Betreff
Jahresbericht 2021 - SGB XII
Vorlage
103/22
Aktenzeichen
FB 8.60 - mer
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Sozialausschuss nimmt den SGB XII Jahresbericht 2021 zur Kenntnis.

 

 


Begründung:

 

Der Sachstandsbericht hat das Ziel, die Mitglieder des Ausschusses einmal jährlich über die Entwicklungen und Tendenzen im Bereich der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu informieren.

 

 

Sachdarstellung:

 

Leistungsberechtigte und Abgrenzung zum SGB II:

 

Im Gegensatz zur Leistungsgewährung nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) stehen die Hilfeempfänger nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) dem Arbeitsmarkt (dauerhaft) nicht zur Verfügung und haben somit in der Regel keine Möglichkeit zur Selbsthilfe.

 

Leistungen nach dem SGB XII erhalten Personen, die entweder die Altersgrenze (aktuell 65 Jahre und 11 Monate für den Geburtsjahrgang 1957) erreicht haben oder bei denen der Rententräger eine volle Erwerbsminderung (Leistungsvermögen liegt unter 3 Stunden pro Tag) festgestellt hat.

 

Die Altersgrenze wird bis zum Jahr 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben.

 

Die volle Erwerbsminderung wird vom Rententräger entweder befristet oder dauerhaft festgestellt. Bei einer befristeten vollen Erwerbsminderung werden Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII gewährt. Bei einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer oder nach Erreichen der Altersgrenze erfolgt die Hilfegewährung nach dem 4. Kapitel des SGB XII.

 

Neben der reinen Leistungsgewährung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts besteht bei den Hilfeempfängern aufgrund des Alters und den oftmals vorhandenen Einschränkungen ein erhöhter Beratungsbedarf zur möglichen Stärkung der Selbsthilfe und zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.

 

 

Finanzierung:

 

Die Kosten der Leistungsgewährung nach dem 4. Kapitel werden nach einer schrittweisen Anhebung seit dem 01.01.2014 zu 100 % vom Bund getragen. Die Kosten des 3. Kapitels sind Kreismittel und werden indirekt über die Kreisumlage mitfinanziert.


 

Fallzahlentwicklung:

 

Die Fallzahlen sind seit der Einführung des SGB XII zum 01.01.2005 im Rahmen der Hartz IV‑Reform kontinuierlich gestiegen. In den letzten Jahren ist jedoch eine leichte Abflachung des Anstiegs erkennbar. Die letzte signifikante Erhöhung der Fallzahlen erfolgte zum 01.01.2020 durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wodurch bei Personen in stationären Einrichtungen die Eingliederungshilfe und die Grundsicherung nicht mehr vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Hilfen aus einer Hand gewährt werden. Während die Fachleistungsstunden beim LWL verbleiben, ist die Grundsicherung vor Ort bei den Kommunen zu beantragen. Die einmalige Spitze im Januar 2020 rührt von der gesetzlichen Regelung, die Einkünfte im Januar 2020 einmalig nicht zu berücksichtigen um den Übergang zwischen den Hilfesystemen zu erleichtern. In vielen Fällen wurde daher nur einmalig in diesem Monat eine Hilfe gezahlt.

 

(*Stand: 12/2021)

 

 

Die in den Vorjahren auf die Entwicklung der Fallzahlen wirkenden vorrangigen Leistungen (sog. „Mütterrente“, Erhöhung des Wohngeldes und Grundrente) sind in der Grafik zur zeitlichen Einordnung abgebildet.

 


 

Die zukünftige Fallzahlentwicklung ist maßgeblich von der demographischen Entwicklung der Bevölkerung abhängig. In den kommenden Jahren werden die „geburtenstarken Jahrgänge“ die Altersgrenze von aktuell 65 Jahren und 11 Monaten überschreiten und voraussichtlich für weiter steigende Fallzahlen sorgen.

