Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der
Sozialausschuss nimmt die Ausführungen zur Ankommensberatung des Teams Beratung
und Begleitung von Zuwanderern zur Kenntnis.
Begründung:
Dieser Jahresbericht zur Ankommensberatung 2021 basiert auf Ausführungen und Informationen des Berichtes aus September 2020, der den Erhebungszeitraum Mitte 2018 – Juni 2020 umfasst (vgl. Vorlage 334/20). Dieser Erhebungszeitraum wird mit diesem Bericht für den Zeitraum Juli 2020 bis September 2021 ergänzt.
Jährlich gibt es eine
Zuwanderung nach Rheine von mehreren hundert Menschen aus dem
Ausland/EU-Ländern (siehe Säulendiagramme Seiten 4 und 6 dieser Vorlage). Ein
nicht unerheblicher Teil kommt über die EU-Freizügigkeitsregelungen oder den
Familiennachzug nach Rheine.
Diese Gruppe der
zugewanderten Menschen bezieht häufig direkt eine Privatwohnung und hat daher
nicht unmittelbar eine Anbindung an die Beratungsstruktur der Stadt Rheine „Beratung
und Begleitung von Zuwanderern“ – Stadtteilbüros oder die Migrationsberatung
beim Träger Caritasverband Rheine. Beide Angebote sind auf eine Komm-Struktur
für die Zielgruppe angelegt, zu der die zugewanderten Menschen nicht immer
unmittelbar Zugang finden.
In den letzten Jahren sind neben den Rheine zugewiesenen, mittlerweile anerkannten und sesshaft gewordenen Flüchtlingen weitere neue Zielgruppen von Zuwanderern in größerer Zahl zugezogen.
Seit Dezember 2016 gibt es z. B. die Wohnsitzauflage für Flüchtlinge nach § 12 a AufentG. In diesem Zusammenhang sind viele Familien in privaten Wohnraum gezogen und benötigen aktive, individuelle Unterstützung in verschiedenen Intensitätsgraden.
Ferner gibt es die Gruppe der EU-Bürger aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Litauen etc., die als Arbeitseinwanderer einreisen und möglicherweise langfristig bleiben wollen. Diese Gruppe muss in ihren Absichten die eigene Zukunftsperspektive (wichtig in Bezug auf Infrastruktur und Sozialplanung für Schule, Kita, Sprachangebote, Begegnungsangebote etc.) betreffend abgefragt werden.
In dem Projekt „Einwanderung gestalten NRW“ zeigte sich gerade in den Einzelfallanalysen, dass eine „Navigationshilfe“ für zugewanderte Menschen den Integrationsprozess positiv beeinflussen und beschleunigen kann.
Schaffung eines Informations-
und Präventionsangebotes:
Ebenso wie die in unserem
Beratungsangebot bereits bekannten und berücksichtigten Zuwanderer braucht die
Zielgruppe der Ankommensberatung, hier im Arbeitstitel „Arbeitsmigranten“
genannt, Unterstützung in ihrer Orientierung im neuen Land.
Die gesellschaftlichen und
bürokratischen Strukturen müssen genauso (neu) erlernt/kennengelernt werden wie
die fremde Sprache und Kultur. Die hohe Anforderung, sich in einer fremden
Sprache durch den „Behördendschungel“ zu schlagen und die zahlreichen Angebote
nach den eigenen Bedürfnissen zu filtern, kann - trotz persönlicher Ressourcen
und individueller Fähigkeiten - rasch zu einer Überforderung führen.
Unmittelbar nach der
Migration sind die Zuwanderer in der Regel motiviert und zuversichtlich und
reagieren mit einer hohen Anpassung an die neuen Verhältnisse. Nach einiger
Zeit tritt nicht selten eine Ernüchterung ein, da die Hürden einer umfassenden
Integration höher sind als zuvor angenommen. Besonders in dieser Phase ist es
wichtig, die Zugewanderten durch Unterstützungsangebote abzuholen oder
aufzufangen. Um sich dem Ziel einer Integration aller Zugewanderten anzunähern,
wurde das bestehende Beratungsangebot mit der Etablierung einer „Zentralen
Ankommensberatung“ erweitert.
Zielsetzung der
Ankommensberatung
Information und Stärkung der Eigenverantwortung im
Integrationsprozess
Die Ankommensberatung
übernimmt eine Lotsenfunktion, Ziel ist, dass jeder Zuwanderer über die
bestehenden Integrations- und Teilhabeleistungen informiert ist und diese auch
nutzen kann.
