Betreff
Erschließungsanlage "Spechtweg":
Planersetzender Beschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB
Vorlage
394/22
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz empfiehlt dem Rat der Stadt Rheine folgenden Beschluss zu fassen:

 

Der Rat der Stadt Rheine fasst hiermit den bebauungsplanersetzenden Beschluss nach § 125 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB).

Die Erschließungsanlage „Spechtweg“ entspricht den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen und dem Ausbauwillen der Stadt Rheine. Die Abwägungsentscheidungen des Bauausschusses werden zur Kenntnis genommen und bestätigt (s. Anlage 3: Vorlage Nr. 303/20).

Durch die Beschlussfassung liegt die nach § 125 Abs. 2 BauGB geforderte Voraussetzung für die rechtmäßige Herstellung vor.

 


Begründung:

 

1.         Planersatzvorschrift gemäß § 125 Abs. 1 BauGB

 

Durch Erschließungsmaßnahmen wird die bauliche Entwicklung einer Gemeinde vorbereitet bzw. erst möglich gemacht. Damit die bauliche Entwicklung einer Gemeinde den an die städtebauliche Entwicklung und Ordnung zu stellenden Anforderungen genügt, erfordert die Herstellung von Erschließungsanlagen einen rechtskräftigen Bebauungsplan. § 125 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) lautet daher: „Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.“ Bei den Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB, die diesem Planerfordernis unterliegen, handelt es sich im Wesentlichen um öffentliche Straßen, Wege und Plätze sowie Parkflächen und Grünanlagen, soweit sie Bestandteil der Verkehrsanlagen sind.

 

Beiträge für Erschließungsmaßnahmen können nur für rechtmäßig hergestellte Erschließungsanlagen erhoben werden. Der § 125 BauGB ist daher nicht nur von erschließungsrechtlicher Relevanz, sondern auch von erheblicher Bedeutung für das Erschließungsbeitragsrecht.

 

Liegt ein Bebauungsplan nicht oder noch nicht vor oder enthält er keine Festsetzungen zu den Erschließungsanlagen nach § 125 Abs. 1 BauGB, soll aber gleichwohl die Erschließung erstellt werden, so bedarf es der Anwendung des § 125 Abs. 2 BauGB. Dieser lautet: „Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.“ In den Absätzen 4 bis 7 des § 1 BauGB ist festgelegt, was bei der Aufstellung der Bauleitpläne (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) zu beachten ist, welche Belange hierbei insbesondere zu berücksichtigen sind und wie die Abwägung zu erfolgen hat. Diesbezügliche Prüfkriterien gelten unmittelbar und sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung zu beachten. Über die Einhaltung der o.g. Anforderungen muss die Gemeinde entscheiden und den Beschluss schriftlich dokumentieren.

 

Ein bestimmtes förmliches Verfahren wird im Gesetz nicht vorgeschrieben. Es handelt sich um einen gemeinde-internen Vorgang, der jederzeit nachgeholt werden kann und wie in diesem Fall die Herstellungsarbeiten nachträglich legitimiert. Die planersetzende Entscheidung bzw. der Beschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB bedarf auch keiner besonderen Verlautbarung etwa in Form einer Bekanntmachung.

 

Nach dem Urteil des OVG NRW vom 08.05.2009 ist für die in § 125 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 1 Abs. 7 BauGB geforderte Abwägung in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich der Gemeinderat zuständig. Insofern sind - entsprechend der Zuständigkeitsordnung der Stadt Rheine - hinsichtlich der „Planfeststellungs- und Bauleitplanverfahren für Straßenplanungen“ die Vorberatung dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Klimaschutz und die Entscheidung dem Stadtrat vorbehalten bzw. zugeordnet.

 

 

2.         Anwendungsfall „Spechtweg“

 

Für die Erschließungsanlage Spechtweg (von Eichelhäherstraße bis Wendehammer; inkl. Stichweg vom Wendehammer bis Haus Nr. 11 a+b) besteht kein Bebauungsplan. Die Anlage und die von ihr erschlossenen Grundstücke liegen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils gemäß § 34 BauGB und damit im unbeplanten Innenbereich (s. Anlage 1: Übersichtplan/ Flurkarte).

