Beschlussvorschlag/Empfehlung:
1)
Der Rat
der Stadt Rheine bestätigt, dass ein „weltweiter Klimanotstand“ vorliegt und
erkennt ausdrücklich die Auswirkungen des vom Menschen verursachten
Klimawandels und die daraus resultierende Notwendigkeit des Handelns an.
2)
Der Rat
der Stadt Rheine bekräftigt die Vorbildfunktion, die die Stadt Rheine als
Masterplan 100% Klimaschutz – Kommune hat.
3)
Der Rat
der Stadt Rheine beauftragt die Verwaltung mit der Fortschreibung und
Evaluierung des Masterplan 100% Klimaschutz.
4)
Der Rat
der Stadt Rheine erklärt, dass er ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei
relevanten Entscheidungen noch intensiver berücksichtigen wird und
grundsätzlich solche Lösungen bevorzugen wird, die sich positiv auf den
Klimaschutz auswirken.
5)
Der Rat
der Stadt Rheine stimmt der, von der Verwaltung benannten Verfahrensweise zu
und beauftragt die Verwaltung mit deren Umsetzung.
6)
Der Rat
der Stadt Rheine fordert die kommunalen Tochterunternehmen auf, sich selbst
ambitionierte Klimaschutzziele zu setzen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen
und dem Rat dazu Bericht zu erstatten
Begründung:
Nach Informationen
des Städte- und Gemeindebundes NRW liegen nach deren Kenntnis in NRW aktuell in
119 Städten und Gemeinden Beschlüsse zur Ausrufung des Klimanotstandes vor.
Mit den in der
Anlage beigefügten Anträgen liegen jetzt auch zwei Anträge in Rheine vor, über
die der Rat zu befinden hat. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern hat in
Anlehnung an die „Fridays-for-future-Bewegung“ eine Anregung gemäß § 24
Gemeindeordnung NRW vorgebracht, mit der der Rat der Stadt Rheine aufgefordert
wird, den „Klimanotstand“ auszurufen.
Ferner liegt auch
ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, in dem u.a. die Feststellung
des Klimanotstandes durch den Rat beantragt wird.
Die Verwaltung
teilt die Auffassung der Geschäftsstelle des Städte- und Gemeindebundes NRW,
die mit Schnellbrief vom 19. Juni 2019 dargestellt wurde. Dort heißt es:
„Mit der Ausrufung des sog. Klimanotstandes
darf aus Sicht der Geschäftsstelle jedoch nicht
der Eindruck erweckt werden, dass Klimaschutz
auf kommunaler Ebene eine neue Aufgabe
und gleichzeitig wirkungslos ist. Das
Gegenteil ist richtig, die Kommunen haben eine wichtige
Rolle bei der Umsetzung von Maßnahmen zum
Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung.“
Resolutionen zur
Ausrufung des Klimanotstandes sind auch nach Auffassung des StGB NRW
grundsätzlich
zulässig.
Der Begriff
„Notstand“ ist aber aus verschiedenen Gründen nicht völlig unkritisch, weil mit
diesem Begriff in der Regel die im Grundgesetz an verschiedenen Stellen
geregelten Notstände gemeint sind. Auch gibt es nach herrschender Meinung
keinen weitergehenden überverfassungsrechtlichen Notstand. Insofern ist
klarzustellen, dass die Verwendung eines solchen Begriffs keine juristischen
Konsequenzen hat, sondern nur eine symbolische Wirkung entfalten kann. Zudem
ist der Klimanotstand ein „globaler Notstand“, da der Klimawandel bekanntlich
an Ländergrenzen oder an den Grenzen kommunaler Gebietskörperschaften keinen
Halt macht. Gleichwohl kann ein so verstandener Begriff eines „weltweiten
Klimanotstandes“ die Dringlichkeit für ein verstärktes Handeln im Bereich des
Klimaschutzes verdeutlichen.
