Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz stimmt dem vorgestellten Konzept der Technischen Betriebe Rheine AöR zur „Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners (EPS)“ in 2020 und dessen Umsetzung zu.
Begründung:
Ausgangslage
Seit 2013 ist ein erkennbares Auftreten des Eichenprozessionsspinners (EPS) im Rheiner Stadtgebiet festzustellen. Aufgrund der von den Raupen des Eichenprozessionsspinners bzw. deren „Brennhaaren“ ausgehenden Gesundheits- und Allergiegefahren für den Menschen, werden seit dem Jahr 2013 von den TBR und beauftragten Fremdfirmen EPS-Beseitigungsmaßnahmen an besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen, an stärker frequentierten Verkehrs- und Aufenthaltsflächen, Grünanlagen sowie Spiel- und Sportplätzen ausgeführt.
Bisher wurden von den Technischen Betrieben und
beauftragten Fremdfirmen ausschließlich physische Beseitigungsmaßnahmen von
Raupen und Raupennestern, weitestgehend durch Absaugen mit dafür geeigneten
Industriestaubsaugern und unter Einsatz der erforderlichen Schutzausrüstung,
ausgeführt. Die Beseitigungsmaßnahmen erfolgten aufgrund gezielter Kontrollen
von relevanten Eichenbeständen der Stadt Rheine durch Baumkontrolleure der TBR
oder durch Auswertung und Abarbeitung eingegangener Meldungen.
Die Population der Eichenprozessionsspinner hat sich in Rheine seit 2013 kontinuierlich und exponentiell gesteigert. Im Frühjahr und Sommer 2019 war das dritte Jahr in Folge eine Massenvermehrung des EPS im gesamten Stadtgebiet, bei weiterhin starkem Anstieg, festzustellen. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass ca. 70-80 % der im bebauten Stadtgebiet stehenden Eichen von EPS befallen sind.
Im zurückliegenden Sommer wurden erstmals auch von vielen Bürgern gesundheitliche Beeinträchtigungen wie starker Hautausschlag, Juckreiz und Atemwegsreizungen gemeldet. Viele Anwohner betroffener Eichenbestände beklagten, dass sie ihre Gärten nicht mehr nutzen könnten oder ihre Kinder nicht mehr in der Nähe von Eichen spielen lassen könnten. Viele Spielplätze und einige Grünanlagen mussten über mehrere Wochen abgesperrt werden, da die Beseitigungsmaßnahmen aufgrund des massiven und flächendeckenden Befalls sehr zeitaufwändig waren und aufgrund der in 2019 festzustellenden unterschiedlichen Schlupfzeiten der Raupen an vielen Stellen auch mehrfach wiederholt werden mussten.
In 2019 wurden von den 3 Teams der TBR, die für das Absaugen eingesetzt wurden, sowie den beauftragten Fremdfirmen (zeitweise waren 3 Fremdfirmen mit jeweils einem Team im Einsatz) etwa 2.500 Eichen bearbeitet und dabei ca. 15.000 Raupennester entfernt. Die Beseitigungsmaßnahmen dauerten von Ende Mai bis Ende August 2019. Die Gesamtkosten der EPS-Bekämpfungsmaßnahmen der TBR beliefen sich in 2019 auf etwa 230.000 Euro. Aufgrund der in den letzten Jahren festzustellenden Populationsentwicklung des EPS, ist in den kommenden Jahren von einem weiteren Anstieg des Befalls sowie der Populationsdichte und weiter steigenden Bekämpfungskosten auszugehen.
Im November 2019 wurden im Rahmen einer Arbeitskreissitzung beim Kreis Steinfurt, an der auch Vertreter der Ordnungsämter oder der Baubetriebshöfe der kreisangehörigen Kommunen sowie der Unteren Naturschutzbehörde und der Stadt Münster teilnahmen, die Möglichkeiten und Maßnahmen zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners und die Erfahrungen aus den einzelnen Kommunen sowie der Stadt Münster erörtert. Die Stadt Münster sowie ein großer Privatwaldbesitzer aus dem Kreis Steinfurt konnten dabei über erste Erfahrungen mit dem Einsatz eines zugelassenen Biozides (Bacillus thuringiensis „Bt“-Präparat) berichten. Die Stadt Münster hat im Mai 2019 erstmalig die Baumkronen von ca. 1.000 Eichen im Stadtgebiet mit diesem Bakterien-Präparat besprühen lassen und dabei einen guten Wirkungsgrad festgestellt. Die Stadt Münster plant nun für 2020 den Biozideinsatz gegen EPS im Stadtgebiet deutlich auszuweiten.
