Kennwort: "Hotel Bentlage", der Stadt Rheine
I. Aufhebungsbeschluss
II. Weiteres Vorgehen
Beschlussvorschlag:
I. Aufhebungsbeschluss
Der Ausschuss
für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz beschließt, dass der
Aufstellungsbeschluss vom 21.11.2018 für den Bebauungsplan Nr. 338, Kennwort:
„Hotel Bentlage“ aufgehoben wird.
II. Weiteres Vorgehen
Die
Verwaltung wird beauftragt, entsprechend den Vorgaben des Regionalplanes
Münsterland und des Flächennutzungsplanes der Stadt Rheine, verträgliche
Nutzungsmöglichkeiten für das EWG-Grundstück aufzuzeigen bzw. zu entwickeln.
Dieses soll
im Kontext mit dem Salinenpark bzw. der Bentlager Kulturlandschaft sowie mit
größtmöglicher Transparenz und Partizipation erfolgen.
Begründung:
I. Zum Aufhebungsbeschluss
Mit Schreiben
vom 08.06.2016 stellte ein Architekturbüro aus Rheine - im Namen eines ortsverbundenen
Investors - einen Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Projekt
„Hotel Bentlage“. Das Projekt sollte nordwestlich angrenzend an den
Salinenpark, im Bereich Salinenstraße/Kreuzherrenweg realisiert werden. Auf
einem etwa 3,3 ha großen Areal sollte ein Hotelbereich, ein Kongress- und
Eventbereich sowie ein Wellness- und Spa-Bereich entstehen.
Am 22.06.2016
stimmte der damalige Stadtentwicklungsausschuss „Planung und Umwelt“ dem Antrag
zur Realisierung des Hotelprojektes zu (s. Vorlage Nr. 225/16). Die Verwaltung
wurde beauftragt, das Projekt in der weiteren Durchführung zu unterstützen und
die Einleitung des formellen Aufstellungsverfahrens vorzubereiten. Dazu kam es
nicht, da der Investor zwischenzeitlich absagte und sich vom geplanten Vorhaben
zurückzog.
Die
Projektidee wurde von einem anderen Investor wieder aufgegriffen und in der
Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz am
27.06.2018 erneut vorgestellt. Präsentiert wurde die Objektplanung und das Erschließungs-
bzw. Verkehrskonzept. Im Ausschuss sowie im EWG-Aufsichtsrat stießen die
Projektvorstellungen auf positive Resonanz, so dass am 21.11.2018 der
Aufstellungsbeschluss für den verbindlichen Bauleitplan gefasst wurde (s.
Vorlage Nr. 436/18) (s. Anlage 1: Übersichtsplan mit Geltungsbereich). Die
Aufstellung des Bebauungsplanes hatte das Ziel, in Rheine-Bentlage die
Ansiedlung eines Hotels mit den drei oben beschriebenen Bereichen zu
ermöglichen.
Im Rahmen der
„frühzeitigen“ bzw. ersten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung vom
01.02.2019 bis 04.03.2019 wurden Anregungen, aber auch massive Bedenken gegen
das Hotelprojekt vorgetragen. Etwa 150 Stellungnahmen und mehr als 330
Listen-Unterzeichner äußerten ihre Kritik an dem Bauvorhaben in der vorgestellten
Konzeption.
Die
kritischen Einwendungen bezogen sich vornehmlich auf folgende Themen:
-
Widerspruch
zum Regionalplan; nur Einrichtungen des Gesundheitswesens
-
Widerspruch
zum Flächennutzungsplan; nur Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen;
mangelhafte Gewichtung der Haupt- und Nebennutzungen (zu viel Kongress +
Event)
-
starke
Beeinträchtigungen der bedeutenden, historischen Kulturlandschaft sowie
des angrenzenden
Landschaftsschutzgebietes und des Umfeldes der Baudenkmäler
-
unzureichende
Berücksichtigung des „Genius loci“, der „Oase der Kontemplation“
-
Zerstörung
der gesetzlich geschützten Allee (Salinenstraße) durch Aus- und Umbau;
-
Zunahme
der Umweltbelastungen durch Lärm und Abgase, Licht-Emissionen u.v.m.
