Betreff
Jahresbericht zur Ankommensberatung
Vorlage
529/21
Aktenzeichen
II.8.10-hf
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen zur Ankommensberatung des Teams Beratung und Begleitung von Zuwanderern zur Kenntnis.

 


Begründung:

 

Dieser Jahresbericht zur Ankommensberatung 2021 basiert auf Ausführungen und Informationen des Berichtes aus September 2020, der den Erhebungszeitraum Mitte 2018 – Juni 2020 umfasst (vgl. Vorlage 334/20). Dieser Erhebungszeitraum wird mit diesem Bericht für den Zeitraum Juli 2020 bis September 2021 ergänzt.

 

Jährlich gibt es eine Zuwanderung nach Rheine von mehreren hundert Menschen aus dem Ausland/EU-Ländern (siehe Säulendiagramme Seiten 4 und 6 dieser Vorlage). Ein nicht unerheblicher Teil kommt über die EU-Freizügigkeitsregelungen oder den Familiennachzug nach Rheine.

Diese Gruppe der zugewanderten Menschen bezieht häufig direkt eine Privatwohnung und hat daher nicht unmittelbar eine Anbindung an die Beratungsstruktur der Stadt Rheine „Beratung und Begleitung von Zuwanderern“ – Stadtteilbüros oder die Migrationsberatung beim Träger Caritasverband Rheine. Beide Angebote sind auf eine Komm-Struktur für die Zielgruppe angelegt, zu der die zugewanderten Menschen nicht immer unmittelbar Zugang finden.

 

 

In den letzten Jahren sind neben den Rheine zugewiesenen, mittlerweile anerkannten und sesshaft gewordenen Flüchtlingen weitere neue Zielgruppen von Zuwanderern in größerer Zahl zugezogen.

Seit Dezember 2016 gibt es z. B. die Wohnsitzauflage für Flüchtlinge nach § 12 a AufentG. In diesem Zusammenhang sind viele Familien in privaten Wohnraum gezogen und benötigen aktive, individuelle Unterstützung in verschiedenen Intensitätsgraden.

Ferner gibt es die Gruppe der EU-Bürger aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Litauen etc., die als Arbeitseinwanderer einreisen und möglicherweise langfristig bleiben wollen. Diese Gruppe muss in ihren Absichten die eigene Zukunftsperspektive (wichtig in Bezug auf Infrastruktur und Sozialplanung für Schule, Kita, Sprachangebote, Begegnungsangebote etc.) betreffend abgefragt werden.

 

In dem Projekt „Einwanderung gestalten NRW“ zeigte sich gerade in den Einzelfallanalysen, dass eine „Navigationshilfe“ für zugewanderte Menschen den Integrationsprozess positiv beeinflussen und beschleunigen kann.

 

Schaffung eines Informations- und Präventionsangebotes:

 

Ebenso wie die in unserem Beratungsangebot bereits bekannten und berücksichtigten Zuwanderer braucht die Zielgruppe der Ankommensberatung, hier im Arbeitstitel „Arbeitsmigranten“ genannt, Unterstützung in ihrer Orientierung im neuen Land.

Die gesellschaftlichen und bürokratischen Strukturen müssen genauso (neu) erlernt/kennengelernt werden wie die fremde Sprache und Kultur. Die hohe Anforderung, sich in einer fremden Sprache durch den „Behördendschungel“ zu schlagen und die zahlreichen Angebote nach den eigenen Bedürfnissen zu filtern, kann - trotz persönlicher Ressourcen und individueller Fähigkeiten - rasch zu einer Überforderung führen.

Unmittelbar nach der Migration sind die Zuwanderer in der Regel motiviert und zuversichtlich und reagieren mit einer hohen Anpassung an die neuen Verhältnisse. Nach einiger Zeit tritt nicht selten eine Ernüchterung ein, da die Hürden einer umfassenden Integration höher sind als zuvor angenommen. Besonders in dieser Phase ist es wichtig, die Zugewanderten durch Unterstützungsangebote abzuholen oder aufzufangen. Um sich dem Ziel einer Integration aller Zugewanderten anzunähern, wurde das bestehende Beratungsangebot mit der Etablierung einer „Zentralen Ankommensberatung“ erweitert.

 

 

Zielsetzung der Ankommensberatung

 

Information und Stärkung der Eigenverantwortung im Integrationsprozess

Die Ankommensberatung übernimmt eine Lotsenfunktion, Ziel ist, dass jeder Zuwanderer über die bestehenden Integrations- und Teilhabeleistungen informiert ist und diese auch nutzen kann.