 

Von seinem Verlauf zweigt der Spechtweg in nördliche Richtung von der Eichelhäherstraße ab und führt nach ca. 80 m rechtwinklig nach Westen weiter. Die Gesamtlänge der Anlage beträgt bis zum Ende des Wendehammers insgesamt ca. 120 m. Von der Breite weist die Straße eine Abmessung von 5,50 m bis 7,00 m auf, im Wendehammer etwa 12,00 m.

Vom Wendehammer zweigt ein ca. 3 m breiter Stichweg von etwa 20 m Länge in südliche Richtung ab, der die Zufahrt zu den Adressen am Spechtweg 11 a und b ermöglicht und Bestandteil der Anlage ist.

Insgesamt umfasst das Straßengrundstück des Flurstücks 666 eine Fläche von 970 m², inkl. des Wendehammers sowie des Stichweges in südliche Richtung.

 

Von der Anlage werden 13 Wohn-Grundstücke erschlossen. Bei zwei Grundstücken handelt es sich hierbei um Eckgrundstücke (Eichelhäherstraße/Spechtweg). Der o.g. Stichweg von rund 20 m Länge ermöglicht darüber hinaus die Zufahrt zu dem rückwärtigen Teil des Grundstückes Eichelhäherstraße 3 (Spechtweg 11 a und b; Flurstück 904), welches hierdurch ebenfalls erschlossen wird. Nach seiner Länge und Verlauf sowie nach der Anzahl der von ihm erschlossenen Grundstücke ist der Spechtweg eine selbstständige, zum Anbau bestimmte Straße gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.

 

Wie oben erläutert, darf bei Erschließungsanlagen bzw. Straßen oder Straßenabschnitten, die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, die Herstellung sowie die Heranziehung zum endgültigen Erschließungsbeitrag nur erfolgen, wenn die Anlagen bzw. Straßen den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB entsprechen. Dabei sind nur die Anforderungen zu prüfen, die die Straße als solche und gegebenenfalls das angrenzende Straßennetz betreffen.

 

 

3.         Vorliegen der Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB

 

3.1       Ziele der Raumordnung

 

Raumordnerisch ist die Stadt Rheine als Mittelzentrum festgelegt, ihr obliegt somit die Aufgabe der Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge für die Bevölkerung. Gemäß dem Regionalplan Münsterland befindet sich der Spechtweg mit seinem Umfeld innerhalb des „Allgemeinen Siedlungsbereiches“ und gehört zu einem gewachsenen Ortsteil, Stadtteil Mesum.

 

Der Spechtweg – der bis zur kommunalen Neugliederung (1975) den Straßennamen „Schnepfenweg“ trug – entwickelte sich im Zuge der ersten Ansiedlungen innerhalb der umliegenden Wohnbebauung. Bis etwa zum Jahr 1970 war der Spechtweg in der Örtlichkeit nicht vorhanden. Der erforderliche Grunderwerb für den gesamten Spechtweg wurde in den Jahren 1972 bis 1974 getätigt. Gemäß der „Kanalakte des Tiefbauamtes der Stadt Rheine“ wurde 1971 der (Schmutzwasser-)Kanal von der Eichendorffstraße (heute: Eichelhäherstraße) bis in den Spechtweg gelegt. In den Jahren 1972 bis 1975 wurden die Kanalanschlussbeiträge erhoben.

 

Die umliegende Wohnbebauung entwickelte sich ab dem Jahr 1971. Mit Verweis auf vorhandene Luftbilder von 1975 existierten die Gebäude Spechtweg 3 und 7/8 bereits. Unter Rückgriff auf die Luftbilder 1982 kamen in der Zwischenzeit die Wohnhäuser Spechtweg 8, 10, 12 und 13 hinzu und bis zum Jahr 2000 wurde das Wohngebäude am Spechtweg 4 errichtet. Das Gebäude am Spechtweg 1 wurde um das Jahr 2008 erbaut. Für den Spechtweg 9 a und b wurde ein Bauantrag 2017 gestellt. Das Grundstück Spechtweg 6 ist noch unbebaut.

