Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

1.     Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen zum Projekt „Prävention von Wohnungsnotfällen“ zur Kenntnis.

 

2.     Der Sozialausschuss beauftragt die Verwaltung beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) im Rahmen des Aktionsprogramms „Hilfen in Wohnungsnotfällen“ eine Förderung zur Umsetzung und Ausgestaltung des dargestellten Modells „Wohnungsnotfallprävention“ im Umfang von 2,0 VZÄ zu beantragen.

 


Begründung:

 

Der Sozialausschuss wurde zuletzt mit der Vorlage 369/20 über die Entwicklung im Projekt „Prävention von Wohnungsnotfällen“ informiert. Zwischenzeitlich wurde das Projekt abgeschlossen und der als Anlage 1 beigefügte Abschlussbericht der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V. (GISS) liegt vor.

 

Mit dieser Vorlage soll der Sozialausschuss über die wesentlichen Ergebnisse des Projektes und die geplante weitere Umsetzung informiert werden.

 

 

Bisheriger Ablauf des Projektes

 

Im Laufe des Projektzeitraums wurden im Zeitraum von August 2020 bis Januar 2021 insgesamt vier Workshops durchgeführt. Aufgrund der aktuellen Pandemiesituation fanden die letzten beiden Workshops in digitaler bzw. videogestützter Form statt.

 

Die ersten beiden Workshops unter Beteiligung der städtischen Bereiche Hilfen nach dem SGB II, den Hilfen nach dem SGB XII, den Sozialen Einrichtungen der Stadt, des Ordnungsamtes, des Jugendamtes und des Jobcenters des Kreises Steinfurt dienten insbesondere der internen Bestandsaufnahme. Geklärt wurde, welche Informationen die einzelnen Stellen zu welchem Zeitpunkt über drohende Wohnungsverluste erhalten, welche präventiven Aufgaben sie bereits jetzt übernehmen und welche Anforderungen ein präventives Angebot erfüllen muss.

 

Beim zweiten Workshop wurden die Stärken und Schwächen der bestehenden Strukturen herausgearbeitet, Handlungsziele definiert und Leitlinien für die Neuausrichtung des Rheiner Systems zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit entwickelt und vereinbart.

 

Die freien Träger der Wohnungsnotfallhilfe – der Caritasverband Rheine und die Drogenberatung Rheine – wurden beim dritten Workshop erstmalig eingebunden. Gemeinsam wurden die bisherigen Ergebnisse diskutiert und erste Kooperationsstrukturen und trägerübergreifende Verfahrensabläufe erarbeitet.

 

Eine schriftliche Abfrage bei den örtlichen Wohnungsunternehmen und Wohnungsverwaltungen wurde Ende 2020 dem letzten Workshop vorgeschaltet. Sie erhob erstens aktuelle Daten zum Rheiner Wohnungsmarkt. Sie sollte zweitens in Erfahrung bringen, wie die Unternehmen mit sich mietvertragswidrig verhaltenden Haushalten umgehen. Eine dritte Frage galt den Voraussetzungen für eine aktive Beteiligung der Wohnungswirtschaft am Aufbau präventiver Strukturen. Beteiligt haben sich neben der Wohnungsgesellschaft der Stadt Rheine sieben weitere kleinere und mittlere Wohnungsunternehmen und Wohnungsverwaltungen, die insgesamt über einen Wohnungsbestand von etwa 1.500 Wohneinheiten innerhalb der Stadtgrenzen verfügen (Eigenbesitz oder im Auftrag verwalteter Fremdbesitz).

 

Am vierten und letzten Workshop, in dem die Ergebnisse der Umfrage diskutiert und die Unterstützung der Unternehmen für das geplante Gesamtkonzept zur Prävention von Wohnungslosigkeit erörtert wurden, nahmen sechs der befragten Unternehmen teil.

 

 

Zusammensetzung des Wohnungsmarktes in Rheine*

* Die Angaben beziehen sich auf Erhebungen zum 31.12.2018

 

Anzahl der Wohngebäude aufgeteilt nach Ein-, Zwei und Mehrfamilienhäusern (mit 3 und mehr Wohnungen).

 


 

Anzahl der Wohnungen in den unterschiedlichen Wohngebäuden mit Anteil der preisgebundenen Wohnungen.

 

Verteilung der Wohnungen auf selbstgenutztes Eigentum und Vermietung mit Angabe, ob durch Wohnungswirtschaft oder privat vermietet wird.

 

 


 

Ablauf bei Räumungsklagen

 

In einem ersten Schritt des Projektes wurde das Verfahren bei eingehenden Mitteilungen über Räumungsklagen dokumentiert und mit den Beteiligten optimiert. So wird nach schriftlicher Mitteilung durch das Amtsgericht über eine eingegangene Räumungsklage zunächst ermittelt:

 

·         welche Personen sich im betroffenen Haushalt befinden

·         ob minderjährig Kinder betroffen sind

·         ob Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) oder SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bezogen wird.

 

Die beteiligten Stellen werden informiert und es wird versucht, Kontakt mit den Betroffenen aufzunehmen. In der Vergangenheit wurde die Erfahrung gemacht, dass nur sehr wenige Personen auf schriftliche Hilfsangebote reagieren und so oftmals mögliche Hilfe verwehrt bleibt. Um die Kontaktquote zu erhöhen, suchen Mitarbeiter der Sozialen Einrichtungen die betroffenen Menschen zu Hause auf und informieren im persönlichen Gespräch über mögliche Hilfen. Sofern die Betroffenen auch beim zweiten Versuch nicht angetroffen werden, hinterlassen die Kolleginnen und Kollegen einen Flyer an der Haustür, der nochmal zur Kontaktaufnahme ermutigen soll. Für diese aufsuchende Arbeit gibt es bisher keine freien Ressourcen, so dass die verbesserte Prävention vorläufig zu Lasten der Hilfen bei aktuell wohnungslosen Menschen geht.

