Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der
Sozialausschuss nimmt die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes auf die
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zur Kenntnis.
Begründung:
Seit Einführung des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) zum
01.01.2005 im Rahmen der Hartz IV-Reform wurde der Sozialausschusses regelmäßig
über die aktuellen Entwicklungen informiert (Vorlagen 213/08, 260/10, 274/11
und 419/12). In dieser Vorlage wird über die Auswirkungen des Gesetzes zur
Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz
Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auf die Leistungsgewährung nach dem SGB XII zum
01.01.2020 informiert.
Zur Einführung wird ein kurzer Überblick über die Leistungsgewährung nach
dem SGB XII, die Abgrenzung zum SGB II sowie die Fallzahlentwicklung gegeben.
Leistungsberechtigte
Leistungen nach dem SGB XII erhalten Personen, die entweder die
Altersgrenze (aktuell 65 Jahre und 8 Monate für den Geburtsjahrgang 1954)
erreicht haben oder bei denen der Rententräger eine volle Erwerbsminderung
(Leistungsvermögen liegt unter 3 Stunden pro Tag) festgestellt hat. Zudem muss
geprüft werden ob der Antragsteller in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus
eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten. In Abgrenzung zur Grundsicherung
für Arbeitsuchende nach dem SGB II stehen Leistungsberechtigte nach dem SGB XII
dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung.
Die Zahl der Hilfeempfänger hat sich seit 2005 wie folgt entwickelt
(Stand jeweils zum 31.12. eines Jahres):
Am 31.12.2018 waren somit in Rheine insgesamt 1.525 Personen im
Hilfebezug. Davon hatten 665 Personen die Altersgrenze erreicht. Bei der
Entwicklung der Fallzahlen ist ein in den letzten Jahren flacherer Anstieg zu
beobachten, der durch mehrere Verbesserungen in anderen sozialen
Sicherungssystemen verursacht wurde. So wurde die Anerkennung von
Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, bei der Berechnung
der Rente in zwei Stufen von ein auf zweieinhalb Jahre pro Kind angehoben (sog.
Mütterrente I und II). Daneben wurde die Höhe des Wohngeldes zum 01.01.2016
deutlich erhöht.
Trotz dieser Maßnahmen muss auch in Zukunft mit steigenden Fallzahlen
gerechnet werden. Die Bevölkerungsstruktur von Rheine zeigt deutlich den
Bereich der geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren die
Altersgrenze erreichen und somit die persönlichen Voraussetzungen für eine
Leistungsgewährung erfüllen.
65.
Lebensjahr Männer
Frauen
Das Bundesteilhabegesetz
Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen
mit Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist ein umfassendes
Gesetzespaket welches in vier Stufen in Kraft tritt (2017, 2018, 2020 und
2023). Es setzt die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) durch
eine Neustrukturierung der Eingliederungshilfe um.
Änderungen zum 01.01.2020
Durch die Änderungen zum 01.01.2020 werden die Leistungsvorschriften für
die Eingliederungshilfe vom SGB XII -
Sozialhilfe - in das SGB IX -
Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - verlagert und
damit ein eigenständiges Teilhaberecht geschaffen. Damit findet ein
Systemwechsel des bisherigen (institutionszentrierten) Fürsorgesystems hin zu einem neuen, eigenständigen (personenzentrierten)
Recht auf Teilhabe statt.
Auswirkungen auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Bisher hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bei Personen in
stationären Einrichtungen neben der Eingliederungshilfe auch die Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung als Hilfen aus einer Hand geleistet.
Zukünftig verbleiben die Fachleistungsstunden beim LWL während die
Grundsicherung separat bei den Kommunen zu beantragen ist.
Im Kreis Steinfurt erhalten zurzeit 1.158 Hilfeempfänger in stationären
Einrichtungen Eingliederungshilfe vom LWL. Der Kreis Steinfurt geht davon aus,
dass ca. 80 % der Hilfeempfänger ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht
aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten können und Sozialleistungen
beantragen müssen. Nach den bisher vorliegenden Unterlagen kommen somit
kreisweit ca. 936 zusätzliche SGB XII-Fälle hinzu. Auf die Stadt Rheine
entfallen dabei ca. 185 Fälle. Bei einem Fallzahlschlüssel von 170 Fällen pro
Sachbearbeiter müssen rechnerisch 1,09 Stellen zusätzlich für die
Leistungsgewährung bereitgestellt werden.
Ausblick und weitere Schritte
Bisher gibt es noch sehr viele rechtliche und organisatorische Fragen,
die auf der Ebene zwischen dem Kreis Steinfurt und dem LWL zum Übergang der
Fälle geklärt werden müssen. Wie bei vergleichbaren gesetzlichen Änderungen ist
leider davon auszugehen, dass viele Änderungen, Ergänzungen und Klarstellungen
erst kurz vor der Umstellung zum Jahresende eintreffen. Umso wichtiger ist eine
möglichst frühzeitige und umfassende Information der betroffenen Personen,
deren Angehörige und Einrichtungen. Hierzu wird der LWL eine allgemeine
Information in Form eines Infoschreibens an die Betroffenen und Einrichtungen
herausgeben.
Darüber hinaus ist geplant, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der
SGB XII-Abteilung direkt mit den Betroffenen in Verbindung setzen um
individuell zu beraten und bei der Antragstellung zu helfen.
Außerdem ist geplant, gemeinsam mit den Trägern der Einrichtungen, den
gesetzlichen Betreuern bzw. den Angehörigen über Informationsforen einen
möglichst reibungslose Übergang zu realisieren.
Die Verwaltung wird den Sozialausschuss über die weitere Umsetzung und
deren Auswirkungen des BTHG informieren.
Über die aufgrund der Aufgabenübertragung und Fallzahlenentwicklung
notwendige, zusätzliche Vollzeitstelle im Bereich der Leistungsgewährung des
SGB XII für das Jahr 2020 f. wird im Rahmen der Haushalts- und
Stellenplanberatungen zu entscheiden sein.