Beschlussvorschlag/Empfehlung:
- Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen
der Verwaltung zur Kenntnis.
- Die Verwaltung wird beauftragt, bei der
Neuerstellung der Richtlinien zur Kindertagespflege in Rheine die Option
der Einrichtung von Großtagespflegestellen und deren Rahmenbedingungen zu
integrieren. Über die in den Richtlinien festgelegten laufenden
Geldleistungen für die Kindertagespflege hinaus soll eine Großtagespflege
keine Besserstellung erfahren.
Begründung:
1.
Allgemeines zur
Kindertagespflege
Die
Kindertagespflege ist durch die Neufassung des Kinder- und Jugendhilferechts
1991 im SGB VIII (Jugendhilfegesetz) neu geregelt worden. Nachdem es meist in
den ersten Jahren in vielen Jugendämtern ein „Schattendasein“ geführt hat,
kamen der Kindertagespflege durch verschiedene bundesgesetzliche Initiativen
(TAG, KICK und KiföG) eine größere Bedeutung und eine stärkere Profilierung zu.
Inhaltlich gelten für die Kindertagespflege die gleichen Grundsätze wie in den
Kindertageseinrichtungen mit den Förderaufträgen von Bildung, Betreuung und
Erziehung.
Zwischen
Bund, Länder und den Kommune wurde 2007 auf dem sogenannten Krippengipfel
vereinbart, dass bis 2013 ein bedarfsdeckendes Angebot an qualifizierten
Betreuungsplätzen für die Altersgruppe der unter Dreijährigen zu entwickeln
sei. Aktuell besteht zum
In
der Kindertagespflege betreut eine qualifizierte Tagespflegeperson ein bis fünf
Kinder auf der Grundlage eine Tagespflegeerlaubnis des Jugendamtes im Regelfall
in den eigenen Räumlichkeiten, in Ausnahmen in den Räumen der Eltern der zu
betreuenden Kinder.
Über
einen Zusammenschluss von zwei oder drei Tagespflegepersonen besteht die Option
bis zu 9 Kinder gleichzeitig in der Tagespflege zu betreuen. Diese
Betreuungsform wird als Großtagespflegestelle bezeichnet und bildet eine
Zwischenform zwischen der familiennahen und bindungsintensiven klassischen
Tagespflege und institutionellen Gruppenbetreuungen in Kindertageseinrichtungen
(bspw. Gruppentyp II).
2.
Aktuelle
Entwicklung in der Kindertagespflege
Zum
Stand 01.02.2013 werden 211 Kinder aus Rheine in Tagespflege betreut. Davon 42
Kinder aus der Altergruppe 6 – 14 Jahre, 24 im Alter von 3 – 6 Jahren und 145
unter Dreijährige.
In
dem Zeitraum vom 01.02.2011 mit 75 unter Dreijährigen (01.12.2012 mit 91) bis jetzt mit 145 unter Dreijährigen hat sich
die Anzahl der in Tagespflege betreuten Kinder nahezu verdoppelt.
3.
Organisation der
Kindertagespflege in Rheine
Die
Aufgabenwahrnehmung der Kindertagespflege in Rheine ist organisiert im Produkt
„Förderung junger Menschen und Familien“ und damit im Allgemeinen Sozialen
Dienst des Jugendamtes.
Die
Ausbildung der Tagespflegepersonen wird auf der Grundlage des Kurrikulums des
DJI über wechselnde Angebote der beiden Bildungsträger Familienbildungsstätte
und Jugend- und Familiendienst sichergestellt. Die Grundausbildung wird ergänzt
durch regelmäßige Fortbildungsangebote zu unterschiedlichen Themen von Kindheit
und Kindertagesbetreuung.
Interessenten
an Kindertagespflege können sich in Rheine an die Fachberaterinnen für Kindertagespflege
des CV Rheine wenden, die die Aufgaben der Akquise von Tagespflegepersonen,
Antragsannahme und –bearbeitung, Bedarfsprüfung, Beratung und Begleitung von
Tagespflegeverhältnissen, Prüfung der zur Erteilung von Pflegeerlaubnissen,
sowie die Qualitätsentwicklung im Aufgabenfeld wahrnehmen. (Siehe dazu auch
Prozesskette Kindertagespflege als Anlage 1)
Von
Fachkräften des Jugendamtes werden die Tätigkeiten der Festlegung des
Elternbeitrages, die Bescheiderteilung und die Berechnung der laufenden Geldleistung
umgesetzt. Ferner wird die Gesamtverantwortung für die Kindertagespflege in
Rheine wahrgenommen und die Abstimmung mit anderen Kommunen umgesetzt.
4.
Ergänzung der
Angebotsstruktur durch die mögliche Einrichtung von Großtagespflegestellen
Im
Kinderbildungsgesetz ist in § 4 Abs. (1) Satz 4 folgendes zur Großtagespflegestellen
formuliert: Wenn sich Tagesmütter oder
–väter zusammenschließen, so können höchstens neun Kinder insgesamt durch
mehrere Tagesmütter oder –väter mit einer Pflegeerlaubnis nach § 43 SGB VIII
betreut werden. Damit ist die
sogenannte Großtagespflege zunächst in zwei Rahmenbedingungen normiert. Erstens
durch die Tatsache von mindestens zwei oder mehreren qualifizierten
Betreuungspersonen und durch die Betreuungshöchstgrenze von bis zu 9 Kindern in
der Großtagespflege.