Insgesamt ist es
wichtig, (weitere) konkrete Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die nicht zu
einem unverhältnismäßigen bürokratischen
Aufwand führen, sondern die helfen, konkrete Verbesserungen zu erreichen.
Der Klimaschutz ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Laut aktuellen Umfragen wünscht sich eine große Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen mehr Klimaschutz und ein höheres Tempo bei der Energiewende. Junge Menschen gehen seit Monaten für ihre Überzeugung und Zukunft auf die Straße und werden hierbei von zehntausenden Wissenschaftlern unterstützt.
Entwicklung
Kommunaler Klimaschutz
Die Stadt Rheine hat die Bedeutung des Klimaschutzes früh erkannt und engagiert sich seit Mitte der 1990er Jahre für eine nachhaltige Welt. Mit dem Beitritt zum „Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder e.V.“ im Jahr 1995 setzte sich die Stadt Rheine erste langfristige Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen und Energie.
Nach der Gründung der Leitstelle Klimaschutz im Jahr 2008 konnten zahlreiche Meilensteine erreicht werden. Die wichtigsten Punkte:
2008 Wettbewerb „Klimakommune NRW“ – Finalrunde
2009 Einstellung des ersten bundesweit geförderten Klimaschutzmanagers
2009 Erstellung eines Integrierten Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepts (IKKK)
2009 Erstzertifizierung mit dem European Energy Award
2012 Förderung mit dem Masterplan 100% Klimaschutz; 1 von 18 Kommunen bundesweit
2012 Gründung eines Klimaschutzbeirates
2013 Rheine wird als Forschungsstandort für die „KomRev“-Studie ausgewählt
2013 Einstimmiger Ratsbeschluss zu den Zielen des Masterplan 100% Klimaschutz
2016 Integration der Leitstelle Klimaschutz in den Fachbereich Planen und Bauen
2017 Förderung mit dem Anschlussvorhaben Masterplanmanagement
2019 Verstetigung des Klimaschutzmanagers
Entwicklung Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch
Im Sinne einer
generationsübergreifenden Klimapolitik enthält der Masterplan 100% Klimaschutz
eine Zielsetzung für das Jahr 2050. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen die
Treibhausemissionen um 95% und der Endenergieverbrauch um 50% gegenüber 1990
gesenkt werden. Die Entwicklung dieser Zielparameter wird anhand der, vom Land
Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten, Onlinesoftware ECOSPEED Region
vorgenommen. Die Bilanzierung wird alle zwei Jahre fortgeschrieben. Für den
Zeitraum 1990 bis 2017 ergibt sich eine Reduktion der Treibhausgase um gesamt
38,5% und eine Reduktion des Energieverbrauchs um 22,7%. Einen großen Anteil an
dieser Entwicklung haben der strukturelle Wandel im Wirtschaftssektor,
technische Weiterentwicklungen sowie gesetzlichen Vorgaben zur Energieeffizienz
von Gebäuden und Geräten. Die Stadt Rheine hält entsprechend die
Treibhausgas-Ziele des Kyoto-Protokolls
für 2020 ein, verfehlt aber die nationale Zielvorgabe von 40% Reduktion.
Die Entwicklung
seit 2010 zeigt eine deutliche Abschwächung der Reduktion von Treibhausgasen
und des Energieverbrauchs. So gingen die Treibhausgasemissionen in dem Zeitraum
um lediglich 11% und der Energieverbrauch um 4,9% zurück. Insbesondere im
Verkehrssektor (+9%) und im Wirtschaftssektor (+25%) steigen die Emissionen und
Verbräuche wieder an.
Zu begründen ist
dieser Trend u.a. mit einem wirtschaftlichem Aufschwung und dem damit
verbundenen Verkehren. Auf langfristige Sicht führt diese gegenläufige
Entwicklung zu einem Verfehlen der Klimaschutzziele und bedarf einer gezielten
Gegensteuerung.
Die Stadt Rheine
steht hier vor einer großen Herausforderung. Ohne ein konkretes Handeln, z.B. Förderung Radverkehr und ÖPNV,
Energetische Anreizsysteme und höhere Neubaustandards, Ausbau erneuerbarer
Energien werden die Ziele nicht erreicht.