 

Monitoring als Planungsgrundlage für das kommunale Integrationsmanagement

Aus Sicht der Stadt Rheine ist ein weiteres Ziel, dass der Fachbereich Schulen, Soziales, Migration und Integration einen ersten Überblick über die aktuelle Lebenssituation der Zugewanderten und ihre Einwanderungsgründe bekommt, diese auswerten kann und weitere Rückschlüsse für die Konzeption der Beratungsangebote erhält (Planungsgrundlage).

 

 

a)      Zielgruppe

                              ·          EU-Bürger – Arbeitsmigranten
Personen, die als Familiennachzug kommen

                              ·          Zuwanderer, die mit einer Wohnsitzauflage nach Rheine ziehen

 

 

b)      Schaubild: Ziel und Zielerreichung der Zentralen Ankommensberatung:

 

 

c)      Ziele und Wirkungsindikatoren:

                  ·            Flächendeckende Integration in Rheine gewährleisten

                  ·            Unterstützung bei der Stabilisierung existenzieller Lebensbereiche wie z. B. Gesundheit, Wohnen, Arbeit und Bildung

                  ·            Erleichterung der Zugänge zu Ämtern und Einrichtungen

                  ·            Schnellerer Zugang zu Sprachkursangebote

                  ·            Bedarfsgerechte Unterstützung, z. B. durch Case Management

                  ·            Information über bestehende Angebote, Vernetzungen und Kooperationen

                  ·            Zugang zu sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen Beratung im Sozialraum, präventive Arbeit

                  ·            Zugang zu bestehenden Beratungsangeboten von Stadt und freien Trägern erleichtern

 

 

Statistik der Zuzüge ab August 2018

 

In der Statistik wurden alle Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund aufgelistet, die aus dem In- und Ausland mit ausländischem Pass nach Rheine zugezogen sind. Herausgefiltert wurden Personen, die der Zentralen Erstunterbringung (ZUE – Damloup-Kaserne) zugewiesen wurden und Personen, die in städtischen Unterkünfte durch Zuweisungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eingezogen sind.

 

Unterteilt sind Zuzüge der Familien/Familiennachzüge aus dem In- und dem Ausland.

Zuzüge

Inland

Ausland

Summe

2018    (5 Monate)

 19

 14

  33

2019    (12 Monate)

 60

 69

129

2020    (12 Monate )

 48

 51

  99

2021    (9 Monate )

 42

 41

  83

 

Trotz der Corona-Krise sank die Zuzugsrate nicht in dem Maße, wie man erwartet hätte.

Die Zuzugsmonate in 2021 konzentrierten sich für die Zuwanderer aus dem Ausland (insgesamt 41) auf die Monate Juli bis September (27).

In den ersten 6 Monaten gab es insgesamt 14 Zuzüge aus dem Ausland.

 

 

Zuzüge ab August 2018 (Beginn der Datenerhebung)

 

 

 

 

Zuzüge 2019

 

Zuzüge 2020


 

Zuzüge 2021

Erklärung:

Im Säulendiagramm ist die Anzahl der Personen angegeben. Ungerade Zahlen ergeben sich durch Einzelzuzüge, das bedeutet z. B. aus einer hier lebenden alleinstehenden Person wird ein Paar.

Als Familie gilt auch der Nachzug eines einzelnen Kindes oder eines Ehepartners, so kommen zum Teil geringe Personenzahlen bei den Familienzuzügen zustande.

 

Auswertung der Statistik Zuzüge

Die größten Gruppen der Zugezogenen von August 2018 bis einschließlich September 2021:

 

 

Zeitraum
08. – 12.2018

Zeitraum

01.-12.2019

Zeitraum
01. – 12.2020

Zeitraum

01. – 09.2021

Gesamt

Rumänen

79

363

280

144

866

Bulgaren

87

183

190

72

532

Polen

58

122

84

46

310

Syrer

39

121

97

75

332

Mazedonier

14

66

31

21

132

Serben

18

41

31

24

114

 

Die Auswertung erfolgte auf Basis der Daten des Bürgerbüros der Stadt Rheine.

 

Besonderheiten im Berichtszeitraum Juni 2020 – September 2021

 

Mehr als die Hälfte der monatlichen Zuzüge sind Alleinstehende. Der Frauenanteil in dieser Gruppe beträgt wie auch im letzten Berichtszeitraum im Durchschnitt mehr als ein Drittel.