-
erhöhte
verkehrliche Frequentierung führt zu steigenden Unfallgefahren
-
höhere
Verdichtung und Versiegelung geht einher mit der Absenkung des Grundwas-
-
sers und
der Gefahr für den umliegenden Baumbestand
-
Verunstaltung
durch den Hotelkomplex selbst (Kubatur, Höhe, Geschossigkeit usw.)
-
fehlende
Berücksichtigung der Maßstäblichkeit und der benachbarten Nutzungen
-
unverträgliche
Versiegelungen durch Baukörper und Stellplatzanlagen.
Der massive
Widerstand - insbesondere aus der Öffentlichkeit - führte nunmehr zu einer
anderen, differenzierteren Projektbewertung insbesondere im politischen Raum,
so dass letztlich einige Parteien einen Planungs- bzw. Verfahrensstopp
forderten (s. Anlage 2: Antrag der FDP-Fraktion vom 17.06.2018).
Nachdem sich
der Investor seit mehreren Monaten nicht mehr zu seinem Projekt geäußert und
auch keine - entsprechend der Verwaltungsempfehlung - veränderte, in
wesentlichen Teilen modifizierte Konzeption eingereicht hat, ist es nicht
sinnvoll das Bebauungsplanverfahren fortzuführen. Demnach wird empfohlen, das
projektbezogene Planverfahren zu beenden und den maßgeblichen
Verfahrensbeschluss aufzuheben.
II. Zum weiteren Vorgehen
Die
Verwaltung geht davon aus, dass nach wie vor Konsens darüber besteht, dass das
Grundstück einer Nutzung zugeführt werden soll, welche dem Standort Bentlage und
der Stadt Rheine dient. Das war zumindest die Grundlage der politischen
Beschlüsse der letzten Jahrzehnte. Zur Findung einer solchen
standortverträglichen Nutzung müssen einige Punkte beachtet werden.
1. Übergeordnete, planungsrechtliche
Vorgaben
Der
Regionalplan Münsterland legt für den betroffenen Bereich einen „Allgemeinen
Siedlungsbereich“ (ASB) für zweckgebundene Nutzungen – hier „Einrichtungen des
Gesundheitswesens“ (G) fest.
Diese
Festlegung erfolgte auf Anregung der Stadt Rheine und wurde mit der möglichen
Ansiedlung einer Kur- und Wellnesseinrichtung begründet. Insofern wird in den
Erläuterungen zu dem regionalplanerischen Ziel die „Kur- und Wellnessanlage
Kloster Bentlage in Rheine“ explizit benannt.
In diesem
Kontext wird grundsätzlich eine Hotelnutzung von der Bezirksregierung Münster
für zulässig erachtet.
Abb. 1: Darstellung eines ASB mit Zweckbestimmung
G (Auszug aus „Regionalplan
Münsterland“, 6/2014)
Allerdings
muss diese Hotelnutzung nicht nur den Kur- und Wellnessansprüchen genügen,
sondern sich auch in den überregional bedeutsamen Kulturlandschaftsraum
einfügen. Ein reines Tagungs- und Veranstaltungshotel beispielsweise würde
voraussichtlich den übergeordneten Vorgaben dabei nicht gerecht.
Der
Flächennutzungsplan der Stadt Rheine schließt sich den Zielvorgaben des
Regionalplans an und stellt das zur Disposition stehende Areal als
„Sonderbaufläche“ (S) mit der Zweckbestimmung „Gesundheits- und
Freizeiteinrichtungen“ (G/F) dar.
Abb. 2: Darstellung einer Sonderbaufläche (S –
G/F) (Auszug aus dem
Flächennutzungsplan, 7/2004)
Die
Errichtung eines landschaftsangepassten Kur- und Wellness-Hotels würde
zweifelfrei den Vorgaben des gesamtstädtischen, vorbereitenden Bauleitplanes
entsprechen. Die Nutzung der Solequelle für heilwirkende bzw. therapeutische
Zwecke wäre zu empfehlen.
Neben einer
Hotelnutzung sind auch andere Nutzungen die den Vorgaben des
Flächennutzungsplanes entsprechen denkbar.
Unmittelbar
östlich angrenzend wurde mit dem Bebauungsplan Nr. 300, Kennwort „Salinenpark“
bereits am 01.09.2003 Orts- bzw. Baurecht geschaffen.