 

Sobald ein Kontakt hergestellt wurde und Bereitschaft zur Annahme der Hilfe besteht, versuchen die beteiligten Stellen mit dem Vermieter eine einvernehmliche Lösung zum Erhalt der Wohnung zu finden. Zur Übernahme der Mietrückstände können aus Sozialhilfemitteln bei Vorliegen der sozialhilferechtlichen Voraussetzungen Darlehn gewährt werden.

 

Das nachfolgende Schaubild stellt die aktuell beteiligten Stellen und die bestehenden Abläufe dar.

 

2020-10-01 - Übersicht Wohnungsnotfallhilfe 04-002-001


 

Dokumentation

 

In den letzten 12 Monaten wurden insgesamt 59 Räumungsklagen dokumentiert, die sich über das ganze Stadtgebiet verteilen.

 

 

 

Im Durchschnitt der Räumungsklagen sind bei einer Monatsmiete von 552,88 Euro Mietrückstände in Höhe von 2.520,64 Euro aufgelaufen, was durchschnittlich 4,8 Monatsmieten entspricht.

 

Der überwiegende Teil der Räumungsklagen wird von privaten Vermietern eingelegt.

Durchschnittlich befinden sich 2,5 Personen im Haushalt und in 27 Haushalten (46 %) sind minderjährige Kinder vom Wohnungsverlust betroffen.

 

In 26 Fällen (44 %) werden laufende Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen.

 

 


 

Empfehlung der GISS

 

Das Beratungsprojekt „Prävention von Wohnungsnotfällen“ konnte im begrenzten zeitlichen Rahmen lediglich die Eckpunkte für eine künftige Neuausrichtung des kommunalen Hilfesystems erarbeiten. Viele der damit verbundenen Detailfragen blieben jedoch noch offen, sodass eine umstandslose Umsetzung des Modells zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich nicht gelingen würde.

 

Vielmehr müssen Details der Ausgestaltung, von denen eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend abhängen wird, im nächsten Schritt mit hoher Priorität erarbeitet werden. Hierzu gehören die Entwicklung von Verfahren der (aufsuchenden) Ansprache, von Instrumenten und Informationsmaterialien, die Klärung von Datenschutzfragen z. B. bei der Weitergabe von Informationen sowie Klärungen zu Umfang und Ausstattung der aufsuchenden Hilfen. Für die verschiedenen Fallkonstellationen gilt es, eindeutige Prüfkriterien zu entwickeln, und es sind Verfahren für die Einschaltung weiterführender Hilfen zu erarbeiten.

 

Noch sind nicht alle Elemente eines künftigen Hilfesystems „ausbuchstabiert“. Auch bei enger Kooperation der Beteiligten auf der Verfahrensebene hängt eine Reduzierung der Fallzahlen entscheidend davon ab, dass mehr private Vermieterinnen und Vermieter besser und früher erreicht werden und dass mehr potenziell gefährdete Haushalte sich früher melden.

 

Zur Vermeidung kommunaler Doppelstrukturen sollten die sogenannten Kümmererprojekte der freien Träger möglichst umfassend eingebunden werden. Während dort der Schwerpunkt auf die Beratung und Unterstützung bereits wohnungslos gewordener Menschen gelegt wird, setzt die geplante Koordinierungsstelle den Fokus auf die Prävention und den Erhalt der Wohnung.

 

Die GISS empfiehlt der Stadt Rheine und ihren Kooperationspartnerinnen und -partnern deshalb eine schrittweise Umsetzung und Ausgestaltung des oben dargestellten Modells. Es sollte geprüft werden, ob aus dem Aktionsprogramm „Hilfen in Wohnungsnotfällen“ eine befristete Förderung beantragt werden kann. Dies würde ermöglichen, die angesprochenen Umsetzungsfragen kooperativ zu bearbeiten und die Präventionsstelle mit geklärtem Auftrag zu installieren. Darüber hinaus wäre es möglich, neue Ansätze zu erproben, um die Einschaltung dieser Präventionsstelle in einem Wohnungsmarkt privater Vermieterinnen und Vermieter zu erreichen.

 

 

Vorstellung im Ausschuss

 

Frau Henke von der GISS wird die wesentlichen Erkenntnisse und Empfehlungen des Projektes im Sozialausschuss im Rahmen einer Videokonferenz vorstellen.

 

 


 

Weiteres Vorgehen

 

Die Verwaltung plant zur schrittweisen Umsetzung und Ausgestaltung des erarbeiteten Modells beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) im Rahmen des Aktionsprogramms „Hilfen in Wohnungsnotfällen“ eine Förderung von 2,0 VZÄ zu beantragen. Dieser Antrag muss bis zum 31.07.2021 gestellt werden.

 

Der Sozialausschuss wird über die Entscheidung informiert und im Falle einer positiven Mitteilung wird die durch die Stadt Rheine zu tragende Eigenbeteiligung im Rahmen der Haushaltsplanberatung 2022 eingebracht.

 

Weitere Berichte erfolgen dann im Laufe der Umsetzung.

 

 


Anlage:

 

Bericht der GISS zur Erstellung eines fach- und trägerübergreifenden Gesamtkonzepts

„Prävention von Wohnungsnotfällen“ für die Stadt Rheine