Monitoring als Planungsgrundlage für das kommunale
Integrationsmanagement
Aus Sicht der Stadt Rheine ist
ein weiteres Ziel, dass der Fachbereich Schulen, Soziales, Migration und Integration
einen ersten Überblick über die aktuelle Lebenssituation der Zugewanderten und
ihre Einwanderungsgründe bekommt, diese auswerten kann und weitere Rückschlüsse
für die Konzeption der Beratungsangebote erhält (Planungsgrundlage).
a) Zielgruppe
·
EU-Bürger – Arbeitsmigranten
Personen, die als
Familiennachzug kommen
·
Zuwanderer,
die mit einer Wohnsitzauflage nach Rheine ziehen
b) Schaubild: Ziel und Zielerreichung der Zentralen Ankommensberatung:
c)
Ziele und Wirkungsindikatoren:
·
Flächendeckende Integration in Rheine
gewährleisten
·
Unterstützung bei der Stabilisierung
existenzieller Lebensbereiche wie z. B. Gesundheit, Wohnen, Arbeit und Bildung
·
Erleichterung der Zugänge zu Ämtern und Einrichtungen
·
Schnellerer Zugang zu Sprachkursangebote
·
Bedarfsgerechte Unterstützung, z. B. durch Case
Management
·
Information über bestehende Angebote,
Vernetzungen und Kooperationen
·
Zugang zu sozialer und gesellschaftlicher
Teilhabe ermöglichen Beratung im Sozialraum, präventive Arbeit
·
Zugang zu bestehenden Beratungsangeboten von
Stadt und freien Trägern erleichtern
Statistik der Zuzüge ab August 2018
In
der Statistik wurden alle Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund
aufgelistet, die aus dem In- und Ausland mit ausländischem Pass nach Rheine
zugezogen sind. Herausgefiltert wurden Personen, die der Zentralen
Erstunterbringung (ZUE – Damloup-Kaserne) zugewiesen wurden und Personen, die
in städtischen Unterkünfte durch Zuweisungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz eingezogen sind.
Unterteilt
sind Zuzüge der Familien/Familiennachzüge aus dem In- und dem Ausland.
Zuzüge |
Inland |
Ausland |
Summe |
2018 (5 Monate) |
19 |
14 |
33 |
2019 (12 Monate) |
60 |
69 |
129 |
2020 (12 Monate ) |
48 |
51 |
99 |
2021 (9 Monate ) |
42 |
41 |
83 |
Trotz der Corona-Krise sank
die Zuzugsrate nicht in dem Maße, wie man erwartet hätte.
Die Zuzugsmonate in 2021
konzentrierten sich für die Zuwanderer aus dem Ausland (insgesamt 41) auf die
Monate Juli bis September (27).
In den ersten 6 Monaten gab
es insgesamt 14 Zuzüge aus dem Ausland.
Zuzüge
ab August 2018 (Beginn der Datenerhebung)
Zuzüge
2019
Zuzüge
2020
Zuzüge
2021
Erklärung:
Im
Säulendiagramm ist die Anzahl der Personen angegeben. Ungerade Zahlen
ergeben sich durch Einzelzuzüge, das bedeutet z. B. aus einer hier lebenden
alleinstehenden Person wird ein Paar.
Als
Familie gilt auch der Nachzug eines einzelnen Kindes oder eines Ehepartners, so
kommen zum Teil geringe Personenzahlen bei den Familienzuzügen zustande.
Auswertung
der Statistik Zuzüge
Die größten Gruppen der Zugezogenen von
August 2018 bis einschließlich September 2021:
|
Zeitraum |
Zeitraum 01.-12.2019 |
Zeitraum |
Zeitraum 01. – 09.2021 |
Gesamt |
Rumänen |
79 |
363 |
280 |
144 |
866 |
Bulgaren |
87 |
183 |
190 |
72 |
532 |
Polen |
58 |
122 |
84 |
46 |
310 |
Syrer |
39 |
121 |
97 |
75 |
332 |
Mazedonier |
14 |
66 |
31 |
21 |
132 |
Serben |
18 |
41 |
31 |
24 |
114 |
Die Auswertung erfolgte auf
Basis der Daten des Bürgerbüros der Stadt Rheine.
Besonderheiten im
Berichtszeitraum Juni 2020 – September 2021
Mehr als die Hälfte der
monatlichen Zuzüge sind Alleinstehende. Der Frauenanteil in dieser Gruppe
beträgt wie auch im letzten Berichtszeitraum im Durchschnitt mehr als ein
Drittel.
