Betreff
Bebauungsplan Nr. 338,
Kennwort: "Hotel Bentlage", der Stadt Rheine
I. Aufhebungsbeschluss
II. Weiteres Vorgehen
Vorlage
276/19
Aktenzeichen
PG 5.1 hs
Art
Beschlussvorlage

 

 

Beschlussvorschlag:

 

I.          Aufhebungsbeschluss

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz beschließt, dass der Aufstellungsbeschluss vom 21.11.2018 für den Bebauungsplan Nr. 338, Kennwort: „Hotel Bentlage“ aufgehoben wird.

 

 

II.         Weiteres Vorgehen

 

Die Verwaltung wird beauftragt, entsprechend den Vorgaben des Regionalplanes Münsterland und des Flächennutzungsplanes der Stadt Rheine, verträgliche Nutzungsmöglichkeiten für das EWG-Grundstück aufzuzeigen bzw. zu entwickeln.

Dieses soll im Kontext mit dem Salinenpark bzw. der Bentlager Kulturlandschaft sowie mit größtmöglicher Transparenz und Partizipation erfolgen.

 

Begründung:

 

I.          Zum Aufhebungsbeschluss

 

Mit Schreiben vom 08.06.2016 stellte ein Architekturbüro aus Rheine - im Namen eines ortsverbundenen Investors - einen Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Projekt „Hotel Bentlage“. Das Projekt sollte nordwestlich angrenzend an den Salinenpark, im Bereich Salinenstraße/Kreuzherrenweg realisiert werden. Auf einem etwa 3,3 ha großen Areal sollte ein Hotelbereich, ein Kongress- und Eventbereich sowie ein Wellness- und Spa-Bereich entstehen.

 

Am 22.06.2016 stimmte der damalige Stadtentwicklungsausschuss „Planung und Umwelt“ dem Antrag zur Realisierung des Hotelprojektes zu (s. Vorlage Nr. 225/16). Die Verwaltung wurde beauftragt, das Projekt in der weiteren Durchführung zu unterstützen und die Einleitung des formellen Aufstellungsverfahrens vorzubereiten. Dazu kam es nicht, da der Investor zwischenzeitlich absagte und sich vom geplanten Vorhaben zurückzog.

 

Die Projektidee wurde von einem anderen Investor wieder aufgegriffen und in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz am 27.06.2018 erneut vorgestellt. Präsentiert wurde die Objektplanung und das Erschließungs- bzw. Verkehrskonzept. Im Ausschuss sowie im EWG-Aufsichtsrat stießen die Projektvorstellungen auf positive Resonanz, so dass am 21.11.2018 der Aufstellungsbeschluss für den verbindlichen Bauleitplan gefasst wurde (s. Vorlage Nr. 436/18) (s. Anlage 1: Übersichtsplan mit Geltungsbereich). Die Aufstellung des Bebauungsplanes hatte das Ziel, in Rheine-Bentlage die Ansiedlung eines Hotels mit den drei oben beschriebenen Bereichen zu ermöglichen.

 

Im Rahmen der „frühzeitigen“ bzw. ersten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung vom 01.02.2019 bis 04.03.2019 wurden Anregungen, aber auch massive Bedenken gegen das Hotelprojekt vorgetragen. Etwa 150 Stellungnahmen und mehr als 330 Listen-Unterzeichner äußerten ihre Kritik an dem Bauvorhaben in der vorgestellten Konzeption.

 

Die kritischen Einwendungen bezogen sich vornehmlich auf folgende Themen:

 

-          Widerspruch zum Regionalplan; nur Einrichtungen des Gesundheitswesens

-          Widerspruch zum Flächennutzungsplan; nur Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen;

mangelhafte Gewichtung der Haupt- und Nebennutzungen (zu viel Kongress + Event)

-          starke Beeinträchtigungen der bedeutenden, historischen Kulturlandschaft sowie

des angrenzenden Landschaftsschutzgebietes und des Umfeldes der Baudenkmäler

-          unzureichende Berücksichtigung des „Genius loci“, der „Oase der Kontemplation“

-          Zerstörung der gesetzlich geschützten Allee (Salinenstraße) durch Aus- und Umbau;

-          Zunahme der Umweltbelastungen durch Lärm und Abgase, Licht-Emissionen u.v.m.