Abb. 3: Auszug aus dem angrenzendem Bebauungsplan
Nr. 300 „Salinenpark“ mit den Sondergebieten
Hier sind
neben „Grünflächen – Parkanlagen“ auch „Sondergebiete“ mit den
Zweckbestimmungen „Hotel“ und „Gesundheit“ festgesetzt worden; das damals
angedachte Hotel sogar unmittelbar angrenzend zum Salzsiede- und
Josef-Winckler-Haus, mitten im Salinenpark. Im Zuge der „Regionale 2004“
ergaben sich allerdings andere Nutzungsprioritäten, so dass von den
Sondergebietsfestsetzungen bis heute kein Gebrauch gemacht bzw. konzeptionell
auf die andere Straßenseite ausgewichen wurde (s.u.: Strukturkonzept 2006).
Anmerkung: Vom
Satzungsbeschluss im Jahr 2003 wurde das „Gertrudenstift“ ausgenommen, weil damals
die geplante Nutzung als 4-geschossiges „Tagungs- und Konferenzzentrum“ (!)
noch nicht abschließend geklärt war. Erst am 20.03.2005 wurde das „neue“
Gertrudenstift als Exerzitien- und Bildungshaus des Bistums Münster eingeweiht.
Zur Ausstattung gehören 40 Einzel- und 10 Doppelzimmer sowie 4
behindertengerechte Zimmer.
2. Planungsprozess im Rahmen der
„Regionale 2004“
Der gesamte
Landschafts- und Kulturraum um das Kloster Bentlage in seinem jetzigen
Erscheinungsbild ist das Ergebnis eines sehr intensiven und fachlich hoch
qualifizierten Wettbewerbs- und Entscheidungsprozesses im Rahmen der „Regionale
2004“ (bzw. der ursprünglich geplanten Landesgartenschau/-ausstellung).
Nachdem
bereits im Jahr 1997 ein moderierter Prozess zur „Intelligenten Erschließung“
des Klosters durchgeführt wurde, sind mit dem Workshop-Papier „Projekte für
Bentlage“ (Bentlager Akteure; 05.03.2000) Potenziale einer behutsamen
Weiterentwicklung des Raumes beschrieben worden. In dem „Memorandum für
Bentlage“ (Expertise einer Gruppe von 7 Fachleuten + Politikern; 01.06 1999)
wird eine nachhaltige, langzeitorientierte Weiterentwicklung „mit äußerster
Vorsicht, ohne Eile, ohne falsche Ambitionen“ angeraten. In dem damaligen
Planungsprozess wurde die Entwicklung eines Solbades empfohlen, das durch einen
Hotelkomplex (mit Seminarbetrieb für Weiterbildung) ergänzt werden sollte. Für
richtig wurde der Standort auf der ehemaligen Hofstelle Stockmann „am Eingang
des Gesamtareals“ erachtet.
Am 09.12.2000
kam es zu einer gemeinsamen „Bentlager Erklärung“ aller dort aktiven Vereine,
Gruppen und Anwohner sowie der Stadt Rheine (Anlage 3). In dieser wird ein
neues Hotel „in funktionaler Ergänzung zum Kloster Bentlage“ befürwortet,
wünschenswert mit „Integration einer Badeeinrichtung mit Nutzung der Sole“.
Gleichermaßen wird der Standort „direkt am oder in nächster Nähe zum
Zentralparkplatz“ (ehem. Hof Stockmann) präferiert.
Im Jahr 2002
wurde von der Stadt Rheine – auch im Rahmen der „Regionale 2004“ - ein
landschaftsarchitektonischer Realisierungswettbewerb „Salinenpark“
durchgeführt.
Abb. 4:
Wettbewerb „Salinenpark“; 1. Preisträger: I. Lohaus + P. Carl, Hannover
(Auslober: Stadt Rheine, 2002)
Die damaligen
Preisträger orientierten sich nicht exakt an den per Auslobung vorgegebenen Baufenstern
bzw. Bauformen der Sondergebietsnutzungen „Hotel mit Solbad“ sowie
„Kompetenzzentrum Gesundheit“ (gepl. Klinik für Traditionelle Chinesische
Medizin). Das Preisgericht urteilte, dass „die konzipierten Gebäudeformen in
Verbindung mit dem Solebad und dem Restaurant „Gottesgabe“ schlüssig und weiter
verfolgenswert scheinen“. Auch hier ist der Hotelstandort mitten im
Salinenpark, westlich neben dem Salzsiedehaus verortet.