Sektorenspezifische Maßnahmen
Die Stadt Rheine
hat u.a. in dem IEHK „Rheine 2025“, dem Masterplan 100% Klimaschutz und dem
Integrierten Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzept (IKKK) Ziele definiert,
welche in einzelnen sektorspezifischen Maßnahmen oder Maßnahmenpaketen
umgesetzt werden. So konnten über die letzten 10 Jahre eine Vielzahl von
Projekten, mit teils erheblicher finanzieller Förderung des Landes und Bundes,
umgesetzt werden. Aktuell sind hier beispielhaft die Projekte KONRAD
(Fahrradmobilität) und OptEEL (Gebäudeeffizienz) zu benennen. Auch nutzt die
Stadt Rheine in allen ihren Liegenschaften Strom aus 100% erneuerbaren
Energien.
Zur Erreichung der
Klimaschutzziele wurden zudem politische Beschlüsse, wie z.B. zum
Gebäudestandard in der Eschendorfer Aue, gefasst.
Insgesamt wurden
seit 2008 in den Sektoren Mobilität, Gebäude, Erneuerbare Energien,
Lebensstile, Netzwerke sowie Wirtschaft und Gewerbe über 70 Einzelprojekte und
Kampagnen durchgeführt.
Verfahrensvorschlag:
Zur Erreichung der
Klimaschutzziele des Masterplan 100% Klimaschutz und zur Sicherung einer
lebens- und liebenswerten Stadt sind alle kommunalen Akteure gefordert. Neben
der Verwaltung, den kommunalen Gesellschaften sind dies auch die
Entscheidungsträger in politischen Gremien. Folgende Verfahrensweisen sollen zu
einem effektiveren Klimaschutz beitragen:
-
Die
Stadtverwaltung wird in allen stadteigenen Projekten der Bereiche Hochbau,
Gebäudeunterhaltung, Bauleitplanung, Quartiersentwicklung sowie Verkehrsplanung
und ÖPNV eine frühzeitige Einbindung des Klimaschutzes vornehmen. Politische
Vorlagen in diesen Bereichen werden,
durch das Produkt Umwelt und Klimaschutz, auf die Auswirkungen hinsichtlich der
Klimaschutzziele der Stadt Rheine geprüft und gegebenenfalls ergänzt.
Organisatorisch wird geprüft, wie ein entsprechender Verfahrensschritt in die
bisherigen Verwaltungsabläufe integriert werden kann.
-
Der
Bürgermeister der Stadt Rheine berichtet dem Rat der Stadt jährlich über die
Entwicklungen im Klimaschutz und zeigt Ergebnisse und Schwierigkeiten auf.
-
Die
Stadtverwaltung führt eine Evaluation und Fortschreibung des Masterplan 100%
Klimaschutz durch. Dieser soll um den Bereich Klimafolgenanpassung ergänzt
werden und konkrete sektorenspezifische Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele
beinhalten.
Finanzielle Auswirkungen
Die finanziellen
Auswirkungen auf den städtischen Haushalt sind zu diesem Zeitpunkt kaum
abzuschätzen. Diese sind im Einzelfall zu ermitteln und eventuelle Mehrkosten
dem Einsparungseffekt gegenüber zustellen. Insbesondere im Hochbau und in der
Gebäudewirtschaft sind nicht nur die Investitionskosten anzusetzen, sondern
eine Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus inkl. Kostensteigerung
vorzunehmen.
Für die Vergabe der
‚Evaluation und Fortschreibung des Masterplan 100% Klimaschutz‘ sollen im
Haushaltsplan 2020 insgesamt 5.000 € für einzelne externe Leistungen
eingestellt werden.
Anlagen:
Anlage 1 - Antrag Bündnis 90 - Die Grünen vom 29. Mai 2019
Anlage 2 - Schülerantrag Klimanotstand