Beschlussvorschlag/Empfehlung:
Der Sozialausschuss nimmt den SGB XII Jahresbericht 2021 zur Kenntnis.
Begründung:
Der Sachstandsbericht hat das Ziel, die Mitglieder des Ausschusses einmal jährlich über die Entwicklungen und Tendenzen im Bereich der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu informieren.
Sachdarstellung:
Leistungsberechtigte
und Abgrenzung zum SGB II:
Im Gegensatz
zur Leistungsgewährung nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende)
stehen die Hilfeempfänger nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung) dem Arbeitsmarkt (dauerhaft) nicht zur Verfügung und haben
somit in der Regel keine Möglichkeit zur Selbsthilfe.
Leistungen
nach dem SGB XII erhalten Personen, die entweder die Altersgrenze (aktuell 65
Jahre und 11 Monate für den Geburtsjahrgang 1957) erreicht haben oder bei denen
der Rententräger eine volle Erwerbsminderung (Leistungsvermögen liegt unter 3
Stunden pro Tag) festgestellt hat.
Die
Altersgrenze wird bis zum Jahr 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben.
Die volle
Erwerbsminderung wird vom Rententräger entweder befristet oder dauerhaft
festgestellt. Bei einer befristeten vollen Erwerbsminderung werden Leistungen
nach dem 3. Kapitel des SGB XII gewährt. Bei einer vollen Erwerbsminderung
auf Dauer oder nach Erreichen der Altersgrenze erfolgt die Hilfegewährung nach
dem 4. Kapitel des SGB XII.
Neben der
reinen Leistungsgewährung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts besteht bei
den Hilfeempfängern aufgrund des Alters und den oftmals vorhandenen
Einschränkungen ein erhöhter Beratungsbedarf zur möglichen Stärkung der Selbsthilfe
und zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.
Finanzierung:
Die Kosten
der Leistungsgewährung nach dem 4. Kapitel werden nach einer schrittweisen
Anhebung seit dem 01.01.2014 zu 100 % vom Bund getragen. Die Kosten des
3. Kapitels sind Kreismittel und werden indirekt über die Kreisumlage
mitfinanziert.
Fallzahlentwicklung:
Die
Fallzahlen sind seit der Einführung des SGB XII zum 01.01.2005 im Rahmen der
Hartz IV‑Reform kontinuierlich gestiegen. In den letzten Jahren ist
jedoch eine leichte Abflachung des Anstiegs erkennbar. Die letzte signifikante
Erhöhung der Fallzahlen erfolgte zum 01.01.2020 durch die Umsetzung des
Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wodurch bei Personen in stationären Einrichtungen
die Eingliederungshilfe und die Grundsicherung nicht mehr vom
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Hilfen aus einer Hand gewährt
werden. Während die Fachleistungsstunden beim LWL verbleiben, ist die
Grundsicherung vor Ort bei den Kommunen zu beantragen. Die einmalige Spitze im
Januar 2020 rührt von der gesetzlichen Regelung, die Einkünfte im Januar 2020
einmalig nicht zu berücksichtigen um den Übergang zwischen den Hilfesystemen zu
erleichtern. In vielen Fällen wurde daher nur einmalig in diesem Monat eine
Hilfe gezahlt.
(*Stand: 12/2021)
Die in den
Vorjahren auf die Entwicklung der Fallzahlen wirkenden vorrangigen Leistungen
(sog. „Mütterrente“, Erhöhung des Wohngeldes und Grundrente) sind in der Grafik
zur zeitlichen Einordnung abgebildet.
Die
zukünftige Fallzahlentwicklung ist maßgeblich von der demographischen
Entwicklung der Bevölkerung abhängig. In den kommenden Jahren werden die
„geburtenstarken Jahrgänge“ die Altersgrenze von aktuell 65 Jahren und 11
Monaten überschreiten und voraussichtlich für weiter steigende Fallzahlen
sorgen.