Das Konzept
„Ankommensberatung“ kann sich aufgrund der begrenzten Personalressource auch in
diesem Berichtszeitraum nur mit den Familienzuzügen befassen. Folgende Gruppen
sind als Familien definiert: Eltern mit Kindern, einzelnes Elternteil mit Kind,
Zuzug eines Familienmitglieds zur hier lebenden Familie.
Es kann vermutet werden, dass
die Einwanderungsquote mit langfristiger Bleibeperspektive bei Familien höher
ist als bei Einzelpersonen, da ein solcher Umzug mit wichtigen
Lebensentscheidungen (z. B. Einschulung der Kinder etc.) verbunden ist. Hier
sind nachhaltige Integrationsangebote zweckmäßig und sinnvoll.
Fraglich ist, ob die Familien
tatsächlich in Rheine bleiben, bzw. wenn nicht, wohin sie ziehen. Zurück in die
Heimat oder in eine andere Stadt innerhalb Deutschlands.
In der untenstehenden
Statistik werden die monatlichen Zuzüge mit Weg-/Umzügen für die Zeit 1. August
2018 bis September 2021 abgeglichen.
Zu- und Wegzüge von Familien
von August 2018 bis Juli 2020
Jahr |
Zuzüge Familien |
Wegzug innerhalb von |
Wegzug innerhalb von 1 Jahr |
Wohin? |
|
Umzug innerhalb Deutschlands |
Zurück ins Heimatland |
||||
08.
- 12. 2018 |
33 |
5 |
2 |
4 |
3 |
01. – 12. 2019 |
128 |
8 |
8 |
7 |
9 |
01. – 12. 2020 |
99 |
12 |
5 (bis 09/20 ermittelt) |
8 |
9 |
01. – 09. 2021 |
83 |
1 |
|
|
1 |
Die Mehrheit der zugezogenen Familien bleibt
in Deutschland, wie aus den Zahlen zu ersehen ist.
(Allerdings muss die Zahl der noch hier
gezählten und registrierten Personen nicht unbedingt stimmen. Es ist fraglich,
ob jede Familie sich beim Bürgeramt abmeldet, wenn sie ins Ausland zieht.)
Zuzugsstarke Monate sind die Sommermonate,
die Familien nutzten die Schulferien für den Umzug oder Kinder kommen als
Familiennachzug in dieser Zeit nach Rheine. Das Schuljahr wurde im Heimatland
regulär beendet und in Rheine nach den Sommerferien neu begonnen. Erfahrungen
der Seiteneinsteigerberatung sind, dass Eltern sich im Vorfeld wegen eines Schulplatzes
beraten lassen und ankündigen wann sie einen Schulplatz brauchen.
Hier zeigte sich, wie sinnvoll die
Vernetzung zwischen der Ankommensberatung und der Seiteneinsteigerberatung für
den Schulwechsel ist, die ebenfalls in den Aufgabenbereich des Teams Beratung
und Begleitung fällt.
Synergieeffekte zeigten sich auch bei der
Arbeit des Multiprofessionellen Teams, das an drei Schulen im Stadtteil
Schotthock tätig ist. Kontakte, die über eine Anlaufstelle erfolgten,
ermöglichten eine vertrauensvolle Beratungssituation und vereinfachten Wege.
In der Statistik zeigt sich auch der
"Corona-Knick", Zuzüge, die vielleicht im März/April/Mai geplant
waren, scheinen verschoben auf die Folgemonate.
Hausbesuche
– Prozedere – Ablauf
Das Konzept der Ankommensberatung vor der Corona-Krise:
Die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter des Stadtteilbüros schreibt den Zuwanderer an und lädt sich zu einem Hausbesuch ein. Das Anschreiben gibt es in 4 Sprachen (polnisch, rumänisch, arabisch und mazedonisch). Wird der Adressat nicht angetroffen, wird eine Visitenkarte und ein Flyer des zuständigen Stadtteilbüros im Briefkasten hinterlegt und ein neuer Termin zugeschickt. Wird der Zuwanderer auch bei dem zweiten Besuch nicht angetroffen, wird die „Willkommensmappe“ im Briefkasten hinterlegt, ebenso die Visitenkarte des Stadtteilbüros. So kann der Zuwanderer bei Bedarf von sich aus Kontakt aufnehmen.
Beim Hausbesuch vermittelt die verantwortliche Sozialarbeiterin bzw. der verantwortliche Sozialarbeiter, einerseits Informationen über das Versorgungsnetz, z. B. über Beratungsstellen, die Unterstützung in wichtigen Lebensbereichen, wie Wohnen, Gesundheit, Sprache, Soziales etc. Dies geschieht u. a. durch die Aushändigung der „Willkommensmappe“, die in einfacher Sprache gehalten ist. Sie beinhaltet kurze Informationen und Kontaktdaten zu wichtigen (Versorgungs-) Themen, die mithilfe von Bildern und Piktogrammen vieles erklärt. Sie enthält ebenfalls aktuelle Flyer oder kleine Broschüren, die passend zur Familienkonstellation beigelegt werden (z.B. Kleinkinder=Kitabroschüre der Stadt Rheine).