Die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Steinfurt betrachtet in einer aktuellen Stellungnahme den Einsatz von zugelassenen Bioziden gegen den Eichenprozessionsspinner als „letztes Mittel“ und nur aus Gründen des Gesundheitsschutzes als vertretbar, wenn sich der Einsatz auf tatsächlich gefährdete Siedlungsbereiche beschränkt, in denen mit einem starken Befall der Eichen zu rechnen ist und die insbesondere von sensiblen Nutzergruppen stark frequentiert werden. Eine großflächige Anwendung von Bioziden zur Bekämpfung des EPS ist aus Sicht der Naturschutzbehörde nicht vertretbar. Zudem sollten nur selektiv wirkende und für den Einsatzzweck zugelassene „Bt-Präparate“ im geeigneten Zeitraum, und jeweils nur einmalig zur Anwendung kommen.
Maßnahmenkonzept
der TBR für 2020
Folgende Maßnahmen sind für die von den TBR zu koordinierenden und umzusetzenden EPS-Bekämpfungs – und Beseitigungsmaßnahmen in 2020 vorgesehen:
1. Information der
Bevölkerung
Vorgesehene Maßnahmen zur rechtzeitigen Information oder Warnung der Bevölkerung über Gesundheitsgefahren, vorgesehene Bekämpfungsmaßnahmen, aktuelle Befallsituation und Möglichkeiten zur Meldung von betroffenen Bäumen oder Gefahrenstellen im Stadtgebiet:
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allgemeine Presseinformation der
Stadt Rheine und TBR, abgestimmt mit der
entsprechenden Presseinformation des Kreises Steinfurt - Veröffentlichung ca. Mitte April 2020
-
Bereitstellung der Informationen zur
EPS-Problematik und der vorgesehenen Bekämpfungsmaßnahmen auf der Homepage der
Stadt Rheine und der Technischen Betriebe Rheine AöR, zeitgleich mit
Veröffentlichung der Presseinformation
-
Beteiligung am 2019 bereits eingeführten
online-Meldeverfahren des Kreises Steinfurt über das Meldungen von Bürgern an
die TBR abgegeben werden können, und das eine interaktive Fundortkarte zur
Verfügung stellt
-
Aufstellen/Aufhängen von
Hinweis-/Warnschildern an gefährdeten öffentlichen Anlagen oder Flächen
-
Information bei gezielten Anfragen
von Bürgern durch zuständigen Mitarbeiter des Fachbereiches Grün der TBR
2. Sperrung gefährdeter
Bereiche
Vorgesehene Maßnahmen der TBR zur frühzeitigen Überprüfung von Eichenbeständen an besonders sensiblen öffentlichen Einrichtungen und Flächen und ggf. auch zur befristeten Sperrung akut gefährdeter Bereiche:
-
frühzeitige Kontrolle von
Eichenbeständen an sensiblen Einrichtungen und Flächen (insb. Schulhöfe,
Kinderspielplätze, Aufenthaltsbereiche oder Veranstaltungsorte) durch
Baumkontrolleure der TBR, ab Ende April/Anfang Mai
-
Sperrung von besonders gefährdeten
öffentlichen Bereichen bis zur Umsetzung der Beseitigungsmaßnahmen, sofern
zwingend erforderlich (z. B. Kinderspielplätze)
-
soll das Betretungsrecht nicht in
starkem Maße durch eine zeitweise oder langfristige Sperrung eingeschränkt
werden, wird das Betreten auf eigene Gefahr mit den entsprechenden Hinweisen
auf die Gefährdung ermöglicht (z. B. in Parks, Grünanlagen und Naherholungsbereichen)
3. Bekämpfungs- und
Beseitigungsmaßnahmen
Von den Technischen Betrieben sind folgende Maßnahmen zur Bekämpfung und Beseitigung von Raupen des Eichenprozessionsspinners im Frühjahr und Sommer 2020 vorgesehen:
-
konkrete Planung und Ausschreibung
(bei Fremdleistungen) der EPS-Bekämpfungs- und Beseitigungsmaßnahmen für 2020
ab November 2019 durch den Fachbereich Grün der TBR
-
Koordinierung der Bekämpfungs- und
Beseitigungsmaßnahmen erfolgt durch zuständigen Mitarbeiter des Fachbereiches
Grün der TBR
-
gezielte Kontrollen der relevanten
Eichenbestände der Stadt Rheine in den bebauten Bereichen des Stadtgebietes
durch Baumkontrolleure der TBR ab Mitte April/Anfang Mai
-
Entgegennahme von Meldungen Dritter
und Auflistung der eingehenden Meldungen durch zuständigen Mitarbeiter des
Fachbereiches Grün der TBR
-
Bekämpfungs- und
Beseitigungsmaßnahmen der TBR erfolgen nur an Eichen auf Flächen der Stadt
Rheine und nur in den bebauten Bereichen des Stadtgebietes und den öffentlichen
Park- und Grünanlagen
-
in der freien Landschaft werden in
der Regel keine Bekämpfungs- oder Beseitigungsmaßnahmen umgesetzt (in besonders
begründeten Ausnahmefällen sollen jedoch auch an stark frequentierten Rad- oder
Wanderwegen und Erholungsgebieten außerhalb der Bebauung vereinzelt Beseitigungsmaßnahmen
umgesetzt werden)
Bekämpfungs- und
Beseitigungsmaßnahmen auf privaten Flächen sind von den jeweiligen Eigentümern
auf eigene Kosten zu veranlassen oder auszuführen, sofern dies erforderlich
ist.