Im Nachgang
zur „Regionale 2004“ ist dem Stadtentwicklungsausschuss im Jahr 2006 ein
Strukturkonzept des Büros ASS, Düsseldorf vorgestellt worden.
Abb. 5:
Strukturkonzept II des Büros ASS, Düsseldorf (Hamerla u.a.); StewA am 29.11.2006
Auf dieser
Grundlage sollte die EWG - unter dem Titel „Zentrum Vital Solbad Gottesgabe“ –
die weitere Investorensuche betreiben. Auch hier wurde wiederum eine
Hotelnutzung thematisiert, die nunmehr westlich der Salinenstraße positioniert
ist.
3. Künftiger Diskussionsprozess
Die
bisherigen Diskussions- bzw. Planungsprozesse verdeutlichen, dass die
Beschäftigung mit einem bzw. die Bewerbung als Hotelstandort nicht neu, sondern
Resultat wohlüberlegter, stadtplanerischer, bürgerschaftlicher und letztlich
politischer Entscheidungen ist.
Da ein
rechtskräftiger Bebauungsplan für den betroffenen, nach wie vor für eine
Bebauung vorgesehenen Bereich nicht vorhanden ist, wird zur Schaffung von
Planungs- bzw. Baurecht künftig wiederum die Aufstellung eines verbindlichen
Bauleitplanes erforderlich.
Im Vorfeld
eines formalen Verfahrens muss allerdings die Verträglichkeit einer
potenziellen Nutzung bzw. eines geplanten Objektes innerhalb des sensiblen
Landschaftsraumes geprüft und beurteilt werden. Dies in einem
Diskussionsprozess, der dem „Genius Loci“, also dem „Geist des Ortes“
angemessen Rechnung trägt.
Anzustreben
sind dabei verträgliche Lösungen insbesondere hinsichtlich der konkreten
Nutzung, der Bauweise und Kubatur, der Gebäudestellung bzw. -ausrichtung, der
Bauhöhe und Geschossigkeit, dem Versiegelungsgrad bzw. der maximalen
Überbauungsmöglichkeiten sowie der Stellplatzanzahl und -anordnung. Ebenfalls
in den Blick zu nehmen ist das zu schützende Orts- und Landschaftsbild sowie
eine behutsame architektonische Einbindung in die kulturhistorisch
charakteristischen Siedlungs- und Freiraumstrukturen.
Abb.
6: Planungsareal (markierte
Grundstücke) mit Umfeld: Salinenpark, Naturzoo, Kloster, Ems (Luftbild 2014)
Auch die
verkehrliche Erschließung einer Nutzung und damit der Schutz der gesetzlich
geschützten Allee entlang der Salinenstraße muss intensiv thematisiert werden.
In einem
folgenden, verwaltungsseitig initiierten Diskussionsprozess geht es vor allem
um den Schutz eines der wertvollsten Landschaftsräume in Rheine und Umgebung
sowie um die Bewahrung der ruhigen, abgeschiedenen und kontemplativen Erholung,
aber auch um die moderate und vertretbare Weiterentwicklung insbesondere in
Richtung Gesundheit, Freizeit und Tourismus.
Die
Verwaltung schlägt also vor, eine städtebauliche Studie zu erstellen, welche
potenziellen Käufern/Investoren dazu dienen kann, deren Planungen
vorzubereiten. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Nutzungsspektrum des
Regionalplanes bzw. Flächennutzungsplanes Konsens ist, jedoch Vorgaben
hinsichtlich der Nutzungsintensität gemacht werden müssen. Der Prozess soll
unter Einbindung der Öffentlichkeit geschehen.
Da ein
solcher Prozess sehr aufwändig ist und derzeit andere Projekte bereits
angelaufen sind und weitergeführt werden müssen, wird dieser durch die
Stadtplanung frühestens 2021 durchgeführt werden können. Eine Dringlichkeit
besteht dabei nicht, da die ehemalige Hofstelle verpachtet ist. Die Verwaltung
wird dann einen detaillierten Vorschlag zum Prozess insbesondere der
Einbeziehung der Öffentlichkeit machen.
Anlagen:
Anlage 1: Übersichtsplan mit Geltungsbereich
Anlage 2: Antrag der FDP-Fraktion
Anlage 3: Bentlager Erklärung vom 9.12.2000