Betreff
Entwicklung der Tagespflege unter der Berücksichtigung von möglichen Großtagespflegestellen
Vorlage
142/13
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

  1. Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, bei der Neuerstellung der Richtlinien zur Kindertagespflege in Rheine die Option der Einrichtung von Großtagespflegestellen und deren Rahmenbedingungen zu integrieren. Über die in den Richtlinien festgelegten laufenden Geldleistungen für die Kindertagespflege hinaus soll eine Großtagespflege keine Besserstellung erfahren.

 


Begründung:

 

1.   Allgemeines zur Kindertagespflege

Die Kindertagespflege ist durch die Neufassung des Kinder- und Jugendhilferechts 1991 im SGB VIII (Jugendhilfegesetz) neu geregelt worden. Nachdem es meist in den ersten Jahren in vielen Jugendämtern ein „Schattendasein“ geführt hat, kamen der Kindertagespflege durch verschiedene bundesgesetzliche Initiativen (TAG, KICK und KiföG) eine größere Bedeutung und eine stärkere Profilierung zu. Inhaltlich gelten für die Kindertagespflege die gleichen Grundsätze wie in den Kindertageseinrichtungen mit den Förderaufträgen von Bildung, Betreuung und Erziehung.

Zwischen Bund, Länder und den Kommune wurde 2007 auf dem sogenannten Krippengipfel vereinbart, dass bis 2013 ein bedarfsdeckendes Angebot an qualifizierten Betreuungsplätzen für die Altersgruppe der unter Dreijährigen zu entwickeln sei. Aktuell besteht zum Kindergartenjahr 2013/14 ein Rechtsanspruch  auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Auf Vorschlag des Bundes sollen 30% der Betreuungsplätze über die Angebote der Kindertagespflege sichergestellt werden.

In der Kindertagespflege betreut eine qualifizierte Tagespflegeperson ein bis fünf Kinder auf der Grundlage eine Tagespflegeerlaubnis des Jugendamtes im Regelfall in den eigenen Räumlichkeiten, in Ausnahmen in den Räumen der Eltern der zu betreuenden Kinder.

Über einen Zusammenschluss von zwei oder drei Tagespflegepersonen besteht die Option bis zu 9 Kinder gleichzeitig in der Tagespflege zu betreuen. Diese Betreuungsform wird als Großtagespflegestelle bezeichnet und bildet eine Zwischenform zwischen der familiennahen und bindungsintensiven klassischen Tagespflege und institutionellen Gruppenbetreuungen in Kindertageseinrichtungen (bspw. Gruppentyp II).  

 

2.   Aktuelle Entwicklung in der Kindertagespflege

Zum Stand 01.02.2013 werden 211 Kinder aus Rheine in Tagespflege betreut. Davon 42 Kinder aus der Altergruppe 6 – 14 Jahre, 24 im Alter von 3 – 6 Jahren und 145 unter Dreijährige.

In dem Zeitraum vom 01.02.2011 mit 75 unter Dreijährigen (01.12.2012 mit 91)  bis jetzt mit 145 unter Dreijährigen hat sich die Anzahl der in Tagespflege betreuten Kinder nahezu verdoppelt.

 

3.   Organisation der Kindertagespflege in Rheine

Die Aufgabenwahrnehmung der Kindertagespflege in Rheine ist organisiert im Produkt „Förderung junger Menschen und Familien“ und damit im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes.

Die Ausbildung der Tagespflegepersonen wird auf der Grundlage des Kurrikulums des DJI über wechselnde Angebote der beiden Bildungsträger Familienbildungsstätte und Jugend- und Familiendienst sichergestellt. Die Grundausbildung wird ergänzt durch regelmäßige Fortbildungsangebote zu unterschiedlichen Themen von Kindheit und Kindertagesbetreuung.

Interessenten an Kindertagespflege können sich in Rheine an die Fachberaterinnen für Kindertagespflege des CV Rheine wenden, die die Aufgaben der Akquise von Tagespflegepersonen, Antragsannahme und –bearbeitung, Bedarfsprüfung, Beratung und Begleitung von Tagespflegeverhältnissen, Prüfung der zur Erteilung von Pflegeerlaubnissen, sowie die Qualitätsentwicklung im Aufgabenfeld wahrnehmen. (Siehe dazu auch Prozesskette Kindertagespflege als Anlage 1)

Von Fachkräften des Jugendamtes werden die Tätigkeiten der Festlegung des Elternbeitrages, die Bescheiderteilung und die Berechnung der laufenden Geldleistung umgesetzt. Ferner wird die Gesamtverantwortung für die Kindertagespflege in Rheine wahrgenommen und die Abstimmung mit anderen Kommunen umgesetzt.

 

4.   Ergänzung der Angebotsstruktur durch die mögliche Einrichtung von Großtagespflegestellen

Im Kinderbildungsgesetz ist in § 4 Abs. (1) Satz 4 folgendes zur Großtagespflegestellen formuliert: Wenn sich Tagesmütter oder –väter zusammenschließen, so können höchstens neun Kinder insgesamt durch mehrere Tagesmütter oder –väter mit einer Pflegeerlaubnis nach § 43 SGB VIII betreut werden.  Damit ist die sogenannte Großtagespflege zunächst in zwei Rahmenbedingungen normiert. Erstens durch die Tatsache von mindestens zwei oder mehreren qualifizierten Betreuungspersonen und durch die Betreuungshöchstgrenze von bis zu 9 Kindern in der Großtagespflege.