(*Stand 31.12.2021)
Die aktuell ca. 1.450 Fälle (=Haushalte) setzen sich aus ca. 1.665 Hilfeempfänger zusammen, die sich zu 57,5 % noch unter der Altersgrenze befinden und somit (dauerhaft) voll erwerbsgemindert sind.
(*Stand 12/2021
Die Struktur der Haushalte zeigt deutlich, dass die Hilfeempfänger überwiegend in Ein-Personen-Haushalten leben.
(*Stand
12/2021)
Grundrente:
Zum 01. Januar 2021 ist die Grundrente in Kraft getreten. Sie ist ein individueller Zuschlag zur Rente, der ohne separate Antragstellung berechnet und ausgezahlt wird. Der Grundrentenzuschlag wird für alle Rentenarten (Alters-, Witwen-, Witwer- sowie Erwerbsminderungsrenten) ausgezahlt, wenn mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten vorhanden sind. Die Nachberechnungen sind mittlerweile weitgehend abgeschlossen.
Die maximale Grundrente liegt aktuell bei 418 Euro; die Deutsche Rentenversicherung geht von einer durchschnittlichen Zahlung von ca. 75 Euro aus.
Bei der
Gewährung der SGB XII-Leistungen wird ein Freibetrag gewährt, der verhindert,
dass die bewilligte Grundrente vollständig auf die Sozialleistung angerechnet
wird. Der Freibetrag beträgt maximal 223 Euro und wird für das gesamte
Einkommen gewährt. Für die Berücksichtigung des Freibetrages ist
Voraussetzung, dass 33 Jahre Grundrentenzeiten vorliegen. Es ist nicht
notwendig, dass die leistungsbeziehende Person auch tatsächlich einen
Anspruch auf Grundrentenzuschlag hat. Im Ergebnis kann dadurch ein Leistungsanspruch
sogar erstmalig entstehen.
Bisher ist
aus den Fallzahlen aber keine signifikante Änderung durch die Einführung der
Grundrente erkennbar.
E-Akte:
Der Kreis
Steinfurt als Träger der Sozialhilfe hat die E-Akte im Mai 2021 für die
Kommunen als zentrales System eingeführt. Neben den Vorteilen der
elektronischen Aktenführung ist auch ein deutlicher Mehraufwand für das
Einscannen und einzelne Ablegen der Dokumente erkennbar.
Corona-Pandemie:
Nach nunmehr
zwei Jahren Corona-Pandemie hat sich die weitestgehend kontaktlose
Hilfegewährung auf beiden Seiten eingespielt. Nur in Ausnahmefällen sind
persönliche Vorsprachen notwendig und werden unter den gelten Hygieneregeln
durchgeführt. Die positiven Erfahrungen sollen zukünftig genutzt werden um den
Publikumsverkehr noch stärker auf ein Terminverfahren auszurichten und damit
das Beratungsangebot für die Bürgerinnen und Bürger weiter zu optimieren.
Bei der
Leistungsgewährung gelten bei der Vermögensprüfung großzügigere Grenzen, die
aber im Bereich der Leistungsgewährung nach dem SGB XII bisher nur eine
untergeordnete Rolle spielen.
Bei den Unterkunftskosten werden die tatsächlichen Kosten für Unterkunft
und Heizung anerkannt und auf Abmahnungen verzichtet. Sobald diese
Erleichterungen zurückgefahren und zu hohe Unterkunftskosten wieder abzumahnen
sind, ist mit zeitlicher Verzögerung aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes
mit zusätzlichen Räumungsklagen zu rechnen. An diesem Punkt soll die neu
einzurichtende Projektstelle für Wohnungsnotfälle helfen, Obdachlosigkeit zu
vermeiden und Kosten für Notunterbringungen zu sparen.
Heizkostenzuschuss:
Aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten plant die Bundesregierung
einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Empfänger von Wohngeld bzw. Leistungen
nach dem Ausbildungsförderungsgesetz. Empfänger von SGB XII-Leistungen werden
bei dem geplanten Heizkostenzuschuss nicht berücksichtigt, da im Rahmen der
Hilfegewährung die Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt
werden.