-          erhöhte verkehrliche Frequentierung führt zu steigenden Unfallgefahren

-          höhere Verdichtung und Versiegelung geht einher mit der Absenkung des Grundwas-

-          sers und der Gefahr für den umliegenden Baumbestand

-          Verunstaltung durch den Hotelkomplex selbst (Kubatur, Höhe, Geschossigkeit usw.)

-          fehlende Berücksichtigung der Maßstäblichkeit und der benachbarten Nutzungen

-          unverträgliche Versiegelungen durch Baukörper und Stellplatzanlagen.

 

Der massive Widerstand - insbesondere aus der Öffentlichkeit - führte nunmehr zu einer anderen, differenzierteren Projektbewertung insbesondere im politischen Raum, so dass letztlich einige Parteien einen Planungs- bzw. Verfahrensstopp forderten (s. Anlage 2: Antrag der FDP-Fraktion vom 17.06.2018).

 

Nachdem sich der Investor seit mehreren Monaten nicht mehr zu seinem Projekt geäußert und auch keine - entsprechend der Verwaltungsempfehlung - veränderte, in wesentlichen Teilen modifizierte Konzeption eingereicht hat, ist es nicht sinnvoll das Bebauungsplanverfahren fortzuführen. Demnach wird empfohlen, das projektbezogene Planverfahren zu beenden und den maßgeblichen Verfahrensbeschluss aufzuheben.

 

 

II.         Zum weiteren Vorgehen

 

Die Verwaltung geht davon aus, dass nach wie vor Konsens darüber besteht, dass das Grundstück einer Nutzung zugeführt werden soll, welche dem Standort Bentlage und der Stadt Rheine dient. Das war zumindest die Grundlage der politischen Beschlüsse der letzten Jahrzehnte. Zur Findung einer solchen standortverträglichen Nutzung müssen einige Punkte beachtet werden.

 

1.         Übergeordnete, planungsrechtliche Vorgaben

 

Der Regionalplan Münsterland legt für den betroffenen Bereich einen „Allgemeinen Siedlungsbereich“ (ASB) für zweckgebundene Nutzungen – hier „Einrichtungen des Gesundheitswesens“ (G) fest.

Diese Festlegung erfolgte auf Anregung der Stadt Rheine und wurde mit der möglichen Ansiedlung einer Kur- und Wellnesseinrichtung begründet. Insofern wird in den Erläuterungen zu dem regionalplanerischen Ziel die „Kur- und Wellnessanlage Kloster Bentlage in Rheine“ explizit benannt.

 

In diesem Kontext wird grundsätzlich eine Hotelnutzung von der Bezirksregierung Münster für zulässig erachtet.

 

 

 Abb. 1:   Darstellung eines ASB mit Zweckbestimmung G  (Auszug aus „Regionalplan Münsterland“, 6/2014)

 

Allerdings muss diese Hotelnutzung nicht nur den Kur- und Wellnessansprüchen genügen, sondern sich auch in den überregional bedeutsamen Kulturlandschaftsraum einfügen. Ein reines Tagungs- und Veranstaltungshotel beispielsweise würde voraussichtlich den übergeordneten Vorgaben dabei nicht gerecht.

 

Der Flächennutzungsplan der Stadt Rheine schließt sich den Zielvorgaben des Regionalplans an und stellt das zur Disposition stehende Areal als „Sonderbaufläche“ (S) mit der Zweckbestimmung „Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen“ (G/F) dar.

 

 

 Abb. 2:   Darstellung einer Sonderbaufläche (S – G/F)  (Auszug aus dem Flächennutzungsplan, 7/2004)

 

Die Errichtung eines landschaftsangepassten Kur- und Wellness-Hotels würde zweifelfrei den Vorgaben des gesamtstädtischen, vorbereitenden Bauleitplanes entsprechen. Die Nutzung der Solequelle für heilwirkende bzw. therapeutische Zwecke wäre zu empfehlen.

 

Neben einer Hotelnutzung sind auch andere Nutzungen die den Vorgaben des Flächennutzungsplanes entsprechen denkbar.

 

Unmittelbar östlich angrenzend wurde mit dem Bebauungsplan Nr. 300, Kennwort „Salinenpark“ bereits am 01.09.2003 Orts- bzw. Baurecht geschaffen.

