Betreff
Vorgaben und Regelungen zu Photovoltaik-Freiflächenanlagen
I. Kenntnisnahme und Beschluss zur Beauftragung
Vorlage
622/21
Aktenzeichen
PG 5.1 - hs
Art
Beschlussvorlage

Bechlussvorschlag:

 

I.     Kenntnisnahme und Grundsatzbeschluss

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, Kriterien für die planerische Steuerung von Freiflächenphotovoltaikanlagen zu erarbeiten und anhand dieser eine Potenzialflächenanalyse zur Steuerung der zukünftigen Entwicklung zu erstellen.

 

 

 

Begründung:

 

Im Zuge der bundesweiten Diskussionen um Atom- und Kohleausstieg, um Energiewende und Klimawandel sowie der damit verbundenen Forcierung der erneuerbaren Energien werden immer häufiger Anfragen zu Realisierungsmöglichkeiten von Photovoltaikanlagen nicht nur auf Gebäuden bzw. Dächern, sondern auch auf Freiflächen insbesondere auf landwirtschaftlichen Flächen an die Verwaltung gerichtet. In der Regel handelt es sich hier um externe Projektentwickler bzw. Photovoltaik-Spezialisten, die Landwirte direkt ansprechen und bei Interesse das weitere Projektmanagement übernehmen.

 

Welche Vorgaben und Regelungen hinsichtlich der Solarenergienutzung auf Freiflächen existieren, wird im Folgenden dargestellt.

 

 

1.         Landesentwicklungsplan NRW

 

Für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen ist zunächst der „Landesentwicklungsplan“ vom 06.08.2019 zu beachten. Er regelt im Ziel 10.2-5, dass „die Inanspruchnahme von Flächen für die raumbedeutsame Nutzung der Solarenergie möglich ist, wenn der Standort mit der Schutz- und Nutzfunktion der jeweiligen Festlegung im Regionalplan vereinbar ist und es sich um … Standorte entlang von Bundesfernstraßen oder Schienenwegen mit überregionaler Bedeutung handelt.“

 

Anmerkung: Die mögliche „Wiedernutzung (für PV-Anlagen) auf gewerblichen, bergbaulichen, verkehrlichen oder wohnungsbaulichen Brachflächen oder baulich geprägten militärischen Konversionsflächen“ wird hier nicht weiter betrachtet, weil es im Stadtgebiet Rheine an diesbezüglich geeigneten Flächenpotenzialen fehlt.

 

Im Gegensatz zu Windenergieanlagen und energetischen Biomasseanlagen sind Freiflächen-Solarenergieanlagen nicht bauplanungsrechtlich privilegiert. Für eine Photovoltaik-Freiflä-chenanlage (PV-Freiflächenanlage), die im Außenbereich als selbständige Anlage errichtet werden soll, ist ein Bebauungsplan aufzustellen, der an die Festlegungen der landesplanerischen Vorgaben und des Regionalplans, die für das Planungsgebiet bestehen, anzupassen ist. Da der Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln ist, muss demnach auch zuvor oder parallel eine Flächennutzungsplanänderung erfolgen.

 

 

2.         Regionalplan Münsterland

 

Das dem „Landesentwicklungsplan“ nachgeordnete, diesen weiter konkretisierende Planwerk, ist der „Regionalplan Münsterland“ vom 27.06.2014. In seinem „Sachlichen Teilplan Energie“ vom 16.02.2016 werden ebenfalls von den Kommunen zu beachtende Ziele festgelegt und erläutert. Im Ziel 8.2 wird geregelt, dass, „die Darstellung von „besonderen Bauflächen“ für Solarenergieanlagen in den Flächennutzungsplänen nur ausnahmsweise … zulässig ist, wenn es sich … um Standorte entlang von Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen) und Schienenwegen mit überregionaler Bedeutung handelt.“

 

Zudem wird ausgeführt, dass „Solarenergieanlagen auf Freiflächen … ab einer Flächengröße vom mehr als 10 ha … als Allgemeiner Freiraum- und Agrarbereich mit der zweckgebundenen Nutzung „Regenerative Energien“ darzustellen sind“. Die 10 ha-Darstellungsrelevanz werden zwar von den angefragten Flächen weit unterschritten, bedürfen allerdings trotzdem einer landesplanerischen Anfrage gemäß § 34 Landesplanungsgesetz; dies aufgrund anderweitiger Auswirkungen, Beeinträchtigungen bzw. möglicher Konfliktlagen. Eine Regionalplan-Än-derung oder ein Zielabweichungsverfahren ist in der Regel nicht erforderlich.