 

 

(*Stand 31.12.2021)

 


 

Die aktuell ca. 1.450 Fälle (=Haushalte) setzen sich aus ca. 1.665 Hilfeempfänger zusammen, die sich zu 57,5 % noch unter der Altersgrenze befinden und somit (dauerhaft) voll erwerbsgemindert sind.

(*Stand 12/2021

 

 

Die Struktur der Haushalte zeigt deutlich, dass die Hilfeempfänger überwiegend in Ein-Personen-Haushalten leben.

 

 

(*Stand 12/2021)

Grundrente:

 

Zum 01. Januar 2021 ist die Grundrente in Kraft getreten. Sie ist ein individueller Zuschlag zur Rente, der ohne separate Antragstellung berechnet und ausgezahlt wird. Der Grundrentenzuschlag wird für alle Rentenarten (Alters-, Witwen-, Witwer- sowie Erwerbsminderungsrenten) ausgezahlt, wenn mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten vorhanden sind. Die Nachberechnungen sind mittlerweile weitgehend abgeschlossen.

 

Die maximale Grundrente liegt aktuell bei 418 Euro; die Deutsche Rentenversicherung geht von einer durchschnittlichen Zahlung von ca. 75 Euro aus.

 

Bei der Gewährung der SGB XII-Leistungen wird ein Freibetrag gewährt, der verhindert, dass die bewilligte Grundrente vollständig auf die Sozialleistung angerechnet wird. Der Freibetrag beträgt maximal 223 Euro und wird für das gesamte Einkommen gewährt. Für die Berücksichtigung des Freibetrages ist Voraussetzung, dass 33 Jahre Grundrentenzeiten vorliegen. Es ist nicht notwendig, dass die leistungsbeziehende Person auch tatsächlich einen Anspruch auf Grundrentenzuschlag hat. Im Ergebnis kann dadurch ein Leistungsanspruch sogar erstmalig entstehen.

 

Bisher ist aus den Fallzahlen aber keine signifikante Änderung durch die Einführung der Grundrente erkennbar.

 

 

E-Akte:

 

Der Kreis Steinfurt als Träger der Sozialhilfe hat die E-Akte im Mai 2021 für die Kommunen als zentrales System eingeführt. Neben den Vorteilen der elektronischen Aktenführung ist auch ein deutlicher Mehraufwand für das Einscannen und einzelne Ablegen der Dokumente erkennbar.

 

 

Corona-Pandemie:

 

Nach nunmehr zwei Jahren Corona-Pandemie hat sich die weitestgehend kontaktlose Hilfegewährung auf beiden Seiten eingespielt. Nur in Ausnahmefällen sind persönliche Vorsprachen notwendig und werden unter den gelten Hygieneregeln durchgeführt. Die positiven Erfahrungen sollen zukünftig genutzt werden um den Publikumsverkehr noch stärker auf ein Terminverfahren auszurichten und damit das Beratungsangebot für die Bürgerinnen und Bürger weiter zu optimieren.

 

Bei der Leistungsgewährung gelten bei der Vermögensprüfung großzügigere Grenzen, die aber im Bereich der Leistungsgewährung nach dem SGB XII bisher nur eine untergeordnete Rolle spielen.

 

Bei den Unterkunftskosten werden die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung anerkannt und auf Abmahnungen verzichtet. Sobald diese Erleichterungen zurückgefahren und zu hohe Unterkunftskosten wieder abzumahnen sind, ist mit zeitlicher Verzögerung aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes mit zusätzlichen Räumungsklagen zu rechnen. An diesem Punkt soll die neu einzurichtende Projektstelle für Wohnungsnotfälle helfen, Obdachlosigkeit zu vermeiden und Kosten für Notunterbringungen zu sparen.

 

Heizkostenzuschuss:

 

Aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten plant die Bundesregierung einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Empfänger von Wohngeld bzw. Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz. Empfänger von SGB XII-Leistungen werden bei dem geplanten Heizkostenzuschuss nicht berücksichtigt, da im Rahmen der Hilfegewährung die Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden.