Betreff
Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII im Aufgabenbereich der erzieherischen Hilfen – Antrag der Fraktion Bündnis 90 die Grünen aus März 2013
Vorlage
335/13
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

  1. Die Verwaltung wird beauftragt die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft der Beratungseinrichtungen der Jugendhilfe nach § 78 SGB VIII in der zweiten Jahreshälfte 2013 umzusetzen. Eine von den Mitgliedern der AG erarbeitete Geschäftsordnung wird dem Jugendhilfeausschuss nach Implementierung vorgelegt.
  2. Auf die  Gründung einer weiteren Arbeitsgemeinschaft Erziehungshilfe nach § 78 SGB VIII, wie im Antrag von Bündnis 90 die Grünen dargestellt, wird vorerst aus Gründen der Arbeitsökonomie und der abzuwartenden Erfahrungen der neuen AG Netzwerk Frühe Hilfen und Kinderschutz verzichtet.

Begründung:

 

Mit Schreiben vom 17. April 2013 hat die Fraktion „Bündnis 90 die Grünen“ einen Antrag zur Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft „Erzieherische Hilfen“ nach § 78 SGB VIII an den Jugendhilfeausschuss gestellt.

 

Die Fraktion „Bündnis 90 die Grünen“ bezieht sich in der Antragstellung auf die Ausführungen des § 78 Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII).

Darin heißt es, wie im Antrag richtig dargestellt:

„Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Bildung von Arbeitsgemeinschaften anstreben, in denen neben ihnen die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe sowie die Träger geförderter Maßnahmen vertreten sind. In den Arbeitsgemeinschaften soll darauf hingewirkt werden, dass die geplanten Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden und sich gegenseitig ergänzen.“

 

Nach dem Frankfurter Kommentar zum § 78 SGB VIII besteht eine objektiv-rechtliche Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Arbeitsgemeinschaften einzurichten. Faktisch bedeutet dieses, dass der öffentliche Träger eine sogenannte Hinwirkungsverpflichtung hat, und sich bemühen soll eine Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften zu realisieren. In Ergänzung dazu führt der Frankfurter Kommentar aus, dass sich für freie Träger aus dem Gesetz keine subjektiven Rechtsansprüche zu einer eingerichteten AG ergeben, insbesondere nicht zu einer bestimmten thematischen oder organisatorischen Form.

Da auch die Träger aus dem Gesetz heraus nicht verpflichtet sind oder werden können an Arbeitsgemeinschaften teilzunehmen, macht daher nur dann die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften Sinn, wenn eine Mehrheit der infrage kommenden Träger diese befürwortet und eine regelmäßige Mitwirkung sicherzustellen beabsichtigt und sich entsprechende Themenstellungen abzeichnen.

 

Zu den Fragestellungen der Befürwortung, der regelmäßige Mitwirkung an einer möglichen Arbeitsgemeinschaft und zu möglichen Themenstellungen hat der Fachbereich Jugend, Familie und Soziales im Mai und Juni eine telefonische Kurzbefragung bei den anerkannten Trägern der freien Jugendliche und den Trägern geförderter Maßnahmen im Aufgabenbereich der erzieherischen Hilfen durchgeführt. Gefragt wurde

-      nach der generellen Befürwortung oder Ablehnung einer AG

-      nach den Gründen für diese Position

-      nach der Mitwirkungsbereitschaft

-      nach Vorstellungen zur Frequenz von Arbeitstreffen

-      nach Sachthemen, die im Rahmen der AG bearbeitet werden könnten 

 

Die Ergebnisse dieser Befragung werden im Folgenden zusammengefasst wiedergegeben:

  1. 75% der Befragten befürworteten eine Einrichtung einer AG, einige allerdings mit einschränkenden Anmerkungen zu einer effektiven Gruppengröße.
  2. Als Begründungen wurden angeführt, Vernetzung, Information über die jeweiligen Angebote, Abstimmung von Maßnahmen und die Tatsache, dass man es sich nicht leisten könne, nicht mit im Boot zu sein.
  3. Bei den 25% der Nichtbefürworter wurden Effektivität, Offenheit und kein Bedarf als Gründe benannt.
  4. Die Befürworter sind bereit, eine regelmäßige Mitwirkung sicherzustellen.
  5. Für die Frequenz von Arbeitstreffen wurden mehrheitlich 2-3 Treffen im Jahr benannt.
  6. Zu Themen- und Arbeitsvorschlägen wurden in abnehmender Häufigkeit benannt,
    1. Vernetzung und Informationen
    2. Fachlich-methodischer Austausch und Qualitätsdialog
    3. Steuerung von Hilfen und Hilfeplanungsverfahren
    4. Fachleistungsstunden und Entgelte
    5. Strategische Steuerung der Jugendhilfe im Sozialraum
    6. Trägerverträge und Offenlegung von statistischen Daten der individuellen Hilfeerbringung
  7. Angemerkt wurde über die Befragung hinaus, dass
    1. die Mehrzahl der Träger untereinander in Konkurrenz stehen würden,
    2. Transparenz und Offenheit nicht sicher gewährleistet seien,
    3. Eine feste Organisationsform nicht unbedingt notwendig sei, da Themen auch anders bearbeitet werden könnten.