 

Ziel 8.3 ergänzt, dass „bei der Inanspruchnahme der o.g. Flächen sicherzustellen ist, dass erhebliche Beeinträchtigungen des Arten- und Biotopschutzes, der landwirtschaftlichen Nutzung … und des Orts- und Landschaftsbildes auch in der Umgebung ausgeschlossen werden. Die Entstehung von bandartigen Strukturen ist zu vermeiden.“

 

Bereits im Regionalplan werden die möglichen Nutzungskonflikte thematisiert. Darin heißt es, dass die Gebietskategorien des „Freiraums“ – aufgrund der starken Flächenkonkurrenz insbesondere des agrarstrukturellen Flächendrucks im Münsterland – grundsätzlich nicht für die Nutzung durch PV-Freiflächenanlagen geeignet sind. So sollen auch landwirtschaftliche Nutzflächen nicht durch weitere Nutzungen, sei es als Anlagenstandort der Solarenergieanlage selbst oder auch für die damit im Zusammenhang stehenden Kompensationsmaßnahmen, in Anspruch genommen werden.

 

Ausgenommen von der kritischen bis ablehnenden Haltung der Regionalplanung hinsichtlich der PV-Freiflächenanlagen sind die Standorte entlang der großen linienhaften Verkehrsbänder, die in der Landschaft bereits zu deutlichen, massiven Zerschneidungseffekten geführt haben. Der Regionalplan benennt ausdrücklich Autobahnen, mehrspurige Bundesstraßen und Schienenwege mit überregionaler Bedeutung.

 

Für die Stadt Rheine kämen insofern die Autobahn 30, die Bahnstrecken Emden–Münster sowie Rheine–Osnabrück in Betracht. Daher könnten die Vorbelastungen des Freiraums entlang der benannten Trassen bzw. Randstreifen aufgegriffen und als Standorte ausnahmsweise angeboten werden.

 

 

3.         Erneuerbare-Energien-Gesetz

 

Auch das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ (EEG 2021) bezieht sich insbesondere auf Autobahnen und Schienenwege, also nicht explizit auch auf Bundesstraßen.

In § 48 Abs. 1 Nr. 3 EEG heißt es, dass eine Einspeisevergütung erfolgt (derzeit ca. 6 Cent pro kWh; 2009: 32 Cent), wenn „die Anlage im Bereich eines beschlossenen Bebauungsplanes … errichtet worden ist und … sich auf Flächen befindet, die längs von Autobahnen oder Schienenwegen liegen, und die Anlage in einer Entfernung von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der (befestigten) Fahrbahn, errichtet worden und innerhalb dieser Entfernung ein längs zur Fahrbahn gelegener und mindestens 15 Meter breiter Korridor freigehalten worden ist“.

 

Voraussetzung für eine Förderung bzw. eine Teilnahme an EEG-Ausschreibungen ist also auch hier immer ein Bebauungsplan. Insofern bleibt die Einflussnahme bzw. die Entscheidungsgewalt stets bei der Kommune und deren politischen Gremien.

 

Über eine räumliche Definition der möglichen Solarenergieanlagen entlang der o.g. Verkehrsstrecken gibt es in der Rechtsprechung noch keine Vorgaben. Daher wird auch im Regionalplan hilfsweise auf die Regelungen des EEG verwiesen. Demnach soll die Errichtung der PV-Freiflächenanlagen auf einen 200 m (ehem. 110 m) breiten Randstreifen beidseitig der Verkehrsinfrastruktur beschränkt werden. Der aktuelle Regionalplan geht allerdings nicht von einem o.g. 15 m-Korridor aus, sondern definiert den zusätzlichen „Freihaltekorridor“ entsprechend den Bauverbotszonen, die beidseitig bei Autobahnen 40 m und bei Bahnstrecken 10 m betragen.

 

Den oben beschriebenen landes- bzw. regionalplanerischen Ansatz „Vermeidung von Nutzungskonflikten“ greift auch die Vergütungsregelung des EEG auf, da der Strom aus PV-Frei-flächenanlagen, die auf sonstigen, im „Hinterland“ der überregionalen Verkehrsbänder befindlichen Ackerflächen oder Grünland stehen, nicht mehr vergütet wird.