 

 

 Abb. 3:   Auszug aus dem angrenzendem Bebauungsplan Nr. 300 „Salinenpark“ mit den Sondergebieten

 

Hier sind neben „Grünflächen – Parkanlagen“ auch „Sondergebiete“ mit den Zweckbestimmungen „Hotel“ und „Gesundheit“ festgesetzt worden; das damals angedachte Hotel sogar unmittelbar angrenzend zum Salzsiede- und Josef-Winckler-Haus, mitten im Salinenpark. Im Zuge der „Regionale 2004“ ergaben sich allerdings andere Nutzungsprioritäten, so dass von den Sondergebietsfestsetzungen bis heute kein Gebrauch gemacht bzw. konzeptionell auf die andere Straßenseite ausgewichen wurde (s.u.: Strukturkonzept 2006).

 

Anmerkung: Vom Satzungsbeschluss im Jahr 2003 wurde das „Gertrudenstift“ ausgenommen, weil damals die geplante Nutzung als 4-geschossiges „Tagungs- und Konferenzzentrum“ (!) noch nicht abschließend geklärt war. Erst am 20.03.2005 wurde das „neue“ Gertrudenstift als Exerzitien- und Bildungshaus des Bistums Münster eingeweiht. Zur Ausstattung gehören 40 Einzel- und 10 Doppelzimmer sowie 4 behindertengerechte Zimmer.

 

 

2.         Planungsprozess im Rahmen der „Regionale 2004“

 

Der gesamte Landschafts- und Kulturraum um das Kloster Bentlage in seinem jetzigen Erscheinungsbild ist das Ergebnis eines sehr intensiven und fachlich hoch qualifizierten Wettbewerbs- und Entscheidungsprozesses im Rahmen der „Regionale 2004“ (bzw. der ursprünglich geplanten Landesgartenschau/-ausstellung).

 

Nachdem bereits im Jahr 1997 ein moderierter Prozess zur „Intelligenten Erschließung“ des Klosters durchgeführt wurde, sind mit dem Workshop-Papier „Projekte für Bentlage“ (Bentlager Akteure; 05.03.2000) Potenziale einer behutsamen Weiterentwicklung des Raumes beschrieben worden. In dem „Memorandum für Bentlage“ (Expertise einer Gruppe von 7 Fachleuten + Politikern; 01.06 1999) wird eine nachhaltige, langzeitorientierte Weiterentwicklung „mit äußerster Vorsicht, ohne Eile, ohne falsche Ambitionen“ angeraten. In dem damaligen Planungsprozess wurde die Entwicklung eines Solbades empfohlen, das durch einen Hotelkomplex (mit Seminarbetrieb für Weiterbildung) ergänzt werden sollte. Für richtig wurde der Standort auf der ehemaligen Hofstelle Stockmann „am Eingang des Gesamtareals“ erachtet.

 

Am 09.12.2000 kam es zu einer gemeinsamen „Bentlager Erklärung“ aller dort aktiven Vereine, Gruppen und Anwohner sowie der Stadt Rheine (Anlage 3). In dieser wird ein neues Hotel „in funktionaler Ergänzung zum Kloster Bentlage“ befürwortet, wünschenswert mit „Integration einer Badeeinrichtung mit Nutzung der Sole“. Gleichermaßen wird der Standort „direkt am oder in nächster Nähe zum Zentralparkplatz“ (ehem. Hof Stockmann) präferiert.

 

 

Im Jahr 2002 wurde von der Stadt Rheine – auch im Rahmen der „Regionale 2004“ - ein landschaftsarchitektonischer Realisierungswettbewerb „Salinenpark“ durchgeführt.

 

 

Abb. 4:   Wettbewerb „Salinenpark“; 1. Preisträger: I. Lohaus + P. Carl, Hannover (Auslober: Stadt Rheine, 2002)

 

Die damaligen Preisträger orientierten sich nicht exakt an den per Auslobung vorgegebenen Baufenstern bzw. Bauformen der Sondergebietsnutzungen „Hotel mit Solbad“ sowie „Kompetenzzentrum Gesundheit“ (gepl. Klinik für Traditionelle Chinesische Medizin). Das Preisgericht urteilte, dass „die konzipierten Gebäudeformen in Verbindung mit dem Solebad und dem Restaurant „Gottesgabe“ schlüssig und weiter verfolgenswert scheinen“. Auch hier ist der Hotelstandort mitten im Salinenpark, westlich neben dem Salzsiedehaus verortet.

 

 

Im Nachgang zur „Regionale 2004“ ist dem Stadtentwicklungsausschuss im Jahr 2006 ein Strukturkonzept des Büros ASS, Düsseldorf vorgestellt worden.

 

 

Abb. 5:   Strukturkonzept II des Büros ASS, Düsseldorf (Hamerla u.a.);  StewA am 29.11.2006

 

Auf dieser Grundlage sollte die EWG - unter dem Titel „Zentrum Vital Solbad Gottesgabe“ – die weitere Investorensuche betreiben. Auch hier wurde wiederum eine Hotelnutzung thematisiert, die nunmehr westlich der Salinenstraße positioniert ist.

 

 

3.         Künftiger Diskussionsprozess

 

Die bisherigen Diskussions- bzw. Planungsprozesse verdeutlichen, dass die Beschäftigung mit einem bzw. die Bewerbung als Hotelstandort nicht neu, sondern Resultat wohlüberlegter, stadtplanerischer, bürgerschaftlicher und letztlich politischer Entscheidungen ist.

 

Da ein rechtskräftiger Bebauungsplan für den betroffenen, nach wie vor für eine Bebauung vorgesehenen Bereich nicht vorhanden ist, wird zur Schaffung von Planungs- bzw. Baurecht künftig wiederum die Aufstellung eines verbindlichen Bauleitplanes erforderlich.

 

Im Vorfeld eines formalen Verfahrens muss allerdings die Verträglichkeit einer potenziellen Nutzung bzw. eines geplanten Objektes innerhalb des sensiblen Landschaftsraumes geprüft und beurteilt werden. Dies in einem Diskussionsprozess, der dem „Genius Loci“, also dem „Geist des Ortes“ angemessen Rechnung trägt.

 

Anzustreben sind dabei verträgliche Lösungen insbesondere hinsichtlich der konkreten Nutzung, der Bauweise und Kubatur, der Gebäudestellung bzw. -ausrichtung, der Bauhöhe und Geschossigkeit, dem Versiegelungsgrad bzw. der maximalen Überbauungsmöglichkeiten sowie der Stellplatzanzahl und -anordnung. Ebenfalls in den Blick zu nehmen ist das zu schützende Orts- und Landschaftsbild sowie eine behutsame architektonische Einbindung in die kulturhistorisch charakteristischen Siedlungs- und Freiraumstrukturen.

 

 

Abb. 6:   Planungsareal (markierte Grundstücke) mit Umfeld: Salinenpark, Naturzoo, Kloster, Ems  (Luftbild 2014)

 

Auch die verkehrliche Erschließung einer Nutzung und damit der Schutz der gesetzlich geschützten Allee entlang der Salinenstraße muss intensiv thematisiert werden.

 

In einem folgenden, verwaltungsseitig initiierten Diskussionsprozess geht es vor allem um den Schutz eines der wertvollsten Landschaftsräume in Rheine und Umgebung sowie um die Bewahrung der ruhigen, abgeschiedenen und kontemplativen Erholung, aber auch um die moderate und vertretbare Weiterentwicklung insbesondere in Richtung Gesundheit, Freizeit und Tourismus.

 

Die Verwaltung schlägt also vor, eine städtebauliche Studie zu erstellen, welche potenziellen Käufern/Investoren dazu dienen kann, deren Planungen vorzubereiten. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Nutzungsspektrum des Regionalplanes bzw. Flächennutzungsplanes Konsens ist, jedoch Vorgaben hinsichtlich der Nutzungsintensität gemacht werden müssen. Der Prozess soll unter Einbindung der Öffentlichkeit geschehen.

 

Da ein solcher Prozess sehr aufwändig ist und derzeit andere Projekte bereits angelaufen sind und weitergeführt werden müssen, wird dieser durch die Stadtplanung frühestens 2021 durchgeführt werden können. Eine Dringlichkeit besteht dabei nicht, da die ehemalige Hofstelle verpachtet ist. Die Verwaltung wird dann einen detaillierten Vorschlag zum Prozess insbesondere der Einbeziehung der Öffentlichkeit machen.

 

 

 

 

Anlagen:

 

Anlage 1:        Übersichtsplan mit Geltungsbereich

Anlage 2:        Antrag der FDP-Fraktion

Anlage 3:        Bentlager Erklärung vom 9.12.2000