 

Aus dieser Kurzbefragung ergibt sich mit Einschränkungen ein mehrheitlich positives Bild zur Befürwortung einer  noch nicht näher definierten Form einer Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII. Die Themenstellungen sind aber vielschichtig und unterschiedlich von Trägern gewichtet worden. Die formulierten Wünsche nach Vernetzung und Information über die jeweiligen Angebote der Träger können sicherlich auch außerhalb von einer sogenannten Arbeitsgemeinschaft Erziehungshilfe in Initiative der Träger untereinander organisiert und umgesetzt werden, oder auch in der vorgeschlagenen AG Netzwerk Frühe Hilfen und Kinderschutz realisiert werden. Für die Bearbeitung von o. g. spezifischen Themenstellungen der Erziehungshilfe (Qualitätsdialog, Hilfeplanungsverfahren, Fachleistungsstunden) strebt der Fachbereich Jugend, Familie und Soziales an, in 2014 thematisch orientierte Arbeits- und Wirksamkeitsdialoge mit den jeweils betroffenen Trägern einzurichten und nach Umsetzung der Aufgabenstellung zu beenden. Eine Dauereinrichtung einer reinen AG Erziehungshilfe wird aus fachlichen und arbeitsökonomischen Gründen vom Fachbereich Jugend, Familie und Soziales aktuell nicht befürwortet.

 

Die Formulierungen des § 78 SGB VIII sind als Hinweis für die Themen von Arbeitsgemeinschaften, die Besetzungen und zeitlichen Organisationen sehr offen gehalten, so dass sich diese Inhalte in der Praxis an den gemeinsamen oder mehrheitlichen Themenstellungen der Beteiligten orientieren, oder durch eine Beschlussfassung und Beauftragung im Jugendhilfeausschuss erfolgen.

 

In dem Antrag der Fraktion „Bündnis 90 die Grünen“ ist auch die Forderung enthalten: „Vor Beratung im JHA bezüglich Vertragsgestaltungen mit freien Trägern der Jugendhilfe sind die Verträge in der AG 78 vorzustellen.“ Diese dezidierte Forderung wird von Seiten der Verwaltung kritisch gesehen, da diese deutlich über die eigentlichen Zielsetzungen von Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII hinausgeht und darauf abzielt im vorpolitischen Raum privatrechtliche Vertragsbeziehungen öffentlich zu erörtern. Eine solche Umsetzung kommt für die Verwaltung nicht in Frage.

 

Nach der Kommentierung soll es in Arbeitsgemeinschaften um die angemessene fachliche Gestaltung der Jugendhilfeangebote unter Einbeziehung der Träger in einer Kommune und um die Gewinnung von Meinungen der Träger vor neuen Entwicklungen gehen. Die im § 80 SGB VIII normierte Gesamtverantwortung des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe für die Planung der Jugendhilfe bleibt davon unberührt, wenn auch der § 80 von einer Beteiligung der freien Träger der Jugendhilfe in dem Gesamtplanungsprozessen ausgeht.

 

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Befragung bei den Trägern und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die ambulanten und stationären Angebote einer einzelfallbezogen Steuerung unterliegen und die verschiedenen Leistungsanbieter auch in Konkurrenz zueinander stehen, soll vom Fachbereich Jugend, Familie und Soziales zunächst auf die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft Netzwerk Frühe Hilfen und Kinderschutz hingewirkt werden. In der Sitzung des JHA vom 11.04.2013 – Vorlage 191/13 ist die Koordination und Vernetzung der Frühen Hilfen beraten und beschlossen worden. Verschiedene Träger von Erziehungshilfeangeboten, Beratungsleistungen, anderen sozialen Unterstützungsleistungen, oder Hilfen aus dem Gesundheitswesen beteiligen sich bereits  an den regelmäßigen Sitzungen im Netzwerk der Frühen Hilfen und bringen sich ein. Aus diesem Grund kann die Arbeit im Netzwerk Frühe Hilfen auch als AG nach § 78 SGB VIII weitergeführt werden. Um den Kreis der Mitwirkenden im Sinne der Zielsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes nicht einzugrenzen, wird zunächst auf eine Definition der Mitglieder der neuen AG verzichtet und eine Beteiligung über die Jugendhilfe hinaus angestrebt. Die Besetzung der Koordination, die Implementierung einer Geschäftsordnung und die ersten Sitzungen sollen zunächst abgewartet werden.

 

Für die nähere Zukunft ist von Seiten der Verwaltung beabsichtigt, die ambulanten Träger von Jugendhilfeleistungen in einen Qualitätsdialog einzubinden und auch Fragen zur Organisation und zum Entgelt von Fachleistungsstunden zu überarbeiten. Dazu ist es aus der Sicht der Verwaltung aktuell nicht notwendig,  eine Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII einzurichten, da der Jugendhilfeausschuss auch unabhängig von einer Einrichtung über den Prozess und die Ergebnisse informiert werden wird und auch arbeitsökonomische Rahmenbedingungen auf Seiten der freien Träger und des öffentlichen Trägers berücksichtigt werden sollten. Auch sprechen Erfahrungen aus anderen Kommunen vergleichbarer oder größerer Größenordnung nicht unbedingt für eine AG „Erziehungshilfe“, da diese aufgrund der Anzahl der Träger und Dienste in punkto Arbeitsfähigkeit und aufgrund der Dominanz der wirtschaftlichen Themen mittlerweile kritisch gesehen wird.