 

Zunehmend werden auch „Solarparks“ projektiert, die ohne staatliche Förderung gebaut werden, sich also nur über den Stromverkauf am Markt amortisieren (Voraussetzung: geringe Stromgestehungskosten und steigende Erlöse für Börsenstrom).

 

Letztlich besteht einer der größten Konflikte bei der Flächeninanspruchnahme für PV-Freiflä-chenanlagen in der Flächenkonkurrenz mit der Landwirtschaft. Das Positionspapier des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV; 03.09.2021) ist hier sehr restriktiv formuliert; auch insbesondere unter dem Aspekt der Förderung „bäuerlicher“ und damit flächenbeanspruchender Landwirtschaft. Im Kreis Borken beispielsweise gibt es bereits eine Kommune, die per Ratsbeschluss grundsätzlich alle PV-Freiflächenanlagen ablehnt bzw. keine Bauleitplanung für diese einleitet.

 

Unter Berücksichtigung der Nutzungskonflikte und des Steuerungserfordernisses beschränkt sich demnach auch die Stadt Rheine auf 3 Untersuchungsräume bzw. Korridore für PV-Frei-flächenanlagen: Autobahn A 30, Bahnlinie Rheine–Osnabrück und Bahnlinie Emden–Münster (s. Anlage 1).

 

 

4.         Sonstiger Regelungsbedarf

 

Die verschiedenen Varianten der Freiflächenanlagen haben bedingt durch ihre Ausführung bzw. Bauform unterschiedliche Einwirkungen auf das Landschaftsbild. Niedrigen baulichen Anlagen (flachgeneigte Aufständerung) ist der Vorzug zu geben. Andererseits ist bei senkrechter Aufständerung noch landwirtschaftliche Nutzung in den Zwischenräumen möglich.

 

Letztlich ist vertraglich zu vereinbaren, dass ein Rückbau der Anlagen nach der Nutzungszeit tatsächlich erfolgt und eine Folgenutzung festgesetzt wird.

 

Der Vorlage ist ein „Ablaufschema“ beigefügt, das den Verfahrensgang - nach Erstellung und Berücksichtigung einer Potenzialflächenanalyse - bei externen Anfragen darstellt (s. Anlage 2).

 

Ziel der zu empfehlenden Analyse ist, potenzielle Standorte zu identifizieren und zu bewerten, die erstens innerhalb der regionalplanerischen Festlegungen und zweitens innerhalb der vom EEG vorgegebenen Kriterien liegen und somit für Antragstellende förderfähig sind. Des Weiteren werden eigene städtebauliche Kriterien definiert, die dann in die Potenzialflächenanalyse einfließen. Aufgrund der Ergebnisse werden die möglichen PV-Bereiche abgegrenzt und dienen als Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob Bauleitplanung durchgeführt wird oder nicht.

Die Potenzialflächenanalyse sollte von einem externen Fachbüro, in Abstimmung mit den wichtigen Akteuren wie z.B. dem Netzbetreiber bzw. den Stadtwerken und dem landwirtschaftlichen Ortsverein, erarbeitet werden.

 

 

Auswirkungen auf den kommunalen Klimaschutz

PV-Freiflächenanlagen stellen im Rahmen der o. g. Bedingungen grundsätzlich einen Beitrag zur zukunftsorientierten Versorgung mittels sog. regenerativer Energien dar und leisten dadurch im Ergebnis einen positiven Beitrag auch zum kommunalen Klimaschutz.

Sie stellen andererseits natürlich auch bauliche Anlagen dar, deren Herstellung (und ggf. späterer Rückbau/Entsorgung) Energie verbraucht. Auch ist zu beachten, dass durch die Errichtung solcher Anlagen bisherige Freiflächen (baulich) genutzt werden.

Durch die derzeit geltenden Vorgaben bezüglich Standorten und Planungsrecht wird sichergestellt, dass im Planungsprozess eine umfassende Abwägung im Einzelfall stattfindet, in die die Belange des Klimaschutzes einzustellen sind.

 

 

 

 


Anlagen:

 

Anlage 1:        Übersichtsplan: Korridore für PV-Freiflächenanlagen

Anlage 2:        „Ablaufschema“ bei externen Anfragen