In der Landschaft der Tagespflege finden sich unterschiedliche Ausprägungen von Großtagespflegestellen in Kommunen. Diese gehen von der Bedingung nach mindestens einer ausgebildeten Erzieherin, Aufsichtspflichtregelungen und Bindungszuordnungen, bis hin zu bauaufsichtsrechtlichen Nutzungsänderungen und Finanzierungsplänen. Regelungen dazu sind Gegenstand der jeweiligen Richtlinien der Kommune.

Eine nachfolgende Synopse soll die Entscheidung, ob in Rheine zukünftig die Möglichkeit der Kindertagesbetreuung mittels einer Großtagespflege eingeräumt werden soll, unterstützen:

 

 

Pro

Contra

Fokus

Kind

·      Eine altersgemischte Gruppe kann in einem überschaubaren Rahmen verschiedene Spiel- und Beziehungspartner bieten.

·      Eine konstante Bezugsperson kann Verlässlichkeit vermitteln.

·      Für sehr kleine Kinder kann der Gruppenrahmen zu groß und unüberschaubar sein.

·      Unterschiedliche Bedürfnisse sind schwer vereinbar.

·      Das „Plus“ des familiären Charakters kann in extra Räumen schnell verloren gehen.

Fokus

Eltern

·      Die Verlässlichkeit bei kurzfristigen Ausfällen kann besser umgesetzt werden. (Vertretung im Team)

·      Auf Besonderheiten des Kindes (Ernährung, ges. Einschränkungen) kann Rücksicht genommen werden.

·      Der größere Rahmen kann anonymer und distanzierter auf Eltern wirken.

·      Aufgrund der notwendigen Arbeitsorganisation kann die Flexibilität eingeschränkt sein.

·      Die individuellen Bedürfnisse der Kinder können evt. nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Fokus

Tagespflegeperson

·      Tätigkeit im Team.

·      Kann für Erzieherinnen eine Alternative als „Selbstständige“ sein.

·      Die Tätigkeit in gesonderten Räumen bietet Abgrenzung und Trennung von Beruf und Privat.

·      „Extraräume“ bedeuten eine orga. Aufwand und Verpflichtungen (Miete, etc.)

·      Soziale Absicherung muss gesond. betrieben werden.

·      Teamarbeit kann auch zus. Abstimmungsbedarf bedeuten.

·      Die Vereinbarkeit von Familien und Beruf ist in Einzeltagespflege leichter umsetzbar.

Fokus

Öffentl.

Träger

·      Das privatwirtschaftliche Risiko liegt bei den selbstständigen Erzieherinnen.

·      Erweiterung des pluralen Angebotes der Kindertagesbetreuung.

·      Großtagespflegestellen können auch von Firmen eingerichtet und betrieben werden. 

 

·      Vergleichbares Angebot zur institutionellen Betreuung nach dem Gruppenform II mit reduziertem Qualitätsstandard.

·      Aufgrund der hohen Landesmittel für Angebote für unter Dreijährige (ca. 56%) in den ges. Betriebsaufwendungen ist die Großtagespflege vorauss. kostenintensiver.

 

Der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie der Stadt Rheine geht davon aus, dass die Einrichtung von einer Großtagespflegestelle über den Zusammenschluss von Tagespflegepersonen grundsätzlich nicht wirkungsvoll verhindert werden kann, da der Gesetzgeber diese Option eingeräumt hat. Allerdings können über Regelungen zur Großtagespflegestellen in den neu zu fassenden Richtlinien der Kindertagespflege Rahmenbedingungen gesetzt werden, die einen bestimmten Qualitätsstandard sicherstellen können.

Die Fachberatung der Kindertagespflege des Caritasverbandes hat sich zur Frage eines notwenigen zusätzlichen Ausbaus an Kindertagespflege über die Einrichtung von Großtagespflegestellen und Sonderwerbeaktionen zur Gewinnung von Tagespflegepersonen eher zurückhalten gezeigt. Hintergrund ist die Tatsache, dass aktuell regelmäßig von den beiden Bildungsträgern Tagespflegepersonen weitergebildet werden, die zukünftig die bestehenden Tagespflegestellen ergänzen werden. Ferner hat sich in den letzten beiden Jahren gezeigt, dass einzelne Tagespflegestellen ihre Betreuungskapazitäten erweitert und eine Pflegeerlaubnis in einem größeren Umfang erhalten hatten. Eine gezielte Förderung des Ausbaus von Großtagespflegestellen könnte demnach auch zufolge haben, dass eine unerwünschte Konkurrenz zu den familiären Tagespflegestellen entstehen würde.

Einzelne Kommune haben zur Einführung von Großtagespflegestellen in Richtlinien gesonderte Betriebskostenzuschüssen verabschiedet.

Aufgrund der v. g. aktuellen Entwicklung in der Tagespflege und der These von nicht förderlicher Konkurrenz auf dem Gebiet der Kindertagespflege spricht sich der Fachbereich gegen eine mögliche Besserstellung von Großtagespflegestellen in Form von Betriebskostenzuschüssen aus. Die in den Richtlinien definierten bestehenden laufenden Geldleistungen für Tagespflegepersonen müssten demnach als Grundlage für den Finanzierungsplan von möglichen Interessenten von Großtagespflegestellen herangezogen werden.

Abschließend vertritt der Fachbereich die Auffassung, dass die Option von Großtagespflegestellen in den neu zu fassenden Richtlinien der Kindertagespflege mit einschlägigen Rahmenbedingungen zum Qualitätsstandard ohne gesonderte Betriebskostenzuschüsse Berücksichtigung finden soll.