 

Das Konzept „Ankommensberatung“ kann sich aufgrund der begrenzten Personalressource auch in diesem Berichtszeitraum nur mit den Familienzuzügen befassen. Folgende Gruppen sind als Familien definiert: Eltern mit Kindern, einzelnes Elternteil mit Kind, Zuzug eines Familienmitglieds zur hier lebenden Familie.

 

Es kann vermutet werden, dass die Einwanderungsquote mit langfristiger Bleibeperspektive bei Familien höher ist als bei Einzelpersonen, da ein solcher Umzug mit wichtigen Lebensentscheidungen (z. B. Einschulung der Kinder etc.) verbunden ist. Hier sind nachhaltige Integrationsangebote zweckmäßig und sinnvoll.

 

Fraglich ist, ob die Familien tatsächlich in Rheine bleiben, bzw. wenn nicht, wohin sie ziehen. Zurück in die Heimat oder in eine andere Stadt innerhalb Deutschlands.

In der untenstehenden Statistik werden die monatlichen Zuzüge mit Weg-/Umzügen für die Zeit 1. August 2018 bis September 2021 abgeglichen.

 

 

Zu- und Wegzüge von Familien von August 2018 bis Juli 2020

 

Jahr

Zuzüge Familien

Wegzug innerhalb von
6 Monaten

Wegzug innerhalb von 1 Jahr

Wohin?

Umzug innerhalb Deutschlands

Zurück ins Heimatland

08. -  12. 2018

33

5

2

4

3

01. – 12. 2019

128

8

8

7

9

01. – 12. 2020

99

12

5 (bis 09/20 ermittelt)

8

9

01. – 09. 2021

83

1

 

 

1

 

Die Mehrheit der zugezogenen Familien bleibt in Deutschland, wie aus den Zahlen zu ersehen ist.

(Allerdings muss die Zahl der noch hier gezählten und registrierten Personen nicht unbedingt stimmen. Es ist fraglich, ob jede Familie sich beim Bürgeramt abmeldet, wenn sie ins Ausland zieht.)

Zuzugsstarke Monate sind die Sommermonate, die Familien nutzten die Schulferien für den Umzug oder Kinder kommen als Familiennachzug in dieser Zeit nach Rheine. Das Schuljahr wurde im Heimatland regulär beendet und in Rheine nach den Sommerferien neu begonnen. Erfahrungen der Seiteneinsteigerberatung sind, dass Eltern sich im Vorfeld wegen eines Schulplatzes beraten lassen und ankündigen wann sie einen Schulplatz brauchen.

Hier zeigte sich, wie sinnvoll die Vernetzung zwischen der Ankommensberatung und der Seiteneinsteigerberatung für den Schulwechsel ist, die ebenfalls in den Aufgabenbereich des Teams Beratung und Begleitung fällt.

Synergieeffekte zeigten sich auch bei der Arbeit des Multiprofessionellen Teams, das an drei Schulen im Stadtteil Schotthock tätig ist. Kontakte, die über eine Anlaufstelle erfolgten, ermöglichten eine vertrauensvolle Beratungssituation und vereinfachten Wege.

In der Statistik zeigt sich auch der "Corona-Knick", Zuzüge, die vielleicht im März/April/Mai geplant waren, scheinen verschoben auf die Folgemonate.

 

Hausbesuche – Prozedere – Ablauf

 

Das Konzept der Ankommensberatung vor der Corona-Krise:

 

Die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter des Stadtteilbüros schreibt den Zuwanderer an und lädt sich zu einem Hausbesuch ein. Das Anschreiben gibt es in 4 Sprachen (polnisch, rumänisch, arabisch und mazedonisch). Wird der Adressat nicht angetroffen, wird eine Visitenkarte und ein Flyer des zuständigen Stadtteilbüros im Briefkasten hinterlegt und ein neuer Termin zugeschickt. Wird der Zuwanderer auch bei dem zweiten Besuch nicht angetroffen, wird die „Willkommensmappe“ im Briefkasten hinterlegt, ebenso die Visitenkarte des Stadtteilbüros. So kann der Zuwanderer bei Bedarf von sich aus Kontakt aufnehmen.

 

Beim Hausbesuch vermittelt die verantwortliche Sozialarbeiterin bzw. der verantwortliche Sozialarbeiter, einerseits Informationen über das Versorgungsnetz, z. B. über Beratungsstellen, die Unterstützung in wichtigen Lebensbereichen, wie Wohnen, Gesundheit, Sprache, Soziales etc. Dies geschieht u. a. durch die Aushändigung der „Willkommensmappe“, die in einfacher Sprache gehalten ist. Sie beinhaltet kurze Informationen und Kontaktdaten zu wichtigen (Versorgungs-) Themen, die mithilfe von Bildern und Piktogrammen vieles erklärt. Sie enthält ebenfalls aktuelle Flyer oder kleine Broschüren, die passend zur Familienkonstellation beigelegt werden (z.B. Kleinkinder=Kitabroschüre der Stadt Rheine).