Biozideinsatz
Für 2020 ist von den TBR erstmals die Bekämpfung von EPS-Raupen durch das Besprühen der Baumkronen von Eichen in besonders gefährdeten und für den Einsatz geeigneten Bereichen mit einem zugelassenen Bacillus thuringiensis-Präparat („Foray ES“) vorgesehen. Das Bakterien-Präparat hat eine geringe Wirkungsdauer von etwa 2-3 Tagen und wirkt als Fraßgift selektiv auf freifressende Schmetterlingsraupen. Grundsätzlich können dabei auch blattfressende Raupen anderer Insektenarten die innerhalb der eng begrenzten Wirkungsdauer an den behandelten Eichen auftreten, durch das Mittel abgetötet werden. Das Mittel ist nicht bienengefährlich, darf aber nicht in der Nähe von Gewässern ausgebracht werden.
Die Ausbringung des Biozides erfolgt durch qualifizierte Fremdfirmen mit Einsatz von Sprühgerät aus einer Hubarbeitsbühne oder alternativ, bei Eichen mit geringerer Höhe/geringerem Kronenvolumen und außerhalb vorhandener Bebauung, durch Einsatz eines fahrzeuggeführten Hochdruckturbinen-Sprühgerätes („Sprühkanone“) an ausgewählten Baumreihen und Einzelbäumen.
Geplant ist der Biozideinsatz an Eichen, die in den letzten Jahren regelmäßig starken EPS-Befall aufwiesen und die sich insbesondere im Bereich von Schulhöfen und Spielplätzen oder unmittelbar angrenzend an besonders gefährdete/beeinträchtigte Wohnbebauung befinden, die in den vergangenen Jahren erheblich durch Auswirkungen des EPS-Befalls betroffen waren.
Der Biozideinsatz ist nach Beurteilung der relevanten Eichenbestände der Stadt Rheine durch den Fachbereich Grün der TBR aktuell vorgesehen an etwa 500 Eichen durch Ausbringung des Biozides mit Hubarbeitsbühne und an ca. 740 weiteren Eichen mit Ausbringung mittels fahrzeuggeführter Sprühkanone. Die vorgesehenen Standorte, mit Anzahl der jeweils zu behandelnden Eichen, sind der als Anhang beigefügten Liste zu entnehmen.
Die Kosten für den Biozideinsatz werden auf ca. 50.000 Euro geschätzt (die Kosten für ein Absaugen wären im Durchschnitt etwa doppelt so hoch anzusetzen).
Die Biozidbehandlung ist nur einem engen Zeitfenster von etwa 2-3 Wochen, im Zeitraum der Larvenphasen 1 und 2 der EPS-Raupen, nach ausreichendem Blattaustrieb der Eichen und bei geeigneter Witterung möglich, dies wird voraussichtlich – je nach Witterungsverlauf – Ende April bis Mitte Mai der Fall sein. Die von den TBR vorgesehene Anzahl von Eichen kann innerhalb einer Woche behandelt werden.
Über den Biozideinsatz sind die Öffentlichkeit und insbesondere direkte Anwohner, rechtzeitig zu informieren. Die zu bearbeitenden Bereiche sind während der Ausbringung und anschließend für einen Zeitraum von 8 Stunden soweit als möglich für ein Betreten abzusperren.
Beseitigung
von Raupen und Raupennestern durch Absaugen
Die Beseitigungsmaßnahmen durch Absaugen von größeren Raupenansammlungen und Gespinstnestern der EPS-Raupen sind ab dem 3. Larvenstadium bis zur Verpuppung der Raupen auszuführen. Mit den Beseitigungsmaßnahmen ist - je nach Witterungsverlauf und Entwicklung der Raupen – ab Mitte/Ende Mai zu beginnen.
