eine allgemeine Information in Form eines Infoschreibens an die Betroffenen und Einrichtungen herausgeben.

 

Darüber hinaus ist geplant, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der SGB XII-Abteilung direkt mit den Betroffenen in Verbindung setzen um individuell zu beraten und bei der Antragstellung zu helfen.

 

Außerdem ist geplant, gemeinsam mit den Trägern der Einrichtungen, den gesetzlichen Betreuern bzw. den Angehörigen über Informationsforen einen möglichst reibungslose Übergang zu realisieren.

 

Die Verwaltung wird den Sozialausschuss über die weitere Umsetzung und deren Auswirkungen des BTHG informieren.

 

Über die aufgrund der Aufgabenübertragung und Fallzahlenentwicklung notwendige, zusätzliche Vollzeitstelle im Bereich der Leistungsgewährung des SGB XII für das Jahr 2020 f. wird im Rahmen der Haushalts- und Stellenplanberatungen zu entscheiden sein.