 

Andererseits gewinnt die verantwortliche Fachkraft einen Einblick in die individuelle Familienstruktur/-situation und hat die Möglichkeit, persönliche Hilfen (z. B. in schwieriger schulischer Situation) anzubieten.

Die Fachkraft bringt zum Hausbesuch einen Erhebungsbogen mit, den sie anonym ausfüllt und dessen Sinn und Nutzen sie dem Zuwanderer erklärt hat. Es wird erfragt, inwieweit z. B. Sprachkurse bekannt sind, Kindergartenplätze belegt oder gewünscht werden, ob der Zuwanderer in Deutschland bleiben möchte und was der Beweggrund war nach Deutschland zu ziehen.

Dieser Erhebungsbogen ist auch ein Leitfaden für das Erstgespräch und dient dem späteren Monitoring.

Im Erstgespräch soll eine Vertrauensbasis und ein Bezug zum zuständigen Stadtteilbüro hergestellt werden. In der eventuell folgenden Betreuungsarbeit können ehrenamtliche Kräfte - ebenso wie sie es in der Arbeit mit Geflüchteten tun - eine Rolle spielen.

 

Umsetzung und Erfahrungen der Ankommensberatung in der Corona-Krise

 

Im Berichtszeitraum September 2020-2021 herrschte in der Corona - Krise z.T. ein strenger Lockdown, der Hausbesuche unmöglich machte. Die neu angekommenen Familien wurden angeschrieben und über Kontaktdaten und telefonische Beratungsangebote informiert.

Allerdings wurde nach wenigen Monaten das Beratungsangebot in Präsenz in wichtigen Einzelfällen wiederaufgenommen. D.h., es wurden Termine vereinbart, in denen Unterlagen durch Fenster gereicht wurden und Gespräche in Vorgärten stattgefunden haben.

Nach einigen Monaten, als die Corona-Situation unter strengen Hygieneregeln es erlaubte, wurden die Familien direkt zu Terminen nicht besucht, sondern in das Stadtteilbüro eingeladen. Einige Familien nahmen diese Termine auch wahr.

Durch die Schließung fast aller Behörden und den Wegfall sozialer (ehrenamtlicher) Unterstützungsmöglichkeiten, trat für viele Menschen ein Versorgungsdefizit ein. Nunmehr sollten existenziell wichtige Belange (z.B. Arbeitslosmeldung, SGB II-Anträge) telefonisch oder online getätigt werden. Allein die Sprachbarriere machte für viele die Hürde unüberwindbar und eine persönliche Hilfestellung notwendig.

 

Im Zeitraum von Juli bis Dezember 2020 wurden ca. 10 Kontaktaufnahmen der neu Zugezogenen zu den Stadtteilbüros aufgrund des zugesandten Informationsmaterials gezählt.

Von Januar bis September 2021 gab es ca. 15 Kontaktaufnahmen. In den Anfragen ging es in den meisten Fällen um Hilfe bei Anträgen, wie Sozialleistungen, Kindergeld/-zuschlag, Wohngeld etc. Häufig mussten die Sozialarbeiter/innen zwischen Behörden und Zuwanderern vermitteln. Der Ausschluss der persönlichen Kontakte, z.B. mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter (z.B., wenn aufstockende Hilfe beantragt werden musste) schien in einigen Fällen unüberwindbar, da Sprachbarrieren am Telefon besonders deutlich werden. Ebenso ist die geforderte Digitalisierung bei der Antragsstellung nicht für alle selbstverständlich und umsetzbar.

 

Ab Oktober 2021 werden wieder flächendeckende Hausbesuche angeboten.

 

 

Fazit

 

Festzustellen ist, dass der persönliche Kontakt, der durch Hausbesuche (aufsuchende Sozialarbeit) hergestellt wird, ein Beratungs- und Informationsgespräch wahrscheinlicher macht, als es ein Anschreiben mit einem Beratungsangebot und Kontaktdaten es kann.

Diese aufsuchende Sozialarbeit schafft Vertrauen. Der oder die persönlichen Ansprechpartner/in ist nun bekannt und lässt so die Hemmschwelle sinken, die Beratungsstelle bei Bedarf aufzusuchen.

 


Anlagen:

 

Anlage 1:  Broschüre Willkommen in Rheine – Eine Information für Zugewanderte