Betreff
Prüfung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz 2011 Antrag der CDU-Fraktion und FDP-Fraktion vom 24.05.2011
Vorlage
267/11/2
Aktenzeichen
FB 3/30 Cl
Art
Beschlussvorlage
Referenzvorlage

Beschlussvorschlag/Empfehlung:

 

Der Rat der Stadt beschließt, sich nicht an einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2011 zu beteiligen.


Begründung:

 

Auf die Ursprungsvorlage 267/11 und die Ergänzungsvorlage 267/11/1 wird verwiesen.

Der Haupt- und Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 28.06.2011 folgenden Beschluss gefasst:

 

Gegen den Zuwendungsbescheid vom 8. Juni 2011 soll zunächst fristwahrend Klage beim Verwaltungsgericht in Münster eingelegt werden.

 

Dies ist zwischenzeitlich geschehen.

Der Haupt- und Finanzausschuss hat keinen Beschluss zu der Frage gefasst, ob sich die Stadt Rheine an einer Verfassungsbeschwerde gegen das GFG 2011 beteiligen soll. Vielmehr wurde insoweit der Beschluss dem Rat in seiner Sitzung am 19. Juli 2011 vorbehalten.

 

In der damaligen Sitzung wurde der Punkt einstimmig von der Tagesordnung abgesetzt, da am selben Tag das Urteil des Verfassungsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen zum GFG 2008 bekannt wurde. Die Begründung dieses Urteils sollte abgewartet und erst in der Ratssitzung im Oktober 2011 entschieden werden.

 

Wie bekannt, hat der Verfassungsgerichtshof durch Urteil vom 19. Juli 2011 die Verfassungsbeschwerde des Kreises Recklinghausen und der diesem angehörenden Kommunen gegen das GFG 2008 zurückgewiesen. In der Anlage wird der Schnellbrief Nr. 116/11 des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2011 zur Kenntnis gegeben. Dieser Schnellbrief enthält die Leitsätze des 42 Seiten umfassenden Urteils und die wesentlichen Aussagen aus der Urteilsbegründung. Diese sollen hier deshalb nur kurz aufgeführt werden.

 

Der Verfassungsgerichtshof führt aus, dass zwar das aus Art. 78 LV NRW resultierende Recht auf Selbstverwaltung auch einen gegen das Land gerichteten Anspruch auf angemessene Finanzausstattung beinhalte, dass er aber nur zu prüfen habe, ob gerade die angegriffenen Bestimmungen des GFG 2008 innerhalb des vielschichtigen Systems kommunaler Finanzausstattung mit dem Recht auf Selbstverwaltung vereinbar sei. Dies sei vorliegend der Fall.

 

Das Gericht führt aus, dass zunächst die Zubilligung des kommunalen Finanzausgleichs unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes stehe. Auch hänge die Angemessenheit der Finanzausstattung der Kommunen von der Aufgabenverteilung zwischen Staat, den Gemeinden und Gemeindeverbänden ab. Nach dem Wortlaut der Verfassung sei nicht einmal eine kommunale Mindestfinanzausstattung unabhängig von der Finanzkraft des Landes zu gewähren. Eine absolute Untergrenze der kommunalen Finanzausstattung sei verfassungsrechtlich nicht vorgesehen.

 

Der Landesgesetzgeber sei darüber hinaus an das interkommunale Gleichbehandlungsgebot gebunden. Dabei habe der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob der Normgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung gewählt habe. Vielmehr dürften die gemeindliche Pluralität und Individualität nicht nivelliert werden.

Der Gesetzgeber habe einen weiten Gestaltungsspielraum, in welcher Art und in welchem Umfang er den gemeindlichen Finanzausstattungsanspruch erfülle und wie er die Finanzmittel auf die Kommunen verteile.

Letztlich verweist der Verfassungsgerichtshof darauf, dass die Verteilungsmaßstäbe nicht an der einzelnen Gemeinde, sondern nur generalisierend und pauschalierend an der Gesamtheit der Gemeinden ausgerichtet sein könne.

 

Ausgehend von diesen Maßstäben seien die Beschwerdeführer nicht in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt. Eine Verpflichtung des Landes zur Aufnahme von Schulden im Interesse einer umfangreicheren kommunalen Finanzausstattung sei in der Verfassung nicht enthalten. Selbst wenn einer einzelnen Gemeinde auf Grund ihrer Finanzlage ein Anspruch auf ergänzende Finanzausstattung zustehe, führe dieser Anspruch nicht zur Verfassungswidrigkeit des GFG 2008.

 

 

Der Städte- und Gemeindebund NRW verweist in seiner Stellungnahme vom 27. Mai 2011 (Anlage 2 der Vorlage Nr. 267/11) auf die Komplexität einer solchen Verfassungsbeschwerde und hält fest, „dass es auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Münster zu den kommunalen Finanzausgleichsgesetzen nicht möglich sei, eine eindeutige Empfehlung auszusprechen“.

 

Angesichts der Komplexität der Materie sieht sich auch die Verwaltung außerstande, eine endgültige Bewertung zu den Aussichten einer solchen Verfassungsbeschwerde abzugeben. Dies ist letztlich auch nicht der renommierten Anwaltskanzlei Hoppenberg, die von den Klägern gegen das GFG 2011 eingeschaltet worden ist, möglich.

 

Es sei jedoch an dieser Stelle auf die Ergebnisse der letzten Verfassungsbeschwerden gegen die einzelnen Gemeindefinanzierungsgesetze verwiesen. Die Verfassungsbeschwerden gegen das GFG 1996, das GFG 2001, das GFG 2006 und nunmehr gegen das GFG 2008 hatten allesamt keinen Erfolg.

Dies zeigt ebenfalls deutlich den dem Landesgesetzgeber eingeräumten weiten Gestaltungspielraum.

 

Festgehalten werden kann daher, dass es richtig und notwendig war, die Bestandskraft des Zuwendungsbescheides durch Einlegung einer Verpflichtungsklage zu verhindern, um bei einem evtl. Erfolg der Verfassungsbeschwerde sich die Möglichkeit zu bewahren, eine höhere Zuweisung zu erhalten. Eine Beteiligung an der von anderen Kommunen eingelegten Verfassungsbeschwerde ist dafür jedoch nicht erforderlich.

 

Angesichts des ungewissen Ausgangs der Verfassungsbeschwerde gegen das GFG 2011 und des damit verbundenen Kostenrisikos wird eine Beteiligung an der von anderen Kommunen eingelegten Verfassungsbeschwerde nicht empfohlen.


Anlage:

 

Schnellbrief des Städte- und Gemeindebundes NRW vom 21.07.2011