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Kontrolle der relevanten
Eichenbestände auf Befall erfolgt durch Baumkontrolleure der TBR, ab Anfang
Mai, zunächst schwerpunktmäßig an besonders gefährdeten Einrichtungen und
öffentlichen Flächen (Schulen, Umfeld von Kindertagesstätten und Spielplätze)
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Auflistung der festgestellten Eichen
mit Befall und der bei den TBR oder der Stadt Rheine eingehenden Meldungen
Dritter und Koordinierung der Beseitigungsmaßnahmen nach Dringlichkeit erfolgt
durch zuständigen Mitarbeiter des Fachbereiches Grün der TBR
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Beseitigungsmaßnahmen durch Absaugen
sollen von 2-3 Teams der TBR sowie – je
nach Bedarf und Verfügbarkeit - von 1-3 Fremdfirmen umgesetzt werden. Mit den
Beseitigungsmaßnahmen wird voraussichtlich ab Mitte/Ende Mai zu beginnen sein
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für die Beseitigungsmaßnahmen werden
von den TBR die bereits in 2019 beschafften Sauggeräte und besondere
Schutzausrüstung der Mitarbeiter eingesetzt. Die eingesetzten Mitarbeiter
werden aus dem Bereich der Grünflächenunterhaltung und zum Teil auch der
Straßenunterhaltung herangezogen. Die Beseitigungsmaßnahmen werden mit Einsatz von
Hubarbeitsbühnen ausgeführt, die dazu angemietet werden
Die Hubarbeitsbühne der
Baumpflegeabteilung der TBR sowie die beiden Baumpfleger der TBR sollen für die
Beseitigungsmaßnahmen nicht eingesetzt werden, da sie für die „normalen“, verkehrssicherheitsrelevanten
Baumpflegearbeiten durchgehend dringend benötigt werden.
Bei Umsetzung des geplanten Biozideinsatzes an einem erheblichen Teil des relevanten Eichenbestandes, kann davon ausgegangen werden, dass der Aufwand der Beseitigungsmaßnahmen durch Absaugen und die damit verbundene Aus- und Belastung der Mitarbeiter der TBR sowie die Kosten für Beseitigungsmaßnahmen deutlich reduziert werden können. Dennoch werden auch an den mit Biozid behandelten Eichen teilweise noch Beseitigungsmaßnahmen durch Absaugen erforderlich sein, da die Effektivität der Biozidbehandlung – auch bei günstigen Bedingungen – im Schnitt mit etwa 70-80 % anzunehmen ist.
Es ist davon auszugehen, dass sich der Zeit- und Personalaufwand durch Beseitigungsmaßnahmen durch Absaugen infolge des Biozideinsatzes deutlich reduzieren lassen wird. Die erforderlichen Beseitigungsmaßnahmen können somit voraussichtlich wesentlich früher abgeschlossen werden. Auch die Gefährdungen und Belastungen von Anwohnern und Passanten in den betroffenen Bereichen mit befallenen Eichenbeständen lassen sich dadurch deutlich schneller als bisher beseitigen.
Alternative
Bekämpfungs- oder Beseitigungsmaßnahmen
Andere, in letzter Zeit teilweise propagierte, alternative Bekämpfungs- oder Beseitigungsmaßnahmen, mit Einsatz von Heißwassergeräten oder mechanischen Raupenfallen, sind aus Sicht der TBR nicht sinnvoll oder wesentlich zeit- und kostenaufwändiger als das bisher eingesetzte Absaugverfahren und werden daher nicht in Erwägung gezogen.
4. Präventivmaßnahmen
Die Förderung von natürlichen Fressfeinden der EPS-Raupen und –Falter kann zu einer Minderung des Befalls beitragen. Die TBR werden daher auch verstärkt Nistkästen für Höhlenbrüter beschaffen und an geeigneten Stellen im Bereich von Eichenbeständen auf öffentlichen Grünanlagen, an Straße und öffentlichen Einrichtungen aufhängen. Die TBR werden dazu kurzfristig zunächst etwa 350 Nistkästen beschaffen.
Es ist vorgesehen, einen Teil der beschafften Nistkästen kostenlos an interessierte Bürger oder Vereine abzugeben, die die Nistkästen auf eigenen Grundstücken oder angrenzenden Grünflächen aufhängen und sich dann auch weiterhin um die regelmäßige Säuberung und Pflege der Kästen kümmern werden. Eine Anleitung für das richtige Aufhängen und die notwendige Pflege der Bruthöhlen soll mit ausgehändigt werden.
Anlagen:
Anlage 1 - Planung Bekämpfung Eichprozessionsspinner durch Biozid-Einsatz-Straßenliste-2020