 

Die Erschließungsanlage „Spechtweg“ befindet sich innerhalb eines „Allgemeinen Siedlungsbereiches“ und gewachsenen Ortsteils. Sie steht den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung nicht entgegen bzw. entspricht den Anforderungen des § 1 Abs. 4 BauGB.

Zudem hat der Ausbau einer einzelnen Erschließungsstraße in einem bestehenden Wohngebiet nur kleinräumige, weniger raumordnerische Auswirkungen. Die Ziele der überörtlichen Planung sind hier nicht betroffen.

 

 

3.2     Nachhaltige städtebauliche Entwicklung

 

Der Spechtweg schließt an durchgehend bebaute Bereiche (Eichelhäherstraße, Ringstraße, Buchfinkenstraße, Kranichstraße usw.) an. Die Erschließungsanlage liegt im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB.

 

Aufgrund seiner Verkehrsbedeutung und Lage im Straßennetz ist der Spechtweg heute als Anliegerstraße einzustufen, die die umliegenden Baugrundstücke erschließt.

Er hat eine unmittelbare Erschließungsfunktion für 13 Wohngrundstücke. Der Spechtweg dient also insbesondere der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 5 BauGB, da er für die Erschließung der anliegenden Grundstücke in der Ortslage zwingend notwendig ist.

 

 

3.3     Berücksichtigung städtebaulicher und sonstiger Belange / Ausgestaltung

 

Die Erschließungsanlage „Spechtweg“ dient den Belangen des Kataloges in § 1 Abs. 6 BauGB und insbesondere den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs. Die Investition in öffentliche Infrastruktur, wie beispielsweise Erschließungsanlagen, leistet einen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung. Entgegenstehende Belange sind nicht ersichtlich.

 

 

Straßenverlauf

 

Der Spechtweg zweigt in nördliche Richtung von der Eichelhäherstraße ab und knickt nach ca. 80 m rechtwinklig nach Westen ab. Insgesamt hat die Erschließungsanlage bis zum Wendehammer eine Länge von ca. 120 m. Von der Breite weist die Straße eine Abmessung von 5,50 m bis 7,00 m auf, im Wendehammer etwa 12,00 m.

 

Vom Wendehammer zweigt ein ca. 3 m breiter Stichweg von etwa 20 m Länge in südliche Richtung ab, der die Zufahrt zu den Adressen am Spechtweg 11 a und b (rückwärtiger Teil des Grundstückes Eichelhäherstraße 3, Flurstück 904) ermöglicht und Bestandteil der Anlage ist. Der Spechtweg liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils gemäß § 34 BauGB und damit im unbeplanten Innenbereich.

 

 

Funktion der Straße und Bauprogramm

 

Im Flächennutzungsplan der Stadt Rheine ist das betreffende Gebiet als Wohnbaufläche dargestellt. Die Straßenanlage dient der Erschließung der anliegenden Wohngrundstücke. Aufgrund seiner Verkehrsbedeutung und Lage im Straßennetz ist der Spechtweg als Anliegerstraße bzw. Wohnstraße einzustufen.

 

In seiner Sitzung am 17.09.2020 hat der Bauausschuss der Stadt Rheine folgendes Bauprogramm für den Ausbau des Spechtweges beschlossen (s. Anlage 2: Lage-/Ausbauplan).

 

Ausbau im Mischprinzip mit folgenden Teileinrichtungen:

1.      Mischfläche, bestehend aus niveaugleicher Fahr- und Gehwegfläche mit Unterbau und einer Decke aus grauem bzw. rotem Betonsteinpflaster im Wechsel;

2.      Straßenentwässerung (mittig verlaufende Rinne) mit Anschluss an den geplanten Regenwasserkanal (Straßenablauf); mit einer Verschlechterung des Wasserrückhaltes und des vorsorgenden Hochwasserschutzes ist nicht zu rechnen;

3.      betriebsfertige elektrische Straßenbeleuchtung; energieeffiziente Leuchten mit Leuchtpunkthöhe von 6 m in angemessenen Abständen.