Andererseits gewinnt die verantwortliche Fachkraft einen Einblick in die individuelle Familienstruktur/-situation und hat die Möglichkeit, persönliche Hilfen (z. B. in schwieriger schulischer Situation) anzubieten.
Die Fachkraft bringt zum Hausbesuch einen Erhebungsbogen mit, den sie anonym ausfüllt und dessen Sinn und Nutzen sie dem Zuwanderer erklärt hat. Es wird erfragt, inwieweit z. B. Sprachkurse bekannt sind, Kindergartenplätze belegt oder gewünscht werden, ob der Zuwanderer in Deutschland bleiben möchte und was der Beweggrund war nach Deutschland zu ziehen.
Dieser Erhebungsbogen ist auch ein Leitfaden für das Erstgespräch und dient dem späteren Monitoring.
Im Erstgespräch soll eine Vertrauensbasis und ein Bezug zum zuständigen Stadtteilbüro hergestellt werden. In der eventuell folgenden Betreuungsarbeit können ehrenamtliche Kräfte - ebenso wie sie es in der Arbeit mit Geflüchteten tun - eine Rolle spielen.
Umsetzung und Erfahrungen der Ankommensberatung in der Corona-Krise
Im Berichtszeitraum September 2020-2021 herrschte in der Corona - Krise z.T. ein strenger Lockdown, der Hausbesuche unmöglich machte. Die neu angekommenen Familien wurden angeschrieben und über Kontaktdaten und telefonische Beratungsangebote informiert.
Allerdings wurde nach wenigen Monaten das Beratungsangebot in Präsenz in wichtigen Einzelfällen wiederaufgenommen. D.h., es wurden Termine vereinbart, in denen Unterlagen durch Fenster gereicht wurden und Gespräche in Vorgärten stattgefunden haben.
Nach einigen Monaten, als die Corona-Situation unter strengen Hygieneregeln es erlaubte, wurden die Familien direkt zu Terminen nicht besucht, sondern in das Stadtteilbüro eingeladen. Einige Familien nahmen diese Termine auch wahr.
Durch die Schließung fast aller Behörden und den Wegfall sozialer (ehrenamtlicher) Unterstützungsmöglichkeiten, trat für viele Menschen ein Versorgungsdefizit ein. Nunmehr sollten existenziell wichtige Belange (z.B. Arbeitslosmeldung, SGB II-Anträge) telefonisch oder online getätigt werden. Allein die Sprachbarriere machte für viele die Hürde unüberwindbar und eine persönliche Hilfestellung notwendig.
Im Zeitraum von Juli bis Dezember 2020 wurden ca. 10 Kontaktaufnahmen der neu Zugezogenen zu den Stadtteilbüros aufgrund des zugesandten Informationsmaterials gezählt.
Von Januar bis September 2021 gab es ca. 15 Kontaktaufnahmen. In den Anfragen ging es in den meisten Fällen um Hilfe bei Anträgen, wie Sozialleistungen, Kindergeld/-zuschlag, Wohngeld etc. Häufig mussten die Sozialarbeiter/innen zwischen Behörden und Zuwanderern vermitteln. Der Ausschluss der persönlichen Kontakte, z.B. mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter (z.B., wenn aufstockende Hilfe beantragt werden musste) schien in einigen Fällen unüberwindbar, da Sprachbarrieren am Telefon besonders deutlich werden. Ebenso ist die geforderte Digitalisierung bei der Antragsstellung nicht für alle selbstverständlich und umsetzbar.
Ab Oktober 2021 werden wieder
flächendeckende Hausbesuche angeboten.
Fazit
Festzustellen ist, dass der persönliche Kontakt, der durch Hausbesuche (aufsuchende Sozialarbeit) hergestellt wird, ein Beratungs- und Informationsgespräch wahrscheinlicher macht, als es ein Anschreiben mit einem Beratungsangebot und Kontaktdaten es kann.
Diese aufsuchende Sozialarbeit schafft Vertrauen. Der oder die persönlichen Ansprechpartner/in ist nun bekannt und lässt so die Hemmschwelle sinken, die Beratungsstelle bei Bedarf aufzusuchen.
Anlagen:
Anlage 1: Broschüre Willkommen in Rheine – Eine Information für Zugewanderte