In
der Landschaft der Tagespflege finden sich unterschiedliche Ausprägungen von
Großtagespflegestellen in Kommunen. Diese gehen von der Bedingung nach
mindestens einer ausgebildeten Erzieherin, Aufsichtspflichtregelungen und
Bindungszuordnungen, bis hin zu bauaufsichtsrechtlichen Nutzungsänderungen und
Finanzierungsplänen. Regelungen dazu sind Gegenstand der jeweiligen Richtlinien
der Kommune.
Eine
nachfolgende Synopse soll die Entscheidung, ob in Rheine zukünftig die
Möglichkeit der Kindertagesbetreuung mittels einer Großtagespflege eingeräumt
werden soll, unterstützen:
|
Pro |
Contra |
Fokus Kind |
·
Eine
altersgemischte Gruppe kann in einem überschaubaren Rahmen verschiedene
Spiel- und Beziehungspartner bieten. ·
Eine konstante
Bezugsperson kann Verlässlichkeit vermitteln. |
·
Für sehr kleine
Kinder kann der Gruppenrahmen zu groß und unüberschaubar sein. ·
Unterschiedliche
Bedürfnisse sind schwer vereinbar. ·
Das „Plus“ des
familiären Charakters kann in extra Räumen schnell verloren gehen. |
Fokus Eltern |
·
Die
Verlässlichkeit bei kurzfristigen Ausfällen kann besser umgesetzt werden.
(Vertretung im Team) ·
Auf
Besonderheiten des Kindes (Ernährung, ges. Einschränkungen) kann Rücksicht
genommen werden. |
·
Der größere
Rahmen kann anonymer und distanzierter auf Eltern wirken. ·
Aufgrund der
notwendigen Arbeitsorganisation kann die Flexibilität eingeschränkt sein. ·
Die
individuellen Bedürfnisse der Kinder können evt. nicht ausreichend
berücksichtigt werden. |
Fokus Tagespflegeperson |
·
Tätigkeit im
Team. ·
Kann für
Erzieherinnen eine Alternative als „Selbstständige“ sein. ·
Die Tätigkeit
in gesonderten Räumen bietet Abgrenzung und Trennung von Beruf und Privat. |
·
„Extraräume“
bedeuten eine orga. Aufwand und Verpflichtungen (Miete, etc.) ·
Soziale
Absicherung muss gesond. betrieben werden. ·
Teamarbeit kann
auch zus. Abstimmungsbedarf bedeuten. ·
Die
Vereinbarkeit von Familien und Beruf ist in Einzeltagespflege leichter umsetzbar. |
Fokus Öffentl. Träger |
·
Das
privatwirtschaftliche Risiko liegt bei den selbstständigen Erzieherinnen. ·
Erweiterung des
pluralen Angebotes der Kindertagesbetreuung. ·
Großtagespflegestellen
können auch von Firmen eingerichtet und betrieben werden. |
·
Vergleichbares
Angebot zur institutionellen Betreuung nach dem Gruppenform II mit
reduziertem Qualitätsstandard. ·
Aufgrund der
hohen Landesmittel für Angebote für unter Dreijährige (ca. 56%) in den ges.
Betriebsaufwendungen ist die Großtagespflege vorauss. kostenintensiver. |
Der
Fachbereich Kinder, Jugend und Familie der Stadt Rheine geht davon aus, dass
die Einrichtung von einer Großtagespflegestelle über den Zusammenschluss von
Tagespflegepersonen grundsätzlich nicht wirkungsvoll verhindert werden kann, da
der Gesetzgeber diese Option eingeräumt hat. Allerdings können über Regelungen
zur Großtagespflegestellen in den neu zu fassenden Richtlinien der
Kindertagespflege Rahmenbedingungen gesetzt werden, die einen bestimmten
Qualitätsstandard sicherstellen können.
Die
Fachberatung der Kindertagespflege des Caritasverbandes hat sich zur Frage
eines notwenigen zusätzlichen Ausbaus an Kindertagespflege über die Einrichtung
von Großtagespflegestellen und Sonderwerbeaktionen zur Gewinnung von Tagespflegepersonen
eher zurückhalten gezeigt. Hintergrund ist die Tatsache, dass aktuell
regelmäßig von den beiden Bildungsträgern Tagespflegepersonen weitergebildet
werden, die zukünftig die bestehenden Tagespflegestellen ergänzen werden.
Ferner hat sich in den letzten beiden Jahren gezeigt, dass einzelne
Tagespflegestellen ihre Betreuungskapazitäten erweitert und eine
Pflegeerlaubnis in einem größeren Umfang erhalten hatten. Eine gezielte
Förderung des Ausbaus von Großtagespflegestellen könnte demnach auch zufolge
haben, dass eine unerwünschte Konkurrenz zu den familiären Tagespflegestellen
entstehen würde.
Einzelne
Kommune haben zur Einführung von Großtagespflegestellen in Richtlinien
gesonderte Betriebskostenzuschüssen verabschiedet.
Aufgrund
der v. g. aktuellen Entwicklung in der Tagespflege und der These von nicht
förderlicher Konkurrenz auf dem Gebiet der Kindertagespflege spricht sich der
Fachbereich gegen eine mögliche Besserstellung von Großtagespflegestellen in
Form von Betriebskostenzuschüssen aus. Die in den Richtlinien definierten
bestehenden laufenden Geldleistungen für Tagespflegepersonen müssten demnach
als Grundlage für den Finanzierungsplan von möglichen Interessenten von
Großtagespflegestellen herangezogen werden.
Abschließend
vertritt der Fachbereich die Auffassung, dass die Option von
Großtagespflegestellen in den neu zu fassenden Richtlinien der Kindertagespflege
mit einschlägigen Rahmenbedingungen zum Qualitätsstandard ohne gesonderte
Betriebskostenzuschüsse Berücksichtigung finden soll.