 

Es wird auf die Kennzeichnung von Parkflächen und auf die Anlegung von Grünbeeten verzichtet. Damit entfallen die Merkmale eines „verkehrsberuhigten Bereichs“, d.h. die Verkehrsfläche wird als eine „auf der ganzen Breite befahrbare Mischfläche“ hergestellt.

 

 

Umwelt / Wechselwirkungen

 

Durch die Herstellung der Erschließungsanlage ergibt sich keine Erhöhung des Verkehrsaufkommens. Der Ausbau trägt zu einer Verbesserung des Wohnumfeldes sowie zu einer positiven Gestaltung des Orts- und Straßenbildes bei.

Da der Spechtweg in seiner Grundkonzeption bereits vorhanden war, ist davon auszugehen, dass die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz nicht erfüllt sind. Artenschutzrechtliche Belange sind daher nicht betroffen.         

Für die Maßnahme wurden keine Flächen neu in Anspruch genommen oder versiegelt. Den Belangen des Bodenschutzes und des sparsamen Umgangs mit Flächen ist Rechnung getragen.

 

Hinsichtlich der Auswirkungen auf den kommunalen Klimaschutz ist festzuhalten, dass der Endausbau der Straße u.a. aufgrund fehlender Begrünungsmaßnahmen keinen grundsätzlichen Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas oder der Erhöhung der CO2-Speicherfähigkeit von Böden leistet und somit kein aktiver Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele der Stadt Rheine erzielt werden. 

Gleichwohl werden zur Reduktion des Verbrauches von fossilen Energieträgern energieeffiziente Straßenleuchten eingesetzt, die in der Nacht stundenweise abgeschaltet werden können.

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Belange des Umweltschutzes berücksichtigt wurden und der Ausbau des Spechtweges den Umweltzustand des Planbereichs nicht negativ beeinflusst hat.

 

 

3.4       Abwägung öffentlicher und privater Belange

 

Der Spechtweg ist zur Erschließung der anliegenden, privaten Grundstücke erforderlich. Es besteht außerdem ein öffentliches Interesse an der Straße als Bestandteil des gesamtstädtischen bzw. quartierbezogenen Straßennetzes. Damit besteht sowohl ein privates Interesse der Grundstückseigentümer als auch ein öffentliches Interesse an der erstmaligen, endgültigen Herstellung dieser Straße.

 

Die konkrete Straßenausbauplanung ist in einem formalen Verfahren mit Offenlage der Planung, mit Stellungnahmen und Eingaben sowie mit ausführlichen Abwägungen gemäß § 1 Abs. 7 BauGB erfolgt und vom Bauausschuss am 17.09.2020 beschlossen worden. Die Vorlage Nr. 303/20 (s. Anlage 3) dokumentiert die Abwägungsentscheidung sowie die Festlegung des Bauprogramms.

Im Ergebnis sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen worden. Insofern ist der Ausbau bzw. die Herstellung der Erschließungsanlage „Spechtweg“ ordnungsgemäß und rechtskonform erfolgt.

 

 

4.       Beschlusserfordernis

 

Bei erstmaliger Herstellung der Erschließungsanlage „Spechtweg“, für die nach § 127 Abs. 1 BauGB Erschließungsbeiträge erhoben werden, ist ein bebauungsplanersetzender Beschluss des Rates gemäß § 125 Abs. 2 BauGB notwendig. Nur damit kann eine rechtssichere Erhebung von Erschließungsbeiträgen mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durchgeführt werden. Insofern ist der Beschluss des Rates erforderlich.

 


 

Anlagen:

 

Anlage 1:        Übersichtsplan / Flurkarte

Anlage 2:        Lage- / Ausbauplan

Anlage 3:        Vorlage Nr. 303/20